A/N: ÜBERRASCHUNG!!! Ja, ich bin (ziemlich unerwartet, wie ich finde) zurück! Ich bin mir ziemlich sicher, dass es an euren lieben Kommentaren lag… anders kann ich mir diesen plötzlichen Schreibwahn nach so vielen Monaten nicht erklären. *lach*
Wow, ich bin selbst völlig überrascht, dass ich es tatsächlich geschafft habe, das neue Kapitel fertigzustellen! Ich habe einfach die bereits bestehenden Textsegmente zusammengefügt und die restlichen Passagen sind mir auf einmal so zugeflogen. Wahnsinn! Nach so vielen Monaten hat mir das Schreiben zum ersten Mal wieder richtig Freude bereitet! Ich habe bis spät in die Nacht geschrieben!
Ich hoffe natürlich, dass es jetzt wieder etwas flotter vonstattengeht und ich nicht wieder so lange auf die Fortsetzung warten lasse. *lach*
Vielen lieben Dank für eure aufmunternden Worte! Ich hoffe, dass das neue Kapitel euch gefällt. Ihr werdet sehen, wir bewegen uns merklich auf das Ende der Geschichte zu…
Liebe Grüße,
eure Moni
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Kapitel Zwanzig
„Es ist Teyla“, erklärte John seiner Mutter aufgeregt und schluckte, bevor er die nächsten Worte aussprach, die sein Herz heftig in Aufruhr versetzen. „Jemand hat sich unerlaubt Zutritt zu ihrem Zimmer verschafft und versucht, sie anzugreifen…“
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Eine Woche später
Nachdem es fast das ganze Wochenende über durchgehend geregnet hatte, kehrte zu Beginn der neuen Woche noch einmal der Sommer zurück, und das Wetter zeigte sich wieder von seiner allerschönsten Seite. Die dunklen Regenwolken verzogen sich mit dem Wind nach Westen, und der Himmel über der Stadt klarte auf. Zur Mitte der Woche hin pendelten die Temperaturen sich in einem angenehmen zweistelligen Plusbereich ein, und ganz Boston glimmerte und summte wie ein gigantischer Bienenstock. Das anhaltende schöne Wetter lockte die Menschen ins Freie; beschwingt und gut gelaunt verließen die Bewohner der Stadt ihre Häuser, um auf dem Wochenmarkt in Beacon Hill Besorgungen zu erledigen oder im Park, im Schatten der Bäume, am Ufer des Charles River entlang spazieren zu gehen. Ganz egal wohin man in diesen Tagen auch sah, erblickte man freudige Gesichter, und es herrschte eine angenehme, entspannte Atmosphäre in Bostons Straßen. Die Menschen genossen das Wetter und sogen jeden Sonnenstrahl in sich auf, wissend, dass dieses kurze Wiederaufleben des Sommers nur von vorübergehender Dauer war und schon sehr bald der Herbst Einzug ins Land halten würde.
Tief durchatmend zog John sich den Hut vom Kopf, nachdem er aus seiner Kutsche gestiegen war, hielt einen Moment inne, um sich die wohltuend wärmende Spätsommersonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Nach nur ein paar Sekunden, jedoch, besann er sich, dass er nicht durch die halbe Stadt gefahren war, um den herrlichen Sonnenschein zu genießen. Seufzend setzte er seinen Hut wieder auf und wandte sich an seinen Kutscher.
„Ich gehe nicht davon aus, dass es allzu lange dauern wird, aber Sie brauchen trotzdem nicht auf mich zu warten, Martin.“
„Sind Sie sicher, Sir?“, fragte sein Gegenüber nachhakend.
John nickte.
„Fahren Sie ruhig zurück“, meinte er, schob die Krempe seines Huts ein wenig höher und blickte zum wolkenlosen Himmel empor. „Es ist ein schöner Tag. Vielleicht werde ich einfach zurücklaufen.“
„Ganz wie Sie wünschen, Sir“, entgegnete der Kutscher und tippte sich an den Hut. „Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag, Sir.“
Naja, ob es wirklich ein guter Tag werden wird, wird sich erst noch zeigen, dachte John, ließ sich seinen Missmut nicht anmerken.
„Danke, den wünsche ich Ihnen auch“, erwiderte er daher mit einem freundlichen Lächeln und wartete, bis die Kutsche abfuhr, strich sorgfältig den dunkelblauen Stoff seines Gehrocks glatt und rückte seinen Hut zurecht.
Als das Gespann um die Ecke gebogen war, drehte er sich um und trat an das schmiedeeiserne Tor heran, vor dem man ihn abgesetzt hatte. Vorsichtig ergriff er mit beiden Händen die Eisenstangen und spähte durch das Gitter hindurch. Sein Blick wanderte an der von kunstvoll gestutzten Buchsbaumbüschen gesäumten Zufahrt hinauf, an deren Ende sich ein mehrstöckiges weißes Haus mit dunkel angestrichenen Fensterrahmen befand. Es war zweifelsohne das prunkvollste Gebäude der Gegend und erinnerte John vom Stil her an einen altgriechischen Tempel. Sechs hohe Marmorsäulen stützten das Vordach, und eine breite Treppe führte zum Eingangsportal hinauf. Eine weitläufige, sehr gepflegte Gartenanlage mit teils meterhohen weiß und violett blühenden Rhododendronsträuchern umgab das Haus, und mehrere prächtige alte Eichen warfen ihre Schatten auf das eindrucksvolle Gebäude, welches von dem Einfluss und Reichtum seines Besitzers zeugte.
