Kapitel 14
Zwei Tage später war es dann soweit. Lorne setzte sich auf den Kontrollstuhl, John begab sich auf die Achilles und Caldwell auf die Daedalus, während Ronon und Teyla auf Atlantis blieben. Alle drei fuhren ihre Schilde hoch, nachdem die Wraith quasi schon vor ihrer Tür standen und die ersten Darts in Sichtweite kamen.
Die Daedalus feuerte aus allen Rohren, Atlantis schoss ihre Drohnen und die Achilles? John konnte im ersten Moment gar nicht beschreiben was sie alles für Waffen besaß. So etwas hatte er in solchen Mengen, noch nie auf einem Schiff gesehen.
An der Steuerbordseite befanden sich primäre Energiewaffen, Laser und drei drehbare Geschütztürme. An der Oberseite, zwischen Bug und Brücke, entdeckte er weitere, vier drehbare Geschütztürme und Laserwaffen, sowie auf der Steuerbord-, als auch auf der Backbordseite. Achtern, wo sich die Jumper befanden, waren auch noch primär gesteuerte Energie- und Laserwaffen und eine Abschussvorrichtung für Raketen, von denen jede Einzelne fast die gleiche Sprengkraft wie eine Mark 9 besaß. Und zu guter letzt, befand sich oberhalb Achtern, die Abschussvorrichtung für die Drohnen.
Alles in allem, war die Achilles ein bis unter die Decke voll gepacktes, fliegendes Waffenarsenal.
„Also wenn wir damit die Wraith nicht besiegen, weiß ich auch nicht weiter“, meinte John höchst beeindruckt und stellte sich neben seine Tochter.
Hunderte von Jägern durchflogen die Wolken von Atlantis und stürzten sich auf die Schutzschilde, die unter dem gewaltigen Druck der Feuerkraft hell erleuchteten.
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Die Gefechtstürme und Laser der Achilles feuerten ununterbrochen und fast jeder Schuss war ein Treffer, dennoch gab sich Vivien nicht damit zufrieden.
„Siwan, wir müssen näher ran, damit wir die Raketen abfeuern können, sonst werden sie noch von den Jägern abgefangen!“
Bestätigend nickte der Antiker und steuerte die Achilles näher an einige der Basisschiffe heran.
„Zielt auf die ersten drei und wenn ihr freies Schussfeld habt, feuert nach eigenem Ermessen!“, wandte sie sich an ihre Crew und stellte sich neben ihrem Vater, der mit zusammengekniffenen Lippen aus dem Fenster starrte.
„Dad?“
John warf ihr einen flüchtigen Blick zu und verfolgte mit angehaltenem Atem die Raketen, die auf ihr erstes Ziel trafen. Mit einem ohrenbetäubenden Knall durchbrachen sie die Hülle der ersten drei Basisschiffe und sprengten sie in die Luft.
Das Licht der Explosionen war so hell, das man sich die Augen zu halten musste. Gleichzeitig starteten von der Daedalus die ersten F-302 er.
„Spinnt der?“, rief Vivien erschrocken, als sie es sah. „Es sind noch zu viele Jäger da draußen, sie werden alle abgeschossen!“
Mit Entsetzen registrierte John es ebenfalls. Was treibt der Idiot da? – Hunderte von Darts stürzten sich auf die F-302 er.
„Caldwell! Rufen Sie die Piloten zurück!“, schrie er in den Funk. Doch ehe Steven reagieren konnte, musste er mit ansehen, wie eine F-302 nach der anderen zerstört wurde.
„Ich hab dir doch gesagt, das ist ein Idiot!“ Fluchend schüttelte Vivien den Kopf und wütend ballten sich Johns Hände zu Fäusten. Das war unnütz, das musste nicht sein – so viele gut Männer …
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Steven hatte seinen Fehler erkannt. Doch ehe er die Piloten zurückrufen konnte, war es zu spät. Geblendet durch das Licht der Explosion war er in der Annahme, dass seine Piloten freies Schussfeld hatten – mit diesem Irrtum musste er nun leben.
