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Thema: [Flash] Durch die Zeit

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    Zitronenfalter Avatar von Sinaida
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    Danke euch auch für die Dankes, Chayiana, John´s Chaya, Saffier und stargatefan74.


    Kapitel 9 – With a little help from my friends


    Am nächsten Tag war Barrys erster Weg zu S.T.A.R. Labs um den Flash-Anzug wieder abzuliefern und Lagebesprechung zum Thema Zoom mit Cisco und Caitlin zu halten. Er hatte sich gestern Abend, kurz bevor er Len – Snart – vom Anwesen der Bellmans in den nahegelegenen Wald gebracht hatte, von den beiden verabschiedet und versprochen, alles weitere am nächsten Morgen zu besprechen. Dann hatte er die Funkverbindung unterbrochen.

    Jetzt fühlte er sich, nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht, wie gerädert. Seine Wut von gestern Abend, die, wenn er ehrlich war, nicht nur Snart gegolten hatte, sondern auch sich selber, war nur teilweise verraucht. Aber besser wütend zu sein, als diese dumpfe Traurigkeit und den Schmerz zu spüren, die immer dann an die Oberfläche kamen, wenn seine Gedanken zu den letzten Wochen, zu seinen Treffen mit Len wanderten. Ihr freundschaftlich-neckendes Geplänkel beim Kaffee, der Kuss, Lens Stimme übers Telefon, warm und … Verflucht, Schluß damit!

    Er rief sich Snarts spöttisches Grinsen, seinen kalten Tonfall und die verletzenden Worte von gestern ins Gedächtnis zurück. „Für den Yellow Sun kann man schon ein paar Opfer bringen.“ Snart hatte ihn nur benutzt um an diesen Diamanten zu kommen. Er hatte es zugegeben. Und auch wenn dieses Geständnis nicht hundertprozentig Sinn ergab – aber was wusste er denn schon wirklich über Leonard Snart?

    Barry fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und betrat den Cortex. Er konnte sich durch … durch diesen verdammten Liebeskummer, denn exakt das war es, wenn er ehrlich war, nicht von dem wirklich Wichtigen ablenken lassen: Zoom. Und die Frage, wie er schnell genug werden konnte, um es mit ihm aufzunehmen. Denn dazu war er jetzt fest entschlossen.

    Cisco war gerade in irgendwelche Berechnungen vertieft, sah nur kurz von seinem Bildschirm auf und rief Barry über die Schulter einen raschen Gruß zu. Über einen der anderen Monitore flimmerte eine Nachrichtensendung, allerdings ohne Ton. Thema war offensichtlich der gestrige Überfall auf das Bellman-Anwesen. Gerade schwenkte die Kamera über die rauchenden Überreste des nördlichen Anbaus, dann kam eine Nachrichtensprecherin im Studio ins Bild und schließlich wurde ein verwackeltes Amateurvideo eingeblendet, auf dem Snart gerade mit seiner Coldgun eine Türe öffnete und … und Menschen befreite? Barry blinzelte. Hatte er das richtig gesehen?

    Er trat etwas näher. „Hey, Cisco, kannst du das lauter stellen?“

    „Was?“ Cisco hob den Kopf, sah zu ihm auf, dann zum Bildschirm. „Oh, deine gestrige Heldentat. Die Berichte darüber laufen schon den ganzen Vormittag. Hast du das noch nicht mitbekommen?“ Er betätigte eine Taste und die Stimme der Reporterin erfüllte den Raum.

    „ … neue Erkenntnisse. Denn auch wenn es Central Citys eigener Held, Flash war, der dafür gesorgt hatte, dass die Verletzten so schnell wie möglich medizinisch versorgt werden konnten, haben doch einige Personen ihr Leben jemand ganz anderem zu verdanken. Wie zahlreiche Augenzeugen berichten, war es tatsächlich Leonard Snart, auch bekannt als „Captain Cold“, der ohne zu Zögern eingegriffen hat. Er hat nicht nur die im Gebäude Eingeschlossenen befreit, sondern hat unter Einsatz seines Lebens eine junge Frau aus den Flammen gerettet.“

    Barry rollte die Augen. Ging es noch etwas theatralischer? Andererseits – Len würde es hassen, jetzt auch öffentlich zum Helden erklärt zu werden. Barry musste bei dem Gedanken unwillkürlich lächeln, bis ihm einfiel, dass die Zeiten, in denen so etwas perfektes Material gewesen war, um Snart aufzuziehen, endgültig vorbei waren. Er presste die Lippen zusammen.

