Titel: Der Champion der Sieben
Autor: Toth
Fandom: A Song of Ice and Fire / Das Lied von Eis und Feuer
Genre: Action, Fantasy
Charakter(e): Ser Robert Strong, Cersei Lannister, Lancel Lannister, The High Sparrow + 1 Wildcard
Rating/Warnings: P18
Anmerkung des Autors: Diese Geschichte richtet sich vorwiegend an Buchleser, da ich hier einen alternativen Trial by Combat präsentiere, der so nie in "The Winds of Winter" drankommen wird. Die Geschichte enthält mit Ser Roberts Identität einen vagen Spoiler für die Serie (aber nichts, was sich nicht mit dem Wissen aus S04E10 erahnen lässt) und einen massivsten Spoiler für den Ausgang von S04E08. Diese Kurzgeschichte sehe ich bis zu diesem Zeitpunkt als mein liebstes Baby an.
Kurzinhalt: The Winds of Winter: Ser Robert Strong trifft auf den Champion, den der Hohe Septon für den Trial by Combat gewählt hat. Bei diesem Kampf auf Leben und Tod, tritt das Schicksal Cerseis weit in den Hintergrund...


Der Champion der Sieben



Er hatte das Urteil durch Kampf schon oft bei der Arbeit erlebt. Manche sagen, dass göttliche Kräfte Besitz von den Kämpfern ergreifen würden, um einen gerechten Ausgang zu garantieren. Aber der Champion war realistisch genug, um zu wissen, dass Kraft und Geschicklichkeit wesentlich häufiger das Urteil vollstreckten. Wie oft hatte er selbst schon Unschuldige im Namen der Gerechtigkeit niedergestreckt? Seufzend stellte er fest, dass das nicht gerade etwas war, worüber er Buch führte. Zu oft war es geschehen. Zu oft hätte er sich geschlagen geben müssen, um bessere Menschen zu schützen und sein eigenes, ewiges Leiden zu beenden. Doch er tat es nicht, er tat es nie. Denn er wusste, dass er geboren wurde, um eine Aufgabe zu erfüllen. Eine letzte Gerechtigkeit, die alle vorigen Ungerechtigkeiten hinwegfegen würde. Eine Tat, die tausendfache Rache bedeuten würde. Und schließlich, als er einen neuen Kurs einschlagen wollte, sein Leben den Göttern verschrieb, war der Tag ironischerweise gekommen. So stand er auf dem Platz vor der Großen Septe Baelors, zog sein Langschwert und kniete sich zum Gebet nieder. Er wusste, dass die Augen der Menge auf ihn gerichtet waren, ihn durchbohrten, doch er wusste ebenso, dass sie nur einen Sohn des Kriegers erblickten, in seiner schwarzen Rüstung mit dem Regenbogenschwert.

„Ihr Sieben.", grollte er mit rauer Stimme, „Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit nicht sonderlich oft mit euch gesprochen habe und wenn, dann auch nicht respektvoll. Doch ich flehe euch an, dieses eine Mal. Vergebt mir für meine Sünden und steht mir in diesem einen Moment bei. Schmied, gib meiner Klinge die Stärke, die kommende Prüfung zu bestehen. Krieger, verleih meinem Arm die Kraft, das Schwert in deinem Namen zu schwingen. Crone, wache über meine Schritte, dass ich dem Zorn des Unrechts entgehen kann. Maid… beschütze du die Unschuld, die ich nicht beschützen konnte. Vater, richte meinen Gegner für seine Untaten. Und Mutter… von dir brauche ich nur die Vergebung.“

Der Champion erhob sich mit dem Applaus der Massen. Es fühlte sich seltsam in seinen Augen an. So oft führte er seine Klinge und alles war dabei vernahm waren hasserfüllte Flüche. Dieses eine Mal jedoch, waren sie auf seiner Seite. Sie preisten die Sieben und ihren Kämpfer und verfluchten gleichzeitig die Verbrechen der Frau, deren Schicksal hier entschieden wurde. Und sie waren alle gekommen. Halb King’s Landing versammelte sich vor der Großen Septe, wo man den Ring mit einem Kreis aus Fackeln abgesteckt hatte. Das war sein Schlachtfeld. Und sein Gegner erreichte es noch in diesem Moment. Der Jubel verstummte, als er es betrat. Das Monster, welches es zu besiegen galt. Der weiße Ritter der Königsgarde, acht Fuß hoch, war eine Abnormalität sondergleichen. Und die sieben Federn in den Farben des Regenbogens als Zeichen des Respekts gegenüber den Göttern… Für diese Gotteslästerung musste das Ding bezahlen. Der Champion musterte die seine Klinge mit dem leuchtenden Kristall für ein letztes Gebet:

„Fremder… du solltest schon einmal eine der feurigen Höllen vorwärmen. Was auch immer heute passiert. Jemand wird zu dir geschickt werden.“

Ser Robert Strong ergriff derweil einhändig seinen furchteinflößenden Zweihänder, um tonlos in seiner Eröffnungsposition zu verharren. Er schien auf den Beginn des Kampfes zu warten. Auf den Stufen der Septe begann der Hohe Septon die Anklagepunkte Cersei Lannisters aufzuzählen, wurde jedoch von allen anwesenden ignoriert. Ihre Blicke waren vom Champion der Sieben zu dem unmenschlichen Hünen mit dem weißen Umhang gewandert. Keiner wollte auch nur einen Augenblick des Spektakels verpassen. Der Champion sah sich dazu geneigt, es ihnen gleich zu tun, doch stattdessen warf er einen Seitenblick auf die gedemütigte Königin. Sie stand gleich neben dem Hohen Septon, flankiert von zwei Warrior’s Sons. Einen von ihnen erkannte der Champion als Lancel Lannister.

Welch Zufall… Könnte der Hohe Septon ihn ebenso begnadigt haben, wie mich?

Die Königin jedenfalls versuchte nicht einmal ihren kahlgeschorenen Kopf zu verbergen und trug dazu auch noch ein schmuckloses weißes Baumwollkleid als Zeichen ihrer Unterwürfigkeit. Der Champion konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, hatte der Hohe Septon sie tatsächlich gebrochen? Sollte er triumphieren, kann sie sich noch tief beugen, der Henker wird trotzdem treffen. Man gab ihnen beiden noch ihre Schilde, der Champion mit dem Siegel der Warrior’s Sons und Ser Robert ein weißes Ungetüm, welches genauso gut als Tisch hätte herhalten können. Anschließend sprach der Hohe Septon erneut ein Gebet, bevor das Zeichen für den Beginn des Kampfes gegeben wurde. Sehr zu seiner Überraschung verharrte Robert Strong da, wo er war. Er erwartete den ersten Schritt vom Champion der Sieben.

„Was ist los?“, brüllte der Champion, „Wo ist deine Kampfeslust geblieben? Du warst doch immer der erste, der kopflos vorangestürmt ist? Hast du deine Zunge verschluckt?“

Der Riese antwortete nicht. Er bewegte sich nicht einmal. Und auch, wenn das unter einer Rüstung relativ schwer zu erkennen war, bewegten sich seine Glieder nicht einmal, wenn sie es bei der Atmung eines normalen Menschen hätten tun sollen. Er war eine Statue.

Merkwürdig. Das ist nicht der Gregor Clegane, den ich kenne.

Der Champion machte einen Schritt vorwärts. Nichts passierte. Die Menge war so gebannt, man hätte eine Nadel fallen hören können. Der Champion machte einen Schritt nach links. Und noch einen. Dann endlich drehte sich Ser Robert mit ihm, um ihn im Auge behalten zu können.

Nein, das ist nicht Gregor. Man hat mich unter einem falschen Vorwand hergelockt. Gregor würde nie dastehen, wie angewurzelt. Vielleicht gibt es tatsächlich einen stummen Mistkerl namens Robert Strong. Aber… nein, niemand hat diese Statur. Gregor ist ein Riese, so auch dieser Klotz. Und ich wüsste nicht, dass er einen Zwilling hatte.

Er konnte nicht mehr zögern, wenn Clegane entgegen aller Erwartungen Geduld durch Oberyn Martell zu schätzen gelernt hatte, würde er in aller Sturheit tagelang auf den Champion starren. Dieser machte ein paar schnelle Schritte, seine Schwertspitze voran. Die Klinge des Riesen schnellte herab, doch der Champion brauchte nicht einmal zu parieren und wich zur Seite aus. Stattdessen führte er seine gesegnete Klinge zum linken Knie Roberts. Dessen Schild schnellte allerdings noch im letzten Augenblick dazwischen, während sein Zweihänder erneut durch die Luft schwirrte. Der Champion duckte sich darunter hinweg und spurtete an Ser Robert vorbei, einen wirkungslosen Schwertstreich auf die gepanzerte Brust des Riesen führend. Robert Strong ließ sich jedoch nicht ausmanövrieren, machte er doch sogleich auf dem Absatz kehrt. Der Champion sah erneut Stahl durch die Luft gleiten und stolperte rücklings in die zurückweichende Menge.

