Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 20 von 36

Thema: [SGA] Geistspringer

  1. #1
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard [SGA] Geistspringer

    Hier ist schon einmal die Inhaltangabe für meine nächste Fanfiction, die ich ab dem Wochenende posten werde. Sie war ursprünglich mal als Challenge-Beitrag gedacht, wurde dann aber so umfangreich, dass ich lieber noch etwas Neues geschrieben habe.

    Titel: Geistspringer
    Autorin: Antares
    Serie: SGA
    Genre: Fantasy-AU
    Rating: NC-17
    Pairing: John/Rodney
    Beta: Ganz, ganz herzlichen Dank an Tamara!
    Inhalt: Der Sondergesandte Rodney McKay kommt an den Hof des Großkönigs, um sich den Prototyp einer Waffe anzuschauen und ein Buch für König Daniel zu erstehen. Schon am ersten Abend fällt ihm John Sheppard auf. Von da an entwickelt sich nichts mehr so, wie es vorgesehen war.
    Wörter: ca. 29 000


    (zum Vergrößern anklicken)

    Credits für das Buchcover: Dies ist ein Screenshot aus dem Video-Spiel "The Witcher" .
    Geändert von Antares (05.03.2016 um 14:25 Uhr) Grund: Betaleserin vergessen!

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Staff Sergeant
    Registriert seit
    05.06.2015
    Ort
    Bezirk Melk Österreich
    Beiträge
    48

    Standard

    Das seh ich jetzt schon, dass das eine Hammer Story wird. Freu mich schon wie ein kleines Kind
    Geändert von Christl (04.03.2016 um 21:11 Uhr) Grund: ein wort vergessen

  4. #3
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
    Registriert seit
    31.05.2010
    Ort
    Hamburg
    Beiträge
    4.449
    Blog-Einträge
    44

    Standard

    Was für ein tolles Cover! Ich kann Christl da nur zustimmen, freue mich auch sehr.

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  5. #4
    Denkende Leseratte mit Kampfkatze Avatar von Tamara
    Registriert seit
    13.06.2013
    Ort
    Sachsen
    Beiträge
    891

    Standard

    Das Cover gefällt mir außerordentlich gut, vor allem diese Liebe zum Detail, die sich zeigt.
    Kommentar von Elizabeth Weir, ISBN, Rückenbeschriftung ... klasse!
    Nicht, was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns,
    in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich.
    (Arthur Schopenhauer)

  6. #5
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    @ Christl, John´s Chaya, Tamara - Ich freue mich sehr, dass auch das 'Buch'-Cover gefällt! Vielen Dank für eure netten, anerkennenden Worte! *freu*

    Und dann will ich mal loslegen - so dass ich vor dem Urlaub damit fertig bin. *g*

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Geistspringer (1/7)

    Antares, SGA, John/Rodney, NC-17, Fantasy AU

    ------------------------------------------------------------------------------------

    Rodney McKay, der neu ernannte Sondergesandte seiner Majestät, schimpfte schon seit einer halben Stunde ununterbrochen vor sich hin. Genauer gesagt, seit sie begonnen hatten, die Wearina-Sümpfe zu durchqueren und ihn die Mücken piesackten. Rodney hatte eigentlich gedacht, dass die Blutsauger feuchtes, warmes Klima liebten. Aber das schien bei dieser Sorte nicht so zu sein. Denn obwohl die ersten Schneeflocken fielen und der Atem in der Luft kondensierte, waren sie zu Hunderten unterwegs. Den Sonderbotschafter bissen sie ganz besonders oft. War jedenfalls Rodneys Eindruck.

    „Warum konnte meine Schwester nicht zu Großkönig Cowen reiten?“, fragte er einen seiner Begleiter, Magister Zelenka, bestimmt schon zum fünften Mal. „Sie ist viel besser in solchen Verhandlungsdingen als ich, außerdem ist das ihre Aufgabe. Wir haben schon vor Jahren eine gut funktionierende Arbeitsteilung vereinbart.“ Er schlug nach einem Blutsauger. „Jeannie ist für die Außenkontakte verantwortlich, ich sehe zu, dass unsere Mitarbeiter spuren. Und jetzt so etwas! Ich wäre so viel lieber daheim geblieben und hätte weiter an den Tr…“

    „Rodney, Sie wissen ganz genau, dass Ihre Schwester hochschwanger ist“, erklärte Magister Zelenka genervt. „Sie darf nicht mehr reiten.“
    „Ich dachte, Schwangerschaft wäre keine Krankheit“, schnappte Rodney bösartig. „Jedenfalls hat Jeannie mir das versichert, als sie mit den Forschungen an dem Fluggerät weitermachen wollte.“
    „Es besteht ja wohl ein Unterschied zwischen ein paar Stunden an einem Zeichenbrett sitzen und an einem fast zehntägigen Ritt teilnehmen“, beschied ihm Zelenka kurz angebunden, schüttelte den Kopf, trieb sein Pferd an und schloss zu Major Carter auf, damit er den Klagen nicht länger ausgesetzt war.

    „Mistviecher!“, knurrte Rodney und schlug auf seinen Hals, neben seinem Gesicht eine der wenigen freien Stellen, die seine Kleidung sehen ließ. Der Rest seiner Haut war unter kniehohen Stiefeln, einer Hose aus strapazierfähigem Leder, einem gestepptem Wams, einem leichtem Kettenhemd, ausladenden Kragen und Lederhandschuhen gut verpackt.

    Es war so ungerecht! Warum musste ausgerechnet er sich durch diese mückenverseuchte Gegend quälen? Der König hätte doch bestimmt auch jemand anderes finden können.

    Die Wearina-Sümpfe waren bei niemandem sehr beliebt, und kaum besiedelt, die wenigen Sumpfbewohner, die es gab, bekam man nie zu Gesicht, wenn sie es nicht wollten. Die ausgedehnten Moorflächen bildeten eine sehr wirksame, natürliche Grenze zwischen dem Reich der Genii, das von Großkönig Cowen regiert wurde und den nord-westlichen Provinzen von König Daniels Reich.

    Die Pfade durch die Sümpfe waren schmal, zum Teil mit hölzernen Bohlen befestigt und machten es unmöglich, dort mit einer großen Armee aufzumarschieren. Fast einen ganzen Tag brauchten man, um sie hinter sich zu lassen und um anschließend auf breiteren Straßen wieder besser voran zu kommen. Leider hatte Rodneys Reisegruppe noch einen halben Tag vor sich.

    König Daniel hatte Rodney mit einer kleinen Eskorte von zwölf Bewaffneten, drei Dienern und drei Kollegen zum Großkönig geschickt, da dessen Leute eine neue Waffengattung entwickelt hatte. Sie hatten ein Faustrohr gebaut, das sie als revolutionäre Neuerung anpriesen, und bei dem die Ausbildung der Schützen nur wenige Tage in Anspruch nahm. Daniel wollte jetzt eine Expertenmeinung haben, ob es sich lohnte, solche Handrohre zu erwerben, oder ob sie noch nicht ausgereift waren.

    Außerdem – und das war wohl der Hauptgrund für seine Reise vermutete Rodney – wollte König Daniel ein Buch haben. Es war bekannt, dass Cowen eines der wenigen erhaltenen Exemplare der Gedichtzyklen von Tura besaß, das auf über fünfhundert Jahre geschätzt wurde, und das er jetzt zum Verkauf anbot. Es war handgeschrieben und mit aufwändigen Blattgoldintarsien verziert, und König Daniel, der schöne alte Dinge und Bücher über alles liebte, brannte darauf, es seiner Sammlung einzuverleiben.

    So hatte er Rodney kurzerhand zum Sondergesandten ernannt, ihn mit einer prall gefüllten Börse ausgestattet, Magister Zelenka und Magistra Kusanagi sowie eine Expertin für Handschriften, Elizabeth Weir, zur Seite gestellt und nach Nordwesten geschickt. McKay hatte versucht abzulehnen, aber erstens war es schwierig, dem König einen Wunsch abzuschlagen, wenn der es drauf anlegte und zweitens hatte seine Schwester ihm die Hölle heiß gemacht.

    „Ich bin nicht gut in solchen Sachen, Jeannie. Das weißt du doch, Diplomatie war noch nie meine Stärke.“
    „Es ist eine billige Ausrede zu sagen, dass es nicht deine Stärke ist. Du kannst ja zur Abwechslung erst mal dein Hirn einschalten, ehe du dein Mundwerk benutzt, dann wird das auch mit der Diplomatie klappen.“
    „Aber es kommt doch nicht auf ein paar Wochen an. Wenn du wieder reisen kannst …“
    „Rodney Meredith McKay! Du bist ein erwachsener Mann! Du wirst dich gefälligst zusammenreißen. Wenn der König meint, dass es wichtig ist, dann wirst du gefälligst da hin reisen. Und außerdem wäre da noch …“ Sie hatte noch eine ganze Kladde voller Argumente gehabt, warum er den Auftrag nicht ablehnen konnte.

    Rodney seufzte in der Erinnerung an diese Unterredung tief auf. Ein wenig Recht hatte seine Schwester ja. Der König stattete sie wirklich großzügig mit Geldern für ihre Forschungen aus und ließ ihnen in ihrem Wissenschaftsministerium, das sie gemeinsam führten, weitgehend freie Hand. Natürlich mussten sie auch Resultate erbringen. Landwirtschaftliche Geräte, Brückenbau, Langbogen und Belagerungsmaschinen verbessern und die Körperpanzerung der Soldaten undurchdringlicher und leichter machen, daneben durften sie aber auch an solch hochtrabenden Plänen wie Fluggeräten herumbasteln.

    Wenn alles gut ging, kostete ihn dieser „kleine Ausflug“, wie ihn seine Schwester in völliger Verkennung der Strapazen genannt hatte, bestimmt vier Wochen seiner kostbaren Zeit. Warum war Jeannie auch ausgerechnet jetzt schwanger?

    Wenigstens hatten sie am Abend die schrecklichen Sümpfe hinter sich gelassen und Major Carter, die für die Sicherheit und die Planung der Reise zuständig war, führte sie in einen kleinen Gasthof, dessen gutes Essen seine Laune wenigstens halbwegs wieder herstellte.

    Das unangenehmste Stück ihrer Reise jedenfalls war geschafft. Wenn alles gut ging, wären sie in drei Tagen im Palast des Großkönigs und da warteten ja wohl hoffentlich alle Annehmlichkeiten auf ihn. Außerdem hoffte Rodney, dass er die Gelegenheit haben würde, die berühmten Waffenschmieden der Genii anzuschauen, denn in der Produktion von Waffen waren Cowens Leute eindeutig führend. Wenn er einen Blick auf ihre Produktionsstätten werfen könnte, dann hätte sich dieser strapaziöse Ritt wenigstens ein bisschen gelohnt.

    ----------------------------------------------

    Die Palastburg des Großkönigs war schon von weitem sichtbar. Sie lag auf einem ungefähr dreihundert Meter hohen, nur nach vorne abgeflachten Felsen. An den anderen Seiten boten steile, graue Felswände Sicherheit. Der Palast lag ganz oben auf dem Plateau mit einer atemberaubenden Aussicht über das umliegende Land. Das Herz der alten Stadt, die sich an der flacher abfallenden Seite angesiedelt hatte, wurde von vier Wehrtürmen geschützt, die gesamte Stadt war von einer dicken Stadtmauer umschlossen und konnte nur durch zwei Stadttore betreten oder verlassen werden.

    John Sheppard befand sich in einem der zahlreichen Innenhöfe, die es neben ausgedehnten Gärten und Plätzen mit Springbrunnen und Ruhebänken überall in der Palastanlage gab. Er spielte mit einem Wachmann, der gerade außer Dienst war, Wandball.

    „Ich habe gehört, die Gesandte des Seenreichs, Jeannie McKay, soll eine erfolgreiche Erfinderin und harte Verhandlungspartnerin sein“, keuchte Johns Partner, Ronon Dex, atemlos zwischen zwei Schlägen.
    „Habe ich auch gehört. Dazu noch schön und verheiratet, so viel ich weiß. Mach dir also keine Hoffnungen“, neckte John.
    Ronon lachte. „Ich bin nicht auf der Suche.“

    John drosch mit seinem Holzschläger auf den kleinen Ball ein, der gegen die Wand sprang und so schnell zurückkam, dass er für seinen Gegner unerreichbar war. „Vierzehn zu zwölf.“
    „Verdammt, Sheppard, du bist heute zu gut für mich.“
    „Ich nutze gnadenlos aus, dass du heute Nachtdienst hattest“, lachte John.
    „Wen bringt sie alles mit?“, wollte Ronon wissen.
    „Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass ungefähr zwanzig Leute erwartet werden.“

    Schon seit Tagen hatte John von nichts anderem mehr reden gehört, als von der Delegation aus König Daniels Seenreich. Natürlich waren vor allem Gerüchte im Umlauf, und die Dienstboten, die die Gastgemächer herrichteten, wussten nicht viel, aber immerhin, wieviel Leute erwartet wurden.

    Gäste bedeuteten Abwechslung im täglichen Einerlei und vor allem Nachrichten von außerhalb der Palastmauern. Deshalb sah John der Ankunft mit Freude entgegen.

    Dex verschlug auch den nächsten Ball.
    „Noch zwei Punkte, dann habe ich gewonnen“, verkündete John erfreut.
    „Dazu wird es wohl nicht mehr kommen.“ Ronon klemmte sich seinen Schläger unter den Arm und trat an die hüfthohe Brüstung des Hofes, in dem sie spielten. „Das sieht sehr nach einem Boten aus.“ Er zeigte auf einen Mann, der zum Haupttor der Stadt hineinritt. „Er trägt die Farben des Seenreichs.“
    „Komm, lass uns herausfinden, wann sie hier eintreffen werden.“
    „Einverstanden.“

    Sie sammelten ihre Bälle auf, nahmen ihre Schläger, gingen zurück in die Haupthalle und erfuhren, dass der Besuch innerhalb der nächsten zwei Stunden erwartet wurde.

    Ronon verabschiedete sich. Da er bei der Ehrengarde war, musste er wieder seine Uniform anlegen. Auch John begab sich in sein Zimmer und zog die durchschwitzten Kleidungsstücke aus und etwas Festlicheres an.

    Nach der Ankunft dauerte es noch drei Stunden, ehe alle Gäste in ihren Gemächern untergebracht waren und sich frisch gemacht hatten. Mit Einbruch der Dunkelheit begann das Abendessen. Es wurde reichlich aufgetischt, aber das eigentliche Festmahl war für den nächsten Tag vorgesehen, an diesem Abend wollte man den Gästen die Möglichkeit geben, sich früh auf ihre Zimmer zurückzuziehen und nach den Strapazen der Reise auszuruhen.

    John wusste, dass die dunkelgrüne, aus feiner Wolle gefertigte Tunika, die er trug, gut an ihm aussah. Und das war durchaus seine Absicht. Denn er hatte herausgefunden, dass es viel leichter war, das zu bekommen, was man wollte, wenn man hübsch und elegant wirkte. Es fiel ihm leicht, mit Leuten über Nichtigkeiten zu plaudern und dabei doch Dinge herauszufinden, die ihm wichtig waren, ohne dass sich seine Gesprächspartner ausgehorcht vorkamen.

    Nach Jeannie McKay hielt er jedoch vergeblich Ausschau. Er erfuhr von einem Diener, dass stattdessen ihr Bruder Rodney gekommen war. Nun, das war auch okay, sein Charme wirkte meist auch bei Männern. Er würde bestimmt mit ihm auskommen.

    „Nein, nein, nein! Wollen Sie mich umbringen? Es ist mir ganz egal, ob Sie diese Blume mühevoll in einem gläsernen Haus herangezüchtet haben oder nicht. Sie stinkt! Ich will sie nicht in meiner Nähe haben. Nehmen Sie sie weg! Sofort!“ Ein gut gekleideter Mann, ungefähr in Johns Alter, der eine Tunika aus den blauen Stoffen trug, für die das Seenreich bekannt war, gestikulierte wild mit seinen Händen und der Dienstbote, den er so anfuhr, schaute unschlüssig, was er jetzt tun sollte.

    John gab dem Dienstboten ein Zeichen, die Blume mitzunehmen und sich zurückzuziehen und fragte den Fremden, der offensichtlich zu der Delegation der Gäste gehörte: „Sie mögen keine Hyazinthen? Sie sind der ganze Stolz unseres Gärtners zu dieser Jahreszeit.“ John lud ihn ein, ihm in einen anderen Teil des Raumes zu folgen.
    „Was ist an: ‚Sie stinken’ so unverständlich?“, schnappte der Mann und blieb stehen.
    „Ungefähr die Hälfte der Mensch empfindet so, für die andere Hälfte stellt ihr Duft einen Wohlgeruch dar.“

    „Ach ja? Und wer sind Sie? Der Gärtner?“ Herausfordernd verschränkte der Fremde die Arme vor der Brust.
    John lächelte. „Nein, ich bin nicht der Gärtner. Mein Name ist John Sheppard.“ Er verbeugte sich kurz. „Ich wohne hier. Und Sie sind…?“
    „Sonderbotschafter Rodney McKay“, stellte sich Johns Gegenüber mürrisch vor, neigte ebenfalls den Kopf und musterte John danach unverhohlen.

    Oh je, dieser miesepetrige Mensch war also der Sonderbotschafter? John neigte noch einmal den Kopf und sagte: „Ich werde veranlassen, dass keine Hyazinthen in Ihr Zimmer gestellt werden und wir werden einen Platz am Tisch suchen, der weit von den stinkenden Blumen entfernt ist.“
    „Ich bekomme Kopfschmerzen von dem Gestank!“
    John vermutete eher, dass McKay schon Kopfschmerzen hatte, so verbissen, wie er schaute. „Wollen Sie mich einen Moment auf den Balkon begleiten?“, erkundigte sich John. „Vielleicht hilft frische Luft?“
    „Der erste vernünftige Vorschlag, den irgendjemand macht.“

    Doch ehe sie ihn in die Tat umsetzen konnten, betrat Großkönig Cowen mit dem Rest seines Gefolges den Raum. Er trug einen knöchellangen, dunkelroten ärmellosen Mantel, der mit dem Wappen der Genii bestickt war, der Rest seiner Kleidung war schwarz. Auf seinen grauen Locken thronte eine schmale Goldkrone. Das war nicht volle Staatstracht, aber mehr, als er zu informellen Anlässen, bei denen er sich gerne als wohlmeinender Landjunker darstellte, trug.

    Der Großkönig lud nach einer ausführlichen Begrüßung aller Gäste den Botschafter und seine Begleiter an seinen Tisch ein und alles, was John machen konnte, war, die Hyazinthen in McKays Nähe entfernen zu lassen.

    Während des Essens saß John so, dass er den Botschafter beobachten konnte. McKay aß wahllos und schnell von den aufgetischten Speisen, meckerte mit allen Leuten in seinem Gefolge herum, bemühte sich aber offensichtlich, dem Großkönig und dessen Leuten gegenüber etwas weniger kurz angebunden zu sein. Was ihm nicht immer gelang.

    John genoss es außerordentlich, dass mal jemand mit einer wegwischenden Handbewegung zu Cowen sagte: „So ein Blödsinn!“ und der Großkönig nichts unternehmen konnte, als die Zähne aufeinander zu beißen und gezwungen zu lächeln. Die Respektlosigkeit des hohen Gastes war erfrischend.

    Nach dem Essen gab es noch Kaffee, Tee und Schokolade. Ein Teil der Anwesenden verzog sich ins Raucherzimmer, die anderen flanierten durch den Hauptsaal und schnell bildeten sich kleine Grüppchen, in denen erzählt und diskutiert wurde.