    Die Nachrichtensprecherin fuhr fort: „Inwieweit Colds – Leonard Snarts – Anwesenheit auf dem Grundstück der Bellmans mit dem Raub des Yellow Sun in Verbindung steht, ist augenblicklich noch Gegenstand der Ermittlungen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.“

    Nun, wenn sein CSI-Kollege, der den Fall untersuchte, zwei und zwei zusammen zählte, würde er ganz bestimmt herausfinden, dass Snart dort nicht nur den Helden gespielt hatte. Die Coldgun hinterließ eindeutige Spuren auf Materialien, insbesondere auf Metall, das mit dem Kältestrahl in Berührung gekommen war. Das Loch in dem Elektrozaun, das Barry gestern im Vorbeiflitzen wahrgenommen hatte, sah verdächtig nach dem Werk der Coldgun aus. Und Snarts Anwesenheit am Tatort war ja nicht zu leugnen. Tja, damit war er wohl dran. Erstaunlicherweise war dieser Gedanke nicht so befriedigend, wie er hätte sein sollen.

    Die Nachrichtensprecherin zeigte ein professionell-kühles Lächeln. „Und nun schalten wir live zu Kathy Marrows an den Ort des Geschehens, wo es auch schon erste Informationen zu geben scheint, was die Ursache der Explosion angeht. Kathy, was kannst du uns dazu sagen?“

    Im Bild war jetzt eine dunkelhaarige Reporterin, die in der Einfahrt zum Haus der Bellmans stand. Im Hintergrund waren Autos der Polizei und Feuerwehr zu sehen. „Nun, abschließend können sich die Brandermittler des Central City Fire Department noch nicht dazu äußern, aber es steht fest, dass in einem bunkerähnlichen Raum unter dem nördlichen Teil des Bellman-Anwesens Sprengstoffe und andere Waffen gelagert waren. Ein Teil davon ist gestern explodiert. Ein Unfall ist nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen auszuschließen.“

    Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hauptverdächtiger ist Devon Midway, der ehemalige Sicherheitschef von Bellman Industries, der bei der Explosion ums Leben gekommen ist. Unklar ist bisher, welchem Zweck die Sprengstoffe, die sich im Besitz der Familie Bellman befinden, dienen sollten, sowie das Motiv für die Tat. Und damit gebe ich zurück ins Studio zu …“

    Cisco schaltete den Ton wieder aus und schnaubte. „Welchen Zweck? Alle Welt fragt sich, was die Bellmans wirklich abziehen, hinter der Saubermann-Immobilienhändler-Fassade und woher ihre Kohle stammt. Waffenhandel wäre da doch eine ziemlich gute Erklärung.“

    „Das wäre eine Möglichkeit“, bemerkte Caitlin, die irgendwann von Barry unbemerkt den Cortex betreten hatte und jetzt neben ihm stand. Sie sah besser aus als gestern. Gefasster. Waren tatsächlich erst knapp 24 Stunden vergangen, seitdem sie von Jays Verrat erfahren hatten? Es kam ihm viel länger vor. „Aber auf jeden Fall sieht es so aus, als ob in Snart doch ein Held stecken könnte. Er hat Leben gerettet, gestern.“

    „Ja, aber sicher nicht aus Heldenmut.“ Barry zuckte die Schultern. „Ich meine, Lisa war da drin. Er hat sie rausgeholt, weiter nichts.“ Aber offensichtlich hatte er die Wahrheit gesagt, was die Explosion anging. Vielleicht hatte Snart gestern seinen ‚Ich-bin-ehrlich‘–Tag gehabt. Mit allem, was er gesagt hatte. Barry versuchte die Bitterkeit, die dieser Gedanken in ihm hochkommen ließ, nicht in seinem Gesicht zu zeigen.

    Anscheinend gelang ihm das nicht wirklich. Caitlin runzelte die Stirn und sah ihn forschend an. „Du bist sonst immer der Erste, der dafür plädiert, dass Gutes in ihm steckt und ihn verteidigt.“

    „Ja, ich weiß, es ist nur … Ich dachte Snart hätte komplett aufgehört mit seinen Raubzügen seitdem er mit dem Legends-Team unterwegs ist. Ihn gestern da mitten drin zu sehen in diesem Chaos, mit Explosionen und Toten, das war …“ Niederschmetternd, schmerzhaft, ernüchternd. Er schüttelte leicht den Kopf und suchte nach den passenden Worten, die nicht zu viel über seine tatsächlichen Gefühle verrieten.