„Sir! Schild nur noch auf 40%“, rief Seiler. Mehrere Treffer ließen den Schild der Daedalus vibrieren.
„Feuert weiter die vorderen Geschütze ab und schickt mir die beiden Kreuzer mit zwei Mark 9 in die Hölle!“
„Sir! Hüllenbruch auf den unteren Decks 9 und 10!“
„Schottet es ab!“
„Sir! Vordere Geschütze ausgefallen!“
Caldwells Augen weiteten sich. Entsetzt bemerkte er, wie eines der Basisschiffe direkt auf sie zukam.
„Verstärkt die vorderen Schilde! Wo bleiben die Marks?!“
„Sind unterwegs, Sir!“
Im gleichen Augenblick sah man, wie die beiden Kreuzer von den Mark 9 getroffen wurden und explodierten. Die darauf folgende Druckwelle zerriss das Basisschiff förmlich in mehrere Teile und für den Bruchteil einer Sekunde atmete Steven auf, ehe die Welle auch sie erreichte.
„Bringen Sie uns hier weg!“
Steven konnte sich gerade noch an seinen Stuhl festhalten, während um ihn herum, Aggregate explodierten und in Flammen aufgingen. Sofort sprangen ein paar Marines auf und versuchten verzweifelt das Feuer zu löschen.
„Sir, Schilde nur noch auf 15%!“
Tief durchatmend biss sich Caldwell auf die Lippen. Es sah schlecht aus für die Daedalus, dabei hatte der Kampf gerade erst begonnen.
„Novak! Was ist mit den Schilden?! Wir brauchen mehr Schild, sonst können wir den Kampf gleich vergessen!“
„Sir! Hermiod meint, durch die Zerstörung einiger wichtiger Aggregate, ist das ZPM in Mitleidenschaft geraten und es wird einige Zeit dauern, bis der Schild wieder voll einsatzbereit ist!“
„Wir haben aber nicht soviel Zeit! Hermiod soll sich beeilen!“
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Für Lorne war es nicht das erste Mal, dass er auf dem Stuhl saß. Doch noch nie fühlte er die Last der Verantwortung so stark auf seinen Schultern, wie in diesem Augenblick. Mit zusammengekniffenen Lippen konzentrierte er sich darauf, die ankommenden Jäger abzuschießen, wobei er hunderte von Drohnen gen Himmel schoss. Nicht jede fand ihr Ziel, doch die, die er traf, explodierten mit einem hellen Knall.
Nervös strich sich Elizabeth eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie wusste, dass es für Evan nicht leicht sein würde, doch sie vertraute ihm und er war im Moment der einzige, der dafür geeignet war.
„Rodney? Was macht der Laser? Major Lorne braucht jede Unterstützung, die er kriegen kann!“
„Ich bin dabei! Ich bin dabei!“
Fieberhaft versuchte er mit Radek den Schaden zu beheben. Tagelang hatte er schon versucht das Teil zu reparieren, doch resignierend musste er nun feststellen, dass es nicht funktionierte.
„Elizabeth, der Laser ist kaputt. Ich, ich kann ihn nicht reparieren. Er muss bei dem Aufprall zu stark beschädigt worden sein!“
Schwer seufzend schloss sie die Augen. Nun lag Atlantis’ Verteidigung, allein bei ihren Drohnen, der Daedalus und der Achilles. „Kommt zurück zum Kontrollraum, ihr könnt dahinten nichts mehr ausrichten.“
Resignierend schaute sie hinaus auf den Schutzschild, der unter den Einschlägen hellrot aufleuchtete. Sie sah die Drohnen, die Lorne den feindlichen Jägern entgegen schickte und die beiden Schiffe, die am Himmel über Atlantis in einem schier aussichtslosen Kampf verwickelt waren.
„Gott steh’ uns bei.“
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„Vivien! Schick ein paar Raketen in diese Basisschiffe“, meinte John und zeigte auf sechs Hives, die ziemlich nah beieinander standen. „Die entstehende Druckwelle müsste alle auseinanderreißen!“
Ohne zu zögern gab sie den Befehl an die Feuerleitstelle: „Vier Raketen Nordost 23 Grad. Feuer!“
Sofort flogen sie zu den Koordinaten und schlugen in vier Basisschiffe ein. Wie erhofft rissen die Explosionen die anderen beiden mit sich. Allerdings zogen sich dadurch die anderen Hives und Kreuzer auseinander.