    „Geht es Ihren Kopfschmerzen besser?“, erkundigte sich John bei McKay, der sich an einer Tasse mit heißem Kaffee festhielt.
    „Nein. Ich hoffe nur, dass das Bett wenigstens bequem ist.“
    „Mit Daunenfedern gefüllte Decken“, versprach John.
    „Das klingt nicht schlecht.“ McKay warf ihm ein schiefes Lächeln zu.

    „Soll ich veranlassen, dass man Ihnen ein heißes Bad einlässt? Oder was unternehmen Sie für gewöhnlich, um ihre Kopfschmerzen los zu werden?“
    „Ich trinke einen grässlichen Tee aus Pfeffer, Bockshornklee, Fenchel, Mariendistel und Thymian, den mir Carson, mein quacksalbernder Freund, zusammenrührt, der aber erstaunlicherweise recht gut hilft.“
    „Ich kann nicht versprechen, dass es das alles in der Küche gibt.“ John lächelte entschuldigend.
    „Zwei, drei Zutaten davon tun es auch.“ McKay fuhr sich mit einer Hand über die Stirn.

    John winkte einen Diener heran und sie gaben ihm gemeinsam den Auftrag, den Tee in der Küche zu bestellen und mitzubringen und für den Sonderbotschafter ein heißes Bad vorzubereiten.

    „Sind Sie mit dem Großkönig verwandt?“, erkundigte sich McKay. „Ich meine, weil Sie hier einfach so Aufträge erteilen können.“
    „Nein, das bin ich nicht. Ich lebe hier am Hof.“
    „Ähm … Wie war noch gleich der Name?“
    „John Sheppard. Ich bin …“

    „Oh, Göttin, ja!“ Rodney schnipste mit den Fingern. „Der jüngste Sohn des Barons von Sheppard.“ Er richtete seine Zeigefinger auf John und fuhr fort: „Sie sind eine der politischen Geiseln, die die aufständischen Barone an den Hof des Großkönigs schicken mussten, nachdem ihr Aufstand niedergeschlagen worden war. Das ist jetzt elf Jahre her.“

    McKay war sichtlich stolz darauf, dass er mit dem Namen etwas verbinden konnte. John fragte sich, ob es wohl seine Schwester gewesen war, die ihn mit Akten auf diesen Auslandsbesuch vorbereitet hatte? Sie schien dann aber vergessen zu haben, ihm mitzuteilen, dass man das auch diplomatischer verpacken konnte. Die Worte trafen glücklicherweise nicht mehr so, wie sie noch vor zehn Jahren getroffen hätten. Die Zeit hatte geholfen, dass John sich mit seinem Schicksal halbwegs arrangiert hatte.

    „Ja, auf den Punkt gebracht“, bestätigte John. Ganz hatte er die Bitterkeit aus seinen Worten wohl aber nicht heraushalten können.
    „Ähm … das hätte ich jetzt nicht sagen sollen, nicht wahr?“, fragte der Sonderbotschafter kleinlaut.

    Bei dem schuldbewussten Gesicht musste John einfach anfangen zu grinsen. „Das ist schon in Ordnung.“ Er hatte nicht den Eindruck, dass McKay es böse oder abwertend gemeint hatte. Und auf seine Menschenkenntnis konnte er sich eigentlich immer verlassen. „Es ist ja die Wahrheit. Ich bin tatsächlich schon fast zwölf Jahre hier.“
    „Ich w…“

    „Sie müssen der Sonderbotschafter des Seenreichs sein“, unterbrach eine hübsche, blonde Frau in einem reich verzierten grünen Kleid, das Gespräch der beiden und lächelte McKay an.
    „Jennifer“, meinte John und verzog seine Lippen zu einem Lächeln.
    „Baroness Jennifer Keller“, stellte sie sich vor und streckte dem Botschafter die Hand entgegen, die er ergriff und schüttelte.
    „Sehr erfreut.“ Sein Gesichtsausdruck verriet etwas anderes. John erinnerte er ein verschrecktes Kaninchen.

    Jennifer wandte sich an John. „John, mein Lieber, hast du den Botschafter jetzt nicht schon lange genug mit Beschlag belegt?“, fragte sie mit falscher Freundlichkeit. Dann wandte sie sich erneut an McKay. „Begleiten Sie mich auf den Balkon? Der Sternenhimmel ist wunderschön“, zwitscherte sie und schaute den Sonderbotschafter von unten mit großen Augen an.

    John wurde es bald schlecht bei dieser schüchternen, unschuldig-naiven Darbietung. Denn wenn sie etwas ganz bestimmt nicht war, dann schüchtern und naiv.
    „Ähm … ja …“ McKay warf John einen leicht verzweifelten Blick zu und forderte ihn eindeutig auf, ihn zu retten.

    „Ich denke, Botschafter, Ihr Badewasser wartet“, sagte John und musste innerlich grinsen, als McKay erleichtert aufatmete und Jennifer ihm bitterböse Blicke zuwarf.

    „Das Badewasser. Genau! Und der Tee. Heißer Tee. Gegen meine Kopfschmerzen. Ich muss jetzt wirklich in mein Zimmer gehen.“ McKay machte rückwärts gehend einen Schritt nach hinten. „Es hat mich sehr gefreut“, fügte er in Jennifers Richtung noch eilig mit einem Kopfnicken hinzu.
    „Mich auch. Bis morgen dann.“ Jennifer deutete einen Knicks an, lächelte Johns Meinung nach zum Ausspucken sirupartig süß und verschwand endlich.

    Er atmete auf. Er konnte sie wirklich nicht leiden und sie ihn nicht, und deshalb gingen sie sich so gut es ging aus dem Weg. Bei offiziellen Anlässen war das leider manchmal schwierig.

    In diesem Moment erschien auch der Dienstbote mit dem Tee. „Soll ich Eure Exzellenz zu Eurem Zimmer führen?“
    „Oh ja, bitte. In diesem Labyrinth verläuft man sich ja.“
    „Ich kann das übernehmen“, sagte John und streckte die Hand nach der Tasse aus. Der Diener gab sie ihm.

    Gemeinsam gingen zu McKays Zimmer. Dort angekommen, ging der Botschafter als erstes zur Balkontür und öffnete sie.
    John trat neben ihn und atmete die kühle, frische Nachtluft ein. „Wollen Sie ihren Tee draußen trinken?“
    „Ja. Stellen Sie ihn einfach auf den Tisch.“ McKay deutete auf den Tisch, der zwischen den beiden Balkonliegen stand. „Und setzen Sie sich doch noch einen Moment zu mir. Ich bin noch viel zu aufgedreht, um gleich schlafen zu können.“

    John setzte sich neben ihn, erklärte ihm einige der erleuchteten Gebäude in der Stadt unterhalb des Palastes und ging nach einer Weile in McKays Zimmer, um zwei Decken zu holen, denn die Nachtluft war zu kalt, wenn man ohne Jacke draußen saß. Auf dem Nachttischchen sah er ein Buch liegen und musste grinsen.

    „Sie lesen also auch die Atlantis-Chroniken von Evan Lorne“, meinte er, als er McKay die Decke anreichte.
    „Ja, nein, ich meine … die hat meine Schwester mir mitgegeben.“ Der Botschafter machte eine abschätzige Bewegung mit der Hand. „Für die Reise ist es gerade recht. Leichte Lektüre. Etwas, das man auch nach einem anstrengend Tag noch lesen kann, um auf andere Gedanken zu kommen.“

    „Der letzte Band war nicht schlecht. Ach was, keiner der Bände ist schlecht“, verbesserte sich John. „Aber mir hat der elfte Band ‚Die Queste der Schildträgerin’ am besten gefallen.“
    McKay setzte seine Teetasse ab. „Oh ja! Das war klasse! Die Kampfszenen und auch, dass es am Ende eben nicht ihr Sohn ist und sie noch weiter suchen muss, das war schon hervorragend gemacht. Ich hoffe, da kommt bald noch mal was zu.“

    „Sie scheinen ja doch schon mehr, als nur eine Reiselektüre gelesen zu haben.“ John grinste den Botschafter herausfordernd an.
    Der stutzte, ihm schien wohl erst in diesem Moment klar geworden zu sein, wie viel er mit dem Satz preisgegeben hatte, dann hob er beide Hände. „Ja, ja. Vielleicht schon. Alle scheinen die Bücher zu verschlingen, aber keiner will es wirklich zugeben, Männer schon mal gar nicht.“
    „Ich habe alle Bände gelesen“, sagte John natürlich sofort prompt.
    McKay zögerte, dann meinte er: „Ich auch.“

    Bei mussten lachen und danach zitierten sie ihre Lieblingsstellen, diskutierten darüber, ob die Königin oder der Zauberprinz mächtiger waren, stellten Vermutungen an, wie der Strang um die Schildträgerin ausgehen würde und ob Evan Lorne wohl der richtige Name oder ein Pseudonym war.

    Beide waren sich einig, dass seine Landschaftsbeschreibungen wunderschön waren und so detailliert, dass man die Orte genau vor Augen hatte.
    „Wie ein Maler!“, lobte McKay, „Ich habe den Eindruck gehabt, als würde ich jede Gasse der Wolkenstadt kennen.“
    „Oder die Hochebene von Larhistao, man konnte richtig das Wasser durch die Kanäle gluckern hören“, stimmte ihm John zu.

    Sie zerpflückten noch ein paar Handlungsstränge und als McKay immer häufiger gähnen musste, verabschiedete sich John und wünschte ihm eine gute Nacht. „Genießen Sie Ihr Daunenbett.“
    „Das werde ich“, versicherte ihm McKay im Brustton der Überzeugung.

    ------------------------------------------------------------

    Am nächsten Morgen erwachte Rodney ohne Kopfschmerzen und sein Arbeitseifer kehrte schlagartig zurück. Er stellte fest, dass er über das Plaudern mit Sheppard ganz sein Badewasser vergessen hatte, aber das war nicht schlimm. Die Kopfschmerzen waren auch so weggegangen und das war die Hauptsache. Voller Elan machte er sich an die Arbeit. Bevor die Gäste zu einer Stadtrundfahrt abgeholt wurden, hatte er schon einen Brief an seine Schwester geschrieben, sich mit Magister Zelenka über ein technisches Problem gestritten und die Diener mit seinen Sonderwünschen zur Verzweiflung getrieben.

    Die Stadtrundfahrt entpuppte sich im ersten Teil, innerhalb der Stadtmauern, als ein Stadtrundgang. Rodney musste sich Museen, Theater, Denkmäler und irgendwelche Springbrunnen anschauen. Glücklicherweise hatten Magister Kusanagi und Major Carter ehrliches Interesse an einigen der Punkte, die sie besichtigten, so dass Rodneys mangelnder Enthusiasmus nicht allzu sehr ins Gewicht fiel.

    Als für den Nachmittag eine Landpartie mit Picknick angesagt war, bestand Rodney darauf, erst eine der berühmten Schmieden anzuschauen, in der die weit über die Grenzen hinaus bekannten Genii-Klingen hergestellt wurden. Hals über Kopf wurde das Programm umgeworfen und die Leute aus dem Seenreich in eine der bekanntesten Schmieden geführt.

    Rodney unterhielt sich derart lange mit dem Schmied und einigen Gesellen über die Herstellung des Stahls, der verwendet wurde, über die Weiterverarbeitung, Härtegrade und Anwendungsgebiete, dass es im Endeffekt schon zu spät für das Picknick war und es auf einen anderen Tag verschoben wurde, was Rodney ausgezeichnet passte.

    Wieder im Palast zurück war es schon fast Zeit, sich für das Festbankett anzuziehen. Aber ein paar Minuten hatte er noch, so dass er auf eine der Terrassen hinausging, die zu der Seite mit dem steil abfallenden Felsen gelegen waren. Er warf einen Blick auf die umgebende Landschaft.
    Am Vorabend war es schon zu dunkel gewesen, um mehr als nur Lichter ausmachen zu können, jetzt jedoch sah er bewaldete Hügel, viele Felder, auf denen Kühe grasten oder Landwirtschaft betrieben wurde und in der Ferne ein kleines Dorf.

    Alles wirkte friedlich und sehr beschaulich und man konnte kaum glauben, dass die Genii einen großen Teil ihres Geldes mit dem Export von Waffen verdienten. Der Besuch der Schmiede heute war schon ganz interessant gewesen, aber Rodney hatte nichts gesehen, was er nicht schon kannte. Die Klingen waren hochwertig, sicher, aber wenn König Daniel wollte, könnte er ihm ähnliche Waffenschmieden errichten.

    Aber Daniel wollte nicht. Er hatte die Landesverteidigung ganz auf den Bau von Schiffen ausgerichtet, die auf den Seen patrouillierten und meist gleichzeitig Güter transportierten und bisher immer ein sehr wirksamer Schutz gewesen waren.

    Das Seenreich lag auf sechsunddreißig sehr großen, hunderten von kleineren und tausenden von ziemlich kleinen Inseln, die zum Teil per Brücken, zum größeren Teil aber nur per Schiff zu erreichen waren. Das viele Wasser und das milde Klima auf den meisten Inseln machten das Seenreich zu einem Lieferanten von hochwertigen Lebensmitteln. Auch die besten Weine kamen von den zehn Weininseln ganz im Süden des Reichs.

    Was Rodney auf dem Rückweg zu seinem Zimmer daran erinnerte, dass er nicht vergessen durfte, die vier Kisten, die als Gastgeschenke vorgesehen waren, heute Abend mit in den Festsaal zu nehmen. Die Weine, die Cowen am Vorabend serviert hatte, waren nicht schlecht gewesen, kamen aber nicht an den Gaumengenuss der Seen-Weine heran. Jedenfalls in Rodneys Meinung nicht, es mochte ja sein, dass die herberen Weine von hier besser zu den härteren Waffenschmieden passten. Aber vielleicht war das auch nur eines der vielen Vorurteile, die natürlich beide Seiten pflegten.

    Denn wenn er ehrlich war, John Sheppard passte auch nicht in das Bild, das er bisher von den Baronen des Reiches gehabt hatte. Er war so angenehm und aufmerksam gewesen. Selbst seine mangelnden diplomatischen Sonderbotschafter-Fähigkeiten hatten ihm bisher nur ein Grinsen entlockt. Und wenn Rodney sich nicht ganz getäuscht hatte, dann hatte es ihm sogar gefallen, dass er gestern Abend am Tisch Cowen ein oder zwei Mal zurechtgewiesen hatte. Nicht, dass er das gewollt hatte, denn das hätte Jeannie bestimmt nicht gutgeheißen, aber er konnte nun mal pompöse Menschen nicht leiden und schon hatte er gesagt, was er gedacht hatte.

    Und Sheppard hatte eindeutig versucht, sein Amüsement nicht zu zeigen, aber seine Augen hatten ihn verraten. Wieso er das überhaupt gesehen hatte? Nun, Sheppard hatte ja auch die halbe Zeit zu ihm herübergeschaut. Eindeutig.

    Welche Rolle Sheppard wohl genau am Hofe spielte? Was waren seine Pflichten? Er schien sich frei innerhalb der Palastmauern bewegen zu können, hatte am Essen teilgenommen, war gut gekleidet, hatte Befehlsgewalt gegenüber den Dienstboten – auf den ersten Blick sah es so aus, als würde man als politisches Faustpfand kein so ganz schlechtes Leben zu führen. Aber das waren natürlich nur das Bild, das der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Viel spannender war immer das, was unter der Oberfläche lag. Nun, er hatte ja noch ein paar Tage hier am Hof, um genau das herauszufinden.


    TBC ...
    Geändert von Antares (05.03.2016 um 14:36 Uhr)

  7. Danke sagten:


  8. #6
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
    Registriert seit
    31.05.2010
    Ort
    Hamburg
    Beiträge
    4.449
    Blog-Einträge
    44

    Standard

    Den Sonderbotschafter bissen sie ganz besonders oft. War jedenfalls Rodneys Eindruck.
    Armer Rodney, sogar die Mücken haben es nur auf ihn abgesehen.

    „Sie darf nicht mehr reiten.“
    „Ich dachte, Schwangerschaft wäre keine Krankheit“, schnappte Rodney bösartig.
    Na na, so redet man doch nicht über die schwangere Schwester.

    König Daniel
    Kann ich mir sehr gut vorstellen.

    wollte König Daniel ein Buch haben.
    Wann will er das denn nicht?

    Der König stattete sie wirklich großzügig mit Geldern für ihre Forschungen
    Dann sollte Rodney wirklich nicht meckern.

    John drosch mit seinem Holzschläger auf den kleinen Ball ein, der gegen die Wand sprang und so schnell zurückkam, dass er für seinen Gegner unerreichbar war.
    Squash?

    sein Charme wirkte meist auch bei Männern. Er würde bestimmt mit ihm auskommen.
    John kommt mit fast jedem gut aus und mit Rodney ganz bestimmt.

    Die Respektlosigkeit des hohen Gastes war erfrischend.
    So ist er halt unser Rodney.

    „Sie lesen also auch die Atlantis-Chroniken von Evan Lorne“
    Die würde ich auch sehr gerne lesen.

    „Ich habe alle Bände gelesen“, sagte John natürlich sofort prompt.
    McKay zögerte, dann meinte er: „Ich auch.“
    Sieht so aus, als hätten sie schon einmal etwas gemeinsam, da kommt bestimmt noch mehr.

    Das Seenreich lag auf sechsunddreißig sehr großen, hunderten von kleineren und tausenden von ziemlich kleinen Inseln, die zum Teil per Brücken, zum größeren Teil aber nur per Schiff zu erreichen waren.
    Da ist sofort mein Kopfkino angesprungen. Irgendwie hatte ich sofort die Mecklenburger Seenplatten vor Augen.
    König Daniel hat wirklich ein wunderschönes Reich, in dem ich auch gerne wohnen würde.

    Und Sheppard hatte eindeutig versucht, sein Amüsement nicht zu zeigen, aber seine Augen hatten ihn verraten. Wieso er das überhaupt gesehen hatte? Nun, Sheppard hatte ja auch die halbe Zeit zu ihm herübergeschaut. Eindeutig.
    John hat es ja auch nicht so mit pompöse Menschen. Da haben sie wieder etwas gemeinsam.

    auf den ersten Blick sah es so aus, als würde man als politisches Faustpfand kein so ganz schlechtes Leben zu führen. Aber das waren natürlich nur das Bild, das der Öffentlichkeit gezeigt wurde.
    Ich habe so die Ahnung, dass da noch mehr dahinter steckt. Armer John! Auch wenn er augenscheinlich ein gutes Leben führt.

    Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht und ob Rodney mit seinem vorlauten Mund doch noch irgendwo aneckt.
    Das war ein tolles, spannendes erstes Kapitel!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  9. #7
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    Vielen lieben Dank, John's Chaya für die tollen Anmerkungen!

    Na na, so redet man doch nicht über die schwangere Schwester.
    'Man' vielleicht nicht - aber ich fürchte Rodney schon.

    Squash?
    Ja, so etwas Ähnliches hatte ich vor Augen.

    John kommt mit fast jedem gut aus und mit Rodney ganz bestimmt.
    Das denke ich auch. John hat eine sehr unverbindliche Art - und ich meine, selbst mit Sumner hat er sich nicht richtig gestritten, und nur eine passende Bemerkung gemacht.

    „Sie lesen also auch die Atlantis-Chroniken von Evan Lorne“
    Die würde ich auch sehr gerne lesen.
    -----Ich auch!!! *g*

    Irgendwie hatte ich sofort die Mecklenburger Seenplatten vor Augen.
    Ja, wahrscheinlich sieht es da ähnlich aus, nur noch etwas besseres Wetter. Und natürlich um ein Vielfaches größer.