John schluckte schwer, und sein Magen zog sich unangenehm zusammen. Trotz der angenehm milden Temperaturen begann er plötzlich leicht zu frösteln, und mit einem Mal kamen ihm erneut Zweifel. Es hatte ihn große Überwindung gekostet, wieder an diesen Ort zurückzukehren, denn die Geschehnisse der letzten Woche waren noch lange nicht vergessen. Tief in seinem Inneren sträubte sich noch immer etwas gegen sein Vorhaben, aber John wusste, dass dies das einzig Richtige war. Er musste es tun, ganz gleich wie unsagbar schwer es ihm fiel. Er hatte die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen und musste sich ihnen nun entgegenstellen, um sie wieder zu bezwingen. Er hatte keine andere Wahl.
Seit dem Vorfall, der sich während des Banketts des Bürgermeisters ereignet hatte, plagten ihn schreckliche Schuldgefühle. Er konnte weder richtig schlafen, noch essen und es fiel ihm schwer, seinen täglichen Verpflichtungen nachzukommen. Das Gefühl der Schuld drohte ihn zu ersticken, und Scham lastete auf seiner Seele und ließ sein Herz schwer werden.
Johns Blick fiel wieder auf das Haus. Nein, er hatte keine andere Wahl.
Begleitet von einem tiefen Seufzen öffnete er daher die Pforte des Tors und schritt die Zufahrt zum Haus des Bürgermeisters hinauf. Mit klopfendem Herzen erklomm er die Stufen vor dem Haus, setzte, vor der Eingangstür angekommen, seinen Hut ab und strich sich mit den Fingern durchs Haar und zupfte die widerspenstigen die Strähnen zurecht, in der Hoffnung, sie auf diese Weise zumindest etwas zu bändigen.
Wie üblich waren all seine Mühen umsonst, also gab er auf, holte tief Luft und läutete an der Tür.
Nur wenige Augenblicke später öffnete ein Hausmädchen in schlichter weißer Bedienstetenkluft die Haustür. Ein überraschter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, was John vermuten ließ, dass sich auch unter dem Personal bereits herumgesprochen hatte, was an jenem schicksalshaften Abend passiert war.
„O-Oh, Mr. Sheppard!“ Die junge Frau erblasste und sah ihn mit großen Augen an. „W-was für eine Überraschung“, stotterte sie und trat zögerlich einen Schritt zur Seite. „Bitte… kommen Sie doch herein.“
John nickte dankend und wollte gerade das Haus betreten, als plötzlich eine tiefe, männliche Stimme von der Treppe in der Eingangshalle her ertönte.
„Mr. Sheppard.“
John blickte über die weiße Spitzenhaube des Hausmädchens hinweg und sah sehr zu seinem Missfallen Steven Caldwell, die inoffizielle rechte Hand des Bürgermeisters, auf sich zukommen.
„Mr. Caldwell.“ Obschon es ihm schwerfiel, widerstand John dem Drang eine Grimasse zu schneiden und nickte Mr. O’Briens Berater höflich zu, dem deutlich anzusehen war, dass er über sein unangekündigtes Erscheinen mitten am helllichten Tag alles andere aus erfreut war.
Mr. Caldwell bedeutete dem Hausmädchen mit einer Handbewegung, dass sie nun gehen konnte, und wartete, bis die junge Frau die Eingangshalle verlassen hatte.
„Was kann ich für Sie tun, Mr. Sheppard?“, erkundigte er sich anschließend und sah seinen Gast fragend an, bevor John jedoch dazu kam, sein Anliegen kundzutun, drang auf einmal eine andere wohlbekannte Stimme an sein Ohr.
„Mr. Sheppard?!“
John nutzte den Moment und schob sich an Mr. Caldwell vorbei ins Haus und ging der schlanken, brünetten Frau, die den Flur hinunter kam, einige Schritte entgegen.
„Nan- Ich meine, Miss O’Brien“, korrigierte er sich schnell und deutete eine galante Verbeugung an, wohl wissend, dass Mr. Caldwell jede seiner Bewegungen ganz genau beobachtete.
Für einen kurzen Moment glaubte er Panik in Nancys braunen Augen aufblitzen zu sehen.
„Was um alles in der Welt tust Du hier?“, flüsterte sie entsetzt. „Du hättest nicht kommen dürfen.“
John nickte reumütig.
„Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte er mit gesenkter Stimme. „Ich hatte gehofft, dass wir uns vielleicht unterhalten könnten.“ Er spähte kurz über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass Caldwell nicht hörte, was er sagte, dann suchte er wieder Nancys Blick. „Allein…“
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf.