    Caitlin nickte. „Du bist enttäuscht. Das ist nur verständlich, Barry. Aber nach allem, was wir jetzt erfahren haben, sieht es so aus, als hätte er sich doch an eure Abmachung gehalten. Dann ist etwas fürchterlich schief gelaufen. Du hast ihn gestern von dort weggebracht, nachdem du dich bei uns abgemeldet hast, oder? Hat er da nichts mehr gesagt?

    „Es gab nicht wirklich Gelegenheit dazu“, sagte Barry ausweichend. Falsch, er hatte Snart keine Gelegenheit gegeben. Er hatte einfach nicht zugehört. Andererseits hätte das auch nichts an den Tatsachen – dem Überfall und Snarts Planung desselben, während er versucht hatte, Barry näher zu kommen – geändert. Trotzdem, er hätte Snart erklären lassen sollen, wenigstens das.

    „Ähm, Lisa … war sie eigentlich schwer verletzt?“, schaltete sich Cisco betont beiläufig ein.

    „Es sah nicht gut aus. Sie war bewusstlos, als ich sie ins Krankenhaus gebracht hatte.“

    „Oh.“ Ciscos Augen weiteten sich etwas. „Der Preis des Verbrechens, nehme ich an“, bemerkte er. Sein gleichgültiger Tonfall war alles andere als überzeugend. Anscheinend stand er noch immer auf Lisa. Die Snart-Geschwister schienen es einem generell schwer zu machen, über sie hinwegzukommen.

    „Okay. Also, Team Flash.“ Cisco klatschte in die Hände. „Lasst uns jetzt produktiv werden und überlegen, wie wir Zoom zur Strecke bringen können. Denn das wollen wir, richtig?“

    „Richtig“, stimmte Caitlin entschlossen zu.

    „Absolut“, bestätigte Barry. „Und der Weg dorthin ist: Ich muss schneller werden.“

    ***

    Das war einfacher gesagt, als getan. Obwohl Barry und Cisco verbissen nach Informationen suchten, um die Formel zu finden, mit der sie Barrys Geschwindigkeit erhöhen konnten und trotz Caitlins Analyse von Zooms Art sich zu bewegen, kamen sie nicht wirklich weiter. Es war schließlich Wally, der Barry auf eine Idee brachte, die erfolgversprechend klang. Er würde sich bei Eobard Thawne in der Vergangenheit Rat holen. In seiner Rolle als Professor Wells war er quasi davon besessen gewesen, Barrys Geschwindigkeit zu steigern, wenn auch aus eigennützigen Motiven. Wenn jemand die Informationen hatte, die sie brauchten, dann er.

    Barrys Trip in die Vergangenheit war erfolgreich – er bekam schließlich die Formel, die er benötigte um es mit Zoom aufnehmen zu können – und gleichzeitig aufwühlend. Nicht nur die Begegnung mit Thawne, dem Mörder seiner Mutter, sondern auch das Wiedersehen mit Eddie. Lebendig, voller Tatendrang und so verdammt verliebt in Iris, dass es einfach nur wehtat.

    Während Iris auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und sich die Videobotschaft ansah, die Eddie für sie auf Barrys Bitte hin aufgenommen hatte, ging Barry nach oben in sein Zimmer. Erschöpft setze er sich aufs Bett und griff nach seinem Handy.

    Die Reise in die Vergangenheit und vor allem Eddie wiederzusehen, hatte ihm gezeigt, wie schnell alles, was man als selbstverständlich betrachtete, vorbei sein konnte. Wie schnell man Menschen verlieren konnte und dann nie mehr die Gelegenheit hatte, ihnen zu sagen, was sie einem bedeuteten. Er wollte das zwischen ihm und Len nicht einfach so zu Ende gehen lassen. Je mehr er darüber nachdachte, desto weniger glaubte er, dass Lens Behauptung, ihn nur benutzt zu haben, der Wahrheit entsprach. Er musste wenigstens versuchen, mit ihm zu reden. Ein echtes Gespräch, nicht nur im Zorn hervorgestoßene Anschuldigungen.

    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, suchte Lens Kontakt heraus und tippte: „Ich habe die Nachrichten gesehen und weiß jetzt, dass du nichts mit der Explosion zu tun hattest. Sorry, dass …“ Er hielt inne. Wofür genau, wollte er sich entschuldigen? Sicher nicht dafür, dass er wütend geworden war. Dafür, dass er nicht zugehört hatte? Okay, das schon eher. Aber eigentlich wollte er nicht anfangen, diesen ganzen Mist per Sms zu diskutieren.