    Ich habe so die Ahnung, dass da noch mehr dahinter steckt. Armer John! Auch wenn er augenscheinlich ein gutes Leben führt.
    Ach, du weißt doch, dass ich mit meinen Charakteren eigentlich ganz nett umgehe.


    Das war ein tolles, spannendes erstes Kapitel!
    ---Na, so richtig spannend war es noch nicht - aber es braucht ja auch eine kleine Einleitung in diese neue Welt. Das nächste Kapitel wird definitiv ... spannender.

  10. #8
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    Geistspringer (2/7)

    Als es eine Viertelstunde später an Rodneys Tür klopfte, ging er zur Tür und öffnete sie.
    „Du bist ja immer noch nicht umgezogen!“, rief Magister Zelenka. „Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?“
    „Ich habe ein wenig auf einer der Terrassen gestanden“, erwiderte Rodney.
    Zelenka schaute ihn mit großen Augen an. „Nur auf der Terrasse gestanden? Und nichts gemacht? Du?“
    „Doch! Ich habe nachgedacht. Die Situation strategisch bewertet, so wie es auch meine Schwester gemacht hätte“, ging Rodney sofort in Verteidigungsstellung.
    „Was gibt es denn bisher strategisch zu bewerten?“
    „Gesellschaftsstrukturen“, erwiderte Rodney schnippisch.

    Als Rodney das nicht näher ausführte, zog Radek Zelenka fragend die Augenbrauen hoch. Als immer noch keine Erklärung folgte, meinte er: „Komm, zieh dich um, wir gehen in den Festsaal.“

    Eine halbe Stunde später betraten sie zusammen mit den anderen Delegationsmitgliedern und fünf Wachen den großen Saal. Die schweren Wandteppiche mit den Schlachtmotiven waren mit Blumengirlanden geschmückt worden und hunderte von Kerzen erhellten den Raum. Die Tische waren festlich mit Bleikristallgläsern, Silberbestecken und feinstem Porzellan gedeckt. Ein kleines Orchester saß auf einer Empore und spielte leise Musik, Heerscharen von Bediensteten liefen umher und umsorgten die Gäste.

    König Cowen, der an diesem Abend im vollen Staatsornat erschienen war, begrüßte den Sonderbotschafter, als habe er ihn seit Ewigkeiten nicht gesehen, dabei war er am Morgen kurz vorbeigekommen, während Rodney beim Frühstück gesessen hatte. Aber da heute Abend der große, offizielle Empfang war, gehörte das wohl dazu. Nur gut, dass das sonst Jeannies Aufgabe war. Rodney hatte nur wenig Geduld für solche formellen Zeremonien.

    Rodney ließ die Diener das Gastgeschenk herbei bringen und hielt eine zwanzigminütige Rede, mit vielen leeren Worthülsen, die ihm seine Schwester geschrieben hatte.
    Major Carter sagte auch noch ein paar Worte über die Gastfreundschaft und den freundlichen Empfang.
    Cowen bedankte sich herzlich und wortreich für das Geschenk und den Besuch und stellte die Bedeutung heraus, die das für ihre beiden Reiche hatte – und dann ging es endlich zum Essen.

    Dort fühlte Rodney sich deutlich besser, denn am Tisch saßen Kollegen aus dem Wissenschaftsministerium der Genii, mit denen es einfacher war, Gesprächsstoff zu finden als mit dem Großkönig. Schon bald drehten sich die Diskussionen um Metalllegierungen und die perfekte Zusammensetzung von Bronze und Stahl. Man plauderte angeregt – und nachdem Major Carter ihm einmal vors Schienbein getreten hatte – aber nicht *zu* offen. Erst als es um die hypothetische Entwicklung von Fluggeräten und ähnlichen wissenschaftlichen Hirngespinsten ging, wurde das Gespräch lockerer, denn hier bestand kaum die Möglichkeit zum Geheimnisverrat.

    Es folgte Gang auf Gang bei dem Festmahl, unterbrochen durch künstlerische Darbietungen von Feuerschluckern, Tänzern und Jongleuren. Die Gäste wechselten zwischen den Gängen meist die Plätze, damit möglichst viele Leute Gelegenheit hatten, mit den Leuten aus dem Seenreich zu reden. Der Alkohol floss in reichlichen Mengen – nicht jedoch der gute Wein aus dem Seenreich, wie Rodney spöttisch feststellte. Die Sitzordnung wurde nach dem Dessert endgültig aufgehoben, so dass Rodney beschloss, Magister Zelenka zu suchen, um zu hören, was der bisher so in Erfahrung gebracht hatte.

    „Nun, Botschafter, gut geschlafen unter dem Daunenbett?“, erkundigte sich eine warme Stimme in seinem Rücken.

    Rodney drehte sich um und sah John Sheppard, der hinter seinem Stuhl stand und sich zu ihm herunterbeugte. Eine Hand stützte er auf der Rückenlehne ab, die zweite auf der Armlehne von Rodneys Stuhl. Er sah an diesem Abend noch verführerischer aus als am gestrigen. Über der blauen Seidentunika trug er eine schwarze, eng anliegende Samtweste, die sparsam mit silbernen Borten verziert war. Dazu sein wie immer ungezähmtes, schwarzes Haar – Rodney gefiel der Anblick sehr.

    „Ja. Ja, sehr gut“, beeilte er sich zu sagen, als ihm auffiel, dass er nur gestarrt statt geantwortet hatte.
    „Hatten Sie heute den obligatorischen Stadtrundgang mit anschließendem Picknick?“, erkundigte sich Sheppard.
    „Natürlich. Nur zum Picknick ist es nicht mehr gekommen, da ich zu lange in der Schmiede geblieben bin.“
    „Der Protokollchef war bestimmt begeistert.“
    „Sagen wir so – es gab viel Händeringen und Haareraufen, aber er hat das Programm angepasst.“ Rodney zuckte mit den Schultern.

    Rodney hatte keine Ahnung, warum er annahm, dass Sheppard in dieser Sache seinen Standpunkt einnahm und nicht den des Hofes und des Protokollchefs. Nun, vielleicht hatte Johns unwiderstehliches Lächeln etwas damit zu tun. Verflixt, er war zu wichtigen Verhandlungen hier, da sollte er nicht unbedingt einem Mann schöne Augen machen, über dessen Situation am Hofe er nichts wusste. Wer wusste schon, in was für ein Wespennest er sonst stach?

    Gerade als er diesen löblichen Vorsatz gefasst hatte, sah er die Blonde vom Vorabend auf sich zusteuern. Kurzentschlossen stand er auf, hakte sich bei John unter und drehte ihn in die entgegengesetzte Richtung. Was nun? „Ähm … Dort vorne ist Major Carter. Ich werde sie Ihnen vorstellen.“
    „In Ordnung.“

    Sheppard ließ sich dorthin steuern, wo Rodney ihn haben wollte. Major Carter stand neben Magister Zelenka und Rodney machte sie alle miteinander bekannt. Sie plauderten angenehm über das Essen, den Palast, die Sachen, die sie sich heute angeschaut hatten, aber nicht zu lange, dann mussten sie an den Rand des Saals gehen, weil eine Gruppe von Akrobaten Platz für ihre Vorführungen brauchte. Die Truppe war hervorragend, die Menschenpyramiden, die sie bildeten waghalsig und beeindruckend und sie ernteten verdienten Applaus.

    Rodney gähnte und hoffte, jetzt langsam ins Bett gehen zu können. Die langen Ritte von den Vortagen steckten ihm noch in den Knochen.

    Der Großkönig jedoch klatschte in die Hände, ließ sich einen großen silbernen Krug bringen und begann noch eine letzte Runde Obstbrand einzuschenken. „Alles Beeren, die innerhalb der Palastmauern gewachsen sind und nach meinem eigenen Rezept gebrannt worden sind“, verkündete er stolz.
    „Nippen Sie nur dran“, warnte Sheppard ganz leise, bevor Cowen mit dem großen Krug bei ihnen war.

    „Botschafter.“ Cowen goss Rodneys Glas eigenhändig bis oben hin voll. „Auf eine fruchtbare Zusammenarbeit. Meine Berater haben mir gesagt, dass Ihr für morgen ein volles Tagesprogramm habt, da einige Punkte heute nicht mehr stattfinden konnten.“ Er stieß mit seinem Glas gegen Rodneys und kippte es in einem Zug runter.

    „Auf eine hervorragende Zusammenarbeit“, sagte Rodney, nippte an dem Getränk, merkte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Ehe Cowen etwas dazu bemerken konnte, fing er mit einer Frage zur optimalen Schärfung von Eisenklingen an und redete ohne Punkt und Komma. Alles war besser, als noch etwas von dem Feuerzeug trinken zu müssen!

    Als er Luft holen musste, nutzte Cowen die winzige Pause, um einzuwerfen: „Ich bin sicher, morgen werden alle Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet werden. “
    „Ich freue mich schon drauf.“ Rodney gratulierte sich selbst dazu, wie geschickt er diese mögliche peinliche Situation – er hustend, mit knallrotem Kopf und nach Luft schnappend – umschifft hatte.

    Der Großkönig nickte huldvoll und verkündete für alle Umherstehenden hörbar: „Ich werde mich jetzt in meine Gemächer zurückziehen. Ihr, liebe Gäste, seid herzlich eingeladen noch weiterzufeiern. Oder ihr dürft euch natürlich ebenfalls zurückziehen.“ Er wandte sich direkt an Rodney, Zelenka und Carter. „Wenn ihr heute Nacht nicht allein zu sein wünscht, stehen euch meine Gesellschafter zur Verfügung.“

    Er klatschte erneut in die Hände und vier junge Frauen und zwei junge Männer, die mit ihnen am Tisch gesessen hatten, und von denen Rodney niemals gedacht hätte, dass sie nicht der adeligen Gesellschaft angehörten, traten näher und nickten ihnen zu.

    Rodney wusste, dass er nicht als allzu seltsam rüber kommen durfte, das hat ihm seine Schwester noch einmal eingeschärft. Wenn es hier am Hofe üblich war, für Staatsgäste „Gesellschafter“ zur Verfügung zu stellen, musste er das Angebot dann annehmen? Sein Blick ging zu Major Carter und die warf ihm einen Blick zu, der die Entscheidung an ihn zurückgab. Das hieß dann ja wohl, dass es von protokollarischer Seite aus kein vorgeschriebenes Gesetz gab.

    Magister Kusanagi und Elizabeth Weir lehnten dankend ab, Magister Zelenka zupfte an seinem Kragen herum und stellte dann leicht atemlos fest, dass er leider heute Abend zu müde dafür wäre. Er entschuldigte sich vielmals bei den vier Damen und versicherte ihnen, dass es nicht an ihnen läge, da sie alle sehr hübsch seien und nett und er aber wirklich müde sei und überhaupt …

    Bevor er sich noch weiter verheddern konnte, meinte Major Carter mit einem Seitenblick auf einen der jungen Männer: „Mister Shanahan, wollen Sie mich begleiten?“
    Wieso wusste sie seinen Namen? rätselte Rodney. Aber vielleicht war sie auch nur besser im Behalten von Namen als er.
    „Sehr gerne“, sagte der Angesprochene mit einem strahlenden Lächeln.

    Jetzt ruhten alle Blicke auf Rodney. Dessen Augen suchten unwillkürlich Sheppard, der neben Zelenka stand. Die beiden anderen Männer interessierten ihn nicht, ebenso wenig wie die Frauen. Er wollte aber keinen diplomatischen Zwischenfall riskieren und beschloss deshalb ebenso wie Zelenka Müdigkeit vorzuschützen. „Ich …“

    Cowen, der wohl seinem Blick gefolgt war, sagte laut und deutlich: „John Sheppard können Sie natürlich auch haben.“ Er winkte John heran, der ohne eine Gefühlsregung zu zeigen näher trat.

    Oh, verflucht! Jetzt hatte er wohl genau in das Wespennest gestochen, das er sich doch vorgenommen hatte, zu vermeiden! „Ich … uhm …“ Fieberhaft suchte Rodney nach einem Ausweg, bis ihm der hervorragende Gedanke kam, dass er John erst einmal aus der Schusslinie nehmen sollte, über Details konnten sie gleich in seinem Zimmer noch reden. Erst einmal weg von hier!

    „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir die Ehre erweisen, mich zu begleiten“, sagte Rodney und deutete Sheppard gegenüber ein Nicken an.
    „Gern.“ Sheppard bestätigte mit einem Nicken und Rodney konnte gar nicht schnell genug allen eine gute Nacht wünschen und aus dem Festsaal verschwinden.

    -------------------------------------------------------------------------

    Der Botschafter, der neben John herging, warf ihm immer wieder einen fragenden, unsicheren Blick zu, sagte aber nichts. John hätte ihn gerne beruhigt und ihm gesagt, dass er auch ohne Cowens Intervention versucht hätte, die Nacht mit ihm zu verbringen. Denn Rodney McKay, der von der einen zur anderen Sekunde zwischen rüder Selbstsicherheit und hilfloser Unsicherheit schwanken konnte, faszinierte ihn, wie schon lange niemand mehr.

    Kaum hatten sie die Tür des Zimmers hinter sich zugemacht, sagte McKay schon: „Es tut mir leid. Ich … ich … Selbstverständlich müssen Sie nicht …“ Seine Hand wedelte Richtung Bett. „Ich werde einfach noch ein bisschen arbeiten, Sie machen, was immer Sie gerne machen wollen. Ich habe sowieso überhaupt keine Zeit für … ähm … so etwas und muss, wie schon gesagt, noch arbeiten.“ Er setzte sich an seinen Schreibtisch und griff nach einer Schreibfeder.

    John setzte sich in einen der Stühle und beobachtete McKay. Der Botschafter war nicht leicht zu lesen, aber John war überzeugt, dass er einem kleinen Techtelmechtel nicht abgeneigt war. Immer wieder warf er einen Blick aus den Augenwinkeln auf ihn. Als John seine Beine ausstreckte und das oberste Band an seiner Tunika löste, schluckte er sichtbar und beugte sich noch ein wenig tiefer über sein Dokument.

    Normalerweise würde John jetzt seine Erfahrung nutzen und versuchen, McKay zu verführen und in neunundneunzig Prozent der Fälle würde ihm das auch gelingen. Aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Botschafter mehr verdient hatte. Ein paar Erklärungen, die er sonst immer tunlichst vermied und die er auch niemandem schuldig war. Wollte er sich das wirklich antun, das jetzt laut auszusprechen?

    Betont konzentriert und mit hektischen Strichen schrieb McKay auf das Blatt vor ihm. Als John sich von seinem Stuhl erhob, stockte er einen winzigen Moment, schrieb dann aber weiter. Erst als John sich direkt neben seiner Hand gegen die Schreibtischplatte lehnte, schaute er doch auf. „Was?“, fragte er mit rebellischem Unterton.

    „Cowen hat Recht, Sie können mich haben. Aber nicht, weil er es sagt, sondern weil ich es möchte.“
    „Erpresst er Sie?“, fragte McKay schneidend.
    John atmete einmal bewusst ein und aus. „So einfach ist das nicht. Als ich an den Hof kam, war ich einundzwanzig. Hatte schon vier Jahre in der Armee verbracht, kaum Erfahrung in Liebesdingen, außer den Dirnen, die Soldaten immer in den Wirtshäusern finden. Und dann sagt der Großkönig zu mir, ich könnte mit jedem seiner Besucher schlafen, wenn ich wollte. Was wird ein junger Mann dieses Alters wohl wollen?“ John schnaubte leise. „Vor allem, wenn die Staatsgäste zur Abwechslung hübsch, sauber und gebildet sind?“

    „Sie haben es also freiwillig getan?“
    „Ja, ich hatte großen Nachholbedarf. Doch dann kam der Tag, an dem er mich aufgefordert hat, die Nacht dazu zu verwenden, eine ganz bestimmte Sache herauszubekommen – und erst da ging mir tatsächlich zum allerersten Mal auf, dass es dabei keineswegs nur um meine Wünsche ging.“ Wie benutzt und schlecht er sich dabei vorgekommen war, wollte er nicht weiter ausführen.
    „Hat er Sie gezwungen, auch mit Leuten ins Bett zu gehen, die Sie nicht mochten?“, erkundigte sich Rodney und legte die Feder zur Seite.

    „Nicht direkt. Ich meine, man kann sich natürlich so darstellen, dass man attraktiv oder weniger attraktiv gefunden wird. Ich habe mir also jemanden ausgesucht und wenn der König es mir dann befohlen hat, wollte ich es sowieso schon.“
    John erwähnte nicht, dass Cowen ihm außerdem ganz klar zu verstehen gegeben hatte, dass er bei jeder Weigerung eine weitere Person aus der Familie des Barons anfordern würde. Das war ihm Anreiz genug gewesen, sich selbst aktiv jemanden auszusuchen.

    John zog ein Gesicht. „Ganz zu Beginn gab es drei, vier Situationen, die ich heute anders handhaben würde.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber wer hat nicht schon einmal eine Verabredung gehabt, die er nachher bereut hat?“
    McKay lächelte schief und nickte. „Das ist wohl wahr“, meinte er mit einem tiefen Seufzer.

    John legte seine Finger über McKays. „Heute passiert mir das nicht mehr. Denn mit den Jahren bin ich immer besser im Lesen der Menschen geworden. Heute stehe ich voll und ganz hinter meinen Entscheidungen.“
    Oh ja, da war Verlangen in McKays Augen, John war sich ganz sicher. Aber noch zögerte der Botschafter.
    „Sind Sie anderweitig gebunden?“, erkundigte sich John plötzlich. Denn die Tatsache, dass McKay ohne Begleitung angereist war, musste ja nicht heißen, dass zu Hause niemand auf ihn wartete.
    „Nein.“ McKay schüttelte den Kopf. „Aber – oh verdammt, so noble Anwandlungen habe ich selten – ich möchte Sie nicht … übervorteilen.“
    John lachte erleichtert auf. „Ich fühle mich keineswegs übervorteilt.“

    Rodney biss sich auf die Unterlippe, dann stieß er rasch hervor: „Ich weiß, dass ich manchmal etwas schwierig sein kann und da … da … habe ich schon mehr als einmal davon profitiert, dass mich einige Leute vor allem wegen meines Einflusses unwiderstehlich attraktiv fanden, die mir sonst keinen zweiten Blick zugeworfen hätten.“
    „Woah, McKay!“, rief John überrascht. So ein Geständnis hatte er noch von niemandem gehört. Auch wenn es bei vielen so war, offen eingestehen wollten sie es nicht.

    Rodney erhob sich von seinem Stuhl und stand jetzt vor John. „Damit sind wir quitt. Sagen Sie ganz ehrlich, was Sie wollen, ich werde Cowen gegenüber das wiederholen, was für Sie am besten ist.“
    „Ich möchte diese Nacht wirklich“, meinte John. „Ich möchte *Sie* wirklich.“ Er streckte seine Hand aus und legte sie auf McKays Oberarm. Das war ein deutlicher Kontakt, aber nicht so intim, dass der Botschafter nicht ohne Peinlichkeit für beide Seiten einfach einen Schritt zurück machen könnte.
    „Das trifft sich hervorragend, das möchte ich nämlich auch.“ McKay lächelte ihn an und legte seine Hand über Johns.
    „Dann sind wir uns ja schnell einig geworden.“

    John begann an den seitlichen Verschnürungen seiner Weste zu zupfen und McKay fragte sofort: „Darf ich helfen?“
    „Gern.“ John drehte sich zur Seite und hob seinen Arm. McKay beugte sich vor und als er den Knoten in dem Band nicht sofort aufbekam, schimpfte er: „Blöde Verschnürung. Kann man die nicht einfach aufschneiden?“
    „Geduld ist nicht Ihre Stärke, oder?“, lachte John.