„John“, seufzte sie, „ich halte das für keine so gute Idee-“
„Bitte“, fiel er ihr flehend ins Wort. „Bitte, Nancy, ich verlange nicht mehr als fünf Minuten.“
„Miss O’Brien, ist alles in Ordnung?“, verlangte der in dieser Sekunde herzutretende Mr. Caldwell zu wissen. John warf Nancy einen weiteren eindringlichen Blick zu, worauf diese sich leicht auf die Lippe biss und schließlich endlich nickte.
„Ja, es ist alles in Ordnung“, antwortete sie. „Sie können jetzt wieder Ihren Arbeiten nachgehen. Ich regele das schon.“
Caldwells Miene verfinsterte sich, doch dann machte er einen Schritt zurück.
„Wie Sie wünschen, Miss O’Brien“, meinte er. „Ich bin im Büro Ihres Onkels. Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen.“ Während er diese Worte sprach, fixierte er John mit einem fast schon feindseligen Blick, dann drehte er sich um und verließ die Eingangshalle.
„Komm“, hörte John Nancy flüstern und spürte, wie sie seine Hand ergriff. „Ich weiß, wo wir reden können.“ Sie zog ihn sanft hinter sich her, und er folgte ihr widerstandslos den Flur entlang, der, soweit er sich richtig erinnerte, zu einem kleinen Wohnzimmer führte. Auf dem Weg dorthin sprachen sie kein Wort miteinander, dennoch erschien es John, als ahnte Nancy, aus welchem Grund er gekommen war.
Sie betraten das Wohnzimmer, und sogleich ließ Nancy seine Hand los und ging zu einem kleinen Servierwagen, der vor einem der Fenster stand.
„Möchtest Du etwas trinken? Eine Tasse Tee oder Kaffee vielleicht?“
John verneinte höflich und verschränkte seine Hände vor dem Körper ineinander.
„Ich gedenke nicht allzu lange zu bleiben“, erklärte er ruhig, woraufhin Nancy sich zu ihm umdrehte und ihn betrübt ansah. „Du weißt, warum ich hier bin.“ Es war keine Frage gewesen, dennoch nickte sie und kam langsam zu ihm herüber. Einen Moment lang standen sie beide unschlüssig da und sahen einander schweigend an.
„Ich… ich habe gehört, was Deiner Frau zugestoßen ist“, begann Nancy flüsternd, und John kniff die Lippen zusammen. „Wie geht es ihr?“
„Nicht gut“, antwortete John leise und schluckte den dicken Kloß herunter, der sich beim Gedanken an Teylas derzeitigen Zustand in seinem Hals gebildet hatte. „Es geht ihr nicht gut, Nancy.“
Wieder schwiegen sie eine Weile, dann hörte er sein Gegenüber bekümmert schluchzen.
„Oh, John, es tut mir ja alles so leid.“ Nancys Augen füllten sich mit Tränen. „Wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann-“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm, und John zuckte zusammen.
„Entschuldige bitte“, murmelte Nancy, als sie ihren Fehler bemerkte, zog ihre Hand zurück und verbarg sie in dem glänzenden Stoff ihres ausladenden Rocks. „Bitte verzeih mir, John.“
Ein leises Seufzen entrang sich Johns Kehle.
„Schon gut“, meinte er und bedachte sie mit einem leichten Lächeln, in der Hoffnung, die etwas angespannte Atmosphäre im Raum etwas aufzulockern.
„Ich hatte ehrlich nicht damit gerechnet, Dich heute zu sehen“, sagte Nancy nach einer Weile und fügte etwas leiser hinzu: „Oder dich überhaupt noch einmal zu sehen, nach allem, was passiert ist.“
„Wir können nicht einfach darüber hinwegsehen, was passiert ist“, entgegnete John.
Sein Gegenüber nickte.
„Ja, ich weiß.“
„Es war ein Fehler“, fuhr John fort. „Ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen.“
Wieder nickte Nancy, begleitet von einem tiefen Seufzer.
„Denkst Du wirklich, dessen bin ich mir nicht bewusst?“, fragte sie und sah ihn mit ernsten, traurigen Augen an. „Du bist ein verheirateter Mann, und ich…“ Sie brach ab und schüttelte den Kopf. „Wir hätten nie allein in diese Bibliothek gehen dürfen. Es tut mir so leid, John. Es war nie meine Absicht, dass so etwas zwischen uns geschieht, aber… aber als ich Dich nach so langer Zeit auf der Feier meines Onkels sah… nach all diesen Jahren…“ Wieder brachte Nancy den Satz nicht zu Ende. Tränen traten in ihre Augen, und sie biss sich auf die Unterlippe. „Es… es tut mir so unendlich leid, John“, flüsterte sie mit bebender Stimme.
„Oh nein, nicht doch.“ Von Mitleid bewegt, ergriff John ihre Hand und drückte sie sanft. „Es ist nicht allein Deine Schuld, John“, sagte er. „Wir beide haben einen Fehler gemacht. Mich trifft genauso viel Schuld!“
„Aber… aber ich habe dich zuerst geküsst“, stotterte Nancy.
