A/N: So, meine lieben Leser, heute gibt es eine kleine Osterüberraschung für euch.
Ich hatte am Wochenende etwas Zeit zum Schreiben übrig und- Gott sei Dank- auch endlich mal wieder Musenbesuch. Ich hoffe, euch gefällt das Ergebnis meiner Arbeit; ich, meinerseits, bin sehr mit mir zufrieden. Es folgt ein typisches "Moni-Dramaqueen-Kapitel"...
Es wird zum ersten Mal, wie angekündigt, Flashbacks geben, die zeigen, was passiert ist, nachdem John Athos Creek verlassen hat...
Seid gespannt. 
Viel Spaß beim Lesen und ich freue mich wie immer, zu hören, wie es euch gefallen hat.
LG, eure Moni
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Kapitel Vier
Athos Creek, 1880
„Und Du bist Dir wirklich ganz sicher?“, fragte Vala, reichte Teyla eine dampfende Tasse Tee und setzte sich neben sie an den Küchentisch. „Das bisschen Übelkeit muss noch lange nicht bedeuten, dass Du schwanger bist, Liebes. Vielleicht hast Du einfach nur etwas Falsches gegessen oder Dir irgendeinen harmlosen Virus eingefangen“, versuchte sie ihr Gegenüber aufzuheitern.
Ein erschöpftes Seufzen entrang sich Teylas Kehle, und sie schüttelte wortlos den Kopf. Wenn es doch nur so wäre, dachte sie, führte mit zitternden Händen die Tasse zu ihrem Mund und trank einen zögerlichen Schluck. Der Tee schmeckte gut, da es aber das erste war, was sie an diesem Tag zu sich nahm, wagte sie es nicht sofort, einen weiteren Schluck zu trinken. Erst als sie sich sicher war, dass der Tee dort blieb, wo er war, nippte Teyla wieder an dem heißen Getränk. Nach und nach breitete sich eine wohltuende Wärme in ihrem Inneren aus, und sie spürte, dass sie langsam wieder zu Kräften kam.
„Ach, Liebes“, Vala seufzte, ergriff ihre Hand und drückte sie aufmunternd, „es wird alles gut werden“, versicherte sie ihr und schloss sie in eine feste, freundschaftliche Umarmung. Tief einatmend lehnte Teyla sich an sie und erwiderte die Umarmung.
„Ich freue mich für Dich, Teyla“, hörte sie Vala sagen und spürte, wie ihre Freundin ihr beruhigend über den Rücken strich. „Ein Kind ist etwas ganz Wundervolles, ganz egal wie die Umstände sein mögen.“
„Ich wünschte nur, sie wären weniger… kompliziert“, entgegnete Teyla seufzend und löste sich von Vala, woraufhin diese sie mit einem mitfühlenden, aber auch vorsichtigen Lächeln bedachte.
„Und es besteht kein Zweifel daran, dass er der Vater ist?“, fragte sie, während sie ihnen Tee nachschenkte.
„Nein“, Teyla schüttelte bestürzt den Kopf und kniff die Lippen zusammen. Mit einem Mal waren ihre Finger eiskalt, als flösse kein Blut mehr durch sie hindurch, also legte sie die Hände um die Tasse, um sie daran zu wärmen.
„Ich war mit keinem anderen Mann außer ihm zusammen“, fuhr sie schließlich fort. „Das Kind, das ich erwarte, ist von ihm.“
Ihr Gegenüber musterte sie abwägend.
„Was wirst Du jetzt tun?“
Teyla zuckte mit den Achseln. Es war eine Frage, die sie sich, seit sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, oft selbst gestellt hatte, doch bis jetzt hatte sie keine Antwort gefunden.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie Vala daher und strich mit dem Finger über den Rand ihrer Tasse. „Er ist fort. Ich weiß ehrlich nicht, was ich jetzt tun soll.“
„Und er hat Dir nicht gesagt, wohin er geht?“ Unverständnis gepaart mit dem Anflug von Entrüstung schwang in Valas Stimme mit.
„Nein, das hat er nicht“, antwortete Teyla, und ganz plötzlich krümmten sich ihre Lippen zu einem bitteren Lächeln. „Und auch wenn er es mir gesagt hätte, weiß ich nicht, ob das etwas ändern würde.“
Vala zog die Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn.