    Der Botschafter runzelte die Stirn und dachte ernsthaft nach. „In wissenschaftlichen Dingen schon, bei solchem Kleinkram – nein.“
    „Dann lassen Sie mich doch helfen.“ John nahm seinen Arm wieder herunter und fuhr mit seinem Zeigefinger über McKays Hand – Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger...
    „Verdammt“, keuchte McKay leicht atemlos. „So wird das nie was.“

    Doch in dem Moment gelang es John, den Knoten zu lösen und gemeinsam zogen sie die Verschnürung an der Seite auf, so dass er die Weste abstreifen konnte.
    „Quid pro quo“, meinte er und machte sich an der Schnalle von McKays schwerem, mit Edelsteinen besetzten Gürtel zu schaffen.
    Jetzt half ihm der Botschafter, der genau wusste, wie der Schließmechanismus funktionierte und der Gürtel sackte achtlos zu Boden.

    John schubste ihn aufs Bett und gerade als Rodney protestieren wollte, zog John bereits an seinem Stiefel. McKay streckte ihm auch noch den zweiten Fuß hin, nachdem der erste Stiefel auf dem Teppich gelandet war.
    Als er auf dem Bett weiter nach oben rutschte, entledigte sich John auch schnell seiner Schuhe und krabbelte hinterher.

    Der Botschafter lehnte sich gegen die Kissen, leckte sich über die Lippen und seine Augen maßen John von oben bis unten. Ihm schien zu gefallen, was er sah, denn seine Pupillen wurden größer. John blieb auf allen vieren über ihm, die Hände neben dem Kopf aufgestützt. McKays Brustkorb hob und senkte sich schneller, und John ließ ihn noch einen Moment zappeln. Dann beugte er sich vor, küsste ihn flüchtig auf die Lippen und drückte sich wieder hoch.

    „Botschafter w…“
    „Wenn schon, dann Sonderbotschafter. Aber sag um Himmels willen Rodney zu mir, wenn wir im Bett sind.“
    „Uhm… dass ich John bin, weißt du ja.“
    „Ja, Dummkopf.“ Rodney schüttelte einmal den Kopf, dann zog er John an dessen Nacken zu sich herunter und küsste ihn. Ließ schon nach wenigen Sekunden seine Zunge über Johns Lippen streichen, erlaubte es aber, dass John mit seiner Zunge in seinen Mund vordrang. Der Kuss war bei beiden voller Erkundungsdrang und John fragte sich, wann er das letzte Mal so innig geküsst worden war.

    Nach ein paar Minuten sackte John auf die Ellenbogen, um Rodney noch etwas näher zu sein. „Ich will dich“, wisperte Rodney und John küsste ihn aufs Kinn, glitt mit seinen Lippen die Wangen herauf, hauchte Küsse auf die zarte Haut kurz unter dem Ohr und ging dann zu Rodneys Mund zurück. Mhmm, das fühlte sich wirklich, wirklich gut an. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen, von allen Delegationsmitgliedern war Rodney der Faszinierendste.

    Rodneys Hände streichelten durch sein Haar und über seinen Hals und gierig saugte er an Johns Zunge. Alles in Rodneys Bewegungen strahlte Selbstsicherheit aus und John vermutete, dass er normalerweise derjenige war, der sagte, wo es langging.

    Nun, genau das war John auch gewöhnt und deshalb widersetzte er sich Rodneys Versuch, ihn durch eine Drehung nach unten zu bringen. Stattdessen legte er sich neben ihn und ließ seine Hände unter die Tunika und über den Körper des anderen Mannes gleiten. Rodney hatte eine nette Figur. Kompakt, wohlgenährt, aber nicht verweichlicht. Als seine Finger Rodneys Brustwarzen streiften, seufzte der leise auf und er kümmerte sich ausgiebiger darum. Neckte sie, reizte sie, kniff sanft hinein, und schob Rodneys Tunika bis zu den Achseln hoch, so dass er mit seinen Lippen und seiner Zunge weitermachen konnte.

    Rodney versuchte noch einmal, sich über ihn zu rollen, legte auch etwas Kraft in den Versuch, aber John lenkte ihn mit kleinen Bissen ab, bis Rodney sich unter ihm wand und sich ihm entgegen reckte. John dosierte die Bisse ganz genau, ging nie zu weit und verwöhnte ihn dann wieder, indem er in breiten Strichen über dessen Brust leckte. Er pustete auf die feuchten Brustwarzen, bis sie sich verhärteten und Rodney bei jeder noch so sanften Berührung dort hörbar stotternd Luft einsog.

    Dazu ließ Rodney köstliche kleine Seufzer und immer lautere ‚ja’ hören. Es bestand kein Zweifel, dass ihm das gefiel. Auch John gefiel es. Er mochte es, wenn er seine Bettpartner so verrückt machen konnte, dass sie alles um sich herum vergaßen und sich ganz seiner Führung überließen. Es hatte etwas mit Macht zu tun und John hatte kein Problem damit, sich das einzugestehen. Für ihn, der er sonst immer vorsichtig auftreten musste, in so vielen Entscheidungen eingeschränkt war, war es ein tolles Gefühl, jemanden in seiner Hand zu haben und dorthin zu dirigieren, wo er ihn hinhaben wollte.

    Spoiler 
    Als Rodney leise wimmernd „John“ sagte, in einem Tonfall den zu besitzen er bestimmt kategorisch leugnen würde, öffnete John die Verschlüsse an Rodneys Hose. Zentimeter um Zentimeter schob er den Stoff zur Seite und auf jedes Stückchen freie Haut, hauchte er einen winzigen Kuss oder atmete warm aus. Rodney roch so gut, so männlich und erfüllte Johns Sinne mit Erregung.

    „Ja, ja, ja“, rief Rodney und bog sich ihm entgegen, wollte offensichtlich inzwischen genau das, was John ihm gab. John legte seine warme Hand auf Rodneys Schwanz und als Rodney seine Beine etwas auseinander fallen ließ, raste durch John eine Woge von Triumph und Verlangen. Genauso. Genauso wie es ihm gefiel.

    Er beugte sich vor und umspielte mit seiner Zunge die Eichel, kostete Rodney zum ersten Mal und musste es gleich noch einmal wieder tun. Wunderbar warm und erregend. Weiche Haut, die er mit seinen Lippen und seinen Fingern über die Härte darunter schieben konnte. Rodney stöhnte jetzt lauter und es gab keinen Zweifel daran, dass es ihm gefiel.
    Mit jeder Minute besser gefiel, so wie er nach Luft japste. Vor allem, als John nach einer Weile die Lippen über das Glied stülpte und begann mit dem ganzen Mund auf und ab zu gleiten.

    Weitere gemurmelte Zustimmung und John wiederholte die Bewegungen, bei denen Rodney ganz besonders kurzatmig wurde. Er genoss die Hingabe des anderen Mannes, der sich ihm ohne Vorbehalte darbot. Rodneys Finger lagen lose in seinem Haar, versuchten aber nicht, ihn zu dirigieren oder das Tempo zu bestimmen. Es lag in Johns Macht, Rodney kommen zu lassen oder es noch etwas zu verzögern. Er entschied sich für das zweite.

    Er ließ Rodney etwas zu Atem kommen, umschloss aber den Schaft, den er nicht ganz in seinem Mund aufnahm mit seinen Fingern und massierte ihn sanft. „So gut“ und „genau da“ brabbelte Rodney und John öffnete endlich mit seiner zweiten Hand auch seine eigene Hose und berührte sich selbst. Erleichterung, fast schmerzhaftes Verlangen, der drängende Wunsch, fester in seine Hand zu stoßen und das köstliche Ausreizen der sich langsam aufbauenden Woge durchfluteten John.

    Er nahm wieder mehr von dem Glied in seinen Mund, glitt mit der Zunge über die pulsierenden Venen und genoss Rodney mit all seinen Sinnen. Es machte ihm eigentlich immer Spaß, auf diese Weise einen anderen Mann zu nehmen und zur Besinnungslosigkeit zu treiben. Aber da er Rodney vorher Dinge anvertraut hatte, die er eigentlich sonst niemandem erzählte – er wusste immer noch nicht genau, warum er es gemacht hatte, nur, dass er nicht unter missverständlichen Vorzeichen hatte in diesen Abend gehen wollen – war es etwas anders als sonst. Etwas mehr als sonst. Etwas intimer als sonst.

    John drehte sein Handgelenk, so dass er auch Rodneys prall gefüllte Hoden in die Liebkosungen miteinbeziehen konnte und in dem Moment, als er sie zum ersten Mal berührte, stöhnte Rodney tief und lang anhaltend auf. John wusste, dass er es jetzt nicht mehr allzu lang hinauszögern konnte. Er begann mit seinen Lippen schneller auf und ab zu gleiten, seine Zunge fester auf die Unterseite des Glieds zu pressen und mit seiner Hand zusätzlichen Druck auszuüben. Rodney stöhnte jetzt kontinuierlich und für John war es die beste Bestätigung, alles richtig zu machen.

    Jeder Ton Rodneys lief seine Nervenbahnen entlang, brachte ihn höher und machte ihn kurzatmiger. Als Rodney „Jetzt!“ rief, schloss er seine Lippen fester um ihn und trank, schluckte und schlürfte alles auf. Wunderbare Befriedigung durchraste John und mit zwei, drei festen Stößen verengte sich seine Wahrnehmung auf die aufbrandende Welle, die ihn durchraste und alles in ihm in Wohlbefinden explodieren ließ.


    Rodney gönnte ihm nur wenige Augenblicke, dann zog er ihn zu sich nach oben, neben sich auf das Kopfkissen und küsste ihn. John verschluckte Rodneys gemurmelte Bemerkungen, als der sich selbst auf Johns Lippen schmeckte. Aber so zufrieden, wie er dazu ausschaute, so gierig, wie er mit seiner Zunge in Johns Mund vorstieß, waren es sowieso alles zustimmende Worte gewesen. Eng umschlungen schliefen sie schon kurze Zeit später ein.

    ---------------------------------------------------------

    Während Rodney am nächsten Vormittag bei einem Treffen mit einigen Genii saß, die ihm lang und breit erklärten, warum ihre Faustrohre so einmalig waren, schweiften seine Gedanken ab.

    Am Morgen war John nicht mehr in seinem Bett gewesen, als er aufgewacht war. Das hatte ihn nicht allzu sehr überrascht, auch wenn er insgeheim gehofft hatte, dass John ihn wecken würde. Gegen eine weitere Runde hätte er ganz sicher nichts einzuwenden gehabt. Das war die beste, überwältigendste, herrlichste Nacht, die er seit langer Zeit gehabt hatte. Egal ob Mann oder Frau. Die Nacht mit John war etwas ganz Besonderes gewesen.

    John hatte so genau gewusst, was er in jedem Moment wollte, war so genau auf seine Bedürfnisse eingegangen – das war absolut erstaunlich gewesen. Er hatte ihn gespielt wie ein fein gestimmtes Instrument und jeden seiner Wünsche erfüllt. Er, Rodney, hatte sogar ganz vergessen, dass er eigentlich am Anfang des Abends etwas ganz anderes gewollt hatte. Er war sonst niemals so passiv, ließ sich nie so verwöhnen und war eigentlich immer der, der sagte, wo es langging. Und er hatte die feste Absicht gehabt, John Sheppard unter sich zu haben. Irgendwann und irgendwo war ihm jedoch der Wille dazu abhanden gekommen.

    Rodney knabberte an seiner Unterlippe. Das war schon seltsam, wenn er es genau bedachte. Sicher, John hatte ihm gesagt, dass er gut darin war, Menschen zu lesen und Rodney war auch überzeugt davon, dass Sheppards unsichere Stellung bei Hofe mit Sicherheit dazu beigetragen hatte, dass er in den letzten Jahren gelernt hatte, auf Stimmungsschwankungen zu achten und entsprechend zu reagieren. Und natürlich hatte John bestimmt auch einige Erfahrung im Verführen.

    Aber gestern Abend, das war … ein bisschen mehr gewesen. Er konnte sich jetzt gar nicht mehr erklären, warum er John so sehr das Geschehen hatte dominieren lassen, denn eigentlich hatte er Johns Hintern haben wollen. Und dennoch war er von seinem Plan abgewichen.

    Warum? Weil es so perfekt gewesen war. Alles. Jeder Moment. Fast, als habe John seine Gedanken gelesen. Oh, nein … wirklich seine Gedanken gelesen? Rodney setzte sich aufrechter hin. Nein! Nein, das war unmöglich! Das konnte nicht sein. Aber die Idee war in Rodneys Kopf und die Frage formulierte sich ganz von alleine: War John wohlmöglich ein Geistspringer?

    Verdammt! Wenn das wahr war … So ein Anfängerfehler! Das war ihm schon seit Jahrzehnten mehr passiert. Er sollte es doch eigentlich besser wissen. Und John hatte ihn sogar noch darauf hingewiesen, dass Cowen ihn einsetzte, um Informationen zu sammeln! Aber dann hatte ja sein Schwanz das Denken übernommen und er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, in sich hinein zu horchen, ob John in seinen Gedanken war oder nicht! Himmel, wie hatte er nur so blauäugig sein können?

    Hastig griff Rodney nach einem Glas Saft, das auf dem Tisch stand und nahm einen Schluck.
    Als Magistra Kusanagi fragte: „Finden Sie das nicht auch?“ nickte er bestätigend.
    „Doch, Sie haben Recht“, sagte er und wusste nicht, wobei er der Magistra gerade zugestimmt hatte.

    Er versuchte, sich wieder auf die Ausführungen des Wissenschaftlers zu konzentrieren, der jetzt sogar eine Zeichnung auf ein großes Stück Papier malte, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Zumal Major Carter jetzt noch Zwischenfragen stellte, die genügend Interesse signalisierten, so dass es nicht auffiel, wenn er geistesabwesend war und nur an einigen Stellen nickte und „hmm“ sagte, wenn es die anderen auch taten.

    Irgendwo bildete das alles kein schlüssiges Bild. Denn wenn John wirklich ein Geistspringer war, warum bat ihn Cowen dann nicht mit an den Verhandlungstisch? Er konnte diesen Vorteil doch nicht aus der Hand geben.

    Rodney wusste genau, dass König Daniel keine wichtige Sitzung leitete, ohne dass Jack O’Neill, der stärkste Geistspringer des Seenreiches, an seiner Seite war. Daniel vertraute voll und ganz darauf, dass Jack ihn wissen ließ, ob die anwesenden Parteien die Wahrheit sagten oder nicht. Und alleine schon Jacks Anwesenheit führte dazu, dass die Leute sich nicht trauten zu lügen. Die Tatsache, dass O’Neill, wenn er sich wirklich konzentrierte, die Gedanken anderer Menschen ‚lesen’ konnte, garantierte, dass er es so gut wie nie anwenden musste.

    Und wenn John ein Geistspringer war, warum setzte ihn Cowen dann lediglich als Gesellschafter ein, schickte ihn mit den Staatsgästen ins Bett und hoffte, dass sie John in einem unbedachten Moment etwas verrieten? Warum nicht ein offener Umgang mit Johns Fähigkeiten? Oder waren Johns Fähigkeit so schwach ausgeprägt, dass er nur ganz grob Stimmungen interpretieren konnte und mehr nicht?

    Denn bei Geistspringern gab es alle Abstufungen: von Personen, die nur ein sehr feines Gespür für Stimmungen und Gefühle hatten, bis hin zu Frauen und Männern, die bei ausreichender Konzentration in die Gedanken ihres Gegenübers springen und sie so lesen konnten.

    Gehörte John der ersten Gruppe an, oder hatte er gestern sehr viel detaillierte Kenntnisse von Rodneys Wünschen – und vielleicht sogar Verhandlungsstrategien – erhalten, als er in seinem doch sehr abgelenkten Zustand mitbekommen hatte? Rodney war hin und her gerissen. Eigentlich war er überzeugt, dass er es gefühlt hätte, wenn John in seinem Geist gewesen wäre, andererseits, warum hatte John nur Andeutungen gemacht, ihm aber nicht gesagt, was er war? Wie dem auch sei, Rodney beschloss, dass er dringend mehr über Johns Fähigkeiten herausfinden wollte. Mehr über John herausfinden wollte.


    TBC ...

  11. Danke sagten:


  12. #9
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
    Registriert seit
    31.05.2010
    Ort
    Hamburg
    Beiträge
    4.449
    Blog-Einträge
    44

    Standard

    Na, so richtig spannend war es noch nicht - aber es braucht ja auch eine kleine Einleitung in diese neue Welt. Das nächste Kapitel wird definitiv ... spannender.
    Doch war es, denn es hat die Spannung zum nächsten Kapitel aufgebaut. Und schon viel wichtiges u. interessantes erzählt.

    Schon bald drehten sich die Diskussionen um Metalllegierungen und die perfekte Zusammensetzung von Bronze und Stahl. Erst als es um die hypothetische Entwicklung von Fluggeräten und ähnlichen wissenschaftlichen Hirngespinsten ging, wurde das Gespräch lockerer, denn hier bestand kaum die Möglichkeit zum Geheimnisverrat.
    Da ist Rodney ja ganz in seinem Element.

    Er sah an diesem Abend noch verführerischer aus als am gestrigen. Über der blauen Seidentunika trug er eine schwarze, eng anliegende Samtweste, die sparsam mit silbernen Borten verziert war. Dazu sein wie immer ungezähmtes, schwarzes Haar – Rodney gefiel der Anblick sehr.
    Kopfkino - nicht nur Rodney ...

    Verflixt, er war zu wichtigen Verhandlungen hier, da sollte er nicht unbedingt einem Mann schöne Augen machen
    Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen Verbinden?

    „Wenn ihr heute Nacht nicht allein zu sein wünscht, stehen euch meine Gesellschafter zur Verfügung.“
    Na, das ist doch mal eine Ansage.

    „John Sheppard können Sie natürlich auch haben.“
    Wie sich das anhört , aber John wird sich mit Sicherheit nicht dagegen streuben.

    Normalerweise würde John jetzt seine Erfahrung nutzen und versuchen, McKay zu verführen und in neunundneunzig Prozent der Fälle würde ihm das auch gelingen.
    John würde das bei jedem/jeder gelingen.

    Sie haben es also freiwillig getan?“
    „Ja, ich hatte großen Nachholbedarf. Doch dann kam der Tag, an dem er mich aufgefordert hat, die Nacht dazu zu verwenden, eine ganz bestimmte Sache herauszubekommen – und erst da ging mir tatsächlich zum allerersten Mal auf, dass es dabei keineswegs nur um meine Wünsche ging.“ Wie benutzt und schlecht er sich dabei vorgekommen war, wollte er nicht weiter ausführen.
    So toll Sex ist, aber ihn dazu benutzen zu müssen, um an Geheimnisse zu kommen - kein so gutes Gefühl.
    John wurde einfach nur von Cowen benutzt.

    John erwähnte nicht, dass Cowen ihm außerdem ganz klar zu verstehen gegeben hatte, dass er bei jeder Weigerung eine weitere Person aus der Familie des Barons anfordern würde.
    Wie gemein ist das denn? Da blieb John ja gar nichts anderes übrig - der arme.

    „Ich weiß, dass ich manchmal etwas schwierig sein kann und da … da … habe ich schon mehr als einmal davon profitiert, dass mich einige Leute vor allem wegen meines Einflusses unwiderstehlich attraktiv fanden, die mir sonst keinen zweiten Blick zugeworfen hätten.“
    Armer Rodney, das muss wirklich ein doofes Gefühl sein, aber wenn er glaubt, er hätte davon profitiert ...

    John blieb auf allen vieren über ihm, die Hände neben dem Kopf aufgestützt.
    Puuhh..., irgendwie wird mir gerade sehr warm ..., wegen/weil Kopfkino.