    Hastig löschte er den Text wieder und starrte blicklos auf das Display, bis sich der Bildschirmschoner einschaltete. Etwas Neutrales wäre gut, einfach um vorzufühlen, ob Len überhaupt antwortete. Aber was? Oder sollte er lieber gleich anrufen? Er warf einen Blick auf die Uhr, 23.10 Uhr. Etwas spät dafür. Dann morgen. Morgen war besser. Morgen war definitiv besser.

    ***

    Die paar Tage, bis Lisa wieder ansprechbar war, erschienen Len wie eine Ewigkeit. Den Gedanken an Barry vermied er mit geübter Konsequenz, sperrte ihn in den hintersten Winkel seines Geistes. Er hielt sich beschäftigt, unter anderen damit, alte Kontakte wiederaufleben zu lassen, um herauszufinden, wo sich Bivolo verkrochen haben könnte – bisher erfolglos. Er und Kaprinsky waren buchstäblich untergetaucht.

    Shawna, die er direkt am Tag nach dem Überfall erreicht hatte, wusste auch nichts. Sie sofort verschwunden, nachdem sie bemerkt hatte, dass niemand am vereinbarten Treffpunkt auf sie wartete und die Cops bereits im Anmarsch waren. Len konnte es ihr nicht verdenken. Wenigstens würde niemand sie und Lisa mit dem Überfall in Verbindung bringen, da alle möglichen Beweise dafür in die Luft geflogen und ihre Tarnidentitäten für den Abend wasserdicht gewesen waren.

    Lisas Verletzungen – Prellungen, Schürfwunden und die Verbrennungen an linkem Arm und Schulter – heilten gut, wie die Ärzte ihm versicherten. Wegen der oftmals tückischen Spätfolgen einer Rauchgasvergiftung war sie noch unter Beobachtung.

    „Sehr elegant“, bemerkte sie mit leichtem Spott, als Len ihr Krankenzimmer – ein Einzelzimmer, dafür hatte er gesorgt – betrat und deutete auf seine Brille und den Hut. „Trägst du das, damit die Cops dich nicht erkennen? Oder wegen der Autogrammjäger?“ Sie war blass und ihre Stimme klang immer noch ein wenig rau, aber sie sah schon deutlich besser aus, als bei seinem gestrigen Besuch.

    Er rollte die Augen, legte Hut und Mantel auf einen der beiden Stühle und schnappte sich den anderen um sich an Lisas Bett zu setzen. „Niemand will ein Autogramm von mir“, erwiderte er.

    „Kommt schon noch, warte es ab.“ Lisa lächelte schelmisch. „Die Medien sind gerade dabei, dich zu Central Citys neuestem Held zu erklären. Wenn das so weitergeht, läufst du noch Flash den Rang ab.“ Sie machte eine kurze Pause und das Lächeln verschwand. „Er war dort, oder? Hat mich hierher gebracht?“

    „Ja“, erwiderte Len knapp, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Wie geht es dir?“, fragte er rasch, um Lisa keine Gelegenheit zu geben, weiter nach Flashs Auftauchen an dem Abend des Überfalls zu fragen.

    „Okay“, erwiderte sie, zuckte die Schultern und verzog sofort schmerzhaft das Gesicht. Vorsichtig tastete sie mit der rechten Hand nach ihrem bandagierten linken Oberarm. „Keine ärmellosen Shirts mehr in Zukunft, fürchte ich. Aber was sind schon ein paar Narben mehr?“, bemerkte sie mit falscher Fröhlichkeit, die Len einen Stich versetzte. Er wusste, wie wichtig Lisa ihr Aussehen war. Und er wusste, was das Gefühl, Teile seines Körpers verstecken zu müssen, mit dem eigenen Selbstwertgefühl machte. Wie sehr es Distanz zu anderen schaffte, weil man befürchtete, angestarrt, verspottet oder – schlimmer – bemitleidet zu werden.

    „Tut mir Leid, Lisa“, sagte er sanft.