„Sieben Höllen!“, fluchte er und spuckte.

Ich darf den Ring nicht verlassen…

Der abgesteckte Raum, in dem das Duell stattfinden sollte, war eine Neuerung seit dem Urteil über Tyrion Lannister. Gregor Clegane soll dabei einen unbeteiligten Zuschauer abgeschlachtet haben und der Champion hatte keinen Zweifel, dass diese Geschichte der Wahrheit entsprach. Er stürmte erneut in den gepanzerten Riesen, nur um sich erneut unter dessen Streichen hinweg zu ducken und seine Klinge an dem stählernen Schienbein abprallen zu lassen.

Scheiß Hölle! Wie kann der sich so schnell in so viel Metall bewegen? Ich kann sie gerade mal ankratzen. Ich müsste sie schon durchstechen, aber dann riskiere ich, in seine Klauen zu kommen.

Der Champion rückte seinen Helm mit der Kante seines Schildes zurecht, bevor er sich erneut auf das Ungeheuer stürzte. Er duckte sich weiter unter Schlägen hinweg, versuchte hin und wieder einen Vorstoß, doch verließ er sich letztlich darauf, dass seinem Gegner irgendwann die Puste ausgehen würde.

Scheiß Hölle! Er sieht aus wie Gregor, er kämpft wie Gregor mit einem Fünkchen Selbstbeherrschung, aber… selbst Gregor würde ab jetzt anfangen zu schwitzen. Nicht einmal schwer atmen tut das Schwein!

Der Champion ließ einen furchtbar starken Streich von seinem Schild ableiten, obwohl ihm davon die Zähne klapperten, dann ging er selbst in die Offensive. Er rammte seinen Schild hinter den Roberts, nur um einen sicheren Stich zwischen die Panzerplatten an seiner Hüfte zu landen. Die Bestrafung folge sogleich, als Ser Robert eben diesen Schild zwischen dem eigenen und seiner Rüstung einhakte, eine Drehung machte und den Champion mit sich mit nahm. Nur mit sehr viel Glück schaffte dieser es, sich von diesem Griff zu lösen und vor dem heran schnellenden Zweihänder Roberts zu flüchten. Weiter fluchend wandte er sich seinem Gegner erneut zu.

„Das gibt’s nicht.“

Der Champion war sich absolut sicher, dass er seine Klinge tief in Roberts Fleisch gebohrt hatte, doch das Blut an seiner Schwertspitze war schwarz und geronnen.

Das habe ich noch nie erlebt. Die Stelle muss tot gewesen sein, eine abgestorbene alte Wunde. Aus dem Kampf mit Oberyn? Aber… dafür bewegt er sich zu flüssig. Man sollte doch höllische Schmerzen erwarten. Scheiß Hölle, scheiß Hölle, scheiß Gregor!

Mit diesen Gedanken stürmte er erneut voran und duckte sich unter dem Schwert des Riesen hinweg. Ich muss seine Defensive knacken. Der Champion nutzte nun sein Langschwert, um hinter den Schild Roberts zu kommen. Er spürte den Aufprall von Stahl auf Stahl, als er den Panzerhandschuh des Ungetüms streifte, doch stattdessen traf und durchtrennte er etwas anderes. Etwas Weicheres. Leder. Innerhalb eines Augenblicks verlor Ser Robert Strong den Lederriemen seines Schildes. Der Champion entglitt anschließend einem tosenden Vergeltungsstreich, um aus sicherer Entfernung zu betrachten, wie das Ungetüm damit klarkam. Nicht gut, krallte er sich immerhin noch einige Sekunden am losen Lederstreifen fest, während der Schild lose in der Luft hing. Schließlich gab Robert es auf und ließ ihn fallen. Nun hatte das Monster nur noch seinen Zweihänder, mit dem er in die Offensive gegen den Champion ging. Dieser sah endlich seine Chance gekommen, blockte ein paar Treffer mit seinem Schwert ab und bearbeitete die Beine seines Gegners mit seinem gesegneten Schwert. Der tödliche Tanz dauerte vielleicht noch ein paar Minuten an, bis der Champion sein Schwert so tief hinter die Schienbeinschützer Ser Roberts gerammt hatte, dass dieser kurz in die Knie ging.

Soll die Welt doch sehen, wer wirklich unter diesem Helm steckt!