    Für ihn, der er sonst immer vorsichtig auftreten musste, in so vielen Entscheidungen eingeschränkt war, war es ein tolles Gefühl, jemanden in seiner Hand zu haben und dorthin zu dirigieren, wo er ihn hinhaben wollte.
    Mir wird immer wärmer ...

    Die Nacht mit John war etwas ganz Besonderes gewesen.
    Das glaube ich Rodney aufs Wort!!!

    Oh, nein … wirklich seine Gedanken gelesen? Rodney setzte sich aufrechter hin. Nein! Nein, das war unmöglich! Das konnte nicht sein. Aber die Idee war in Rodneys Kopf und die Frage formulierte sich ganz von alleine: War John wohlmöglich ein Geistspringer?
    Wieso kommt er bloß darauf, die Nacht war doch so wunderschön! Da gab es keine Hinterhältigkeit.

    Himmel, wie hatte er nur so blauäugig sein können?
    Oh nein, Rodney kommt auf die falschen Gedanken, hoffentlich behält er die Verdächtigungen für sich und konfrontiert John nicht damit. Aber so wie wir ihn kennen, wird er genau das tun.

    Rodney wusste genau, dass König Daniel keine wichtige Sitzung leitete, ohne dass Jack O’Neill, der stärkste Geistspringer des Seenreiches, an seiner Seite war.
    Das würde natürlich Rodneys Gedankengänge erklären, aber bei John ist er damit auf dem falschen Weg.

    Wie dem auch sei, Rodney beschloss, dass er dringend mehr über Johns Fähigkeiten herausfinden wollte. Mehr über John herausfinden wollte.
    Das klingt nach einem guten Ansatz. Er wird wohl herausfinden, dass John ein Geistjäger ist, aber - es nicht in der letzten Nacht angewendet hat.

    Das war ein sehr schönes Kapitel und hat mir sehr gut gefallen. Du kannst es immer wieder so schön rüberbringen, wie John und Rodney zusammen finden. Ich bin jedesmal begeistert. Und der Spoiler war ... ach, *seufz* mir wird noch wärmer.

    Ich kann das nächste Kapitel kaum erwarten!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  13. Danke sagten:


  14. #10
    Staff Sergeant
    Registriert seit
    05.06.2015
    Ort
    Bezirk Melk Österreich
    Beiträge
    48

    Standard

    Wow das super und schön. Leider bin ich nicht so gut wie John's Chaya die einzelnen Szenen jetzt so zu kommentieren. Aber ich muss ihr zustimmen, du schreibst das so lebendig das man nicht aufhören kann.

    Es ist immer wieder schön wie John und Rodney sich näher kommen und sich liebkosen bzw diesmal hat John Rodney verwöhnt.

    Punkto Spannung Ich fand den ersten Teil schon recht interessant. Also John ist eine Geisel am Hof des Königs, er kann sich zwar frei bewegen, aber hat er mal eine Chance den Hof zu verlassen? Wenn er von anderen die Gedanken lesen kann wohl eher nicht.

    Na ich bin schon gespannt wie es weiter geht. Vielleicht nimmt Rodney ihn einfach mit. Mal sehen Ich hab jedenfalls Hunger auf mehr.

    lg Christl

  15. Danke sagten:


  16. #11
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    @Tamara: Danke fürs Danke!


    @John's Chaya und Christl: Vielen herzlichen Dank für eure netten Feedbacks und fürs Mitspekulieren, was nun als nächstes passieren wird. Ich bin schon mal sehr froh, dass es euch bis hierher gefällt.

    Ja, Johns Situation am Hofe ist ambivalent - und ich denke, jedem in so einer Situation würde es so gehen. Er ist kein Dienstbote - aber frei ist er erst recht nicht.

    Und was die Fähigkeit des Geistspringens angeht - Rodney ist auch mehr als interessiert daran herauszufinden, was es damit auf sich hat. Er wird da bstimmt nachbohren.

    Tja, ob John seine Fähigkeiten bei Rodney angewendet hat, während er mit ihm Bett war? Das will Rodney mit Sicherheit auch ganz brennend wissen.

    Ganz, ganz lieben Dank an euch beide fürs Mitlesen und Miträtseln!

  17. #12
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    Geistspringer (3/7)

    Doch jetzt sollte er sich wirklich mal lieber auf den Genii-Wissenschaftler konzentrieren, der ihn gerade mit gerunzelten Brauen anschaute und wohl auf eine Antwort wartete.
    „Major Carter?“, gab Rodney diese Aufgabe weiter, denn Carter sah so aus, als habe sie die letzte halbe Stunde besser aufgepaßt als er.
    „Ich würde sagen, wir schauen uns die Handrohre jetzt einfach mal in Aktion an“, sagte die Angesprochene.
    „Da bin ich sehr für“, stimmte Rodney zu.

    Captain Carter beorderte zwei Soldaten her, die sie begleiten sollten. Drei weitere schickte sie mit der Schriftenkundlerin Weir, um einen ersten Blick auf den Gedichtzyklus, den König Daniel erwerben wollte, zu werfen. Magister Kusanagi begleitete sie, um ihr zu helfen, den Band auf Echtheit zu untersuchen.

    Die Genii und die Leute aus dem Seenreich machten sich auf den Weg. Rodneys Aufmerksamkeit war solange bei den Ausführungen zu den Handrohren, bis er John auf einer der unteren Terrassen des Palastes sah. Er focht mit einem riesigen Mann, der die Farben von Cowens Wachen trug und Rodneys Blutdruck schnellte nach oben. Dann sah er, dass sie lediglich mit Holzschwertern aufeinander eindroschen. Der andere Mann hatte durch seine größere Reichweite bessere Karten, aber John bewegte sich sehr geschickt, und versuchte so nah wie möglich an den Riesen heranzukommen, damit der seinen Vorteil nicht nutzen konnte.

    Wie spielerisch das Ganze war, zeigte sich, als es John gelang, einen Schlag auf dem Hintern seines Gegners zu platzieren und der in Gelächter ausbrach und irgendetwas zu John sagte, was auch den über das ganze Gesicht strahlen ließ.

    Es war das erste Mal, dass Rodney John so offen lachen sah und sofort musste er daran denken, ob John wohl mit der Wache auch schon das Bett geteilt hatte? Aber andererseits hatte er etwas von „Besuch“ gesagt, und dieser Mann hier war offensichtlich immer hier am Hof. Aber vielleicht war das ja auch erlaubt? Ohne dass Rodney wirklich wollte, versuchte er auszurechnen, wie viele Bettpartner John wohl schon gehabt hatte. Dann ärgerte er sich über sich selbst, sagte sich, dass das a) ganz egal war und er b) nur ungenügende Daten für eine verlässliche Berechnung hatte und deshalb konzentrierte er sich resolut auf die anstehende Aufgabe.

    In einem der größten Höfe hatte der Waffenmeister mehrere Strohballen mit Zielscheiben aufstellen lassen. Er ließ ein paar Männer mit den neumodischen Waffen antreten. Rodney musste zugeben, dass es schon beeindruckend war, dass diese Waffe von einer einzigen Person getragen und bedient werden konnte. Die leichtesten Exemplare, die sie sahen, wogen nur knapp zwei Kilogramm. Es waren Vorderlader, bei denen der Schütze die Pulverladung mit einer Lunte zündete. Als Munition dienten Bleikugeln, die auf diese relativ kurze Entfernung hin recht zielgenau trafen. Sie durchschlugen auch die Kettenhemden und Panzerungen, die zu Demonstrationszwecken auf die Strohballen gebunden wurden.

    Der große Nachteil war, dass es ziemlich lange dauerte, bis sie nachgeladen waren. Major Carter raunte ihm zu, dass eine Armbrust im Spannen mindestens doppelt so schnell war, und ein Langbogen bestimmt zehn Mal abgefeuert werden konnte.
    „Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass man diese Faustrohre, vor allem die größeren, bestimmt bei Belagerungen einsetzen kann“, schloss sie ihre Ausführungen.

    Rodney stimmte der Ansicht des Captains zu und so beschlossen sie gemeinsam, je ein Dutzend kleine, mittlere und größere Faustrohre zu erstehen. Nach einem kurzen Gespräch mit Zelenka, waren sie der Ansicht, dass sie mit diesen Waffen als Vorlage, sie sie jederzeit nachbauen konnten.

    An diesem Nachmittag kamen sie um das geplante Picknick nicht herum. Zu diesem Zweck ritten sie mit ihren Pferden, die somit auch etwas Bewegung bekamen, in die Weinberge, die sich östlich der Stadt anschlossen. Ihre Gastgeber hatten eine Führung durch ein Weingut vorgesehen mit anschließender Verkostung einiger Weine, wozu auch etwas zu essen gereicht wurde. Rodney hätte lieber noch einmal die Schmiede besucht, fand den Ausflug dank des guten Essens jetzt aber nicht so nutzlos, wie er befürchtet hatte.

    Wieder in der Stadt zurück, waren sie zu einem Dinner im Stadtpalais einer der reichsten Familien des Reiches geladen, zu dem alles, was Rang und Namen hatte und sich gerade in der Stadt aufhielt, eingeladen worden war. Zufällig gehörte der Familie auch die größte Waffenfabrik und so drehten sich viele Gespräche ums Geschäft. Ganz informell wurde auf beiden Seiten vorgefühlt, wie die Verhandlungsposition des anderen war. Das Essen, das es dazu gab, war hervorragend und stand an Prunk kaum dem Festmahl nach, das der Großkönig am Abend zuvor veranstaltet hatte.

    Als die Delegation aus dem Seenreich endlich wieder in der Palastburg zurück war, war es zu spät, um noch nach John zu schicken und wohl oder übel musste Rodney seine Nachforschungen auf den nächsten Tag verschieben.

    -------------------------------------------------------------

    John hatte den halben Vormittag Lanzenstechen trainiert, geholfen, die Pferde zu versorgen und am Nachmittag noch mit den Bogenschützen gearbeitet und war gerade dabei, den Dreck und Schweiß abzuwaschen, als ihm ein Dienstbote mitteilte, dass der Sonderbotschafter aus dem Seenreich ihn zu sehen wünschte. Er beeilte sich und eine halbe Stunde später klopfte er an Rodneys Tür.

    McKay saß am Schreibtisch, las in einigen Papieren, schaute auf und sagte: „Komm herein, eine Sekunde, dann bin ich fertig.“
    Fünf Minuten später legte er tatsächlich die Feder aus der Hand, mit der er wild in den Unterlagen herumgestrichen und an den Rand geschrieben hatte. „So“, meinte er. „Mit diesen Änderungen mag es ein annehmbarer Vertrag werden.“

    Er goss zwei Gläser Wein ein, gab John eins und bat ihn, sich zu setzen. John kam der Aufforderung nach und fragte sich, was Rodney von ihm wollte. Natürlich hatte er sofort an Liebesdienste gedacht, aber so sah der Botschafter jetzt nicht aus.

    „Ich habe dich gestern beim Schwertkampf gesehen“, begann Rodney das Gespräch. „Mit einer der Wachen.“
    „Ronon.“ John nickte. „Captain Dex teilt meine Vorliebe für sportliche Betätigung.“ Er fügte noch hinzu: „Und selbst wenn ich die Palastanlage nicht verlassen darf, gibt es doch etliche Dinge, die wir auch innerhalb der Mauern machen können.“
    „Warum darfst du nicht weg? Hat Cowen Angst, dass du fliehen könntest?“, erkundigte sich Rodney.

    „Keine Ahnung. Aber wohin sollte ich gehen? Außerdem würde er es an meiner Familie auslassen, falls ich versuchen sollte zu fliehen. Ich denke, es ist einfach nur um zu demonstrieren, dass er alle Fäden in der Hand hält.“ Wahrscheinlich dachte Cowen, dass es zu wenig nach Strafe aussah, wenn er überall hinmarschieren konnte, und wahrscheinlich sollte er wirklich froh sein, dass man ihn nicht auf ein einziges Zimmer oder gar eine Gefängniszelle beschränkt hatte. Da wäre er über kurz oder lang sicher durchgedreht. So ließ es sich aushalten.

    „Welche Art von sportlicher Betätigung betreibst du denn noch?“, erkundigte sich Rodney.
    „Alles.“ John lachte. „Ich liebe Ballsportarten, laufen, reiten, alles was man von einem Pferderücken aus machen kann, wie Geschicklichkeitsprüfungen oder Pferdepolo. Darüber hinaus aber auch fechten, boxen, ringen – ja, eigentlich alles, wobei man sich körperlich anstrengen muss.“

    „Du magst also körperliche Anstrengung jeder Art?“, erkundigte sich Rodney und John fragte sich, ob da jetzt ein merkwürdiger Unterton mitschwang, oder ob er sich das nur einbildete. Er beschloss, bei Sportarten zu bleiben.
    „Ja. Vor kurzem hat ein Kaufmann aus dem Norden einen interessanten Sport mitgebracht. Er wird auf einem Feld mit zwei Mannschaften gespielt, mit einem Ball und zwei hoch aufgehängten Körben, in die der Ball geworfen werden muss.“

    John nahm einen Schluck aus seinem Glas, denn er fühlte sich plötzlich unwohl. Von Rodney ging eine Aura der Dominanz aus, die er gestern nicht in dem Maße gehabt hatte. Er saß breitbeinig auf seinem Stuhl, nippte an seinem Wein und sah so aus, als wolle er John mit Blicken ausziehen. Um dann mit ihm im Bett zu landen.

    John zwang sich zur Ruhe. „Die Mannschaft, die zuerst zehn Mal in den Korb getroffen hat, hat gewonnen.“ Er versuchte fest, an den vorgestrigen Abend zu denken: sanfte Küsse, zärtliches Streicheln, ein entspannter Botschafter, der sich gerne verwöhnen ließ. Ganz ruhig. Ganz sanft. Tief durchatmen und entspannen.

    Rodney wippte mit seinem Fuß und schaute ihn über den Rand seines Weinglases an. Seine linke Hand lag nachlässig auf seinem Oberschenkel und lenkte den Blick darauf, dass er bereits halbhart war.

    Verdammt! John nahm noch einen Schluck Wein, versuchte, an Bilder von sanften Umarmungen zu denken. Er oben. Er bestimmte, wo es lang ging. Er hatte das Sagen. Mit aller Macht versuchte er diesen Eindruck zu vermitteln. Gleichzeitig fühlte er, dass Rodney ihn heute nehmen wollte. Ihn nicht davon kommen lassen würde. Ihn unterwerfen wollte.

    John schnappte nach Luft und kämpfte gegen seine aufkommende Panik an. Was war aus dem ruhigen Wissenschaftler geworden, der vor zwei Abenden so zärtlich und genügsam gewesen war? Wie konnte er sich derart in ihm getäuscht haben? Das war ihm schon seit zehn Jahren nicht mehr passiert! Das war ein Fehler, den er ein, zwei Mal gemacht hatte, als er ganz neu am Hofe gewesen war. Da hatte er sich von dem Äußeren und den sanften Manieren täuschen lassen. Aber seitdem hatte er gelernt. Sehr viel gelernt und so eine eklatante Fehleinschätzung hatte er nicht mehr begangen.

    Er musste Rodney ablenken, weiter reden und irgendeine Ausrede erfinden, dass er irgendwo anders dringend gebraucht wurde. Noch ein abschließender Satz, dann würde er gehen. Flucht war zwar eigentlich nicht seine Art, einem Konflikt zu begegnen, aber mit McKay schien es ihm angeraten.

    Wo war er gerade stehen geblieben? Ach ja, das Ballspiel. „Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Personen in jeder Mannschaft sind, nur die Anzahl muss gleich sein“, sagte er und merkte, wie er sich nur mit Mühe konzentrieren konnte. Was war heute nur los?

    John versuchte langsam zu atmen, alle seine Gedanken auf einen Punkt zu bringen und den Eindruck, dass McKay ihn unterwerfen wollte, abzuschütteln.
    „Die Mannschaften können …“ John sah sich im nächsten Moment ganz deutlich ans Bett gefesselt. Nackt. Bewegungsunfähig. McKay über ihm. Nein!
    John schloss die Augen und versuchte daran zu denken, dass er unattraktiv war. Dass Rodney nicht mit ihm ins Bett wollte, dass er …

    Fesseln an seinen Händen.

    John merkte, wie ihm das Weinglas entglitt und zu Boden fiel. Er presste seine Fäuste auf die Augen und mit aller Macht sendete er Bilder, die ihn in Kontrolle zeigten. Es war ihm ganz egal, wie er jetzt aussah, wie merkwürdig er rüberkommen musste, aber es ging nicht anders. Das wollte er nicht. Er ließ sich tiefer fallen und beschwor ein Bild herauf, das ihn draußen auf dem Hof zeigte, mit Dreck verschmiert, unattraktiv, hässlich …

    Er nackt auf dem Bett.

    Nein, nein! John konnte nur noch die Schwärze vor seinen geschlossenen Augenlidern sehen. Die farbigen Blitzpunkte, wenn er nur fest genug die Handballen auf die Augäpfel presste. Er hörte den harschen Atem von jemanden, der viel zu schnell atmete, fühlte den Raum entgleiten, verschwimmen, trudeln, drehen … Dunkel.

    Dunkel … und eine Stimme, die ihn rief.
    „John!“ Jemand versetzte ihm eine Ohrfeige. „John! Verdammt noch mal, komm wieder zu dir!“ Diesmal traf die Hand seine andere Wange.
    Langsam öffnete John die Augen und im selben Moment schnappte er sich Rodneys Hand, die ihn noch einmal schlagen wollte. Er umklammerte fest das Handgelenk.

    „Der Göttin sei Dank.“ McKays blaue Augen schauten ihn besorgt und prüfend an. „Ich habe das völlig … nein, dich völlig unterschätzt.“

    John stellte fest, dass er auf dem Teppich lag und drückte sich mit dem Sessel im Rücken zum Sitzen hoch. „Unterschätzt?“ John lachte bitter auf. Zum Glück gelang es ihm, den Schwindel in Schach zu halten und nicht wieder bewusstlos auf den Boden zu krachen. „Was hattest du denn erwartet?“
    „Ich habe nicht erwartet, dass du so viel Potential hast.“ Rodney entzog ihm seine Hand und lehnte sich gegen das Sofa in seinem Rücken.

    John schloss die Augen, lehnte den Kopf gegen den Sitz des Sessels und atmete tief durch. Er horchte in sich hinein, doch die bedrängende Präsenz Rodneys mit den aufdringlichen, bedrohlichen Bildern war weg. „Potential? Was meinst du damit?“, fragte er müde. Was redete Rodney da? War er auf Gegenwehr aus und deshalb erfreut zu sehen, dass er ihm nicht sofort in die Arme gefallen war?

    „Hast du niemals eine Ausbildung zum Geistspringer gemacht? Bist du dir deiner Fähigkeiten gar nicht richtig bewusst?“, fragte Rodney. „Einen solch starken, aber auch ungezähmten Geist habe ich noch niemals gesehen. Es ist alles so machtvoll aber wirr in deinem Kopf.“

    John lachte höhnisch auf. „Vielen Dank für deine reizende Einschätzung. Und Geistspringer? Was für ein Unsinn.“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist Märchenkram, so etwas gibt es nicht in der Wirklichkeit.“ Verflucht, worauf wollte der Botschafter hinaus? Was sollte das hier werden?
    „Natürlich gibt es das!“, rief Rodney.
    „Quatsch.“
    „Was war denn das sonst gerade?“

    „Mit Sicherheit kein Geistspringer-Unsinn. Absolut nein!“ John hatte keine Ahnung, was das gerade gewesen war. Wahrscheinlich hatte er sich so aufgeregt, dass er zu schnell geatmet hatte und ohnmächtig geworden war. Er hatte das schon einmal bei einer jungen Frau gesehen, hatte aber nie geglaubt, dass ihm auch so etwas passieren könnte.
    „Ich möchte jetzt gehen“, sagte John mit aller Ruhe, zu der er fähig war, richtete sich auf, musste sich aber noch einmal auf den Sessel fallen lassen, weil ihn seine Beine nicht tragen wollten.