„Du willst dieses Kind doch… oder?“, fragte sie.
Teyla öffnete den Mund, um ihr zu antworten, überlegte es sich dann aber anders und schloss ihn wieder und blieb Vala eine Antwort schuldig. Stattdessen legte sie eine Hand auf ihren noch ganz flachen Bauch, an die Stelle, wo sie ihr ungeborenes Kind vermutete. Es fiel ihr immer noch schwer, sich vorzustellen, dass in ihr tatsächlich ein richtiger kleiner Mensch heranwuchs, aber die Anzeichen- die Übelkeit am Morgen, das Ausbleiben ihrer Monatsblutung, das Ziehen in ihren Brüsten, die ständige Abgeschlagenheit- ließen sich nicht länger ignorieren.
Sie war schwanger. Sie würde tatsächlich ein Kind bekommen. Ihr Kind. Johns Kind.
Sie wusste sehr wohl, worauf Valas Frage abgezielt hatte, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann musste sie sich eingestehen, dass sie die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte. Es war schrecklich für sie gewesen, herauszufinden, dass John die Stadt verlassen hatte, und jetzt kam auch noch die Gewissheit hinzu, dass sie sein Kind unter ihrem Herzen trug. Allein bei dem Gedanken daran, was die Leute von ihr denken würden, wurde Teyla angst und bange. Sie war nicht verheiratet und erwartete von einer flüchtigen Männerbekanntschaft, die noch in derselben Nacht die Stadt verlassen hatte, ein Kind; ihr guter Ruf stand auf dem Spiel. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht, dem Ganzen… wie sagte man…ein Ende zu bereiten, und sie wusste, dass es in Abydos City jemanden gab, der ihr für wenig Geld dabei ‚behilflich‘ sein konnte, das Problem für immer aus der Welt zu schaffen…
„Teyla?“ Vala, die ahnte, welchen schweren inneren Konflikt sie gerade zu bewältigen versuchte, legte eine Hand auf ihren Arm. Als Teyla daraufhin ihren Kopf ein Stück anhob und ihre Freundin ansah, fragte diese sie ohne jeden Vorwurf in der Stimme. „Willst Du dieses Kind?“
Teyla streichelte ihren Bauch, und für den Bruchteil einer Sekunde stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, als sie sich nämlich vorzustellen versuchte, wie ein Kind von John und ihr wohl aussehen würde. Dann verschwand das Lächeln so schnell, wie es aufgetaucht war.
Valas Frage hing immer noch in der Luft, und Teyla schaute auf ihre Hände hinunter, als fände sie dort eine Antwort.
Eine Antwort, die sie, wenn sie ganz ehrlich war, schon längst wusste, sich bisher aber nicht auszusprechen getraut hatte.
„Ja“, sagte sie schließlich, und noch während sie dieses eine, womöglich alles entscheidende und alles verändernde Wort aussprach, wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. „Ich will dieses Kind.“
ooOOoo
Athos Creek, Gegenwart
„Wann genau hattest Du vor, mir zu sagen, dass ich einen Sohn habe?“ Die Worte ertönten wie ein Donnerhall, und Teyla spürte, wie ihr Herz einige Schläge aussetzte, bevor es im stolpernden Takt wieder seine Arbeit aufnahm. Johns Miene war absolut undurchdringlich, nur seine Augen verrieten die brodelnden Emotionen, die er in diesem Moment nur unterdrückte, weil der Anstand es verlangte. Er hätte sie anschreien können, tat es aber nicht. Dennoch beschleunigte Teylas Atem sich, und ihr Herz pochte so laut, dass sie befürchtete, ihr Gegenüber könnte es hören. Dies war der Moment, vor dem sie sich all die Jahre gefürchtet hatte, und es gab kein Entkommen. Johns breite Schultern versperrten die Tür und somit ihre einzige Möglichkeit, dieser unangenehmen Situation zu entfliehen, und selbst wenn sie es darauf angelegt hätte, wäre sie keinesfalls einfach so an ihm vorbeigekommen; er überragte sie um mindestens einen Kopf und war um einiges stärker als sie.