    Sie holte tief Luft und plötzlich glitzerten Tränen in ihren Augen. „Das war einfach nur ein beschissener Plan, Lenny. Ich hätte auf dich hören sollen, was Bivolo angeht.“

    „Hättest du“, bestätigte Len. Es war nun Mal die Wahrheit, kein Grund es schönzureden. „Aber der Plan an sich war gut. Keiner von uns konnte ahnen, dass die Bellmans Waffen und Sprengstoffe im Keller horten, wie andere Leute alten Wein.“

    Genauso wie sie nicht hatten ahnen können, dass der Sicherheitschef von Bellman Industries eine Affäre mit Bellmans Tochter gehabt hatte, woraufhin Papa Bellman ihn vom Chef zum untersten Laufburschen degradiert hatte. Dass also an dem Abend des Überfalls ein Mann auf dem Gelände Wachdienst schob, der seinen Chef derart hasste, dass er unter Bivolos Einfluss sogar das halbe Haus in die Luft sprengte, nur um ihm eines auszuwischen – das war wirklich nicht abzusehen gewesen. Die Nachrichten der letzten Tage hatten Stück für Stück diese gesamte vertrackte Geschichte ans Licht gebracht.

    Lisa wischte sich mit einer ärgerlichen Bewegung die Tränen von den Wangen. „Danke, dass du mich da rausgeholt hast“, sagte sie leise und sah ihn an.

    „Hm“, erwiderte Len mit einem schiefen Grinsen und beugte sich etwas vor. „Was hätte ich tun sollen? Du hast mich noch nicht bezahlt. Ich bekomme noch meinen Anteil.“

    Lisa ließ sich in die Kissen zurücksinken, schloss die Augen und murmelte müde: „Ja, dein Anteil von Nichts. Bivolo ist so ein Arsch. Hast du schon rausgefunden, wo er steckt?“

    „Nein, aber ich bin dran.“ Len griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz. „Ich lass dich jetzt schlafen und komm morgen wieder. Brauchst du was?“

    „Nein. Hey, bleib noch etwas.“ Ihre Finger schlossen sich für einen Moment um seine, dann ließ sie los. „Die Schmerzmittel sind toll, machen aber so müde. Ich kann aber nicht ständig schlafen.“ Sie seufzte und wandte ihm den Blick wieder zu. „Erzähl mir was. Wie läuft es mit dir und Barry?“

    „Super“, erwiderte er knapp.

    Lisa musterte ihn, dann wurden ihre Augen schmal. „Lüg‘ mich nicht an. Was ist los?“

    Len fuhr sich mit der Hand übers Gesicht „Es ist vorbei.“ Er wusste selber nicht, warum er der Frage nicht einfach ausgewichen war, denn jetzt würde Lisa nicht locker lassen.

    „Was?“ Lisa riss die Augen auf und wirkte mit einem Mal hellwach. Natürlich. „Warum?“

    „Die Sache bei den Bellmans.“ Er lächelte schmal. „Passt nicht so zu dem Bild, das er von mir hatte.“

    „Er wusste nicht, wer du bist? Dass du Captain Cold bist? Und dann hat er es aus den Nachrichten erfahren? Oh, Lenny, das tut mir leid.“ Ihr Mitgefühl war echt und von Lisa war es erträglich, nein, tat in gewisser Weise sogar gut. Vielleicht war es doch nicht verkehrt, wenigstens einen Bruchteil dessen, was er in den vergangenen Tagen sorgsam weggesperrt hatte, herauszulassen und mit ihr zu teilen. Zumindest soweit er es konnte, ohne zu verraten, dass Barry Flash war.

    „Nein, nicht ganz.“ Len zuckte mit den Schultern. „Er wusste wer ich bin, wusste alles, aber ich hatte ihm etwas versprochen. Keine Toten.“

    Lisa sah ihn einen Moment lang forschend an, dann sagte sie: „Okay, aber wenn er, wie jeder andere auch, erst aus den Nachrichten von dem Überfall erfahren hat, müsste er doch auch wissen, dass du auf keinen Fall für die Toten verantwortlich sein kannst. Im Gegenteil, ohne dich hätte es noch mehr Tote gegeben.“

    „Er hat Verbindungen zu den Cops, hat von der Sache erfahren, bevor klar war, was da wirklich gelaufen ist und hat seine Schlüsse gezogen“, erwiderte Len rasch. Verdammt, Lisa war erstaunlich auf Zack dafür, dass sie unter Schmerzmitteln stand.