    Rodney streckte eine Hand aus, doch als er unwillkürlich zurückzuckte, zog er die Hand zurück, ohne ihn zu berühren. „John, du hast gerade versucht, meine Gedanken, die dir unangenehm waren, abzuwehren.“
    Natürlich hatte er das! Das hätte doch jeder in seiner Situation gemacht! John stand resolut auf und machte einen Schritt Richtung Tür.
    Rodney fuhr eindringlich fort: „Du hast es nicht gemerkt, aber für einen Moment waren unsere Gedanken verbunden. Wir waren im Hof, du warst mit Dreck verschmiert, dann sind deine Gedanken zu chaotisch geworden, ich habe dich nicht halten können und du bist ohnmächtig geworden.“

    John drehte sich zu Rodney um. „Was für ein Blödsinn! Das ist nicht wahr. Ich habe in deiner Körperhaltung gelesen, dass du mich heute Abend … dominieren willst und dazu“, John schluckte, schaute Rodney aber fest an, „bin ich nicht bereit.“

    „Das will ich auch nicht. Oder jedenfalls nicht gegen deinen Willen“, fügte Rodney gnadenlos ehrlich nach einem winzigen Zögern hinzu. „Aber ich musste irgendetwas finden, was dich wirklich dazu bringt, deine Fähigkeiten einzusetzen. Erst dachte ich, du spielst mir etwas vor, hältst deine Fähigkeiten vor mir verborgen. Damit wollte ich dich konfrontieren. Aber nun bin ich bin überzeugt, dass das, was du ‚gute Menschenkenntnis’ nennst, in Wahrheit eine nicht ausgebildete Fähigkeit zum Gedankenspringen ist.“

    „Vergiss es. Die habe ich nicht. Ich lese Gestik und Mimik einer Person und daraus ziehe ich meine Schlüsse. Nicht mehr. Du wirst mir ganz sicher nicht einreden, dass ich jetzt irgend so ein mythischer Geistspringer bin.“
    Rodney trat jetzt neben John. „Wie kann ich denn sonst wissen, woran du gedacht hast? Oder willst du leugnen, dass du an den Innenhof hier im Palast gedacht hast?“
    „Nein. Aber so weit hergeholt ist das ja nicht, dass man sich woanders hin wünscht, wenn die Situation bedrückend wird. Und außerdem, wer sagt denn, dass nicht du derjenige bist, der über diese seltsamen Fähigkeiten verfügt und die Bilder meinem Geist entnommen hast?“

    John marschierte resolut die letzten Schritte zur Tür. Er hatte jetzt genug von dem Blödsinn. Wollte davon nichts mehr hören und wollte vor allem von McKay weg.
    Rodney lief neben ihm her. „John, selbst wenn es so wäre – aber das ist es nicht – wäre damit ja bewiesen, dass es Geistspringer gäbe. Etwas, das du bis gerade kategorisch abgelehnt hast.“

    „Gute Nacht, Botschafter.“ John trat durch die Tür.
    „John …!“
    John schloss die Tür vor McKays Nase mit viel zu viel Schwung und sah zu, dass er Abstand zwischen sich und McKay brachte. Erst in seinem Zimmer angekommen, wagte er wieder richtig durchzuatmen.
    Scheiße! McKay war so ein Arschloch. Je eher er abreiste, desto besser. Und außerdem war das alles blanker Unsinn. Nichts als blödsinniges Geschwätz. Er musste diese Gedanken wieder loswerden. Selbst wenn es schon dunkel wurde, er würde jetzt erst einmal die ganze lange Runde über die Stadtmauer rennen. Oder auch zwei. Oder auch drei.

    -----------------------------------------------------------

    Rodney lehnte sich gegen die Innenseite der Tür. Das war ja gar nicht gut gelaufen. Warum sah John nicht ein, dass er eine wunderbare Fähigkeit hatte, die nur ein wenig Schulung brauchte? Oder, falls er wirklich so stark war, wie Rodney vermutete, jede Menge Schulung, um sie sicher beherrschen zu können? Er musste John mit Jack O’Neill bekannt machen. Dazu müsste er John natürlich von hier wegbringen – und dazu müsste er ihn erst einmal dazu bringen, dass er akzeptierte, was er war.

    Verflucht, er hatte es versaut. Zerknirscht gestand sich Rodney ein, dass das nicht ganz optimal gelaufen war. Gar nicht. Vielleicht hätte er doch einen anderen Weg finden sollen, John davon zu unterrichten? Vielleicht war der Ansatz über die Bettgeschichten doch nicht so ganz klug gewählt gewesen? Aber er hatte etwas gesucht, was John aus der Reserve locken konnte, denn er hatte ja zu Beginn noch gedacht, dass er John mit seiner Fähigkeit konfrontieren und Klärung verlangen würde.

    Womit er nicht gerechnet hatte war, dass John überhaupt keine Ahnung von seinen Fähigkeiten zu haben schien. Nachdem er festgestellt hatte, dass er ihn zu keinem Geständnis zwingen konnte, weil John nichts zu gestehen hatte, hatte er improvisieren müssen. Er hatte gedacht, wenn er John einen Beweis lieferte, dass er in den Geist anderer Leute springen könnte, hätte er schon gewonnen. Er hatte nicht mit Johns Sturheit und Ablehnung gerechnet. Das war alles ein ziemlicher Mist. Und er war nicht ganz unschuldig daran.

    Rodney wollte jetzt niemanden mehr sehen, bestellte sich sein Abendessen in seine Gemächer und stopfte sich mit dem Essen voll. Erschöpft ging er zu Bett. Er würde morgen mit Zelenka oder Carter darüber reden. Mal hören, was die dazu sagten.

    Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Buches, dass sie für König Daniel erwerben sollten. Elizabeth hatte die Echtheit festgestellt und wollte nun, dass Rodney und Carter es sich ebenfalls anschauten. So gingen sie am Vormittag in den Raum in der Bibliothek, in dem es aufbewahrt wurde und blätterten es unter den wachsamen Augen eines Schriftgelehrten, einer Professorin für Altertumsforschung und einiger Wachen durch.

    Es war ein sehr schönes Exemplar, musste Rodney neidlos eingestehen. Viele farbenprächtige Zeichnungen, ein kostbarer Ledereinband, mit Blattgold verzierte Seiten, alles sehr gut erhalten. Aber es wollte Rodney nicht in den Kopf, wie man solch eine Unsumme dafür ausgeben konnte, wenn man mit derselben Summe so viele nützliche Experimente finanzieren konnte. Aber das würde König Daniel natürlich anders sehen und da das Geld aus dessen Schatulle kam, sollte es ihm wohl egal sein, was er damit machte.

    Rodney äußerte sich also zustimmend, Carter zeigte sich ebenfalls beeindruckt und sie beauftragten Elizabeth, die Unterlagen für den Ankauf vorzubereiten. Sie ließen Elizabeth in der Bibliothek zurück und kehrten zu Fuß heim.

    Rodney beschloss, den Rückweg zu nutzen, um Carter und Zelenka über Johns Fähigkeiten zu informieren. Er schaute sich um, damit niemand in Hörweite war. „John Sheppard ist ein Geistspringer“, redete er nicht lange drum herum.
    „Was? Sind Sie sicher?“, erkundigte sich Major Carter. „Ich meine … weil er nicht mit am Verhandlungstisch sitzt.“
    „Er wusste bisher nichts davon und was noch viel schlimmer ist, er glaubt es mir nicht“, seufzte Rodney.
    „Er glaubt es nicht? Aber … ich merke doch, ob ich Gedanken lesen kann oder nicht. Sind Sie sich dabei ganz sicher?“, erkundigte sich Magister Zelenka.

    „Ja. Ich habe lange genug mit Carson Beckett zusammen gearbeitet“, erinnerte ihn Rodney. Auch wenn sie sich im Endeffekt wegen unüberbrückbarer Differenzen getrennt hatten, so hatte er in den zwei Jahren doch genug Erfahrung mit Geistspringern gesammelt. „Da gibt es keinen Zweifel. Noch dazu ist Johns Fähigkeit viel stärker als Carsons, ich würde sagen fast auf einem Niveau mit O’Neills. Er aber tut es als simple ‚Menschenkenntnis’ ab. “

    „Wenn er so stark ist wie O’Neill und niemand weiß bisher davon, dann sollten wir ihn von hier wegbringen und zusehen, dass Cowen auch in Zukunft nichts davon erfährt“, erklärte Major Carter. „In den falschen Händen kann er sehr gefährlich sein.“
    „Ja, ein voll ausgebildeter Geistspringer ist eine höchst wirksame Waffe“, stimmte Rodney zu. „Viel gefährlicher als alle Faustrohre, die sie uns verkaufen können.“

    „Ehm … das mag ja sein. Wir sollten nicht vergessen, dass wir über einen Menschen reden“, warf Magister Zelenka hüstelnd ein. „Und deshalb sollte er ein Mitspracherecht haben, wenn wir über seine Zukunft beraten. Wir können das nicht einfach über seinen Kopf hinweg entscheiden.“
    „Warum nicht? Wenn es für ihn besser ist?“, fragte Rodney.
    „Nein! Es geht um sein Leben und …“
    „In Ordnung, wir fragen ihn“, beendete Major Carter die aufkommende Debatte. „Sobald wir im Palast sind, bestellen Sie ihn her“, ordnete Carter in einem Tonfall an, der keine Widerrede duldete.
    Rodney nickte.

    Den ersten Dienstboten schickte Sheppard mit der Bemerkung, er sei leider gerade unabkömmlich, zurück. Der zweite Dienstbote kehrte unverrichteter Dinge zurück, da er Sheppard weder in seinen Räumlichkeiten noch bei den Pferden finden konnte. Er tauchte auch nicht zum Abendessen auf und wenn sie nicht Cowen einschalten wollten – und das wollten sie zu diesem Zeitpunkt nicht – hatten sie keine Möglichkeit, John Sheppard herzubestellen.

    Am nächsten Tag wiederholte sich das Spielchen. Immer dann, wenn Rodney Zeit hatte, weil er keinen offiziellen Pflichten nachkommen musste, versuchte er John zu sich bestellen, ja, er ging sogar soweit, selbst an seine Tür zu klopfen, nachdem er sich erkundigt hatte, wo John wohnte.
    Doch John, der den Palast in- und auswendig kannte, entzog sich ihnen immer wieder. Einmal sahen sie ihn in einem der Innenhöfe, als sie dort ankamen, war er schon wieder verschwunden. Auch als Carter oder Zelenka ihn per Dienstboten zu sich baten, hatte er eine freundlich formulierte Ausrede warum er keine Zeit hatte. Als sie am Nachmittag noch einmal an der Tür seines Zimmers anklopften, öffnete niemand. Auch die Dienstboten wussten nicht, wo er war.

    „Glauben Sie, dass der Großkönig Verdacht geschöpft hat und wir Sheppard deshalb nicht finden können?“, fragte Magister Zelenka plötzlich und schaute zweifelnd von Carter zu McKay.
    Major Carter verzog die Lippen. „Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Vielleicht haben die Diener ihm von unserem Interesse für Sheppard erzählt?“
    „Oh, nein! Dann wird er gegen seinen Willen festgehalten?“, fragte Rodney atemlos, der bisher eher vermutet hatte, dass John ihn nicht sehen *wollte*.
    „Es ist doch nicht auszuschließen, oder?“, meinte Zelenka und schaute ihn über seine Brillengläser hinweg an.

    „Verdammt, wenn das stimmt, ist das mit Sicherheit nicht gut für ihn. Nun gut, wir haben ihn in diese Situation gebracht, wir müssen ihn auch wieder herausholen“, sagte Rodney entschieden.
    Zelenka flüsterte: „Und wie machen wir das?“ Er schaute sich hektisch um, ob auch niemand ihr Gespräch mitgehört hatte, aber sie waren ganz alleine in dem Flur.
    „Wir ziehen uns heute Abend früher als sonst in unsere Zimmer zurück und dann gehen wir systematisch vor.“ Carter bedeutete den beiden, mit ihr auf einen großen Balkon zu treten, wo niemand unbemerkt an sie heranschleichen konnte.

    „Systematisch“, wiederholte Rodney. „Das heißt, als erstes suchen wir alle Stellen ab, wo er sein könnte, wenn er uns nur aus dem Weg gehen will, danach aber …“
    „Müssten wir auch versuchen, in die Teile der Palastburg zu gelangen, die uns bisher verschlossen geblieben sind“, erklärte Major Carter.
    „Wir könnten uns auch erkundigen, wo die Gefängnisse sind. Falls er festgehalten wird, dann doch wahrscheinlich dort“, wandte Zelenka ein.
    „Ach ja, und wer erteilt uns diese Art von Auskunft?“, fragte Rodney schnippisch. „Wollen Sie rumgehen und öffentlich danach fragen?“

    Magister Zelenka überlegte kurz. „Major Carter könnte doch Interesse daran haben. Zu sehen, wie hier mit Gefangenen umgegangen wird, weil … weil sie vielleicht findet, dass König Daniel in dem Bereich noch etwas verbessern könnte.“ Er warf Major Carter einen entschuldigenden Blick zu.
    „Eine gute Idee.“ Major Carter nickte zustimmend.

    „Wenn alle Stricke reißen, könnten wir versuchen, eine Wache namens Ronon Dex zu finden“, sagte Rodney, der sich plötzlich an den Namen erinnerte „Sheppard scheint mit ihm befreundet zu sein. Das hilft uns natürlich nicht, wenn Sheppard nicht gefunden werden will.“

    Carter machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wenn wir diesem Dex klarmachen, dass wir ansonsten direkt zum Großkönig gehen, was nur Ärger für Sheppard bedeuten kann, wird er uns schon helfen“, verkündete sie zuversichtlich.
    „Was Sheppard uns bestimmt sehr gewogen stimmen wird, wenn wir mit Drohungen arbeiten.“ Zelenka schüttelte den Kopf.
    Rodney musste dem Magister Recht geben. Wenn sie Sheppard überzeugen wollten, dass er im Seenreich besser aufgehoben war als hier, dann sollte sie vielleicht nicht gerade seinen Freund unter Druck setzen.

    Carter schien das auch einzusehen, denn sie seufzte. „In Ordnung, dann ist das unser Plan B. Plan A für heute Nacht ist es, Sheppard zu suchen, ohne Aufsehen zu erregen. Wir müssen ihm klar machen, dass wir nur mit ihm reden wollen.“
    Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich und sie richtete ihren Zeigefinger auf Rodney. „McKay, Sie haben doch mit Sheppard bereits das Bett geteilt und Sie haben Kontakt mit seinem Geist gehabt, können Sie ihn nicht … irgendwie auf dieser Ebene versuchen zu erreichen? Wir wissen doch alle, dass man mit körperlichen Intimitäten die Verbindung zwischen einem Geistspringer und seinem Vertrauten festigt.“

    „Ähm …“ Rodney fühlte sich leicht überrumpelt. Er sollte Major Carter jetzt doch nicht erzählen, was sie …? „Ich hatte nur für wenige Sekunden direkten Kontakt mit seinem Geist. Am dem Abend, also im Bett, also da … da wusste ich ja noch nicht, dass ich darauf achten musste. Außerdem bin ich nicht sein Vertrauter … er … kann mich wahrscheinlich im Moment nicht so ganz gut leiden.“

    Rodney kratzte sich mit einer Hand am Kopf. Er war jetzt im Nachhinein gar nicht mehr stolz auf sein Vorgehen. Erst gestern war ihm aufgegangen, dass John ihm vielleicht eine geschönte Version seiner Zeit hier auf der Burg erzählt hatte und dass da eventuell bei der einen oder anderen Begegnung mehr Zwang dabei gewesen war, als er ihm eingestanden hatte. Da wäre eine andere Vorgehensweise vielleicht … sensibler gewesen. Auch wenn die Bilder John zu einer Reaktion gebracht hatten. Aber nicht immer heiligte der Zweck der Mittel.

    „Was haben Sie gemacht?“, erkundigte sich Magister Zelenka stirnrunzelnd.
    „Nun ja, ich war derjenige, der ihm gesagt hat, er wäre ein Geistspringer und das hat ihm nicht gut gefallen“, blieb Rodney bei der Halbwahrheit. Details brauchten die anderen beiden ja nicht wissen. „Deshalb ist er ja aus meinem Zimmer gestürmt.“

    Carter schaute ihn so an, als vermutete sie, da wäre noch mehr, aber sie fragte nicht, sehr zu Rodneys Erleichterung. „Nun gut. Dann scheidet das aus. Wir gehen also jetzt zum Abendessen und danach durchsuchen wir die Palastburg. Ich sehe mir das Gefängnis an und übernehme die oberen Etagen, Magister Zelenka durchsucht den Wohnbereich und Sie, McKay, die Küche und Werkstätten.“
    Rodney und Zelenka nickten zustimmend.

    Carter runzelte die Stirn. „Wir sollten uns möglichst dumm stellen, wenn uns jemand fragt, warum wir dort unterwegs sind, wo wir nichts zu suchen haben.“ Spitz fragte sie hinterher: „McKay, das bringen Sie doch fertig, oder?“
    „Da er die erste Gelegenheit, Sheppard zu überzeugen, verbaut hat, sollte er das“, schlug sich Zelenka auf die Seite des Majors.
    Rodney grummelte seine Zustimmung.

    -------------------------------------------------------------


    TBC ...

  18. Danke sagten:


  19. #13
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
    Registriert seit
    31.05.2010
    Ort
    Hamburg
    Beiträge
    4.449
    Blog-Einträge
    44

    Standard

    Es war das erste Mal, dass Rodney John so offen lachen sah und sofort musste er daran denken, ob John wohl mit der Wache auch schon das Bett geteilt hatte?
    Nur weil man mit jemandem lacht, heißt das doch nicht, dass man mit ihm im Bett war.
    Da klingt doch etwas Eifersucht durch.

    Vor kurzem hat ein Kaufmann aus dem Norden einen interessanten Sport mitgebracht. Er wird auf einem Feld mit zwei Mannschaften gespielt, mit einem Ball und zwei hoch aufgehängten Körben, in die der Ball geworfen werden muss.“
    Nach Squash jetzt Basketball.

    Er hatte das Sagen. Mit aller Macht versuchte er diesen Eindruck zu vermitteln. Gleichzeitig fühlte er, dass Rodney ihn heute nehmen wollte. Ihn nicht davon kommen lassen würde. Ihn unterwerfen wollte.
    Einem dominanten Mann wie John, macht das große Probleme.

    „Ich habe das völlig … nein, dich völlig unterschätzt.“
    Das sieht ganz so aus. Vielleicht hätte Rodney da mal eher drüber nachdenken sollen.

    „Hast du niemals eine Ausbildung zum Geistspringer gemacht? Bist du dir deiner Fähigkeiten gar nicht richtig bewusst?“, fragte Rodney.
    Wenn er sich seiner Fähigkeiten bewusst wäre, hätte Rodney ihn nicht so überraschen können.

    „Was für ein Blödsinn! Das ist nicht wahr. Ich habe in deiner Körperhaltung gelesen, dass du mich heute Abend … dominieren willst und dazu“, John schluckte, schaute Rodney aber fest an, „bin ich nicht bereit.“
    Gut, dass John ehrlich ist. Obwohl er genau weiß, dass er sich, wenn Rodney es wollen würde, sich nach Rowens Anweisungen fügen müsste.