Aber allem voran schien er entschlossen zu sein, die Wahrheit zu erfahren.
„Schau mich an“, befahl er ihr, und nach kurzem Zögern tat Teyla, wie ihr geheißen, und sah ihn an. Seine Stimme war ruhig und obschon er bemüht war, es nach außen hin nicht zu zeigen, wusste sie, dass er wütend war. In der Ader an seiner Schläfer pochte das Blut, und seine Schultern waren verspannt. Er fixierte sie mit versteinerter Miene, und seine Augen glühten tief in ihren Höhlen. So, wie er sie jetzt ansah, erinnerte er sie verrückterweise an Torren; ihr Sohn pflegte ihr einen ähnlichen Blick zu zuwerfen, wenn er nicht bekam, was er wollte.
Teyla schluckte und blinzelte, woraufhin Johns Miene sich erneut verschloss. Sein Blick umwölkte, und das Feuer in seinen Augen erlosch.
„Es ist also wahr“, sagte er tonlos, stieß sich mit den Ellenbogen vom Türrahmen ab und kam langsam auf sie zu. Er schien ihr dieses Mal bewusst keine Frage gestellt zu haben, und da Teyla wusste, dass es keinen Zweck mehr hatte, die Wahrheit länger zu verleugnen, nickte sie. Das Spiel war aus, die Würfel waren endgültig gefallen…
„Ja, es ist wahr“, entgegnete sie und reckte ihr Kinn etwas höher, als er dicht vor sie trat und über ihr aufragte. Ihre Augen brannten sich tief in die seinen, als sie sagte: „Du hast einen Sohn.“
John stieß hörbar den Atem aus.
„Ich habe einen Sohn“, wiederholte er, und das Leben kehrte in sein Gesicht zurück. Er blinzelte hektisch, machte dann plötzlich einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand durch Haar, murmelte etwas, das nach einem Fluch klang. Kopfschüttelnd drehte er sich um und ging ein paar Schritte, um das Gesagte zu verdauen. Plötzlich blieb er stehen, und Teyla konnte hören, wie er tief durchatmete, und sah die fahrige Geste, mit der er sich über den Nacken rieb. Dann drehte er sich um und sah sie durch zusammengekniffene Augen an.
„Hattest Du vor, es mir überhaupt zu erzählen?“, fragte er, seine Stimme klang jedoch nicht wütend, sondern traurig und enttäuscht. Er zog seine dunklen Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten. „Denkst Du nicht ich wäre irgendwann von selbst darauf gekommen?“
Sein Schatten fiel auf sie, und Teyla blickte zu ihm empor. Zum ersten Mal betrachtete sie ihn jetzt genauer. Er hatte sich verändert, war älter geworden. Sein dichtes, dunkles Haar begann an den Schläfen bereits leicht an Farbkraft zu verlieren und zu ergrauen, und kleine Fältchen hatten sich rund um seine haselgrünen Augen eingegraben, aber seine ausgeprägten, attraktiven Gesichtszüge waren noch dieselben. Auch seinen schlanken, sehnigen Körperbau hatte er über die Jahre nicht einbüßen müssen, obschon seine Schultern und Arme nicht mehr ganz so muskulös wie früher waren. Dessen ungeachtet war er im Vergleich zu den Männern, denen sie sonst begegnete, geradezu unverschämt gut aussehend. Seine Kleidung war auffallend elegant und wirkte teuer. Er trug einen dunkelbraunen Frackmantel aus Schurwolle, der vermutlich ein kleines Vermögen gekostet hatte, dazu ein gebügeltes, gestärktes schneeweißes Hemd, darüber eine farblich zum Mantel passende, doppelreihig geknöpfte Samtweste, eine dunkle Hose und Lederstiefel.
Teylas Blick huschte wieder hinauf zu seinem Gesicht. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er einen Bart getragen; jetzt war sein Gesicht, bis auf einige wenige dunkle Bartstoppeln seitlich an den Wangen, am Kinn und über seinen Lippen, glatt rasiert, was ihn gleichzeitig jünger und attraktiver machte.