    „Verbindungen zu den Cops. Wow, auch das noch“, murmelte sie. Sie rieb sich die Augen und gähnte. „Und jetzt? Wenn er nicht unter einem Stein lebt, müsste er inzwischen wissen, dass du nichts damit zu tun hast.“

    „Ja, müsste er.“

    Lisa blinzelte. Ihr fiel es sichtlich schwer, die Augen offen zu halten. „Und?“

    „Ich habe seit dem Überfall nichts mehr von ihm gehört.“

    „So ein Scheißkerl.“

    „Er hat seine Gründe, mir nicht mehr zu vertrauen“, erwiderte Len nur. Ihm war inzwischen klar, dass er mit seiner abschließenden Bemerkung an Barry so ziemlich alles zwischen ihnen zerstört hatte. Aber einmal gesprochene Worte ließen sich nun Mal nicht zurücknehmen. Und offensichtlich war es ja das, was Barry von ihm nur allzu bereitwillig glauben wollte, sonst hätte er sich gemeldet.

    „Tatsächlich?“ Lisa hob die Augenbrauen. „Warum?“

    „Nicht wichtig.“

    „Oh, komm schon, Lenny, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.“

    „Lisa, es ist vorbei, okay? Belass es einfach dabei.“

    „Hat er Schluss gemacht, oder du?“

    Len schwieg.

    „Oh, fantastisch. Lass mich raten – keiner von euch? Jeder geht nur davon aus, dass der andere nicht mehr will? Und jeder leidet still vor sich hin und leckt seine Wunden, anstatt einen Versuch zu unternehmen, miteinander zu reden.“ Sie rollte die Augen. „Typisch. Für dich zumindest.“

    „Ich denke nicht, dass er leidet, Lisa. Ich tue es sicher nicht.“ Len zuckte betont gleichgültig mit den Schultern und stand auf.

    „Klar.“ Sie schnaubte. „Rede dir das nur ein, Idiot.“ Sie zielte mit dem Zeigefinger auf sein Gesicht und sagte: „Ich kenne diesen Blick und ich hasse ihn. So siehst du aus, wenn …“ Der Rest des Satzes ging in einem Gähnen unter.

    Len verzog amüsiert die Lippen. „Wir sehen uns morgen, Schlafmütze.“

    Er spürte Lisas forschenden Blick auf sich, während er Mantel und Hut holte. Doch statt eine weitere Frage abzufeuern, deutete Lisa auf ihre Handtasche, die er ihr gestern mitgebracht hatte und sagte: „Da müssten irgendwo mein Handy und das Ladegerät drin sein. Steck es bitte mal an und leg es mir hierher.“ Sie klopfte leicht auf das Beistelltischchen zu ihrer Rechten. „Und ich werde jetzt wirklich noch eine Runde schlafen.“

    ***

    Der Tachyonenverstärker, den Cisco und Harry Dank Eobards Formel konstruiert hatten, funktionierte einwandfrei wie die Tests bewiesen. Barry konnte es, zumindest was die Geschwindigkeit anging, mit Zoom aufnehmen. Jetzt blieb nur noch zu klären, wie sie erneut zu Erde 2 gelangen konnten, nachdem sie alle Portale bereits geschlossen hatten.

    Während Cisco und Caitlin seit dem frühen Morgen an einer Lösung tüftelten, arbeitete Barry in seinem Labor an dem Beweismaterial von vier Fällen gleichzeitig, schrieb drei Berichte und wurde schließlich noch zu einem Tatort gerufen. Als er fertig war und Captain Singh die lange erwarteten Untersuchungsergebnisse präsentierte, war es kurz nach 17.00 Uhr und er hatte fast zehn Stunden durchgearbeitet, mit nur einer kurzen Pause für Kaffee und Burger. Ständig hatte er den Gedanken im Hinterkopf, Len anzurufen. Aber nie war der Zeitpunkt wirklich passend.

    Gerade als er Singhs Büro verließ, klingelte sein Handy. Es war Cisco. „Hey, Mann, hast du … hast du Zeit? Oder bist du gerade sehr beschäftigt?“ Cisco klang ungewöhnlich nervös.

    „Bin gerade mit der Arbeit fertig. Was ist los?“

    „Ähm, ich kann dir das nicht wirklich so auf die Schnelle erklären, aber … Kannst du zum Memorial Hospital kommen? Jetzt gleich?“

    „Sicher, was ist …? Bist du okay, Cisco?“, fragte Barry alarmiert.

    „Ja, ja, alles bestens. Ich warte unten an der Info. Und besorg bitte unterwegs noch Blumen, ja? Das wäre klasse, Mann.“

    Nur wenige Sekunden später stand Barry neben Cisco an der Information des Krankenhauses, in der Hand ein Blumenstrauß.