„Das ist nicht gut“, zischte John und sog scharf die Luft in sich ein.
„Nein, überhaupt nicht gut! Siwan, richte die vorderen Geschütze auf die linke und die mittleren auf die rechte Seite, und dann flieg uns rein!“ Skeptisch beäugte John seine Tochter.
„Wollen wir denen doch mal in den Arsch treten, mal gucken was passiert“, grinste sie.
Währenddessen feuerten sie unaufhaltsam weiter. Ein Jäger nach dem anderen wurde abgeschossen, zwei Kreuzer explodierten.
Die Achilles gab alles was sie hatte, während ihr Schutzschild, von den Einschlägen der feindlichen Treffer, rot aufleuchtete.
John warf einen Blick auf die Anzeige: Schutzschild auf 40%.
Die Achilles schoss weiter: 30%.
„Ich glaube, wir sollten uns wieder zurückziehen“, meinte er angespannt.
„Noch nicht!“
„Vivien?!“ Entsetzt starrte er auf die Anzeige: 20%.
„Noch nicht!“
Johns Augen weiteten sich. „Vivien! Wir haben nur noch 15% Schild!“ Plötzlich explodierten zwei Basisschiffe.
„Zurück! Schilde Maximum Steuerbord!“, schrie sie Siwan an, der auch sofort reagierte.
Die Achilles drehte sich Steuerbord und die Schilde hielten stand. Erleichtert atmete John auf und schaute erneut auf die Anzeige: Schild auf 60%. Stirnrunzelnd betrachtete er sich die Daten. „Wie ist das möglich?“
„Wir haben ein zweites ZPM als Verstärkung für den Schutzschild“, schmunzelte sie.
„Ein zweites ZPM? Das hättest du mir auch vorher sagen können! … Habt ihr noch mehr, oder ist es das letzte?“
„Leider ist es das letzte. Wenn das erschöpft ist, sehen wir alt aus.“
„Dann müssen wir zusehen, das wir…“ John richtete seinen Blick auf die Daedalus und bemerkte, dass sie nicht mehr feuerte, aber auch gleichzeitig ein anderes Basisschiff auf sie zuflog.
„Caldwell?! Warum schießt ihr nicht? Verdammt noch mal hauen Sie da ab! Ein Schiff kommt direkt auf Sie zu!“
„Unsere vorderen Geschütze sind zerstört und die Schilde sind auf 15% gefallen!“, antwortete Caldwell hektisch.
Urplötzlich öffnete sich ein Hyperraumfenster und sechs weitere Basisschiffe kamen hindurch. Jeder auf der Achilles hielt den Atem an.
„Oh nein, das ist nicht fair!“
„Sheppard! Ich werde mich mit der Daedalus zurückziehen. Wir werden versuchen die Erde zu erreichen!“, rief Steven, nachdem er ebenfalls die Schiffe bemerkt hatte.
„Caldwell! Wenn wir verlieren, sind wir alle verloren!“, antwortete John verzweifelt und warf einen Blick zu Vivien.
„Siwan?“ Der Antiker wusste was Vivien von ihm wollte, nickte kurz und schoss vier Raketen auf die neuen Schiffe, woraufhin zwei von ihnen zerstört wurden, jedoch die anderen vier ihren Flug fortsetzten.
„Caldwell! Wir schaffen es nicht allein gegen die Wraith!“
Unschlüssig was er nun tun sollte, zögerte Steven für einen Moment: Sollte er zur Erde fliegen, seine Crew retten und Sheppard allein lassen? Oder sollte er bleiben und kämpfen?
Schweigend schaute er auf seine Leute und las in ihren Gesichtern, dass sie bleiben wollten. Niemand von ihnen wollte Atlantis und Sheppard ihrem Schicksal überlassen, obwohl sie wussten, dass es ziemlich schlecht für sie aussah.