„Wieso hast Du nichts gesagt?“, fragte John noch einmal und musterte sie auf dieselbe eindringliche Art und Weise wie es auch Torren immer zu tun pflegte. Es war geradezu unheimlich, wie sehr sich die beiden ähnelten, und auf einmal überkam Teyla ein beengendes Angstgefühl und sie fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn Vater und Sohn das erste Mal aufeinander treffen würden. Sie hatte Torren nie gesagt, wer sein Vater war; schlimmer noch, sie hatte ihren Sohn in dem Glauben gelassen, dass sein Vater tot sei. Sie hatte ihn belogen, da sie nicht damit gerechnet hatte, dass John jemals nach Athos Creek zurückkehren und die Wahrheit erfahren würde.
Die Gedanken begannen in ihrem Kopf umherzuwirbeln, und mit einem Mal fühlte sie sich schwach und schwindelig, und die Welt begann sich um sie herum zu drehen. Sie sah, wie sich Johns Lippen erneut bewegten, doch das laute Summen in ihren Ohren übertönte seine besorgte Stimme. Sie kniff die Augen zusammen und bewegte den Kopf, versuchte die Benommenheit, die sie befallen hatte, abzuschütteln. Plötzlich spürte sie eine stützende Hand unter ihrem Ellenbogen.
Vorsichtig legte John seinen Arm um ihre Taille, doch sein Griff verfestigte sich rasch, als ihre Knie unter ihr nachgaben.
„Komm“, sagte er und wollte sie zur Treppe hinüber führen, damit sie sich einen Augenblick setzen konnte, doch Teyla schüttelte den Kopf.
„Es geht schon wieder“, meinte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu lösen, doch John hielt sie fest und starrte sie durchdringend an. Sein Blick glitt langsam über ihr Gesicht, und schließlich öffnete er den Mund, so, als wolle er etwas sagen, und doch kam kein Wort über seine fein geschwungenen Lippen. Plötzlich berührte etwas Warmes sanft ihr Gesicht, und Teyla erschauderte, als John mit seinem Daumen über ihre Wange strich.
„Bitte… nicht“, flüsterte sie und schüttelte wieder den Kopf, doch ihr Gegenüber ignorierte ihren Einwand, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es sachte an.
„All die Jahre…“, seufzte er, und Teyla spürte seinen warmen Atem auf ihren Lippen. Johns Augen flackerten unruhig, während er nach den richtigen Worten zu suchen schien.
„Bitte, John“, flehte Teyla, „lass mich los.“ Ihr Herz begann schneller zu schlagen und sie spürte, wie ihr Körper sich versteifte. Obwohl sie sich sträubte, ließ John nicht von ihr ab, und Teyla erschauderte, als er begann, sie an sich zu ziehen.
„Nein“, zischte sie, stemmte beide Hände gegen seine Brust und schob ihn von sich weg. Sie hatte keine Ahnung, was er beabsichtigte, sie wusste lediglich, dass sie seine Berührung nach wie vor nicht ertragen konnte. Selbst seine Nähe war ihr plötzlich unangenehm, und der feinherbe Duft seines Rasierwassers schnürte ihr die Kehle zu.
„Teyla…“ John langte nach ihr, doch seine Hände griffen ins Leere.
„Wag es ja nicht, dieses Spiel noch einmal mit mir zu spielen!“, knurrte sie und funkelte ihn finster an.
„Bitte... Teyla, es… es tut mir leid“, beteuerte er und sah sie mit flehendem Blick an. „Bitte… bitte, lass es mich Dir doch erklären. Ich wollte nicht-“
„Was wolltest Du nicht, John?“, fiel Teyla ihm aufgebracht ins Wort. Sie war im Flur einige Schritte auf und ab marschiert, um sich zu beruhigen, wirbelte jetzt jedoch herum und ging mit anklagend erhobenem Zeigefinger auf ihn los. „Du hast mir damals etwas vorgemacht. Du hast mich angelogen“, schimpfte sie.
„Ich habe Dich zu keiner Zeit angelogen, Teyla“, verteidigte sich John.
Teyla zog die Augenbrauen hoch.
„Ach nein, wirklich nicht?“, erwiderte sie. „Und das soll ich Dir jetzt glauben, John Sheppard?“
„Ja, Herrgott, das sollst Du“, rief ihr Gegenüber aufgebracht. Er hatte Mühe, seine Stimme gesenkt zu halten, und fuhr sich verzweifelt durchs Haar. „Wenn Du mich doch nur anhören würdest- ich kann Dir alles erklären, Teyla. Bitte... hör mir zu“, wiederholte er, doch Teyla schüttelte den Kopf.