    „Danke, Alter.“ Cisco strahlte und schnappte sich die Blumen. „Dann wollen wir mal.“ Er stieg in den Aufzug, bedeutete Barry, ihm zu folgen und drückte auf den Knopf für das fünfte Stockwerk.

    „Was tun wir hier?“, fragte Barry und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wen besuchen wir?“ Cisco reagierte nicht, er war doch tatsächlich damit beschäftigt, in der verspiegelten Rückwand des Aufzuges sein Aussehen zu überprüfen und mit den Fingern seine Haare zu ordnen. Er trug schwarze Jeans, ein T–Shirt und darüber eine schwarze Lederjacke, die Barry noch nie bei ihm gesehen hatte. Für einen Krankenbesuch hatte er sich sehr in Schale geworfen.

    „Cisco?“

    Cisco holte tief Luft und drehte sich zu Barry um. „Lisa Snart.“

    „Was?“ Barry riss die Augen auf. Nun, zumindest erklärten sich so das Outfit und die Nervosität.

    „Okay, hör zu. Ich weiß, sie ist … eine Kriminelle. Leider. Deswegen habe ich auch zuerst nicht reagiert, als sie vor ein paar Monaten angefangen hat, mir Sms zu schreiben. Und ich schwör‘ dir, Mann, ich habe keine Ahnung, woher sie meine Nummer hat.“

    „Ja, kommt mir bekannt vor“, murmelte Barry.

    Cisco schien ihn nicht gehört zu haben. „Wir haben uns ab und zu geschrieben, ein paar Mal telefoniert, über ganz belanglose Sachen gesprochen und sie ist …“ Cisco lächelte. „Sie ist wirklich nicht übel, wenn man sie näher kennt.“ Er hob abwehrend die Hand, als wollte er einen Einwand Barrys verhindern. „Ich weiß. Trotzdem kriminell. Deswegen habe ich auch abgelehnt, als sie neulich mit mir ausgehen wollte.“ Das Bedauern in seiner Stimme war nicht zu überhören.

    Barry rieb sich die Stirn. „Okay Cisco, du … du hast also Beinahe-Dates mit Lisa Snart, was an sich schon …“ Er schluckte den Rest des Satzes hinunter, denn, ehrlich, er war der Letzte, der Cisco deswegen Vorhaltungen machen sollte. „Was … okay, ist. Ich meine, nicht wirklich, aber … egal.“ Barry schüttelte den Kopf. „Aber was, bitte, soll ich hier?“

    Der Aufzug hielt.

    „Warte, dazu komme ich gleich, okay.“ Cisco lächelte ihm rasch zu, sichtlich erleichtert über Barrys Reaktion und trat auf den langen Krankenhausflur hinaus. Im Gehen redete er weiter. „Als ich gehört habe, dass sie bei dem Überfall verletzt wurde, habe ich sie gefragt, wie es ihr geht und ob sie etwas braucht. Ich wollte … höflich sein, nichts weiter“, erklärte Cisco und wurde rot.

    „Klar“, sagte Barry und grinste leicht.

    „Sie hat dann gesagt, so verrückt das auch klingt, dass sie … dass sie dringend mit dir sprechen muss. Ich soll sie besuchen und dich mitbringen.“

    „Mit mir? Du meinst mit Flash? Warum hast du dann ….?“

    „Nein, nein, nein“, fiel Cisco ihm rasch ins Wort. „Mit dir, Barry Allen.“

    „Warum? Woher kennt sie mich? Wir haben uns bisher zweimal kurz gesehen und ich glaube nicht, dass ich mich ihr vorgestellt habe.“

    „Naja, ich habe dich mal erwähnt und gesagt, dass wir befreundet sind und ab und zu zusammen abhängen. Dass du Forensiker beim CCPD bist und dadurch auch mit S.T.A.R. Labs zu tun hast. Mehr nicht. Und jetzt will sie mit dir sprechen. Unbedingt. Sie sagt, es sei wichtig.“

    „Klar sagt sie das.“ Barry schnaubte.

    „Nein, Mann.“ Cisco war vor einem der Krankenzimmer stehengeblieben und sah Barry ernst an. „Sie sagt, es sei wichtig für dich. Und es klang nicht nach einem Scherz oder nach einer linken Tour. Deswegen habe ich mich da überhaupt drauf eingelassen.“

    Len! Barrys Herzschlag beschleunigte sich. War etwas mit Len passiert? Nein, das ergab keinen Sinn, denn Lisa wusste sicher nichts von ihnen beiden. Oder?