„Und ich habe den Kuss erwidert“, entgegnete John. „Das hätte ich nie tun dürfen! Herrje-“ Er ließ ihre Hand los und rieb sich verzweifelt den Nacken- „ich weiß bis heute nicht, warum ich das überhaupt getan habe! Ich will damit nicht andeuten, dass Du keine attraktive Frau bist“, beeilte er sich richtigzustellen, als er sah, wie Nancy die Stirn runzelte. Er holte tief Luft, dann seufzte er. „Du bedeutest mir immer noch viel Nancy. Vielleicht sogar… mehr, als es angemessen wäre…“
„John...“
„Nein, bitte lass‘ mich ausreden“, fiel er ihr ins Wort und hob die Hand. „Ich muss das jetzt sagen, wenn ich wenigstens etwas von meinem Seelenfrieden wiedererlangen will.“
Nancy nickte nach einem kurzen Moment des Zögerns, also fuhr er fort.
„Du… Du bist wirklich eine unglaubliche, Frau, Nance“, sagte er, ergriff erneut ihre Hand und blickte ihr tief in die Augen. „Du bedeutest mir nach wie vor viel, und ich werde die Zeit, die ich mit Dir verbringen durfte, niemals vergessen, aber… aber ich glaube, dass es besser wäre, wenn wir endgültig mit diesem Kapitel abschließen und uns darauf konzentrieren, was die Zukunft für uns bereithält.“
Nancy runzelte leicht die Stirn.
„Dann ist das hier also ein Abschied… für immer?“, flüsterte sie fragend.
John seufzte erneut, dann nickte er.
„Es ist das Beste. Für uns beide. Wir können nicht länger in der Vergangenheit leben, Nancy. Ich habe jetzt ein neues Leben, eine Frau, einen Sohn, eine… ich habe jetzt eine Familie…“ Er legte eine kurze Pause ein, um tief durchzuatmen. Er hatte nicht erwartet, dass es so schwer werden würde, aber immerhin war Nancy ein wichtiger Teil seines Lebens gewesen, und es hatte eine Zeit gegeben, in der er fest davon ausgegangen war, dass sie die Frau war, mit der er den Rest seines Lebens verbringen würde. Das Schicksal und nicht zuletzt die strengen gesellschaftlichen Konventionen hatten sie jedoch schlussendlich auseinandergebracht. Ihre Liebe hatte nie eine wirkliche Chance gehabt, aber das hatte sie nicht daran gehindert, jede Sekunde und jeden kostbaren Augenblick vollends auszuschöpfen. Nancy Alexandra O’Brien war die erste Frau, die er bedingungslos und inniglich geliebt hatte, und sie würde für immer einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen innehaben, jedoch gehörte seine Liebe nun einer anderen Frau. Einer Frau, die ihm so viel bedeutete, dass er bereit war, seine Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen und die Brücken ein für alle Mal einzureißen…
John atmete ein allerletztes Mal tief ein und wieder aus, bevor er mit beiden Händen Nancys Gesicht umfasste und ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn gab. Er spürte, wie ein Schaudern durch ihren Körper rann, und strich liebevoll mit dem Finger über ihre Wange.
„Es tut mir so leid, John“, hörte er sie wispern. „Wenn ich doch nur die Zeit zurückdrehen könnte-“
„Ssch.“ Er brachte sie zum Schweigen, indem er einen Finger auf ihre zitternden Lippen legte, und schaute ihr tief in ihre dunkelbraunen Augen. „Ich weiß.“
Nancy ließ ihren Kopf gegen seine Schulter sinken, und John presste seine Lippen abermals gegen ihre Stirn und atmete den zarten Duft ihres Rosenwasserparfüms ein. Sie verharrten einen endlos erscheinenden Moment in dieser Position, dann löste er sich von ihr und bedachte sie zum Abschied mit einem liebevollen Lächeln.
„Ich werde jetzt gehen“, sagte er leise, und Nancy nickte.
„In Ordnung“, erwiderte sie und blinzelte die Tränen fort, die sich in ihren Augenwinkeln gesammelt hatten, dann lächelte auch sie. „Deine Frau kann sich wirklich glücklich schätzen, einen Mann wie Dich zu haben.“
John nickte als Erwiderung, obschon Nancys Worte ihm einen leichten Stich ins Herz versetzen. Das Verhältnis zwischen Teyla und ihm war nach wie vor angespannt, besonders jetzt, da man sie vor zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Auf Anraten seiner Mutter, die als einzige die Wahrheit über die Geschehnisse in jener Nacht wusste, hatte er eines der Gästezimmer bezogen, um seiner Frau ihren Freiraum zu lassen. Nichtsdestotrotz sorgte er dafür, dass es ihr an nichts mangelte. Ihm war bewusst, dass sie früher oder später über das, was passiert war, sprechen mussten, aber noch war es nicht soweit. Die körperlichen wie auch die seelischen Wunden waren noch frisch und die Erinnerungen an die tragischen Geschehnisse noch nicht verdrängt.
Der Weg zurück zum Glück würde kein einfacher werden, darüber war John sich im Klaren. Er hatte Teylas Vertrauen verloren, aber er war fest entschlossen, es zurückzugewinnen, und er war bereit, dafür alles in seiner Macht stehende zu tun, auch wenn das bedeutete, Opfer zu bringen.
Sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, indem er endgültig Abschied von Nancy nahm, war nur der Anfang. Er hatte noch einen weiteren Plan in der Hinterhand und hatte während der letzten beiden Tage bereits alles in die Wege geleitet, um diesen Plan in die Tat umzusetzen. Ja, er hatte sogar seinen eigenen Stolz überwunden und sich mit seinem Vater ausgesprochen! Es war zugegeben kein leichtes Unterfangen gewesen und er hatte viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um seinen alten Herrn auf seine Seite zu ziehen, aber schlussendlich waren seine Bemühungen belohnt worden.
Trotzdem blieb es ein riskantes Vorhaben, dessen Ausgang noch immer völlig offen war. Teyla hatte ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich nicht in ihre Geschäftsangelegenheiten einmischen sollte, aber John war sich sicher, dass nur dies die einzige Möglichkeit war, ihr zu zeigen, wie viel sie ihm wirklich bedeutete und dass er bereit war, alles für sie zu tun.
Es war bereit das Risiko einzugehen. Für sie.
Für Teyla, wiederholte er in Gedanken, als er wenig später, nachdem er das O’Brien‘sche Anwesen verlassen hatte, zielgerichtet das nächstgelegene Telegrafenamt ansteuerte, um dort das Schreiben auf den Weg zu bringen, das alles verändern würde.
„In Ordnung, Sir, das macht dann genau 40 Cent“, sagte der junge Telegrafist und wartete, bis John das Geld auf den Tresen gelegt hatte. Nachdem er das Geld gezählt und sicher in der Kasse unter dem Tresen verstaut hatte, schlug er seinen Block auf und zog einen Stift hinter seinem Ohr hervor. „Wie lautet die Adresse des nächsten Telegrafenamts?“
„Radek Zelenkas Gemischtwarenladen in Athos Creek, Wyoming“, antwortete John, lehnte sich an den Tresen und beobachtete, wie der Telegrafist die Angaben notierte.
„Und der Name des Empfängers?“
„Sumner, Marshall. Bitte senden Sie die Nachricht an Mr. Marshall Sumner.“
ooOOoo
„Oh, John, mein Junge! Da bist Du ja endlich“, empfing ihn die helle Stimme seiner Mutter, als er kurze Zeit später in das Haus seiner Eltern zurückkehrte. Verwundert blieb John stehen und warf einen Blick auf die Uhr, die nicht unweit von ihm entfernt an der Wand hing. Es war kurz nach vier, und für gewöhnlich pflegte seine Mutter um diese Zeit während der Sommermonate ihren Nachmittagstee im Wintergarten einzunehmen. Heute jedoch schien ein unerwarteter Besuch ihre Pläne ein wenig durcheinandergebracht zu haben.
John blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, mit wem seine Mutter sich bis zu seinem Erscheinen vor wenigen Sekunden unterhalten hatte, und ein flaues Gefühl setzte sich in seiner Magengegend fest.
Toll, das hatte ihm gerade noch gefehlt!
„John, jetzt sei bitte nicht unhöflich und begrüße unseren Gast“, forderte Margaret ihren Sohn auf und winkte ihn zu sich herüber.
„Aber natürlich“, erwiderte John und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. „Lord Glendenning“, begrüßte er den älteren Herrn und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. „Was für eine unerwartete Überraschung Sie persönlich hier zu sehen“, meinte er, nicht ohne einen leichten, aber nicht überhörbaren Anflug von Zynismus in seiner Stimme.
Edgar Glendenning, ein kleiner, gedrungener Mann um die sechzig, mit grauem Schnauzbart, räusperte sich leise. Er wirkte nervös und leicht unruhig, erwiderte Johns Handschlag jedoch mit festem Druck, so wie es sich für einen Geschäftsmann ziemte.
„Mr. Sheppard“, sagte er, „ich hatte gehofft, Sie anzutreffen. Ihre verehrte Mutter war so freundlich mich hereinzubitten.“
„Wie überaus zuvorkommend von ihr“, echote John und warf seiner Mutter einen Seitenblick zu, bevor er sich wieder ihrem Gast zuwandte. „Was führt Sie zu uns, Lord Glendenning?“
„Aber, John“, fuhr seine Mutter tadelnd dazwischen, „denkst Du nicht auch, dass es angemessener wäre, wenn wir das Gespräch im Salon fortsetzen? Ich könnte Miss Armstrong bitten, uns etwas Tee und Gebäck zu bringen.“
John bedachte seine Mutter mit einem Blick, der mehr als deutlich zum Ausdruck brachte, was er von ihrem Vorschlag hielt, und auch Lord Glendenning erweckte nicht gerade den Anschein, als wolle er das Gespräch unnötigerweise in die Länge ziehen. Der sonst so souveräne Geschäftspartner seines Vaters trat nervös von einem Bein aufs andere, was für Margaret Sheppard nach kurzem Abwägen der Situation schließlich doch Anlass genug war, sich zu entschuldigen und höflich von ihrem Gast zu verabschieden, bevor sie die Eingangshalle ihres Hauses verließ.