„Dafür ist es jetzt zu spät, John“, sagte sie gepresst und wandte ihren Blick zur Seite. „Du hattest sechs Jahre Zeit, es mir zu erklären… Jetzt ist es zu spät.“ Sie drehte sich um und wollte gehen, doch auf einmal spürte sie, wie John sie am Arm festhielt.
„Was ist mit dem Jungen?“, rief er. „Wirst Du mir wenigstens erlauben, ihn zu sehen?“, fragte er, und in seiner Stimme schwang eine gewisse Verzweiflung mit. Teyla seufzte innerlich, denn ihr war bewusst, dass sie John diese Bitte anders als jene, ihr zu erklären, warum er Athos Creek damals verlassen hatte, nicht abschlagen konnte. Die Vorstellung, jedoch, wie ihr Sohn reagieren würde, wenn er herausfand, dass sie ihn sein ganzes Leben lang belogen hatte, beunruhigte sie zutiefst. Torren war ein sehr feinfühliges Kind und er hatte in seinem Leben bereits weitaus mehr durchmachen müssen als gut für ihn war. Sie war nicht in der Lage, sich ausmalen, wie ihn diese neue Veränderung beeinflussen würde. Nur der Herrgott im Himmel allein vermochte zu sagen, was geschehen würde, wenn ihr kleiner Junge nach all dieser Zeit die Wahrheit erfuhr…
Andererseits konnte sie John das Recht, seinen Sohn zu sehen, nicht so einfach verwehren. Er war der Vater des Jungen und nur, weil sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, konnte sie ihm nicht den Umgang mit Torren verbieten. Sie hatte am eigenen Leib erfahren müssen, was es bedeutete, mit nur einem Elternteil aufzuwachsen. Ihre Mutter war wenige Tage nach ihrer Geburt dem Kindbettfieber zum Opfer gefallen und ihr Vater hatte sie allein großziehen müssen. Das Leben hatte es nicht immer gut mit ihrer Familie gemeint, und ihr Vater und sie hatten schwere Zeiten durchleben müssen. Wie oft hatte sie sich nach der tröstenden Umarmung ihrer Mutter gesehnt; ihr Vater hatte sein Bestes getan, aber es war einfach nicht dasselbe gewesen. Obwohl sie ihre Mutter nie kennengelernt hatte, fehlte sie ihr.
Und Torren fehlte sein Vater. Teyla seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass sie, wenn sie über Torren nachdachte, im gleichen Gedankengang an ihre eigene Kindheit erinnert wurde. Doch anders als sie würde Torren vielleicht die Gelegenheit bekommen, seinen Vater kennenzulernen. Es lag ganz bei ihr. Sie musste Johns Bitte nur zustimmen…
„Teyla?“ Johns nervöse Stimme riss sie aus den Gedanken. Sie schluckte. Es lag an ihr. Sie musste nur zustimmen.
Sie zögerte noch einen Moment lang, doch dann begann sie langsam, ganz langsam zu nicken.
„Ich werde Dir erlauben, ihn zu sehen“, sagte sie schließlich, woraufhin Johns rechter Mundwinkel leicht nach oben zuckte. Er machte einen Schritt auf sie zu, blieb jedoch sofort stehen, als sie die Hand hob und ausstreckte, um ihn auf Abstand zu halten, da sie seine Nähe immer noch nicht ertragen konnte.
„Unter einer Bedingung“, ließ sie verlauten, bevor er sich falsche Hoffnungen zu machen begann. Sie wartete, bis ihr Gegenüber ihr signalisierte, dass er verstanden hatte. Erst dann fuhr sie fort. „Ich erlaube Dir, ihn zu sehen, allerdings werde ich festlegen, wann und wo dieses Treffen stattfinden wird.“
John nickte.
„Und natürlich werde ich auch bei dem Treffen anwesend sein“, fügte sie hinzu.