Er wirbelte herum und legte seine ganze Kraft in den nächsten Streich gegen den Helm des Monsters. Es war ein höllischer Aufschlag, der ihm durch Mark und Bein ging, aber tatsächlich schnitt sich die Klinge des Champions durch den halben Helm. Ein Aufschrei ging durch die Menge, als er zum finalen Streich ausholte und schließlich den kompletten Helm von seinen Schultern hieb. Schwarzes Blut spritzte auf Roberts weißen Umhang, den Boden der Arena und auf die Rüstung des Champions.

Es ist getan…, dachte dieser, als Ser Roberts kopfloser Torso krachend auf dem Boden aufschlug. Sein Blick wanderte zum nahen Helm des gefällten Riesen. Silber glänzend rollte er über den Platz, einen feinen schwarzen Bogen hinter sich herziehend.

„Sieben Höllen!“, polterte der Champion, als er registrierte, dass auch dort kein Kopf zu finden war.

Der Champion sich gerade wieder seinem Gegner zuwenden, als er den Stahl bereits auf Augenhöhe nahen sah. Eilig brachte er seinen Schild dazwischen, bekam den Treffer aber mit voller Wucht zu spüren. Er hörte Holz splittern und die verängstigten Zuschauer kreischen. Heulende Kinder, kreischende Frauen, sprachlose Buben… Das war alles, während er den Boden unter den Füßen verlor. Das nächste, an das der Champion sich erinnern konnte, war, wie er rücklings auf dem Boden lag, ächzend aufsitzend. Hastig zogen sich die umliegenden Massen zurück, als der kopflose Ser Robert über ihm emporragte. Irgendwo hörte er die schrille Stimme des Hohen Septons kreischen:

„Sakrileg! Sakrileg!“

Die Menschen verfluchten die untote Kreatur.

Ein Albtraum. Das darf nicht… das kann nicht…

„Gregor!“, grollte der der Champion verzweifelt, „Was haben sie getan? Was hat sie getan?“

Er wagte es nicht, seinen Blick auf Cersei Lannister zu richten. Er wollte sehen, ob sie triumphierend lächelte oder selbst entsetzt war. Doch der Champion durfte das untote Monster nicht aus den Augen lassen. Immerhin hätte jeder Moment sein letzter sein können.

Gregor… du warst schon immer ein Scheusal, aber… selbst du hast das nicht verdient.

Schützend erhob er seinen Schild, nur um festzustellen, dass einzig ein paar Splitter von ihm geblieben waren. Fluchend und ächzend versuchte er sich nun aufzurichten, scheiterte und kroch stattdessen auf allen Vieren, um dem unvermeidlichen Ende zu entgehen. Er näherte sich einer der Fackeln und versuchte sich daran hochzuziehen, doch dabei stieß er das Ding nur um, brennende Asche über den Boden verstreuend. Dann packte der kopflose Ritter den Champion am Helm und hob ihn mühelos in die Luft.

„Was ist, Gregor? Willst du mir in ein letztes Mal in die Augen sehen?“, krächzte der Champion, dessen Helm ihm die Luft abschnürte.

Dieser antwortete nicht.

Wie auch? So ganz ohne Kopf…

Der Gedanke amüsierte den Champion aus einem morbiden Anfall heraus.

Kein Kopf… er sieht nichts, er hört nichts, er… wie ist das möglich?

Ser Roberts Schwert näherte sich der Kehle des Champions. Nein, so darf ich nicht aus dem Leben treten. Nicht ohne ihn. Nicht, ohne dieses Monster endgültig zu vernichten. Er öffnete den Riemen seines Helms und befreite sich so aus dem Griff des Untoten. Kaum wieder auf den Beinen, versuchte er hastig ein paar rettende Meter zwischen sich und Gregor zu bringen. Die Gesichter der verbliebenen Zuschauer, gefesselt von ihrem Kampf, entgingen ihm dabei nicht. Es schien, als ob sie für einen Moment vergessen hätten, dass dort ein kopfloser Hüne über den Platz fegte.

„Was ist?“, fauchte der Champion, „Erkennt ihr etwa noch einen Toten?“

Er wusste genau, was sie sahen. Ein verbranntes Gesicht wie seines gab es nur einmal in ganz Westeros.

„Es der Hund!“, stellte einer der Zuschauer fest.