John wartete, bis er sicher war, dass seine Mutter außer Hörweite war, dann wandte er sich Lord Glendenning zu. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, hob sein Gegenüber beschwichtigend die Hände.
„Sie brauchen es nicht zu sagen, Mr. Sheppard“, begann er. „Mir ist durchaus bewusst, dass ich vermutlich die letzte Person bin, die Sie sehen wollen, aber-“
„Da liegen Sie falsch, Lord Glendenning“, fiel John ihm schroff ins Wort und es war ihm egal, ob sein Gegenüber sein Verhalten unhöflich oder ungebührlich fand. Er funkelte Edgar Glendenning finster an und verschränkte die Arme vor der Brust, um seine Ablehnung zu signalisieren. „Die letzte Person, die ich sehen will, ist Ihre Tochter“, erklärte er knapp.
„Nun, nach allem, was passiert ist, kann ich Ihnen das nicht verübeln“, meinte Lord Glendenning betrübt. „Ich bin selbst zutiefst schockiert über das Verhalten meiner Tochter! Ich kann mir wahrlich nicht erklären, was sie zu diesem verwerflichen Handeln veranlasst hat.“
John runzelte die Stirn.
„Sind Sie deswegen hier?“, fragte er. „Um sich für Maras Taten zu entschuldigen?“
Lord Glendenning nickte.
„Ja, das bin ich“, antwortete er. „Ich hatte gehofft, auch mit Ihrer werten Gattin sprechen zu können, aber Ihre Mutter sagte mir, dass sie zurzeit keinen Besuch empfängt.“
Glimpflich ausgedrückt, dachte John, und seine Augen verengten sich. „Nun“, meinte er und fixierte sein gegenüber mit hartem Blick, „es stimmt, es geht meiner Frau im Moment nicht so gut. Aber ich denke, das ist zu erwarten, wenn man eine Treppe hinabgestürzt und anschließend in einem völlig wehrlosen Zustand im Krankenbett attackiert wurde.“
Lord Glendenning seufzte.
„Ich kann mir vorstellen, was Sie im Moment empfinden-“
„Oh, nein!“, unterbrach John ihn verärgert und baute sich breitschultrig vor dem zwei Köpfe kleineren Mann auf. „Sie sind nicht einmal im Geringsten in der Lage, nachzuempfinden, wie ich mich gerade fühle!“, rief er so laut, dass es an den Wänden der Eingangshalle widerhallte.
„Nein, vermutlich nicht“, gestand Lord Glendenning murmelnd ein und drehte seinen Hut in den Händen herum. „Bitte verzeihen Sie mir diese Anmerkung.“
John schnaubte und machte einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sich und Lord Glendenning zu bringen.
„Schon gut“, raunte er und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Ich kann Sie nicht für die Taten Ihrer Tochter verantwortlich machen. So gern ich das auch täte“, fügte er hinzu.
Edgar Glendenning nickte dankbar.
„Wenn ich mich Ihnen oder Ihrer Gattin gegenüber irgendwie erkenntlich zeigen kann, lassen Sie es mich wissen.“
Johns Lippen verzogen sich zu einem verbitterten Lächeln.
„Ich befürchte, dass es nichts gibt, womit sich unser Verlust aufwiegen ließe“, erklärte er. „Und selbst wenn würden wir Ihr Geld nicht wollen.“
„Selbstverständlich“, erwiderte Lord Glendenning. „Das respektiere ich natürlich, Mr. Sheppard.“
„Nun denn“, meinte John, „ich denke, damit ist alles gesagt.“ Er drehte sich in Richtung Haustür und sah sein Gegenüber erwartungsvoll an. Lord Glendenning zögerte einen Moment, dann seufzte er leise und setzte sich in Bewegung. John öffnete die Tür und wartete bis er das Haus verlassen hatte, bevor er sich noch einmal fragend an ihn wendete.
„Bitte werten Sie das jetzt nicht als übersteigertes Interesse, aber was wird jetzt mit Ihrer Tochter geschehen?“
Edgar Glendenning setzte seinen Hut auf und rückte die Krempe zurecht.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Mr. Sheppard. Sie wird Sie oder Ihre Frau nie wieder behelligen“, erklärte er. „Ich habe dafür gesorgt, dass Mara die Hilfe bekommt, die sie benötigt. Ein befreundeter… Mediziner aus New York hat sich ihrer angenommen und wird ihr helfen, wieder völlig gesund zu werden.“
Es war nicht schwer aus Lord Glendennings Worten zu schließen, was mit seiner Tochter passiert war, des Anstands wegen ging John jedoch nicht näher darauf ein. Das Willard State Asylum war an der ganzen Ostküste berüchtigt, und für einen Mann wie Glendenning konnte es leicht den Ruin bedeuten, wenn herauskäme, dass sich ein Mitglied seiner Familie zur „Behandlung“ in dieser Einrichtung befand.