„Selbstverständlich“, erwiderte John, wirkte erleichtert und lächelte. „Danke“, sagte er, „das bedeutet mir wirklich sehr viel.“
„Es ist nicht so, dass Du es verdient hättest“, machte Teyla ihm unmissverständlich deutlich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast Dich sechs Jahre lang nicht um uns geschert und es wäre mein gutes Recht, Dich dafür zum Teufel zu jagen- aber es geht hier um Torren, nicht um mich. Er sollte wissen, wer sein Vater ist.“
„Torren?“ Johns rechte Augenbraue bewegte sich langsam nach oben, bis sie beinahe unter seinem Haaransatz verschwand. „Ist das… sein Name?“, fragte er. „Torren?“
„Ja“, antwortete Teyla, „das ist sein Name.“
„Du hast ihn nach Deinem Vater benannt“, sagte John plötzlich, und Teyla zuckte überrascht zusammen. Sie erinnerte sich nicht daran, ihm je von ihrem Vater erzählt zu haben.
„Ja, wie mein Vater“, erwiderte sie leise und sah ihn an. Für einen Moment standen sie sich schweigend gegenüber, bis John sich unvermittelt räusperte.
„Ich sollte jetzt besser gehen, bevor mein Bruder noch die Kavallerie los schickt, um nach mir zu suchen“, meinte er und grinste schwach. Teyla begleitete ihn bis zur Hintertür am Ende des Flurs. „Ich wollte nicht, dass es so zwischen uns endet“, sagte John, bevor sie sich voneinander verabschiedeten. „Es tut mir so unendlich leid, Teyla. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Du Dich damals gefühlt haben musst.“
„Du hast Recht“, erwiderte Teyla, entriegelte die Tür und trat einen Schritt zurück, „das kannst du nicht.“
„Werden wir je darüber reden können?“, fragte John. „Bitte, ich möchte Dir so gern alles erklären.“
Ein gequältes Lächeln schob sich auf Teylas Lippen.
„Ach, John“, seufzte sie, „was gibt es da noch zu bereden? Du hast Dich schon vor langer Zeit gegen mich und für Dein altes Leben entschieden.“
„Das ist nicht wahr“, setzte ihr Gegenüber zum Protest an, doch Teyla schüttelte den Kopf und brachte John mit einer Handbewegung zum Verstummen.
„Du solltest jetzt besser gehen“, sagte sie und hielt ihm die Tür auf. John zögerte, also wiederholte sie ihre Bitte mit etwas mehr Nachdruck. „Geh jetzt.“
John seufzte und als ihm dämmerte, dass er an dieser Stelle nichts mehr bewirken konnte, verzog sich sein attraktives Gesicht vor Schmerz und Bedauern. Wortlos ging er zur Tür hinaus, und Teyla sah ihm nach, doch er drehte sich nicht noch einmal um. Er verschwand um die Ecke. Kurz darauf ertönte Hufgeklapper, und Teyla beobachtete vom Türabsatz aus, wie John sein Pferd auf den staubigen Hauptgeschäftsweg von Athos Creek lenkte. Er schien es nicht eilig zu haben, hielt den Wallach mit dem schwarz-glänzenden Fell im Schritt und ritt mit nachdenklicher Miene die Straße entlang. Teyla schaute ihm nach, bis sie nur eine schmale Silhouette am Horizont sah. Sie wusste, dass sie ihn schon sehr bald wiedersehen würde. John Sheppard hatte einen Weg zurück in ihr Leben gefunden, und Teylas Herz begann hinsichtlich dieser Tatsache aufgeregt in ihrer Brust zu flattern.
Tief Luft holend drehte sie sich um und ging ins Haus zurück. Vala erwartete sie bereits ungeduldig und kam sofort zu ihr geeilt, als sie den Schankraum betrat.
„Und?“, fragte sie und hing erwartungsvoll an Teylas Lippen, bereit, jedes noch so kleine Detail begierig in sich aufzusaugen.
Doch Teyla schüttelte nur den Kopf und drehte sich zum Tresen, sodass ihre Freundin das kleine Lächeln, das im nächsten Augenblick über ihre Lippen geisterte, nicht bemerkte.
ooOOoo
Athos Creek, 1881
„Sie müssen pressen, Teyla, viel stärker pressen! Ich sehe Ihr Baby! Nur noch ein paarmal kräftig pressen, dann können Sie es in den Armen hielten“, rief Jennifer McKay ermutigend, doch Teyla schwang wimmernd den Kopf von rechts nach links. Tränen trübten ihre Sicht und brannten in ihren Augen und auf ihren Wangen.