    „John, du hast gerade versucht, meine Gedanken, die dir unangenehm waren, abzuwehren.“
    Anangenehme Gedanken versucht doch jeder abzuwehren. Damit kenne ich mich sehr gut aus. Und kann aus dem Grund John Reaktion verstehen. Auch wenn er nicht wusste, dass es Rodneys Gedanken waren.

    John schloss die Tür vor McKays Nase mit viel zu viel Schwung und sah zu, dass er Abstand zwischen sich und McKay brachte.
    Eine natürliche Reaktion. John ist enttäuscht und fühlt sich missbraucht.

    dann sollten wir ihn von hier wegbringen und zusehen, dass Cowen auch in Zukunft nichts davon erfährt“, erklärte Major Carter. „In den falschen Händen kann er sehr gefährlich sein.“
    Wie soll das gehen? Wenn John geht/flieht, muss seine Familie darunter leiden. Sonst hätte er es doch wohl schon längst gemacht.

    Wir können das nicht einfach über seinen Kopf hinweg entscheiden.“
    „Warum nicht? Wenn es für ihn besser ist?“, fragte Rodney.
    Also wirklich - Rodney, so geht es schon mal gar nicht.

    „Major Carter könnte doch Interesse daran haben. Zu sehen, wie hier mit Gefangenen umgegangen wird, weil … weil sie vielleicht findet, dass König Daniel in dem Bereich noch etwas verbessern könnte.“
    Das ist eine gute Idee. Hoffentlich hat John sich nur versteckt und ist nicht eingesperrt worden.

    „Wir sollten uns möglichst dumm stellen, wenn uns jemand fragt, warum wir dort unterwegs sind, wo wir nichts zu suchen haben.“ Spitz fragte sie hinterher: „McKay, das bringen Sie doch fertig, oder?“
    Das könnte schwierig werden. Aber ich hoffe, für John schafft er das.

    Das war wieder ein spannendes Kapitel und ich bin sooo... neugierig wie es weitergeht. Hoffentlich geht es John gut.

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  20. #14
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    Tamara: Danke sehr!

    @John´s Chaya:
    *knuddel* Vielen Dank für das tolle Feedback!

    Nur weil man mit jemandem lacht, heißt das doch nicht, dass man mit ihm im Bett war.
    Da klingt doch etwas Eifersucht durch.
    Das denke ich auch! Selbst wenn Rodney es bestreiten würde. *g*

    Vielleicht hätte Rodney da mal eher drüber nachdenken sollen.
    In der Tat.

    Wie soll das gehen? Wenn John geht/flieht, muss seine Familie darunter leiden. Sonst hätte er es doch wohl schon längst gemacht.
    John hat ja zum ersten Mal wirklich Hilfe von außen. Bestimmt fällt denen was ein ....

    Das ist eine gute Idee. Hoffentlich hat John sich nur versteckt und ist nicht eingesperrt worden.
    Das wird im nächsten Kapitel geklärt ....

    Das war wieder ein spannendes Kapitel und ich bin sooo... neugierig wie es weitergeht.
    Das freut mich natürlich sehr - ich werde sehen, dass ich morgen Zeit finde, das nächste Kapitel zu posten.

    Hoffentlich geht es John gut.
    Vielleicht solltest du dich lieber um Rodney sorgen?

    Aber du weisst ja, Happy End ist garantiert. *g*

    Ganz herzlichen Dank!

  21. #15
    Major Avatar von claudi70
    Registriert seit
    04.01.2009
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    690

    Standard

    Heute habe ich es endlich geschafft deine Geschichte zu lesen und kam somit gleich in den Genuss von drei Kapiteln.

    Normalerweise mag ich ja slash nicht lesen, aber deine Geschichten sind immer so mitreißend, dass ich nicht widerstehen konnte, wie sich zeigte zurecht.

    Deine detaillierten Beschreibungen machen es einem leicht, sich die Leute, die Landschaft, die Burg, einfach alles bildlich vorzustellen,das man den Eindruck hat, mittendrin zu sein. Einfach super!

    Ich bin total begeistert, wie du die Serie in deine Geschichte eingearbeitet hast, sei es die Genii, oder die Gesandten des Seenreichs, die einzelnen Personen, wirklich toll gemacht und dann die Sache mit den Geistspringern, auf diese Idee muss man erst mal kommen.

    Die erste Nacht mit John und Rodney verlief ja wie am Schnürchen für beide was man dann aber vom zweiten Mal leider nicht sagen kann. :confused:
    John versuchte langsam zu atmen, alle seine Gedanken auf einen Punkt zu bringen und den Eindruck, dass McKay ihn unterwerfen wollte, abzuschütteln.
    „Die Mannschaften können …“ John sah sich im nächsten Moment ganz deutlich ans Bett gefesselt. Nackt. Bewegungsunfähig. McKay über ihm. Nein!
    John schloss die Augen und versuchte daran zu denken, dass er unattraktiv war. Dass Rodney nicht mit ihm ins Bett wollte, dass er …

    Fesseln an seinen Händen.
    oh oh, da hat er wohl eine ganz ganz schlechte Seite aufgerufen um John zu testen, ich möchte mir gar nicht vorstellen, was John in seiner ersten Zeit dort am Hofe erlebt haben muss...

    Wie du siehst, hast du mich voll mit deiner Geschichte in den Bann gezogen und nun kann ich es kaum erwarten das es weiter geht.

    glg claudi

  22. #16
    Major Avatar von claudi70
    Registriert seit
    04.01.2009
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    690

    Standard

    Ach was ich noch vergessen habe, dein Buchcover ist einfach nur super

  23. #17
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    @claudi70: Ganz herzlichen Dank für dein tolles Feedback sowohl zu der Story als auch dem Buchcover. Ich freue natürlich sehr, dass dir die Geschichte bisher gefällt - und auch wie auch der Serie bekannte Leute und Situationen eingebaut habe. Das macht mir immer sehr viel Spaß, mir für alle eine neue 'Realität' zu überlegen und ich freue mich, wenn es anderen Leserinnen auch gefällt.

    Was Rodneys Ungeschicklichkeit mit den von ihm gewählten Bildern angeht - leider vermute ich, dass er wirklich so ungeschickt vorgehen würde und es ihm erst viel zu spät einfallen würde, dass 'Feingefühl' auch etwas anderes ist.
    Aber Rodney bereut es ja und versucht es gerade zu biegen - auch wenn das John im ersten Moment natürlich nicht besonders hilft.
    Und wenn die Beschreibungen meiner Örtlichkeiten im Kopf Bilder hervorrufen, bin ich sehr zufrieden, denn gerade bei Landschaftsbeschreibungen finde ich es schwierig zu wissen, wieviel man braucht und ab wann es zu viel ist.

    Also vielen, vielen Dank für diese netten Anmerkungen !



    Und bevor ich schon wieder weg muss, schnell noch den nächsten Teil....

    ------------------------------------------------------------------------------------------------

    Geistspringer (4/7)


    John hatte mitbekommen, dass nicht nur McKay, sondern auch Magister Zelenka und Major Carter ihn suchten. Da er aber vermutete, dass sie gemeinsame Sache machten, ging er lieber allen dreien aus dem Weg.

    Den ersten Tag verbrachte im Stall bei den Pferden und trainierte anschließend mit einigen Wachen. Am nächsten Tag verbarg er sich in der Bibliothek, wo er half, Bücher zu katalogisieren. Das machte er manchmal, wenn er in Ruhe nachdenken oder allein sein wollte. Außerdem liebte er die Bibliothek, denn da er nicht herumreisen durfte gaben ihm die Bücher ein Gefühl von Freiheit und brachten die Welt zu ihm. Und wenn er Katalogisieren half, sah er die neuen Bücher als erster und konnte sich gleich mit Lesestoff eindecken.

    Fein säuberlich schrieb John die Namen der Autoren auf kleine Kärtchen und fügte den Titel und das Erscheinungsjahr des Buches hinzu. Eine sehr entspannende Tätigkeit.

    Er wollte nichts mehr darüber hören, dass er ein Geistspringer sein sollte, auch wenn das den ganzen Tag durch seinen Kopf summte. Aber das war doch ausgemachter Unsinn! Er war aufmerksam, was seine Umgebung betraf und das war’s. Mehr wollte er auch gar nicht. Nur keine weiteren Komplikationen. Seine Situation hier am Hofe war schon prekär genug. Er war mehr als ein Diener, aber unfreier als sie. Er war eine Art Gast, aber konnte die Burg nicht einmal für einen Ausritt verlassen. Er ging mit Besuchern ins Bett, weil er es wollte, aber auch … weil es gefordert wurde. Er gab sich da keinen Illusionen hin. Er konnte nicht ‚nein’ sagen, er konnte nur sagen, wer es sein sollte.

    Jedenfalls hatte er bisher gedacht, dass er es perfekt beherrschte, nur Leute zu finden, die er mochte und deren Wünsche er einschätzen konnte. Aber dann war McKay daher gekommen und hatte alles auf den Kopf gestellt. Der erste Abend war so perfekt gewesen – und der zweite Tag eine solche Katastrophe. Er hatte immer noch keine Erklärung dafür, warum es dem Botschafter gelungen war, ihn so aus dem Gleichgewicht zu bringen.

    John schrieb den nächsten Titel auf das nächste Kärtchen. Das Kratzen der Feder über das Papier hatte eine beruhigende Wirkung.

    Hoffentlich reisten sie bald wieder ab, damit wieder Ruhe einkehrte und er wieder zu seinem geregelten Leben zurückkehren konnte. Bis die nächsten Staatsgäste erwartet wurden. Die hoffentlich weniger fordernd waren. Obwohl – Ruhe hatte eigentlich genug. Er sehnte sich ja nach Abwechslung.
    Und dann ertappte sich John dabei, dass er nicht wollte, dass Rodney abreiste, ohne dass er ihn noch einmal gesehen hatte.
    Eigentlich wusste er gar nicht so genau, was er jetzt wollte. Verdammt, verdammt, verdammt.

    John stützte seinen Kopf in seine Hände und rieb sich über die Stirn. Wenn er so weitermachte, würde er seine Kopfschmerzen nicht so schnell los. Dann müsste er sich auch so einen gräßlichen Tee in der Küche holen. Was ihn schon wieder an McKay erinnerte. Was ihn erneut aufseufzen ließ.

    Verflucht, seit wann war er ein solcher Waschlappen? Saß er jetzt in einer Bibliothek, oder nicht? War es also an ihm, etwas mehr über das herauszufinden, was ihn bedrückte, oder nicht? Genau! Er musste nur seinen Hintern hochbekommen. Resolut stand John auf und ging zu dem Regal mit den Märchenbüchern, Sagen und Legenden.

    Er nahm den neuesten Band den er finden konnte aus dem Regal und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Da waren sie alle versammelt, die übernatürlichen … Kreaturen, zu denen er auch gehören sollte. Das war eine schöne Gesellschaft: Acephale, Basilisken, Chimären, Drachen, Einhörner, Feen, Greife – nein, jetzt war er schon zu weit, G wie Geistspringer.

    Schnell überflog er den Inhalt. Geistspringer wurden Menschen genannt, die von sich behaupteten, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können. Es folgte eine historische Abhandlung, wo und in welchem Zusammenhang von ihnen in der frühen Literatur berichtet wurde. Wie John schon vermutet hatte, alles Sagen, Märchen und Legenden. Die Autorin vertrat im nächsten Kapitel die Ansicht, dass es die Fähigkeit, in den Geist einer anderen Person zu springen, nicht gab.

    Hah! Genauso sah er das auch! Und hier hielt er den wissenschaftlichen Beweis in der Hand!
    Erleichterung durchrieselte ihn.

    Sie sagte, dass es sich bei den Geistspringern vielmehr um Personen handelte, die über ein extrem gutes Einfühlungsvermögen und eine hervorragende Menschenkenntnis verfügten. Personen, denen es gelang, Gestik und Mimik besser zu lesen, als das der Durchschnitt der Menschen konnte.

    Das war es doch, was er die ganze Zeit versuchte, McKay klar zu machen!

    Dadurch konnte es so aussehen, als würden sie in den Geist einer Person springen können, um zu ‚sehen’, ob diese Person zum Beispiel log oder nicht. In Wahrheit hätte die Person aber unbewusst viele, kleine Signale ausgesendet, die es geschulten Menschen möglich machte, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Wenn sich das Gegenüber jedoch darauf einstellte, wurde es schwer für sie und dann behaupteten sie einfach, den Geist der Person nicht lesen zu können. Die Autorin versicherte noch einmal, dass niemand Sorge haben müsse, dass eine andere Person gegen ihren Willen Gedanken aufnehmen konnte.

    John knabberte an seiner Unterlippe. Hmmm. Ganz überzeugte ihn das nicht, denn bei Rodney hatte sich das schon irgendwie anders angefühlt. Er hatte sich ziemlich bedrängt gefühlt und das direkt in seinem Kopf. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass die verstörenden, gewalttätigen Gedanken nicht von ihm gekommen waren.

    Er hätte gerne noch etwas über den aktuellen Stand der Forschung erfahren, aber mehr stand zu dem Thema leider nicht in dem Büchlein.

    Sicherheitshalber las er auch noch den Artikel über die Einhörner und die Feen – aber bei beiden Erscheinungen drückte die Autorin wieder ihren Zweifel aus, dass es diese Wesen gab und erklärte sie mit Sinnestäuschungen und Wunschgedanken der Menschen. Sie schien eine sehr rational denkende Frau zu sein, die übersinnliche Erscheinungen in allen Fällen kategorisch ausschloss.

    In Ordnung, wenn es da nichts zu befürchten gab, dann konnte er sein Versteckspiel ja auch wieder aufgeben. Es wäre doch logisch, Rodney oder vielleicht lieber Major Carter aufzusuchen und zu sagen, dass er nicht an ihren wilden Theorien interessiert war. Ganz einfach. Er musste nur den Anfang machen.

    John ballte eine Hand zur Faust, versuchte, sich selbst einen Schubs zu geben und die Sache wieder in die Hand zu nehmen, statt vor ihr davon zu laufen. Je eher er es sich hinter brachte, umso besser. Er stellte das Büchlein ins Regal zurück und machte sich auf den Weg.

    --------------------------------------------------------------------

    Als er sich ziemlich sicher war, dass die meisten Menschen in der Palastburg schliefen, deckte Rodney sich mit etwas zu essen, einem Papier, einem Stift, einer Kerze, einem kleinen Messer und einer fünf Meter langen Schnur ein. Anschließend zog er noch einen dunklen Umhang über, falls es kalt wurde und damit er im Dunklen nicht so leicht gesehen wurde. Dann konnte es losgehen.

    Er hatte noch keine fünfzig Meter im Flur zurückgelegt, als er die erste Wache erblickte und sich mit klopfendem Herzen hinter einen der schweren Wandvorhänge stellte. Seine Hände wurden feucht, als die Wache langsam näher kam. Er konnte spüren, wie ihm der Schweiß über die Schläfen rann. Bestimmt würde der Bewaffnete gleicht den Vorhang zur Seite schieben und dann …

    …. entfernte sich die Wache wieder und Rodney lehnte den Kopf gegen die Wand hinter sich und schloss die Augen. Er war für so etwas nicht gemacht. Wäre doch bloß Jeannie statt seiner hier! Aber dann fiel ihm ein, dass Jeannie wahrscheinlich schon den ersten Versuch, John von seinen Fähigkeiten zu überzeugen, nicht vermasselt hätte und folglich hier gar nicht durchstiefeln müsste. Seufzend machte er sich wieder auf den Weg.

    Er schaffte es mit ständigem Stehenbleiben, Horchen, und Um-die-Ecke-Schauen bis in die Küche. In der aber fast nichts mehr los war. So ein Blödsinn, hier Sheppard suchen zu wollen! Natürlich war um diese Uhrzeit niemand mehr anwesend, außer ein paar jungen Mädchen, die das Geschirr spülten.
    Als nächstes kam er in die Schreinerei der Palastburg, aber auch dort standen alle Werkbänke verlassen herum, ebenso wie in der Schneiderei und Polsterei.

    Rodney wurde etwas ruhiger. Was für ein Glück, dass er diese Wirtschaftsräume zum Durchsuchen bekommen hatte! Die Chance, dass John ausgerechnet dort versteckt wurde, wo tagsüber reges Hin und Her herrschte, war verschwindend gering. Wer wusste schon, welche Ausreden sich Zelenka und Carter einfallen lassen musste, wenn sie in den Wohn- und Gästequartieren herumschnüffelten! Da war er hier unten doch deutlich besser aufgehoben, denn auch die Käserei und die Räucherkammer waren leer.
    Es folgten weitere Wirtschaftsräume, die zum Waschen, Mangeln, Nähen und Spinnen benutzt wurden, ehe er sich unvermittelt in der Sattelkammer wiederfand.

    Dort brannte noch Licht und Rodney schlich auf Zehenspitzen vorwärts, genau darauf achtend, dass der Mann, der dort im hinteren Teil der Kammer noch Sättel polierte, ihn nicht erblickte. Geschafft!
    Von der Sattelkammer ging es direkt in die Stallungen und Rodney hoffte nur, dass die Pferde nicht wieherten, wenn er jetzt an ihnen vorbei ging. Aber er hatte erneut Glück und alles blieb ruhig, auch im zweiten Stall und im dritten.

    Am Ende des letzten Stalls konnte er eine Tür öffnen und fand sich in einem riesigen Raum wieder, in dem Heu und Stroh für die Tiere gelagert wurde. Er war jetzt schon so darauf eingestellt, dass kaum mehr jemand unterwegs war, dass er abrupt abbremste und sich hinter einem Stapel mit Heuballen verbarg, als er vier Leute erblickte, die soeben ein paar Strohballen zur Seite rollten und … Rodney beugte sich ein wenig vor … eine Falltür im Boden öffneten!

    Oh, nein! Rodney drehte sich sofort zurück und atmete tief durch. Natürlich wollte er, dass John Sheppard an diesem Abend noch gefunden wurde – aber es musste ja nicht ausgerechnet er sein, der ihn fand. Noch dazu in einem geheimen Keller, hinter einer geheimen Falltür! Seine schwitzigen Hände waren sofort wieder zurück und das Herzrasen setzte auch wieder ein.

    Aber es half nichts, er musste wissen, was hier vor sich ging. Kaum atmend, streckte er seinen Kopf noch einmal aus seinem Versteck.

    Er sah, dass die vier alle nacheinander durch die Falltür verschwanden und offensichtlich nach unten stiegen. Die Tür ließ der letzte einfach hinter sich zufallen. Jetzt musste man tatsächlich schon sehr genau hinschauen, um auf diesem Fußboden aus Holzdielen, die Falltür, die aus genau denselben Holzdielen gefertigt worden war, ausfindig machen zu können.

    Hinterhergehen oder nicht hinterhergehen? Das war hier die Frage. Rodney debattierte einen Moment in seinem Kopf, wie er weiter vorgehen sollte, dann sagte er sich, dass er mitverantwortlich für Sheppards Lage war. Falls also John da unten versteckt wurde …

    Mit dem Gefühl von heraufziehendem Unheil trat er zu der Falltür, die er ganz vorsichtig und langsam hochzog – immer darauf gefaßt, dass ihn gleich jemand mit einer Waffe bedrohen würde.