Auch wenn es ihm angesichts der Geschehnisse schwerfiel, entschied John, die Sache auf sich beruhen zu lassen und nicht weiter nachzuhaken, denn er wusste so gut wie jeder andere, dass die Personen, die nach Willard geschickt wurden, diesen Ort nur selten wieder verließen. Zwar ließen sich Maras grausige Taten nicht mehr rückgängig machen, aber die Voraussicht, dass sie seiner Familie von nun an nichts mehr anhaben konnte, besänftigte John ein wenig, auch wenn er natürlich niemals vergessen würde, welches Leid Mara Glendenning in ihrem krankhaften Wahn über sie gebracht hatte…
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf verabschiedete er sich von Lord Glendenning und kehrte ins Haus zurück. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, lehnte er für einen Moment die Stirn gegen das kühle Glas und schloss tief durchatmend die Augen, nur um sie ein paar Sekunden später wieder zu öffnen, als er plötzlich Schritt den Flur entlangkommen hörte. Die Schultern durchdrückend, drehte er sich um und war für einen Augenblick überrascht, sich nicht etwa seiner Mutter, sondern seinem Vater gegenüberzusehen.
Die Arme vor der Brust verschränkt, musterte Patrick Sheppard seinen Sohn.
John seufzte.
„Nun sag‘ es schon“, murmelte er und stellte sich innerlich auf die Strafpredigt seines Vaters ein… doch nichts geschah. Patrick verharrte einige Augenblicke lang in nachdenklichem Schweigen, dann machte er sich auf und kam zu seinem Sohn herübergeschlendert.
„Das war ein wirklich sehr vorbildliches Verhalten, John“, meinte er mit fester, ruhiger Stimme.
Was?
„Wie war das bitte?“, echote John verwirrt und runzelte die Stirn. „Mir war, als hättest Du mich gerade dafür gelobt, einen Deiner längsten Geschäftspartner vergrault zu haben.“
„Lord Glendenning und ich sind nicht länger Geschäftspartner“, stellte Patrick richtig. „Wir haben unser Geschäftsverhältnis mit beiderseitigem Einverständnis mit sofortiger Wirkung beendet. Es erschien uns beiden nicht richtig, nach allem, was seine Tochter Teyla angetan hat, länger zusammenzuarbeiten.“
„Erwartest Du jetzt ein Dankeschön von mir?“, fragte John vorsichtig.
Sein Vater schüttelte den Kopf.
„Nein, ich erwarte keinen Dank“, antwortete er. „Das war eine selbstverständliche Konsequenz.“
„Eine selbstverständliche Konsequenz“, wiederholte John. „Wow.“ Er stieß ein leises Schnauben aus und begann nun seinerseits den Kopf zu schütteln. „So nennst Du das also. Eine selbstverständliche Konsequenz.“
Patrick bedachte seinen Sohn mit einem strengen Blick.
„John… bitte. Du weißt ganz genau, was ich damit sagen wollte.“
„Ja.“ John nickte enttäuscht. „Aber nach allem, was passiert ist, wäre es schön gewesen, wenn Du Dir wenigstens einmal die Mühe gegeben hättest, das, was Du dachtest, genauso zu sagen, wie Du es dachtest.“
„Du legst es also tatsächlich wieder darauf an, einen Streit loszubrechen?“, rief Patrick.
„Oh, nein“, erwiderte John und sah seinen Vater verärgert an. „Wenn hier jemand versucht einen Streit loszubrechen, dann bist Du es. Du verhältst Dich schon seit unserer Ankunft merkwürdig und von Deinem Verhalten meiner Frau gegenüber möchte ich jetzt gar nicht erst anfangen. Weißt Du“, meinte er und wich mit erhobenen Händen einige Schritte zurück, „so langsam beginne ich mich zu fragen, ob es wirklich so eine gute Idee war, Dich um Hilfe zu bitten. Es war doch um einiges einfacher, als wir nicht miteinander geredet haben.“
Ohne die Reaktion seines Vaters abzuwarten, machte John kehrt und eilte die Treppe hinauf. Im Obergeschoss angekommen, blickte er noch einmal zurück und sah seinen Vater mit hängenden Schultern noch immer in der Eingangshalle stehen. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, dann wandte sein Vater sich jedoch ab und verschwand mit eiligen Schritten aus Johns Sichtfeld.
Du Idiot, schimpfte die Stimme in seinem Kopf mit ihm, und John konnte es ihr noch nicht einmal verübeln. Sein Vater war auf ihn zugekommen und hatte von allein das Gespräch gesucht, und er hatte mit seinem engstirnigen Verhalten alles zunichte gemacht!
Seufzend rieb John sich die Stirn, um die drohenden Kopfschmerzen zu vertreiben.
Warum gelang es ihm nie etwas richtig zu machen?
„Mr. Sheppard?“
John zuckte erschrocken zusammen, als ihn plötzlich von hinten eine Hand an der Schulter berührte.
„Was zur Hölle…“ Er drehte sich um und sah sein Gegenüber mit großen Augen an. „Herrje, Doktor, Sie haben mich vielleicht erschreckt.“
Doktor Evan Lorne lächelte entschuldigend.
„Bitte verzeihen Sie mir, Mr. Sheppard“, meinte er. „Es war ganz gewiss nicht meine Absicht, Sie zu erschrecken. Ich komme gerade von einem Besuch bei Ihrer Frau.“
Es dauerte einen Moment, bis die Worte des Arztes zu John durchdrangen und ihm bewusst wurde, dass für heute eigentlich kein Termin vorgesehen war. Sofort breitete sich Nervosität in ihm aus, und er spürte, wie sein Magen sich zusammenzog.
„Ist alles in Ordnung mit meiner Frau?“, fragte er beunruhigt. „Soweit ich weiß steht der nächste Untersuchungstermin erst in ein paar Tagen an.“
„Es besteht kein Grund zur Sorge“, beschwichtigte Doktor Lorne ihn. „Es war nur eine weitere Routineuntersuchung. Es geht Ihrer Frau bestens. Nun ja… den Umständen entsprechend, natürlich“, fügte er mit gesenkter Stimme hinzu. „Ihrer Reise steht auf jeden Fall nichts im Weg.“
Verwirrt zog John die Stirn kraus.
„Reise?“, echote er. „Welche Reise denn?“
„Oh, Ihre Rückreise nach Athos Creek natürlich“, erwiderte Doktor Lorne. „Ihre Frau bat mich heute vorbeizukommen und sie zu untersuchen; sie wollte wohl sichergehen, dass Ihre körperliche Verfassung eine Rückreise zulässt.“
John blinzelte, während er die neuen Informationen zu verarbeiten versuchte.
„Entschuldigen Sie mich bitte“, murmelte er und schob sich an dem Arzt vorbei.
„Auf Wiedersehen, Mr. Sheppard“, hörte er ihn rufen, erwiderte den Abschied jedoch nicht, sondern eilte mit langen Schritten den Flur entlang. Doktor Lornes Worte hallten in seinem Kopf wider, und er fühlte sich, als ob jemand ihm einen fiesen Magenschwinger verpasst hätte.
Ohne anzuklopfen stürmte er nur wenige Sekunden später in das Zimmer seiner Frau und rief ihren Namen.
„Teyla?!“
Das Schlafzimmer war leer, jedoch waren Stimmen aus dem angrenzenden Ankleidezimmer zu hören. John setzte sich wieder in Bewegungen, blieb aber nur wenigen Schritten wieder stehen, als ihm etwas auf der Frisierkommode seiner Frau ins Auge stach. Sein Herz begann heftig in seiner Brust zu klopfen, als er die beiden Zugfahrscheine betrachtete, die Teyla nur notdürftig hinter ein paar Parfümfläschchen und Cremetiegeln versteckt hatte.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Ankleidezimmer und Teyla kam heraus. Wortlos hielt John seiner Frau die Fahrscheine unter die Nase. Erschrocken blieb Teyla stehen und starrte erst ihn an, dann die Tickets in seiner Hand.
„John…“
„Wann hattest Du vor mir hier von zu erzählen?“, fiel er ihr ärgerlich ins Wort. Er knallte die Fahrscheine auf den Frisiertisch und warf dem Hausmädchen, welches seiner Frau offensichtlich beim Packen geholfen hatte, einen vernichtenden Blick zu „Gehen Sie.“
„J-Ja, S-Sir.“ Die junge Frau erblasste und suchte eilig das Weite. Erst als sie gegangen war und die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, wandte John sich wieder seiner Frau zu und bedachte sie mit einem nicht minder finsteren Blick.
„Was ist das?“, verlangte er zu wissen und deutete auf die beiden Zugtickets.
Teyla schwieg und schob ein wenig das Kinn vor.
„Wonach sieht es denn für Dich aus?“, fragte sie schließlich.
„Oh, Gott“, stöhnte John und rieb seine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger. „Teyla, das kann doch nicht Dein Ernst sein!?“
„Doktor Lorne versicherte mir, dass ich in der Lage bin, mit dem Zug zu reisen“, erklärte seine Frau ruhig, „und egal, was Du sagst, ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich werde mit Torren morgen in den ersten Zug in Richtung Westen steigen und ich will, dass Du uns bis aufs Weitere nicht nachreist.“
„Du… was?!“ Fassungslos starrte John Teyla an und versuchte zu verstehen, was sie gerade gesagt hatte. „Was… was hast Du gerade gesagt?“, fragte er leise, ja fast schon flüsternd.
Teylas Miene wurde todernst.
„Ich sagte, dass ich nicht will, dass Du uns folgst“, wiederholte sie und sah ihm dabei fest in die Augen. „Torren und ich werden morgen früh nach Athos Creek zurückkehren und ich will nicht, dass Du mit uns zurückkommst.“
Fortsetzung folgt…
PS: Das im Text erwähnte "Willard State Asylum" gab es wirklich. Die Nervenheilanstalt wurde 1869 gegründet und bestand bis in die 1970er Jahre. Wer mehr über die Einrichtung und vor allem die "Behandlungsmethoden" erfahren möchte, dem lege ich das Buch "Die dunklen Mauern von Willard State" von Ellen Marie Wiseman ans Herz. Das Buch ist jedoch nichts für schwache Gemüter...