„Ich kann nicht“, schluchzte sie und schloss die Augen, das Nachthemd, welches sie trug, von Schweiß und ihren Tränen getränkt. „Ich kann nicht mehr“, stöhnte sie, legte ihre Hände an das Fußende des Bettes und klammerte sich erschöpft an das Holz. Ein verängstigtes Wimmern drang über ihre Lippen, als sie spürte, wie das Gewicht ihres Kindes sich erneut verlagerte und unaufhörlich weiter nach unten drückte.
„Vala…“
„Ich bin hier, Liebes“, ertönte es rechts von ihr, und ihre Freundin, die seit Stunden unermüdlich an ihrer Seite weilte, rieb ihr den Rücken, der so sehr schmerzte, dass Teyla glaubte, er sei gebrochen.
„Mach, dass es aufhört“, jammerte sie und drückte ihre heiße Stirn gegen die Matratze. „Bitte, es soll aufhören. Ich.. ich kann nicht... nicht…“ Wieder durchfuhr sie eine heftige Wehe, und sie verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Miene und stöhnte in die Laken.
„Helfen Sie mir, sie aufzurichten“, hörte sie Jennifer rufen. „Es wird leichter für sie, wenn sie sich hinhockt.“
Widerstandslos tat Teyla, wie ihr geheißen und unterstützte Jennifer und Vala so gut, wie sie konnte. Mit gespreizten Beinen hockte sie sich auf das Bett und verkrallte sich in den Stoff von Valas Bluse, als diese einen Arm um ihren Leib schlang und sie im Rücken stützte.
„Du schaffst das“, sagte sie zuversichtlich und wischte ihr mit einem feuchten Tuch den Schweiß von der Stirn. „Ich weiß, dass Du das kannst. Du wirst sehen, es wird herrlich sein, wenn Du Dein Kleines in den Armen halten wirst.“
Teyla versuchte zu lächeln, doch genau in diesem Augenblick kündigte sich eine weitere schmerzhafte Kontraktion an.
„Das…. Baby kommt… jetzt“, japste sie, ehe sie laut aufschrie, vor Schmerz, aber auch aus Angst. Um ein Haar wäre sie wieder nach vorne gekippt, doch Vala hielt sie fest, als der Wehenschmerz die durchfloss wie ein heißer Strom. Aus ihrem tiefsten Inneren heraus, begann sie auf einmal den extremen Drang, zu pressen, zu verspüren.
Also tat sie es.
„Ja, sehr gut, Teyla“, rief Jennifer und setzte sich neben sie auf das Bett. „So ist es gut. Nur weiter so. Bleiben Sie noch etwas dabei… genau dort, wo Sie den Druck spüren…“
Teyla nickte und holte noch einmal tief Luft, klammerte sich an Vala, drückte das Kinn auf den Brustkorb und presste mit aller Macht, als die Wehe auf ihrem Höhepunkt war.
„Sehr gut! Das Köpfchen des Babys ist draußen“, verkündete Jennifer freudestrahlend. „Jetzt nicht mehr pressen, nur noch leicht hecheln. Ich glaube beim nächsten Mal schaffen wir es.“
„Gleich hast Du es geschafft“, flüsterte Vala in ihr Ohr, und Teyla nahm alle Kraft, die ihr noch geblieben war, zusammen, nicht zu pressen, obwohl sie den beinahe übermächtigen Drang verspürte. Sie sah, wie Jennifer dem Baby einen Finger an den Hals legte, wohl um sich zu vergewissern, dass sich die Nabelschnur nicht darum geschlungen hatte, dann befreite sie Mund und Nase des Babys von Schleim, damit es atmen konnte.