Entschlossen kniff er die Lippen zusammen, nickte seiner Crew zu und setzte sich auf den Stuhl.
„Dreht sie Achtern, feuert die hinteren Geschütze und die restlichen Mark 9, die wir noch haben, ab!“, rief er und aktivierte gleichzeitig den Funk: „Gott stehe uns bei Sheppard! Uns und der Erde!“
„Danke, Sir!“, wisperte John und kniff die Lippen zusammen.
Die Daedalus feuerte alles ab was sie noch hatte. Überall an Bord explodierten Geräte, Energieleitungen und Konsolen.
Drei Basisschiffe konnte sie noch zerstören, bevor eine riesige Explosion den Himmel über Atlantis erhellte.
John hielt den Atem an, schloss die Augen und senkte den Kopf. Er spürte den leichten Druck einer mitfühlenden Hand auf seiner Schulter, doch vermochte diese nicht zu lindern, was er in diesem Moment empfand. Er und Caldwell hatten zwar ihre Differenzen, und mit Sicherheit wären sie auch nie Freunde geworden, aber dennoch hatte er einen gewissen Respekt vor ihm.
Die Wraith jedoch ließen keine Zeit zum Trauern und schossen unaufhaltsam weiter auf die Achilles.
Mehrere Geschosse schlugen auf die Schutzschilde der Achilles und Atlantis ein. Hunderte Drohnen suchten ihr Ziel, ein Kreuzer nach dem anderen wurde zerstört, aber es waren zu viele. John wusste das und ebenso wusste er, dass der Kampf gegen diese neuen Basisschiffe aussichtslos war.
„Wie viele Raketen haben wir noch?“
„Vier!“
John biss sich auf die Lippen. „Feuert zwei auf die Hives.“ Anschließend schaute er zu Vivien und aktivierte den Funk: „Atlantis? Hier ist Sheppard! Könnt ihr mich hören? … Atlantis?“ Leicht schoben sich seine Augenbrauen in die Mitte. „Elizabeth, könnt ihr mich hören?“
„Ja, John, wir hören Sie!“
„Die Daedalus wurde zerstört! Macht das ihr da wegkommt … geht zur Erde!“
Für einen Moment herrschte Schweigen. Geschockt schaute Elizabeth in entsetzte und sprachlose Gesichter. Sie hatten zwar die Explosion am Himmel gesehen, aber nicht gewusst, dass es die Daedalus war. Und nun sollten sie Atlantis verlassen? Sollte dies wirklich das Ende dieser wunderbaren Stadt sein?
„John, wollen Sie das wirklich tun?“, fragte sie zweifelnd.
„Ich habe keine andere Wahl“, entgegnete er mit bedrückter Stimme.
„Vater, es gibt noch eine Möglichkeit!“, rief Vivien und stellte sich ihm in den Weg.
„Vivien, mir hatte mal einer gesagt, man kann die Zukunft nicht verändern. Und ich werde nicht zulassen, dass die Wraith die Erde erreichen!“
„Aber …“ Hilfe suchend schaute sie auf Siwan.
„Elizabeth? Ich gebe euch fünf Minuten, dann schaltet ihr den Schutzschild aus. Ihr habt dann noch zwei Minuten, um die Erde zu erreichen … Viel Glück! Sheppard Ende!“
Sachte schob er seine Tochter zur Seite und stellte sich vor die Abschussvorrichtung. „Dad“, verzweifelt schaute sie auf Atlantis, während die Drohnen verschwanden und sie ihren Schild senkte. „Dad, bitte!“
Doch John reagierte nicht. Er hatte die Augen geschlossen und dachte an Atlantis.
An all die Abenteuer und Gefahren die er dort erlebt hatte, an seine Freunde. An die Geheimnisse die sie noch verborgen hatte und nun nie mehr ans Tageslicht kommen würden. An seine Heimat, die ihn auf einer Art lieber war als die Erde.
Und nun würde er dies alles mit einem einzigen Tastendruck zerstören. Tief atmete er noch einmal durch, bevor sein Finger die Taste berührte. „Vergib mir.“
Fortsetzung folgt