Bestätigendes Gemurmel und Raunen folgte. Sandor Clegane drehte sich daraufhin um, um sich seinem Bruder erneut zu stellen. Denn dafür war er hier. Er war kein Mönch und konnte das nicht lange ertragen, zu lange hatte dazu für das Blutvergießen gelebt. Als der Orden der Warrior’s Sons ins Leben zurückgerufen wurde, war er der erste, der sich der kirchlichen Garde anschloss. Er verabscheute die Ritterwürde zwar weiterhin, doch ein ehemaliges Mitglied der Königsgarde war nicht gerade eine Person, die sie abzulehnen wagten. Die Sieben waren ihm ebenso suspekt, doch irgendwie schuldete er der Kirche etwas für seine Rettung bei Saltpans. Eine zweite Chance sondergleichen. Und als dann der Rabe eintraf, mit der Botschaft des Hohen Septons, dass ein Champion gesucht wurde, um ein 8-Fuß Monster zu besiegen, verbrachte Sandor den restlichen Tag lauthals lachend. Die Sieben schienen ihm gewogen zu sein, boten sie ihm nicht nur ein zweites Leben an, sondern auch die Chance, sein früheres Ich durch den Tod Gregor Cleganes endgültig ruhigzustellen. Dass Gregors erster Tod gegen Oberyn Martell offensichtlich doch tödlich war, konnte ihm da aber noch keiner sagen.

Scheiß Hölle, wie kann ich etwas töten, das schon tot ist?

Gregors Körper, kopflos und humpelnd, mochte zwar ein wenig an Tempo eingebüßt haben, dennoch drängte er Sandor bis in die hinterste Ecke der abgesteckten Arena. Mittlerweile waren auch weitere Warrior’s Sons eingetroffen, griffen aber noch nicht in den Kampf ein. Warum, konnte Sandor nicht sagen, aber vermutlich hatte es Cersei irgendwie geschafft, weiterhin auf einen geordneten Ablauf des Urteilskampfes zu bestehen.

Ich muss etwas unternehmen… ich… Nein…

Der Riese näherte sich ihm weiter, Sandor wich zurück und stieß eine Fackel an. Brennende Asche bedeckte den Boden wie ein schwarzer Teppich.

Das darf doch nicht… Feuer… warum ausgerechnet Feuer?

Er musste nehmen, was er kriegen konnte. Sandor spurtete mit diesem Gedanken zur nächsten Fackel und ergriff sie mit seiner Schildhand. Nun hatte er zwei Waffen, auch wenn sein Herz beim Anblick der Flamme zu rasen anfing. Er spürte die Hitze, er spürte Schweißtropfen auf seiner Stirn und das Zittern in seinen Gliedern.

„Siehst du, Gregor!“, zwang er sich zu einem Lächeln, „Das Feuer ist jetzt auch mein Freund.“

Natürlich siehst du’s nicht, du hast keine verdammten Augen…

Sandor tastete sich langsam voran, auf jeden Schritt des kopflosen Riesen achtend. Seine Fackel wagte er noch nicht einzusetzen, könnte Gregor sie doch spalten und ihm so flammende Asche entgegen schleudern. Stattdessen fand er die Kraft, ein paar der wuchtigen Streiche des kopflosen Riesen zu parieren und ihn weiter auszumanövrieren.

Scheiß Hölle, dieser Bastard muss doch eine Schwachstelle haben!

Wohin Sandor auch blickte, die untoten Überreste seines Bruders waren eingefasst in einem undurchdringlichen Stahlpanzer.

Bis auf den Kopf… der Helm ist weg.

Dort, zwischen Gregors dicken Schulterpanzern fand Sandor nur einen See aus schwarzem Blut. Es war ihm unbegreiflich, was darunter noch am Leben war. Trotzdem versetzte er dem Ungetüm einen Rückhandstreich, um hinter ihn zu kommen. Anschließend schwang er die Fackel gegen Gregors Kragen, wodurch sich viele brennende Splitter lösten. Dem Scheusal schien das gar nicht zu gefallen, erwiderte er den Angriff mit einem furchterregenden Rundumschlag. Sandor konnte sich aber darunter hinweg ducken und wiederholte seinen Vorstoß mit der Fackel, welche nun endgültig zerbrach. Der flammende Kopf landete auf dem Halsstumpf des Riesen, knisternd vor sich hin glimmend.