„Na schön, Teyla, jetzt dürfen Sie pressen, aber nur einmal ganz kurz“, wies sie sie an, und Teyla setzte sich auf und presste ein allerletztes Mal mit all ihrer Kraft. „Und da kommt es“, rief Jennifer aufgeregt, nahm den Kopf des Babys und drehte ihn sacht. Die eine Schulter zeigte sich, dann die andere. Teyla riss die Augen weit auf und sah hin, denn sie wollte miterleben, wie ihr Kind auf die Welt kam. Langsam glitt der winzige Körper des Babys in Jennifers wartende Hände, und im selben Moment endeten die Schmerzen abrupt, und Teyla sank erschöpft in Valas Arme zurück und schloss die Augen.
„Es ist ein Junge“, ließ Jennifer überglücklich verlauten. „Sie haben einen Sohn, Teyla“, verkündete sie, band mit einem Stück Schnur, welches sie sich bereitgelegt hatte, die Nabelschnur ab und durchtrennte sie mit einer Schere. Die Zeit schien stehenzubleiben, und Teyla wusste nicht, wie lange sie heftig nach Atem ringend da lag, ehe endlich ein lauter, zorniger Schrei die Stille zerriss und die Ankunft ihres Sohnes kundtat.
„Ich will ihn sehen“, flüsterte sie.
„Das sollen Sie“, erwiderte Jennifer, nahm ein Handtuch zur Hand und wischte dem Baby das Gesicht sauber, bevor sie es darin einwinkelte. „Dem Schreien nach zu urteilen, scheint er gesund und munter zu sein“, lachte sie und reichte ihr schließlich das Baby. „Hier haben Sie den kleinen Mann.“
Überwältigt schloss Teyla das zappelnde und lautstark plärrende Bündel in ihre Arme und in der Sekunde, als sie zum allerersten Mal in das zerknautschte Gesicht ihres Sohnes blickte, war all das Leid der letzten Stunden vergessen und die Schmerzen waren nur noch eine verblassende Erinnerung.
„Hallo, mein Kleiner“, begrüßte sie ihren Sohn ergriffen und betrachtete ihn voller Stolz. Eine süße Stupsnase, an den Händen zehn Finger, an den Füßen zehn Zehen. Er schien unversehrt und alles war dort, wo es sein sollte.
Er war perfekt!
Sein kleines, rundes Gesicht war rot und schrumpelig, die Augen dunkel und halb zusammengekniffen, und er protestierte lautstark gegen die kalte, ungemütliche Welt, in die er hineingeboren worden war.
Tränen der Erleichterung liefen über ihre Wangen, und Teyla drückte ihren Sohn liebevoll an sich, küsste seine feuchte, runzlige Stirn und atmete tief seinen honigsüßen, warmen Duft ein.
„Willkommen auf der Welt, mein Engel“, säuselte sie, woraufhin die empörten Schreie des Babys leiser wurden und es seinen Kopf in die Richtung drehte, aus der ihre Stimme kam. Langsam öffnete ihr Sohn seine Augen, die noch dunkel waren, aber später einmal- und da war Teyla sich sicher- dieselbe Farbe wie die Augen seines Vaters haben würden. Traurig streichelte sie über das dunkle, flaumige Haar des Babys.
„Ich wünschte, er wäre hier“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst, aber Vala, die noch immer hinter ihr saß und sie stützte, hatte sie trotzdem gehört.
„Wo auch immer er ist, er wird an Dich denken“, sagte sie zuversichtlich und küsste Teyla auf den Haaransatz. „Er wäre bestimmt unendlich stolz auf euch zwei.“
Teyla kämpfte tapfer gegen die Tränen an und nickte.
„Vermutlich ja“, wisperte sie und blickte auf ihren Sohn hinab, der seinem Vater so sehr ähnelte, dass es beinahe wehtat.
„Haben Sie sich denn schon für einen Namen entschieden?“, fragte Jennifer, die jetzt am Fußende des Bettes saß.
„Ja, das habe ich“, antwortete Teyla und wiegte ihren Sohn, dessen Augen in der Zwischenzeit wieder zugefallen waren, liebevoll in ihren Armen. „Torren“, sagte sie und drückte seufzend ihr schlafendes Baby an ihre Brust.
Vala lächelte sanft.
„Wie Dein Vater.“
„Und wie sein Vater“, ergänzte Teyla und küsste das zur Faust geballte Händchen ihres Sohnes. „Sein Name ist Torren John Emmagan…“
Fortsetzung folgt…