Nicht zu vergessen, die Taktikwähler, die von der Union zur FDP überlaufen und die Koalition fortzuführen.
Dem letzten Satz kann ich nur zustimmen. Die FDP wurde aber zurecht abgestraft, weil sie ihre Kernkompetenz total vernachlässigt hat. Ich hätte mir z.B. sehr gewünscht, dass mal ein einziger FDP-Spitzenmann wenigstens halbherzig versprochen hätte, nach der Wahl den Ammis bzw. der NSA auf die Finger zu klopfen. Damit hätte man auch vielleicht mehr junge Wähler bzw. Piraten-Klientel erreichen können und sich gleich auch noch in der Außenpolitik ein Profil gesetzt.
Solche urliberalen Themen wie Begrenzung der Staatsmacht und Schutz der Bürgerrechte sind mir in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt worden.
Sollte es wirklich zum Äußersten kommen und auf Neuwahlen hinauslaufen, dann würde ich als CDU-Wähler zu einer Lindner-FDP überlaufen, wenn sie diese Themen vertritt.
Aber seien wir mal ehrlich, Neuwahlen birgen auch das Risiko, dass die AfD doch noch einzieht. Will das jemand? Eine Protestpartei, deren zentrale Forderung es ist, in Europa den Außenseiter zu geben und dabei den deutschen Mittelstand zu ruinieren?
Man muss mögliche Regierungskoalitionen aber auch im Machtkontext sehen und daher möchte ich auch ein paar Kommentare abgeben:
(bei Neuwahlen) CDU-Alleinherrschaft:
Handlungsfähige Regierung, die keine lahmen Kompromisse mit einem Koalitionär eingehen muss. Dazu eine profilierungssüchtige FDP, die immer wieder, wenn auch nur aus der Landesebene kommend, als Quasi-Oppositioneller bei liberalen Themen contra geben wird. Vielleicht besser als eine Neuauflage von schwarz-gelb mit einer an die Wand gedrückten Stillhalte-FDP.
Klarer Nachteil: Minderheit im Bundesrat -> Beschlussfähigkeit nur bei Kompromissen mit der SPD. Warum dann nicht gleich auch als Koalition im Bundestag?
große Koalition:
Prinzipiell nicht schlecht. Hat sich im Ergebnis für Deutschland auch bewährt. Bei den aktuellen Kräfteverhältnissen ist aber zu erwarten, dass die CDU zu wenig Zugeständnissen (inhaltlich oder bei der Ressortvergabe) bereit ist, woran eine mögliche Zusammenarbeit scheitert. Weiterer Nachteil, am Ende profitieren die Linken von gefrusteten SPD-Wählern. Vorteil allerdings die Mehrheit im Bundesrat. Aber was nützt eine totale Beschlussfähigkeit einer Regierung, wenn sie sich untereinander thematisch nicht einigen kann. Die SPD würde dieses Mal mehr die eigenen Interessen durchsetzen wollen, um am Ende nicht wieder unterzugehen.
Meine Meinung: Würde es reibungslos ablaufen, sicherlich eine der besseren Varianten für D, aber unter den gegebenen Umständen wohl eher nicht.
schwarz-grün:
Naja, vielleicht ein 10 Jahren mal. Die Grünenwähler sind nach neuesten Studien tatsächlich die wohlhabensten von allen. Hilft aber trotzdem nicht, weil zuviele Themen konträr laufen. Mit dem derzeitigen Führungspersonal, die über Jahre lang die Merkel hart angegriffen haben, sowieso nicht. Und wie die nächste Generation von Grünen aussieht, weiß ich nicht.
rot-rot-grün:
Zu viele Köche verderben den Brei. Abgesehen von den ganzen inhaltlichen Differenzen, sehe ich ich da nur Steinbrück, Steinmeier, vielleicht Gabriel von SPD, Gysi von den Linken und von den Grünen niemanden als wirklich regierungsgeeignet. Man muss doch auch Typen haben. Man kann auf der anderen Seite von der jetzigen Regierung halten, was man will, aber wenn es hart auf hart kommt, dann haben solche wie Merkel und Schäuble immer das letzte Wort. Und gerade den Schäuble braucht das Land jetzt.
schwarz-links schließe ich mal aus.
Es ist doch zum Haareraufen. Da gibt es endlich mal wieder ein deutliches Ergebnis für eine Partei und es findet sich keine Koalition, die auf Anhieb Vertrauen und Sympathie erwirbt. Es kann doch nicht sein, dass tatsächlich Neuwahlen einen Tag nach der Wahl als Möglichkeit genannt werden. Wo sind wir denn mit unserer Demokratie gelandet? Solange wählen gehen, bis was passendes bei rauskommt?
Schwierig ist es aber in der Tat. So richtig passen die Akteure nicht zusammen, obwohl man jahrelang den Vorwurf erhoben hat, die Parteien würden sich inhaltlich immer weniger unterscheiden.
Am Ende wünsche ich mir echt noch, die CDU hätte die absolute Mehrheit bekommen. Das wäre sicher nicht die beste aller Lösungen gewesen (eben weil ein liberaler Partner fehlt und weil der Bundesrat nunmal rot-grün dominiert ist), aber sicher auch nicht die schlechteste, dafür aber sicherlich die einfachste.
Ich finde, dieses Demokratie-Debakel hat seine Ursachen in BW und Niedersachsen. Wären dort die Regierungen nicht abgelöst worden, gäbe es dieses Bundesrat-Dilemma für die Regierung ohne SPD nicht. Die Schwache FDP, die ohne Not Westerwelle abgesägt und damit das Ende eingeläutet hat, tat ihr Übriges. Erschwerend kommt hinzu, dass ein wesentlicher Teil der Stimmen (waren es nicht ca. 15% ?) an Parteien wie AfD, Piraten und eben auch FDP ging aber im Parlament nicht vertreten ist. Wäre der Balken "Andere" nicht so groß gewesen, hätte man wohl den Aussschlag in die eine oder andere Richtung gehabt.
Mein persönlicher Tipp, auch wenn das keine von mir favorisierte Variante ist:
Die Merkel wird erstmal abwarten, wenn in der kommenden Woche die SPD ihre Frontleute abgesägt und durch neue ersetzt hat. Dann wird eine große Koalition unter hartem merkel'schem Diktat (schlechte Posten für SPD, wenig inhaltliche Kompromisse) gebildet, auf die die SPD notgedrungen eingeht, um unserem Land aus Verantwortung eine Regierung zu ermöglichen. Am Anfang halten noch alle still, aber spätestens nach einem Jahr sind die Reibereien so groß, dass entweder CDU oder SPD, je nachdem für wen die Umfragen dann gerade deutlich besser stehen, per Vertrauenfrage Neuwahlen erzwingt. Bis dahin wird man sich gegenseitig in ein schlechtes Licht rücken und darauf hoffen, dass Stimmen vom Gegner zum eigenen Wunschpartner wandern.
Hoffen wir einfach mal, dass es so schlimm nicht kommen wird. Aber wenn ich ehrlich bin, wirklich gut kann diese Wahl nicht ausgehen.
Schade für die Demokratie, schade für Deutschland. Schade auch für eine Kanzlerin, die eigentlich einen ganz guten Job macht und schade für eine FDP, die sich selbst zu Grunde gerichtet hat, obwohl sie vom Land gebraucht wird.