    Bevor Barry noch etwas fragen konnte, hatte Cisco bereits kurz an die Tür geklopft und betrat das Zimmer. Barry folgte ihm mit pochendem Herzen.

    Lisa saß auf dem Bett, das Kopfteil hochgestellt, und legte gerade eine Zeitschrift zur Seite, in der sie eben noch geblättert hatte. Sie trug eine Jogginghose und ein kurzärmeliges T–Shirt unter dessen linkem Ärmel ein Verband zu sehen war. „Cisco!“, begrüßte sie ihn mit einem echten Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ – sie freute sich wirklich, ihn zu sehen. Ihr Blick fiel auf Barry und das Lächeln wurde einen Hauch kühler. Sie musterte ihn abschätzend, aber nicht unfreundlich. „Und … Barry.“

    „Hi, Lisa.“ Barry hob kurz grüßend die Hand.

    „Hier, für dich.“ Cisco präsentierte ihr die Blumen und sah sich um. „Hast du eine Vase?“

    „Wow, die sind toll, danke.“ Sie strahlte. „Wie süß von dir, daran zu denken, Cisco.“

    Barry räusperte sich und musste grinsen, als Cisco verlegen hüstelte und sich im Krankenzimmer übereifrig nach einem passenden Gefäß für die Blumen umsah.

    In Lisas Augen lag echte Zuneigung als sie ihn beobachtete, dann sah sie wieder Barry mit diesem seltsam taxierenden Blick an, unter dem er sich zunehmend unwohl zu fühlen begann.

    „Du siehst schon … viel besser aus“, bemerkte er, hauptsächlich um überhaupt etwas zu sagen.

    Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. „Besser? Inwiefern besser? Das letzte Mal haben wir uns vor ein paar Monaten bei Jitters gesehen, als ich Cisco … um einen Gefallen gebeten habe.“ Ihr Lächeln wurde etwas spöttischer und für einen Moment war da eine gewisse Ähnlichkeit mit Len, die Barry vorher noch nie aufgefallen war. „Ich hoffe ich sehe jetzt nicht besser aus als damals.“

    „Ähm, nein, natürlich nicht“, beeilte Barry sich zu versichern und versuchte Ciscos leicht entsetztes Augenaufreißen zu ignorieren. „Ich meinte besser dafür, dass du … dass du ja erst verletzt wurdest. Also, im Vergleich dazu, wie du wohl ausgesehen haben musst … ähm, kurz nachdem das passiert ist.“ Er rieb sich den Nacken. „Nicht, dass ich das wüsste, oder gesehen hätte, aber … ich vermute es eben?“

    „Aha.“ Lisa wirkte amüsiert. „Dann – danke.“

    Wow. Er musste wirklich aufpassen, was er sagte. Lisa war verdammt aufmerksam. Barry holte tief Luft. „Okay, Lisa, weswegen sollte ich herkommen? Du hast gesagt, es sei wichtig?“

    Sie nickte. „Gleich. Sei so nett, Barry, geh mal da rüber an den Schrank, da müsste eine Vase für die Blumen sein. Ganz oben.“

    „Okay.“ Barry zuckt die Schultern und spürte bei den wenigen Schritten durchs Zimmer Lisas Blicke auf sich. Er durchsucht den Schrank. „Sorry, keine Vase“, sagte er und drehte sich zu ihr um.

    Sie nickte zufrieden. „Schon okay. Ich wollte nur noch eine letzte Bestätigung haben.“

    Barry lachte unsicher auf und hob die Schultern. Die Art, wie Lisa ihn musterte, wurde zunehmend beunruhigender und machte ihn kribbelig. „Bestätigung wofür? Dass keine Vase im Schrank ist?“

    „Nein, Dummchen. Dafür, dass ich mit meiner Vermutung recht habe.“ Sie lächelte süffisant. „Die Art, wie sich jemand bewegt und geht, ist ganz individuell. Man kann jemanden an seinem Gang erkennen, auch wenn er das Gesicht hinter einer Maske versteckt.“

    Barry schluckte. Cisco warf ihm einen verständnislosen, aber deutlich panischen Blick zu.

    Lisa hob die Augenbrauen und sagte zuckersüß: „Also, du bist hier, weil ich mit dir über meinen Bruder und über das tragische Ende eurer kleinen Liebesaffäre reden möchte, Flash.“


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