„Na, Gregor, ich hoffe das schmerzt!“, fauchte Sandor, wieder aus der Reichweite Gregors heraustretend, „Du kannst nicht schreien, also hoffe ich, dass du es noch mehr genießt, als ich es tat.“

Das faulende Fleisch des Untoten entflammte nur kurz darauf, den Hals durch eine kreischende Fontäne ersetzend. Sandor betrachtete das Schauspiel mit morbider Freude. Sein Herz drohte aus seiner Brust zu springen, doch nun war es keine Angst, es war reinste Befriedigung.

„Ich fürchte, Vater wird diesmal nicht dazwischen gehen!“, Sandor erinnerte sich, als ob es gestern gewesen wäre.

Seine Narben ebenso, zwickten sie doch unaufhörlich im Angesicht des Feuers. Er erinnerte sich, wie Gregor damals urplötzlich hinter ihm stand, ihn packte und durch den Raum schleifte, noch bevor Sandor erfassen konnte, was geschah. Überraschung war nie die Stärke seines Bruders, doch an diesem Tag war seine Schweigsamkeit das Gift, das Sandor lähmte. Während er ihn, Gesicht voraus, ins Kaminfeuer presste, entfloh dem bulligen Jungen kein Wort, nicht einmal ein Grunzen, wie Sandor es erwartet hätte. Erst viel, viel später, lange nachdem sein Vater die Schreie seines sich windenden Sohnes bemerkte, ins Zimmer stürmte und dazwischen ging, musste Sandor sich den Grund für diesen Wutausbruch selbst zusammenreimen. Alles, für eine Puppe. Ein Leben, für immer gezeichnet, nur wegen einer vermaledeiten Holzpuppe. Gregor selbst erhielt nur die Prügel seines Lebens, aber er sollte doch Knappe und Ritter werden, daher war alles bald vergessen.

Gregor vergab Vater allerdings nicht, dass er es nicht zu Ende bringen konnte. Ich war zwar nicht dabei, aber ich habe eine verdammt gute Vorstellung über seine Todesumstände. Und Celias. Geliebte Schwester, das ist deine Rache.

Das, was von seinem Bruder noch übrig war, taumelte allerdings weiterhin auf ihn zu. Rauch quoll nun aus den beweglichen Elementen der Rüstung. Der Anblick dieses Dämons fegte Sandors anfängliche Siegessicherheit hinweg. Er hätte sich auch irren können, doch für einen Augenblick meinte er die grimmigen schwarzen Augen Gregors in den tosenden Flammen erkennen zu können.

„Du willst einfach nicht sterben, was? Scheiß Hölle, du machst mich fertig.“, grollte er Gregor entgegen.

Der wandelnde Torso warf derweil sein Schwert zu Boden und beschleunigte seine Schritte.

Er weiß, dass es aus ist. Sieben Höllen, er hat keinen Kopf, aber er weiß es. Er will mich einfach nur noch mitnehmen.

Diesmal flüchtete er nicht. Es hatte keinen Sinn mehr.

„Du willst es auf diese Art beenden. Gut. Ich hab nichts dagegen. Komm her!“, Sandor erhob sein Schwert zum letzten Salut.

Und Gregor kam. Mit ausgestreckten Armen, als wollte er ihn umarmen. Eine tödliche Umarmung, wo doch erste Flammen überall aus seiner Rüstung züngelten. Sandor hielt ihm die Schwertspitze entgegen, holte aus und rammte die Klinge in den massiven Brustpanzer. Gregor stoppte kurz ab, allerdings drang das Schwert nicht durch den Stahl. Sandor brauchte einen weiteren Stich, bis sein Stahl sich auch in das Fleisch des Ungetüms bohrte. Gregor schien das nicht zu interessieren. Er schob seinen schweren Leib in Sandors Klinge hinein, nur um näher an seinen Bruder heranzukommen. Die brodelnden Panzerhandschuhe umschlossen Sandors Kehle und drückten zu…

Der Gestank, die Hitze und der Anblick der leuchtenden Flammen waren unerträglich. Aber… er hatte keine Angst. Das kochende Metall verbrannte ihm das Fleisch, aber diesmal war es ihm egal. Gregor starb, verbrannte zu Asche. Vor seinen Augen. Und diesmal war Sandor sich sicher, dass dieser zähe Bastard nicht noch einmal zurückkehren konnte.

Er umklammerte sein Schwert mit beiden Händen und presste die Klinge mit aller Kraft nach unten. Die Hitze machte den glänzenden Stahl der Rüstung weich, sodass es fast schon zu leicht war. Der Schnitt war kerzengerade. Rot glomm es darunter, Feuer und Asche flogen ihm entgegen.

Und es war der schönste Anblick, den er sich vorstellen konnte…


Ende