    Aber niemand wartete hinter der Tür auf ihn, sie hatten es offensichtlich nicht für nötig befunden hier mitten in der Palastburg eine Wache aufzustellen. Rodney sah eine steile Holztreppe, die er vorsichtig hinunterstieg, aber auch unten erwartete ihn niemand. Er fand sich in einem gut ausgebauten, in den Felsen gehauenen Gang wieder und Rodney vermutete, dass es alte Bergwerksstollen waren, die jetzt, da sie erschöpft waren, anderen Zwecken dienten. Welchen, würde er gleich herausfinden. Er hoffe nur, dass die Zwecke nicht so finster waren, wie es ihm sein Kopf vorgaukelte.

    Doch statt vor Folterkammern und eisernen Käfigen, in denen ausgemergelte Gestalten hockten, fand sich Rodney nach ein paar Minuten in einer perfekt eingerichteten und ausgeleuchteten Fabrikationshalle wieder. Rasch erkannte er, dass hier Waffen gefertigt wurden. Weit größere und schwerere Feuerwaffen als die, die sie während der Vorführung zu sehen bekommen hatten. Das war glücklicherweise alles noch im Experimentierstadium, falls die zahlreichen Zeichnungen an den Wänden nicht nur zur Dekoration dienten. Aber die Richtung war klar – die Genii versuchten eine Waffe zu bauen, die herkömmlichen Waffen an Reichweite und Durchschlagkraft weit überlegen war.

    Rodney sah, dass die vier Personen, denen er gefolgt war, an einem der Konstruktionstische standen und debattierten. Er schlich etwas näher.

    „Du hast Recht, Sora, wir sollten eine andere Legierung nehmen, damit sie mehr Druck aushält“, sagte einer der Männer.
    Ein anderer fügte hinzu: „Das letzte Mal hat es uns aber das Rohr zerrissen, als wir zuviel Kupfer beigemengt haben.“
    „Dann müssen wir es mit anderen Metallen versuchen“, sagte die Frau, die mit Sora angesprochen worden war.

    Der Göttin sei Dank, die riesigen Geräte waren wohl wirklich noch einige Zeit davon entfernt, funktionstüchtig zu sein. Rodney atmete auf. Dann hielt er erschrocken die Luft an, aber niemand hatte ihn atmen gehört, da sie weiter hitzig debattierten. Plötzlich ging Rodney auf, dass er jetzt, da er von diesem Raum wusste, in großer Gefahr schwebte! Die Genii würden sicher niemanden lebend wieder hier heraus lassen, der von ihren geheimen, unterirdischen Forschungen wusste!

    Verflucht, warum war er nur so neugierig gewesen und nicht einfach oben auf dem Heuboden geblieben? Warum war nicht Jeannie …? Er stoppte seinen Gedanken. Er würde diese Situation nicht seiner Schwester auf den Hals wünschen! Zumal die wahrscheinlich nicht so dusselig gewesen wäre, hier hereinzumarschieren, ohne jemandem zu sagen, wo sie hinging, ohne jemanden zur Unterstützung anzufordern, oder ohne nennenswerte Waffe, denn das Messer, das in seiner Tasche steckte, erschien ihm auf einmal lächerlich unzulänglich. Was hatte sie ihm noch mit auf den Weg gegeben? Erst denken, dann sprechen? Nun, sie hätte ihm auch ruhig ‚erst denken, dann handeln’ mit auf die Liste schreiben können. Also, nichts wie weg hier!

    Gerade als er zu der Treppe zurück schleichen wollte, verließen die vier Leute den Tisch, an dem sie standen, um sich eines der großen Metallrohre näher anzuschauen, an dem Rodney vorbei gekommen war. Damit blockierten sie leider seinen Rückweg!

    „Hier, seht ihr die Risse?“, fragte Sora.
    „Das kann aber auch am Schwarzpulver liegen“, sagte einer der Männer.
    „Ja, aber ich denke dennoch, dass es an der Metalllegierung liegt.“

    ‚Nicht zu mir schauen’, versuchte Rodney zu suggerieren und hielt gleichzeitig Ausschau nach einem besserem Versteck oder einem Fluchtweg. Beinahe hätte er einen kleinen Triumphschrei ausgestoßen, als er auf der linken Seite des Raumes eine weitere Tür entdeckte. Die war weit genug entfernt und lag nicht im direkten Sichtfeld der anderen Personen.

    Rodney schlich darauf zu, hoffte inbrünstig, dass die Tür nicht knarrte, als er sie aufzog und atmete erleichtert auf, als sie es nicht tat. Schnell schlüpfte er hindurch und stand im Halbfinsteren. Eine trübe vor sich hinfunzelnde Öllampe hing von der Decke.

    Es roch muffig und er hoffte nur, dass er nicht erstickte, weil es nicht genug Luft zum Atmen gab. Rodney fummelte in seiner Westentasche nach der Kerze und entzündete die Kerze an der Öllampe. Das war schon besser. Er schaute sich um. Der Gang war hoch genug, so dass er ohne sich zu bücken darin gehen konnte. Er folgte dem Gang, der nach ein paar Metern deutlich nach unten führte. Noch tiefer in den Berg hinein.

    Das war nicht das, was er wollte. Er hatte gehofft, in irgendeinem der Innenhöfe herauszukommen. Rodney ging noch ein paar Meter, kam an eine Kreuzung, an der sich der Stollen in drei verschiedene Richtungen aufteilte. Er leuchtete in alle drei hinein und entschied sich dann für den, der so aussah, als würde er wenigstens die Höhe halten.

    Er legte etwa fünfzig Meter zurück und dann teilte sich der Gang erneut. Gerade als er sich für rechts entschieden hatte, traten aus dem linken Gang drei Genii-Wachen.

    „Halt!“ Mit ihren gezückten Degen hinderten sie ihn am Weitergehen.
    „Was haben wir hier denn für einen seltenen Besucher?“, fragte der erste und rammte Rodney, bevor der auch nur ein Wort äußern konnte, seine Faust so heftig in den Magen, dass er vor Schmerzen vornüber sackte und auf die Knie ging.

    Er keuchte noch um Atem, als der zweite seinen Kopf an den Haaren zurückriss und erstaunt zu seinen Kollegen meinte: „Das ist einer von denen aus dem Seenreich!“
    „He, du hast Recht, was macht der denn hier unten?“ Der zweite trat näher und musterte Rodney.

    Rodney hatte den Eindruck, ihm würde die Haut vom Kopf gezogen, ihm schossen Tränen in die Augen, dennoch versuchte er zu erklären: „Ich habe mich verlaufen.“
    „Ein Spion!“, schrie der, der ihn an den Haaren festgehalten hatte und nun mit Schwung nach vorne auf den Boden stieß. „Verlaufen! Du glaubst doch wohl nicht, dass wir dir das abkaufen?“
    „So also nutzt du unsere Gastfreundschaft“, meinte der erste und trat ihn seitlich in die Rippen. „Warum bist du wirklich hier? Also? Los!“

    Rodney krümmte sich zusammen, biss die Zähne aufeinander und versuchte, nicht in Ohnmacht zu fallen. Scheiße, wenn es keinen zweiten Eingang für diesen unterirdischen Gang gab, wussten sie, dass er durch die geheime Forschungsabteilung gekommen war. Auf gar keinen Fall durfte er den Rest der Delegation mit hineinziehen. „Ich weiß nicht, wie ich hierher gelangt bin“, stieß er keuchend hervor.

    „Rede! Verdammt noch mal!“ Noch ein Tritt in seine Flanke.
    Rodney presste die Lippen fest aufeinander.
    „Verdammt, Mann aus dem Seenreich, sag uns endlich, war du hier willst!“
    Rodney schloss die Augen und atmete ganz flach.
    „Du hast es nicht anders gewollt. Dann werden wir deinem Gedächtnis mal auf die Sprünge helfen!“

    Zwei der Genii-Wachen rissen ihn zum Stehen hoch, hakten ihn unter und zogen ihn mit sich durch den Gang, der nach rechts abzweigte. Die dritte Wache ging hinterher und stieß Rodney immer wieder den Knauf des Degens in den Rücken, obwohl er nicht langsamer als die anderen beiden Männer ging. Rodney versuchte herauszufinden, ob seine Rippen gebrochen waren, aber dafür konnte er eigentlich noch zu gut atmen. – Noch. Rodney versuchte nicht daran zu denken, dass die Genii bestimmt ausgeklügelte Foltermethoden kannten, um ein Geständnis zu erpressen.

    Sie würden ihn foltern. Er hatte keinen Zweifel daran. Er hatte jedoch erhebliche Zweifel, ob er der Folter würde widerstehen können. Er als Wissenschaftler hatte in seinem täglichen Leben nicht damit zu tun. Ja, er hatte sich die Wissenschaft sogar extra ausgesucht, damit er keine Leute töten musste. Jedenfalls nicht von Angesicht zu Angesicht. Dass sie durch die von ihm entwickelten Waffen starben, stand auf einem anderen Blatt.

    Wenn seine Gedanken nur nicht so panisch hin und her flattern würden, dann könnte er sich vielleicht eine einigermaßen plausible Erklärung ausdenken, aber in seinem Gehirn waren nur Schock und Angst und das alles vereinnahmende Gefühl ‚Ich will hier nicht sein!’ und das lähmte jeden Entscheidungsprozess.

    Eine der Wachen stieß eine Tür am Ende des Ganges auf und sie schubsten Rodney hinein. Sofort standen sie wieder zu zweit neben ihm und umklammerten seine Arme.

    Rodney bekam das im ersten Moment nicht einmal richtig mit, denn er starrte auf die Person, die hinter den Gitterstäben stand und sich keine Sekunde des Schauspiels entgehen ließ. Ein sehr großer, schlanker Mann, in einem langen, schmutzig-grauen Mantel, mit fast hüftlangen, weißen, strähnigen Haaren, einer grünlich schimmernden Haut und einem kleinen, weißen Bärtchen auf seinem Kinn.

    Ein Wraith! Die Genii hatten in ihren Gewölben unter dem Palast tatsächlich einen der letzten noch lebenden Wraith! Das … das …

    Vor über sechshundert Jahren hatte es Königin Teyla zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte geschafft, die neun Völker des Planeten zu einen, um gemeinsam gegen die Plage der Wraith in den Kampf zu ziehen. In einem Jahrzehnte dauernden, blutigen Gemetzel hatten die vereinten Truppen als erstes alle Wraith-Königinnen getötet, so dass sie sich nicht mehr fortpflanzen konnten. In den Jahrhunderten darauf waren die überlebenden Wraith weiter gejagt worden und man schätzte, dass es kaum noch hundert Wraith gab, die letzten des sterbenden Volkes, die fast alle in der menschenleeren Tundra jenseits des Urilli-Stromes lebten.

    Rodney hatte noch nie einen lebenden Wraith gesehen, aber viel von ihnen gehört. Jeder kannte die Geschichte von Teylas Mut und Heldentaten. Schon die kleinsten Kinder lernten, wozu die grausamen Wraith fähig waren und warum sie unbedingt getötet werden mussten.
    Die Genii hatten offenbar eine andere Verwendung für den Wraith gefunden, den sie in ihrer Gewalt hatten.

    Ihn packte eiskalte Furcht, er spürte, wie sein Magen revoltierte, als sie ihn in Richtung des Wraith bugsierten. Nein, nein! Obwohl Rodney die Hacken in den Boden rammte, sich so schwer wie nur möglich machte und alles dran setzte, nicht zum Gitter gezerrt zu werden, hatte er keine Chance.

    Eine der Wachen riss sein schwarzes Cape zu Boden, die zweite zerschnitt mit der Klinge des Degens den Stoff seiner Weste und seines Hemdes. Dann zogen die Hände des dritten Wachmanns den Stoff auseinander, so dass Rodneys nackte Haut mit den kalten Gitterstäben in Berührung kam. Ein heftiges Zittern durchlief ihn, aber er wusste, dass das kaum mit der Kälte zu tun hatte.

    „Hier, du Tier!“, rief eine der Wachen zu dem Wraith. „Wir haben dir etwas zu essen mitgebracht. Komm schon, nimm dir ein Häppchen.“ Alle drei lachten und hielten Rodney fest, damit der Wraith ihn erreichen konnte.

    Der Wraith trat wortlos ans Gitter. Er streckte seinen Arm aus. Rodney spürte, wie sich die bläulich schimmernde Hand des Wraith auf seine Brust legte und zuckte unwillkürlich zurück. „Nein, nein, bitte nicht“, flehte er.
    „Ich habe Hunger“, erklärte der Wraith ohne einen Hauch von Mitleid in der Stimme und drehte die Hand, damit er seine Nähröffnung auf Rodneys Brust pressen konnte.

    Rodney schrie laut auf, als seine Haut durchbrochen wurde und der Wraith begann, sich an ihm zu nähren. Heftiger Schwindel erfasste ihn als er spürte, wie ihm seine Kraft, sein Leben genommen wurde. Das dauerte nur wenige Sekunden, dann rissen ihn die Wachen zurück. Der Wraith knurrte bedrohlich.
    „Hast du immer noch Hunger, alter Wraith Abschaum?“, rief einer der drei höhnisch.
    „Haben wir dir dein Futter weggenommen?“, lachte der zweite, als der Wraith die Zähne fletschte.

    „Also, kommen wir jetzt mal zu Sache. Was wolltest du wirklich hier unten?“, fragte der, der sich in den letzten Minuten als Anführer gebärdet hatte und schüttelte Rodney. „Sprich!“

    Rodney war es klar, dass sie ihn nicht am Leben lassen würde. Denn jetzt hatte er nicht nur Kenntnis von ihrer geheimen Waffenproduktion, jetzt wusste er auch noch, dass die Genii ihre Gefangenen ganz offensichtlich folterten, indem sie sie einem Wraith als Nahrung vorwarfen. Mit diesem Wissen würden sie ihn wohl kaum wieder gehen lassen. Alles, was er machen konnte, war, keinen der anderen aus seinem Team mit herein zu reißen. Deshalb presste er seine Lippen fest aufeinander, um keinen Ton zu äußern. Er fürchtete, wenn er nur ein Wort sagte, könnte er nicht mehr aufhören zu reden.

    „Komm schon, rede! Du weißt doch, wer sonst noch ein wenig Nachspeise essen darf.“ Gackernd lachte die eine Wache auf, dazu schubsten sie ihn grob zwischen sich und einem anderen Wachmann hin und her. Rodney war überzeugt, dass er später etliche blaue Flecken haben würde. Dann fiel ihm auf, wie absolut egal das war, denn ob er tot mit blauen Flecken oder tot ohne war, spielte wirklich keine Rolle.

    Ihnen wurde es bald leid und nach einem heftigen Schlag gegen seinen Kopf, der die Übelkeit in ihm aufsteigen ließ, hielten sie ihn wieder so gegen das Gitter, dass der Wraith ihn erneut erreichen konnte.

    Dieses Mal wusste Rodney, was er zu erwarten hatte, aber das machte es auch nicht besser. Die Hand des Wraith legte sich auf seine Brust und wie in einem Alptraum erlebte Rodney, wie er älter und älter wurde. Er sah die Haut auf seinen Händen faltiger werden, Altersflecke bekommen und die Knöchel deutlicher hervortreten. Sein Sehvermögen und sein Gehör ließen nach. Er spürte Schmerzen in seinen Gelenken und musste plötzlich denken, dass es kein so ganz schlechter Tod war. Natürlich war es viel, viel zu früh und er hätte noch so viele große Entdeckungen machen können. Aber die Agonie der letzten verzehrenden Monate des Alterns auf wenige Minuten reduziert zu erleben – manch einer hätte das wohl vorgezogen.

    Aber nicht jetzt. Auf keinen Fall jetzt schon! Er wollte noch nicht sterben! Vergeblich versuchte Rodney sich von den Gitterstäben abzustoßen. Aber er war inzwischen ein alter Mann und hatte nur noch einen Bruchteil seiner Kraft, seine Hände zitterten unkontrollierbar. Alt und schwach zu sein war echt beschissen!

    Seine absolut aussichtslose Lage ließ seinen Widerstand erlahmen. Voller Unglauben und voller Verzweiflung wurde sich Rodney klar, dass er tatsächlich sein Leben in einem unterirdischen Keller aushauchen würde und niemand würde je erfahren, war mit ihm geschehen war. Er würde Jeannie nicht mehr wieder sehen, würde niemals mehr …

    „Aufhören! Sofort! Lasst ihn los!“

    Rodney brauchte einen kleinen Moment, um herauszufinden, dass tatsächlich noch jemand den Raum betreten hatte. Müde wandte er seinen Kopf zur Tür – und glaubte, dass er inzwischen Halluzinationen hatte.

    Denn dort stand John Sheppard, der eine völlig unzureichende Eisenstange drohend über seinem Kopf schwang und noch einmal schrie: „Lasst ihn sofort frei!“

    -------------------------------------------------------------


    TBC ...

  24. Danke sagten:


  25. #18
    Staff Sergeant
    Registriert seit
    05.06.2015
    Ort
    Bezirk Melk Österreich
    Beiträge
    48

    Standard

    Heiliger Himmel hab ich Schweißperlen an meiner Stirn!

    Was machen diese Trotteln mit Rodney?

    Das ist ja so typisch von den Genii ein falsches Spiel zu spielen. Das die irgendwo ein Geheimlabor haben und bessere Waffen erforschen. Natürlich wollen sie die nicht preisgeben. Mich würde es nicht wundern wenn König Cowen das Seenreich zu unterjochen versucht.

    Hoffentlich kann John Rodney retten. Sein Leben irgendwie wieder herstellen. Oh Mann Rodneys Angst ging auf mich über, konnte gar nicht aufhören zu lesen. Das Kopfkino hörte gar nicht auf, hatte alles im Blick wo sie Rodney immer näher an die Gitterstäbe drängten. Sein Angsterfülltes Gesicht. Als stünde ich direkt daneben.

    Freu mich schon auf die Fortsetzung

    lg Christl

  26. #19
    Lieutenant General Avatar von Antares
    Registriert seit
    16.09.2007
    Beiträge
    4.809
    Blog-Einträge
    1

    Standard

    Was machen diese Trotteln mit Rodney?
    Das, was Wachen immer machen, wenn sie jemanden einschüchtern wollen ... Leider ist Rodney zur falschen Zeit am falschen Ort.

    Und ja, wenn man die Genii nur etwas kennt, weiß man, dass sie meist nichts Gutes im Schilde führen. Und ich bin sicher, dass die gerne alle anderen Reiche unterjochen würden, nicht nur das Seenreich.

    Und John wird sicher alles in seiner Macht Stehende tun.

    Es freut mich natürlich zu hören, dass Rdoneys Angst auf dich übergegangen ist - auch wenn das jetzt etwas seltsam klingt Aber es ist ja glücklicherweise eine virtuelle Angst. *g*

    Danke sehr für deine lieben Worte - und die Fortsetzung kommt morgen.

  27. #20
    Major Avatar von claudi70
    Registriert seit
    04.01.2009
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    690

    Standard

    Oh oh, das war denn mal keine so gute Idee von Rodney den Geniis hinterher zu gehen, aber da hat dann wohl die Neugier eines Wissenschaftlers die Oberhand übernommen.
    Auf den Moment habe ich schon gewartet, wo man das wahre Gesicht der Genii zu sehen bekommt denn bis jetzt waren sie ja doch sehr nett...
    Aber muss denn ausgerechnet Rodney der jenige sein der das herausfindet?
    Und dann natürlich auch noch ein Wraith der ihm das Leben aussaugt. Jetzt hoffe ich mal das John ihn da noch helfen kann, immerhin sind die Gegner in der Überzahl. Und wird es hier wie in der Serie möglich sein, Rodneys verlorene Lebensjahre zurück zu bekommen?

    Das war ganz schön gemein von dir an dieser Stelle aufzuhören. .. ich hoffe du lässt uns mit der Auflösung nicht all zu lange warten.

    Auf jeden Fall wieder ein tolles Kapitel, ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
    LG claudi

Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •