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Thema: [SGA/SG1] Memento Mori

  1. #1
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard [SGA/SG1] Memento Mori

    Titel: Memento Mori (1/2)
    Autor: Nyada
    Serie(n): Stargate Atlantis, Stargate SG1
    Genre: Future Fic, Character Death, Drama, Hurt/Comfort, Friendship
    Rating: PG
    Charaktere/Pairing(s): Jack/Sam, John/Teyla, Rodney/Jennifer, etc.
    Staffel/Zeitliche Einordnung: Juni 2015, etliche Jahre nach dem Ende von SGA-Staffel 5

    Anmerkungen zur Story: Atlantis befindet sich seit fünf Jahren weit vor der kalifornischen Küste in unbefahrenem militärischem Sperrgebiet, nachdem die Regierung mehrere Anträge auf eine Rückführung der Stadt in die Pegasusgalaxie abgelehnt und die Expedition im Jahr 2010 aufgrund zu hoher Unterhaltungskosten offiziell für beendet erklärt hat.

    Anmerkungen der Autorin: Ich will ehrlich mit euch sein; es fiel mir schwer, diese Story zu schreiben. Innerlich habe ich mich bis zum letzten Satzzeichen gesträubt. Nichtsdestotrotz bin ich auch irgendwie stolz darauf, eine FF geschrieben zu haben, die in mancherlei Hinsicht völlig anders als meine bisherigen Werke ist.
    Eure Moni



    -------------

    MEMENTO MORI
    by Nyada


    „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“
    - Albert Schweitzer –



    Regungslos verharrte Jack O’Neill vor der geschlossenen Bürotür, die Hand um die Türklinke verkrampft. Wäre er doch heute nur im Bett geblieben, so wie es eigentlich der Plan gewesen war, dachte er reumütig Bereits sein Großvater hatte gepredigt, dass ein Tag, der mit einem miserabel schmeckenden Kaffee begann, nur in einer Katastrophe enden konnte, und bis jetzt sah es wirklich ganz danach aus, als würde sich Paddy O’Neills Weisheit wieder einmal bestätigen.

    Und dabei war es gerade einmal elf Uhr vormittags…

    Jack seufzte und rieb sich mit seiner freien Hand über das Gesicht, während er die letzten Stunden noch einmal gedanklich Revue passieren ließ. Mal abgesehen von dem schlechten Kaffee, der postwendend im Ausguss gelandet war, war es ein Mittwochmorgen wie jeder andere gewesen, und nach einem kurzen aktivierenden Spaziergang zum Briefkasten hatte er es sich auf der Terrasse seiner kleinen Waldhütte gemütlich gemacht. Vielleicht, dachte er, als er die Beine ausstreckte und das Gesicht in die wärmende Morgensonne hielt, würde dieser Tag, trotz des grauenvollen Kaffees, doch noch ganz schön werden.
    Im selben Moment hatte im Flur das Telefon zu klingeln begonnen. Verärgert über die frühe Störung war Jack ins Haus zurückgekehrt und hatte das Gespräch brummelnd entgegengenommen.

    Im Nachhinein betrachtet, hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt unterschwellig geahnt, dass dieser Anruf alles verändern würde.

    Der Anrufer- es war ein junger Mann, der sich ihm als Sergeant Reilly vorstellte- hielt sich kurz, erklärte den Grund seines Anrufs mit wenigen Worten. Das Telefonat dauerte weniger als drei Minuten, doch als Jack das Gespräch beendete, fühlte er sich, als hätte er eine Ewigkeit am Hörer gehangen.
    Die Zeit schien stehenzubleiben und die darauffolgenden zwei Stunden erlebte er wie im Trance. Erst als er in seinem Wagen saß und durch Colorado Springs auf der Interstate 25 in Richtung Norden fuhr, begann er allmählich zu realisieren, was passiert war. Die erschütternde Erkenntnis traf ihn wie ein übler Magenschwinger und er trat unvermittelt so fest auf die Bremse, dass die Reifen seines Wagens quietschend aufheulten und ein wütendes Hupkonzert hinter ihm entbrannte.
    Wie lange er auf dem durch die Hitze vertrockneten Seitenstreifen gestanden und durch die Windschutzscheibe seines Wagens gestarrt hatte, vermochte er nicht zu sagen, auch nicht, wie er von dort auf den Besucherparkplatz der U.S. Air Force-Akademie gekommen war und es geschafft hatte, den Wagen zu verlassen.

    Die Zeit schien keine Bedeutung mehr zu haben, weswegen Jack auch nicht wusste, wie viele Minuten vergangen waren, als ein Geräusch ihn aus seinen Gedanken hochschrecken und in die Gegenwart zurückkehren ließ. Jack schüttelte mit dem Kopf, als könnte ihm dies helfen, sein Unbehagen zu vergessen. Er stand noch immer vor der geschlossenen Bürotür, hielt noch immer die Türklinke in der Hand und sträubte sich noch immer, den Raum zu betreten. Es fühlte sich nicht richtig an, ganz egal, wie oft er sich sagte, dass ihm keine andere Wahl blieb. Er hatte den Moment lange genug herausgezögert. Die Zeit war gekommen…

    Jack seufzte schwer, drückte die Klinke langsam herunter und öffnete die Tür, die wie üblich nicht verschlossen war. Sie war es nie gewesen, und noch bevor er den Raum überhaupt betrat, wurde Jack von schmerzhaften Erinnerungen heimgesucht. Die Lippen fest aufeinander pressend verdrängte er sie aus seinem Kopf, straffte die Schultern, atmete einmal tief durch und betrat dann das Büro.
    Es war ein freundlicher Sommertag, und die Sonne schien durch das Fenster und erhellte den Raum. Jack schloss die Tür, durchquerte das kleine Büro und blieb vor dem unaufgeräumten Schreibtisch stehen. Ordnung ist noch nie seine Stärke gewesen, erinnerte er sich, und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er drehte sich um und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Seit seinem letzten Besuch vor ein paar Wochen hatte sich nicht viel verändert. Das Büro war klein, aber ausreichend und funktional eingerichtet. Neben dem großen Schreibtisch bot es Platz für eine kleine Zweiercouch mit Beistelltisch und eine mit Fachliteratur bestückte Regalwand.

    Jack beendete seine Besichtigung mit einem resignierten Seufzen, nahm hinter dem Schreibtisch Platz und versuchte sich einen Überblick über das Chaos zu verschaffen. Aufgerissene Briefumschläge lugten unter einem Berg Akten hervor, und zwischen unzähligen lose herumfliegenden Blättern Papier entdeckte Jack eine halbvolle Kaffeetasse mit der Aufschrift ‚World’s Greatest Dad‘ und eine leere Energieriegelverpackung. Kopfschüttelnd machte er sich daran, das Chaos zu beseitigen, klaubte die auf dem ganzen Tisch verstreuten Papiere zusammen und verfrachtete sie in die dafür vorgesehene Dokumentenablage auf der Fensterbank, als er plötzlich hörte, wie sich die Tür öffnete.

    „Jack?“, ertönte eine aufgeregte Frauenstimme, und als Jack sich mit dem Bürostuhl herumdrehte, erblickte er Samantha Carter, die sichtlich aufgelöst in der weit geöffneten Bürotür stand.

    „Sam“, war alles, was er hervorbrachte.

    „Oh Gott, Jack“, keuchte Sam, und ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. „Jack…“ Sie presste sich die Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken, und lief in seine wartenden, ausgebreiteten Arme. Ein wohliges Schaudern durchfuhr Jack, als er sie fest an sich zog und seine Nase in ihrem langen, dunkelblonden Haar vergrub. Sam seufzte, schlang ihre Arme um seinen Hals und schmiegte ihre Wange an seine Brust.

    „Ich habe es gerade von Daniel gehört“, flüsterte sie, löste sich von ihm und sah ihn mit ihren blauen Augen an. „Ist es wirklich wahr?“, fragte sie.

    Jack nickte.

    „Ja, es ist wahr“, antwortete er, woraufhin ein Ausdruck des Schreckens über Sams Gesicht huschte.

    „Oh Gott… Oh Gott…“, wiederholte sie und strich sich mit zitternden Händen die Haare aus der Stirn. Behutsam ergriff Jack ihre klamme Hand und geleitete sie zur Couch. „Ich habe erst vor ein paar Tagen mit ihm telefoniert“, berichtete Sam, als sie sich hinsetzte, und schüttelte dabei ungläubig mit dem Kopf. „Er hat mich angerufen und zu seiner Geburtstagsfeier am Samstag eingeladen.“

    „Ich weiß“, erwiderte Jack, setzte sich neben sie und hielt ihre eiskalten Hände schützend in seinen. „Er hat mich auch angerufen.“ Das Telefonat lag nur ein paar Tage zurück, aber jetzt erschien es ihm wie eine Ewigkeit, seit er die vertraute Stimme gehört hatte.

    „Oh Gott“, flüsterte Sam wieder und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Das darf doch alles nicht wahr sein“, murmelte sie und begann immer wieder mit dem Kopf zu schütteln. Der Ton ihrer Stimme schwankte zwischen Trauer, Unglaube und schierer Verzweiflung.

    „Hey“, sagte Jack, nahm ihre Hände und drückte sie, „schau mich an, Carter.“

    Sam tat, wie ihr geheißen, und sah ihn an.

    „Was passiert jetzt?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits wusste. Es war ein unliebsames Prozedere, vor dem sich jeder hochrangiger Angehörige der Streitkräfte fürchtete. Die Hinterbliebenen über den Tod eines geliebten Familienmitgliedes zu informieren zählte zu den schwersten Aufgaben, die Jack während seiner militärischen Laufbahn hatte meistern müssen, und die Erinnerungen verfolgten ihn bis heute.

    Und dieses Mal war es etwas Persönliches.

    „Jemand wird mit seiner Familie sprechen müssen“, antwortete Sam auf ihre eigene Frage.

    Jack nickte.

    „Das werde ich übernehmen“, sagte er, woraufhin sein Gegenüber ihn mit großen Augen ansah und schließlich mit dem Kopf schüttelte.

    „Jack, das musst Du nicht tun“, raunte sie.

    „Doch, Carter, das muss ich“, erwiderte er und erhob sich. „Es ist meine Schuld.“

    „Das ist doch überhaupt nicht wahr!“, rief Sam und sprang ebenfalls auf. „Das ist nicht wahr, Jack. Es ist nicht Deine Schuld“, sagte sie und packte ihn an den Schultern.

    „Sam“, sprach er liebevoll, nahm ihre Hände von seinen Schultern und sah sie eindringlich an, „ich war es, der ihn für diesen Einsatz abgeworben hat. Er hätte heute eigentlich nicht einmal hier, in der Akademie sein müssen. Er hätte ab heute Urlaub gehabt. Es ist meine Schuld.“

    „Jack…“ Sam schüttelte mit dem Kopf. „Sag so etwas nicht.“

    „Ich werde seine Frau schnellstmöglich informieren“, verkündete er und nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz. „Und soweit ich Mitchell richtig verstanden habe befinden er und McKay sich bereits auf dem Weg zu seinem Bruder.“

    „Dann werde ich Dich begleiten“, bot Sam an und trat an den Tisch heran. „Ich komme mit Dir.“

    „Nein, Carter“, winkte Jack ab, „das ist etwas, was ich allein tun muss“, sagte er und nahm die gerahmten Fotografien in Augenschein, die auf dem Schreibtisch standen und eine glückliche Familie zeigten. Eine Familie, die von nun an für immer zerstört war. Seufzend griff Jack nach einem goldgerahmten Schwarzweißfoto und betrachtete es voller Wehmut. Überglücklich strahlte die junge hübsche Frau in die Kamera, während der Mann, der sie in den Armen hielt, nur Augen für seine wunderschöne Braut hatte und sie verliebt anhimmelte.

    „Sie waren so glücklich an diesem Tag“, hörte er Sam sagen und spürte ihre Hand auf seiner Schulter, als sie sich hinter ihn stellte und ebenfalls einen Blick auf das Foto warf.

    „Ja, das waren sie“, erwiderte Jack und stellte das Bild zurück zu den anderen. „Das war das erste Mal, dass ich ihn derart fröhlich und entspannt gesehen habe“, erinnerte er sich mit einem traurigen Lächeln, und Sams Hand glitt sachte über seine Schultern und seinen angespannten Nacken hinauf.

    „Und Du bist Dir wirklich sicher, dass ich Dich nicht Doch begleiten soll?“, fragte sie du strich liebevoll durchs Haar.

    „Nein“, antwortete Jack entschieden und schüttelte mit dem Kopf. „Das ist etwas, was ich allein tun muss“, wiederholte er.

    „In Ordnung“, sagte Sam leise, beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. „Ruf mich an, wenn Du wieder zurück bist.“

    „Das werde ich“, versprach er ihr. Sie war beinahe an der Tür angelangt, als er ihren Namen rief. „Sam!“

    Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.

    „Ja, Jack?“

    „Der Schlüssel liegt unter der Fußmatte“, sagte er, woraufhin sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen.

    „Du solltest Dir langsam mal ein besseres Versteck für Deine Schlüssel suchen“, entgegnete sie, öffnete die Tür und verließ das Büro. Auch ohne, dass sie etwas sagte, wusste Jack, dass sie auf ihn warten würde, wenn er nach Hause kam.

    Sie tat es immer.


    ooOOoo


    „Ich glaube, das müsste es sein“, sagte Cameron Mitchell, lenkte den Wagen auf die Grundstücksauffahrt und stoppte vor dem hohen schmiedeeisernen Tor. „Lincoln Boulevard Nummer 239“, verglich er die Nummer am gemauerten Torpfeiler mit der, die auf dem Notizzettel stand, den er in seiner rechten Hand hielt.

    „Ja, hier müsste es sein.“

    „Sind Sie sicher?“, fragte sein Beifahrer, beugte sich leicht nach vorne und spähte durch die Windschutzscheibe.

    „Nicht das, was Sie erwartet haben, Doktor McKay?“, grinste Mitchell und fuhr näher an das geschlossene Tor heran, ließ die Fensterscheibe auf der Fahrerseite hinunter, lehnte sich ein Stück aus dem Wagen und betätigte die an einer separat stehenden Vorrichtung angebrachte Klingel.

    „Nein, nicht unbedingt das, was ich erwartet habe“, antwortete Rodney McKay, sank zurück in seinen Sitz und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdenklich ließ er seinen Blick durch die schmiedeeisernen Gitterstäbe des Tores hindurch schweifen, während sich Mitchell über die Sprechanlage mit dem Hausverwalter unterhielt. Es ließ sich nur schwer erahnen, was sich am Ende der langen, von lila blühenden Rhododendrenbüschen gesäumten Auffahrt befand. Durch das dichte Blätterwerk der Büsche glaubte Rodney ein weißes Haus zu erkennen, das gut verborgen und von der Zufahrtstraße aus nur schwer zu sehen war.

    Bitte fahren Sie durch, Colonel Mitchell“, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme am anderen Ende der Sprechanlage, und im selben Moment begann sich das schwere Tor zu öffnen. „Ich werde am Eingang auf Sie warten.“

    „Vielen Dank“, sagte Mitchell, startete den Wagen und lenkte ihn durch das offene Tor. In Schrittgeschwindigkeit krochen sie über die breite gekieste Auffahrt, und je näher sie dem Haus kamen, desto unwohler fühlte sich Rodney.

    „Hey, alles in Ordnung?“, fragte Mitchell, als er aus dem Augenwinkel bemerkte, dass sein Beifahrer unruhig auf seinem Sitz hin und her rutschte.

    „Das war eine ganz blöde Idee“, brummte Rodney, den Blick ängstlich geradeaus gerichtet. „Eine ganz, ganz blöde Idee. Ich sollte nicht hier sein“, meinte er und schüttelte mit dem Kopf.

    „Hören Sie“, entgegnete der Fahrer ernst und legte seine Hände fest um das Lenkrad, „mir wäre es auch lieber, wenn ich jetzt mit einer Margaritha am Strand von Waikiki liegen würde. Ich würde alles geben, um jetzt nicht hier zu sein, aber es geht nun mal nicht anders. Reißen Sie sich jetzt am Riemen, McKay!“

    Rodney schnaubte entrüstet, verkniff sich aber den bissigen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. Der Colonel hatte Recht; er musste sich zusammenreißen. Und außerdem fehlte ihm die Energie, eine Diskussion zu beginnen. Es war kein guter Morgen gewesen. Jennifer hatte nach ihrem gestrigen Streit kein Wort mit ihm am Frühstückstisch geredet, seine dreijährige Tochter hatte die ganze Nacht über Bauchweh geklagt, die Katze- das verdammte Vieh- hatte ihn angefaucht und, als wäre das nicht schon genug, war ihm auch noch der Kaffeevollautomat um die Ohren geflogen, als er sich nach dem ganzen Stress einen dreifachen Espresso machen wollte.

    Nein, es war bis dahin schon kein guter Morgen gewesen, und als gegen neun Uhr das Telefon klingelte und wenig später seine aschfahle Frau in das Arbeitszimmer kam und ihm zitternd das Telefon in die Hand drückte, sehnte sich Rodney bereits in sein kuscheliges, warmes Bett zurück. Das anschließende Telefonat verschlimmerte die Situation nur noch, und er sank erschöpft in seinem Bürosessel zusammen, nachdem er das kurze Gespräch beendet hatte.

    Drei Stunden waren seither vergangen und noch immer fühlte er sich wie vor den Kopf gestoßen und konnte nicht glauben, was passiert war. Jennifer war weinend in seine Arme gesunken, und er hatte sie festgehalten, bis ihre Tränen irgendwann versiegt waren. Er selbst hatte ebenfalls solidarisch ein, zwei stille Tränen vergossen, doch das volle Ausmaß der Situation wollte ihm bis jetzt nicht begreiflich werden.

    „So, wir sind da“, riss ihn Colonel Mitchells Stimme aus seinen Gedanken. Rodney schüttelte mit dem Kopf und sah aus dem Fenster. Sein Begleiter hatte den Wagen vor einem zweistöckigen Haus mit beeindruckendem Eingangsbereich geparkt, und die Haustür öffnete sich in dem Augenblick, als Mitchell den Motor ausstellte.

    „Colonel Mitchell, Doktor McKay.“ Die junge blonde Frau, die sie willkommen hieß, nickte ihnen zur Begrüßung kurz zu, als sie den Wagen verließen. „Mein Name ist Diane Bailey. Ich bin Mister Sheppards persönliche Assistentin“, stellte sie sich vor und reichte ihnen die Hand. „Ich glaube, wir beide hatten telefoniert.“

    Mitchell nickte.

    „Danke, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten“, sagte er.

    Diane Bailey nickte, trat einen Schritt zur Seite und vollführte mit ihrer Hand eine einladende Bewegung. „Bitte, treten Sie ein.“ Sie schloss die Haustür und setzte sich an die Spitze der kleinen Truppe. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.“

    Unbehagen schnürte Rodney die Kehle zusammen und er sprach kein Wort, während Mitchell sich um eine höfliche Konversation mit der jungen Frau bemühte. Sie führte sie durch einen langen Gang in ein helles, lichtdurchflutetes Wohnzimmer und bat sie, Platz zu nehmen.

    „Ich habe Mister Sheppard nicht über Ihr Kommen informiert“, gestand sie, nachdem sie sich in alle Richtungen umgesehen hatte, und legte ihre verschränkten Hände auf ihren Schoß. „Ich kann mir denken, warum Sie hier sind“, sagte sie leise und bedachte insbesondere Mitchell mit einem längeren Blick. Ein Seufzen rutschte über ihre Lippen, und für den Bruchteil weniger Sekunden gelang es Rodney, einen Blick hinter ihre professionelle Fassade zu werfen.

    „Diane?“, ertönte plötzlich eine tiefe Männerstimme auf dem Gang. „Wo sind Sie?“

    „Im Wohnzimmer, Mister Sheppard“, rief sie, sprang auf und wandte sich zur Tür, die sich wenige Augenblicke später öffnete. Rodney stockte für einen Moment der Atem, als ein großgewachsener, dunkelhaariger Mann das Wohnzimmer betrat. In natura wirkte David Sheppard um einiges respekteinflößender als er sich ihn vorgestellt hatte. Seine kalten blauen Augen musterten ihn und Mitchell misstrauisch. Seine kräftigen Kiefer mahlten aufeinander, und er ballte seine Hände zu Fäusten.

    „Diane, lassen Sie mich und die Gentlemen doch bitte einen Moment allein“, raunte er heiser, ohne seine Gäste aus den Augen zu lassen.

    „Jawohl, Mister Sheppard“, erwiderte die junge Frau und suchte eilig das Weite. Kaum dass sie das Wohnzimmer verlassen hatte, fiel die Fassade ihres Gastgebers in sich zusammen, und ein Ausdruck tiefen Kummers legte sich auf David Sheppards Gesicht.

    „Bitte sagen Sie mir, dass Sie nicht wegen meines Bruders hier sind“, flehte er um Fassung bemüht. Rodney schluckte, und ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken, als er sah, wie dem einflussreichen Großindustriellen Tränen in die Augen stiegen.

    „Mister Sheppard…“, begann Mitchell und nahm seine Uniformskappe ab. David Sheppard schüttelte vehement mit dem Kopf, doch das zögerte den Moment der Wahrheit nur kurz hinaus. Mit einem verzweifelten Seufzer sank er auf die Couch und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

    „Nein… nein, nein“, flüsterte er.

    Rodney schwieg und verkrampfte seine Hand um die Armlehne der Couch, auf der er stocksteif saß. Er hatte diesen Moment kommen sehen. Und nun war er da und mit ihm die grausige Gewissheit, dass einer seiner schlimmsten Alpträume Realität geworden war.

    Cameron Mitchell warf ihm einen bestürzten Blick zu, seufzte und holte tief Luft.

    „Mister Sheppard, es tut mir aufrichtig, von ganzem Herzen, leid…“



    ooOOoo


    Ein Schuss ertönte.

    Mit einem lauten, ohrenbetäubenden Knall verließ die kleine, silbrig glänzende Kugel den Lauf der auf ihn gerichteten Waffe und bahnte sich ihren Weg durch den sich allmählich lichtenden Morgennebel.
    Die Welt um ihn herum kam zum Stillstand, als er die Kugel auf sich zurasen sah. Die Zeit schien stillzustehen. Der laute Knall, der mit dem Schuss einhergegangen war, verklang im Nichts, und das Einzige, was er in diesem Moment hörte, war das rhythmische Schlagen seines Herzens. Alle anderen Geräusche verstummten. Seine Welt versank in der Stille des Augenblicks.
    Die Kugel näherte sich langsam, aber nicht aufzuhaltend. In Zeitlupe bewegte sie sich in seine Richtung, wie in einer Szene eines dieser Matrixfilme, die er zwar gesehen, aber nie wirklich verstanden hatte.

    Er atmete tief ein. Dann langsam wieder aus.

    Blinzelte, schloss die Augen. Er war ganz ruhig, verspürte keine Furcht vor dem, was kommen würde, und gab sich seinen Gedanken hin.

    Es würde das letzte Mal sein…

    Wenn es etwas gab, das er während seiner Zeit beim Militär gelernt hatte, dann war es die grausame Gewissheit, dass einem das Leben jederzeit genommen werden konnte. Im Laufe der Jahre hatte er unzählige Kameraden fallen sehen und sich immer daran erinnern müssen, dass dies nun einmal zu seinem Job gehörte. Es war seine verdammte Aufgabe, jederzeit bereit zu sein, sein Leben aufs Spiel zu setzen und es gegebenenfalls ohne mit der Wimper zu zucken für andere zu opfern. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er sein Leben jeden Tags aufs Spiel gesetzt hatte, und so widersprüchlich es auch klingen mochte, er bereute diese Entscheidung nicht.

    Nein, er war nicht wirklich bereit, zu sterben, er fürchtete sich sogar regelrecht vor dem Tod, aber wer tat das nicht? Er wollte nicht sterben, dennoch hatte er jahrelang sein Leben aus freien Stücken aufs Spiel gesetzt, da er wusste, dass sein Tod nicht umsonst gewesen wäre. Wenn er schon den Löffel abgab, dann aus dem Grund, dass andere dadurch weiterleben konnten.
    Zugegeben, er hatte sich oft Gedanken darüber gemacht, auf welche Art er dahinscheiden würde. Aber von allen Szenarien, die er in seinem Kopf durchgespielt hatte, gefiel ihm diese- am helllichten Tag auf offener Straße von einem Lakaien eines brutalen Diktators kaltblütig ermordet zu werden- am allerwenigsten.
    Es interessierte ihn nicht, ob er nach seinem Ableben als Lebensretter, Held oder gar Märtyrer, der aufgrund seiner Ansichten gestorben war, in die Geschichte eingehen würde. Wohl war, er
    hatte Menschenleben gerettet, nicht nur eines, mehrere, hunderte. Trotzdem fühlte er sich nicht wie der strahlende Held, den die Leute in ihm sahen.

    Langsam ließ er die Luft aus seinen Lungen entweichen, öffnete die Augen und blickte seinem Schicksal ins Angesicht, das sich ihm in Form eines tödlichen Projektils näherte. Nein, er war noch nicht bereit, zu sterben, aber es war, wie es war. Das Universum hatte sein Schicksal bestimmt und beschlossen, dass sein Weg an diesem Tag enden würde.
    Er seufzte innerlich, als ihn ein Anflug von Melancholie überkam. Er dachte kurz über das nach, was er in seinem Leben erreicht hatte. Es war nicht viel, aber vermutlich mehr, als er verdient hatte. Ganz egal, wie es weitergehen würde, er würde den Leuten in Erinnerung bleiben, sie würden ihn niemals vergessen.
    Zumindest hoffte er das.

    Als die Kugel schließlich seinen Brustkorb durchbohrte, hatte er ein Lächeln auf den Lippen.

    Als der zweite Schuss abgefeuert wurde, verspürte er keine Angst mehr.

    Als die zweite Kugel ihn traf und der Aufprall in straucheln ließ, sah er die Gesichter seiner Familie vor sich, die Gesichter seiner geliebten Frau, seiner Söhne, seines Bruders…

    Als er kraftlos und blutüberströmt zusammensackte, fragte er sich, wie sie wohl ohne ihn weiterleben würden. Auf der taufeuchten Erde des Marktplatzes aufkommend, beruhigte er sich mit dem Gedanken, dass sie seinen Tod irgendwann überwinden und es schaffen würden, ohne ihn weiterzuleben.

    Als er schließlich von der wohligen Wärme empfangen wurde und das grelle, weiße Licht vor sich, am Ende des langen, dunklen Tunnels sah, wusste er, dass es vorbei war.

    Ein allerletztes Mal atmete tief ein.

    Ein allerletztes Mal atmete er langsam aus.

    Ein allerletztes Mal bäumte sich sein Körper auf, als hätte er einen Stromstoß erhalten. Er spürte, wie fremde Hände die Blutung zu stoppen versuchten, doch es war zu spät. Sein Körper erschlaffte und die Schmerzen ließen nach.

    Ein Lächeln zierte John Sheppards Lippen, als sein Herz aufhörte zu schlagen, und in den letzten Augenblicken, ehe seine Welt für immer in Dunkelheit versank, sah er das wunderschöne Antlitz seiner Frau über sich schweben.


    Ich liebe Dich, ich liebe Dich so sehr. Verzeih mir, dachte er, vergoss still eine Träne und schloss mit einem letzen Seufzen die Augen.

    Es war vorbei.


    Fortsetzung folgt…
    Geändert von Nyada (23.10.2016 um 16:42 Uhr)

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Major Avatar von claudi70
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    Hm, ich kann nicht sagen, dass ich begeistert bin von dieser Geschichte aber nichts desto trotz, hast du das sehr gut geschrieben.
    Besonders der letzte Abschnitt, wo du aus Johns Sicht schreibst, hat mir gefallen, nicht das er stirbt, sondern wie du alles beschreibst.
    Ich nehme mal an, Jack ist jetzt auf dem Weg zu Teyla, ich möchte wirklich nicht mit ihm tauschen wollen, aber vielleicht hätte er Sams Angebot ihn zu begleiten annehmen sollen.
    Eine sehr traurige Geschichte (und das wo Joe heute Geburtstag hat) aber gut rüber gebracht.

    Lg Claudi

  4. Danke sagten:


  5. #3
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Standard

    Mir geht es ähnlich wie claudi70; emotional bin ich... wie nennt man es... "zweigeteilt"? Ja, das kommt meiner momentanen Verfassung am nächsten...

    Der erste Teil ist wie immer gut geschrieben. Nur der Inhalt stößt mir etwas bitter auf. Geschichten, in denen John stirbt, lese ich eigentlich eher ungern. Trotzdem warte ich gespannt auf den zweiten Teil deiner FF. Ich vermute mal auch, dass sich Jack jetzt auf den Weg zu Teyla macht. Die Arme, es wird sie schwer treffen.

    Daves Reaktion hingegen fand ich zuerst sehr verwunderlich... dann aber sehr verständlich. Erst verliert er seinen Vater und nun seinen Bruder. Auch wenn die beiden sich nicht sehr nahe gestanden haben, kann ich mir vorstellen, dass Johns Tod ihn schwer trifft.

    Den letzten Absatz fand ich sehr gelungen. Gerade weil du aus Johns Sicht geschrieben hast. Natürlich ist es nicht schön, dass wir seine letzten Momente miterleben, aber du hast es so einfühlsam geschrieben, dass ich am Ende auch ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte. Auch wenn mir zwischenzeitlich kurz das Herz vor Schmerz fast aus der Brust gesprungen ist.


    zwischen unzähligen lose herumfliegenden Blättern Papier entdeckte Jack eine halbvolle Kaffeetasse mit der Aufschrift ‚World’s Greatest Dad‘
    Als die zweite Kugel ihn traf und der Aufprall in straucheln ließ, sah er die Gesichter seiner Familie vor sich, die Gesichter seiner geliebten Frau, seiner Söhne,
    Herrje, er hat Kinder! Die armen Kinder! Nein! Ohmannohmann, du Dramaqueen schaffst es aber auch jedes Mal, dass ich weinen muss. Jetzt ist Teyla mit ihren Jungs auf sich allein gestellt. Oh Mann..!

    Trotz allem warte ich gespannt auf die Fortsetzung. Wer weiß, vielleicht wendet sich ja noch alles zum Guten und John lebt doch noch. Wo sind eigentlich seine Antikerfreunde, wenn er sie mal braucht?

    LG Ally

  6. Danke sagten:


  7. #4
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Da ich ausnahmsweise den Fehler gemacht habe, erst ein Feedback zu lesen und somit erfahren habe, was du mit John angestellt hast, werde ich die FF erst einmal nicht lesen. Böse Dramaqueen! Besonders nicht gerade an Joes Geburtstag. Und wenn die FF im nächsten Kapitel kein gutes Ende nimmt, in Form meiner lieben Verwandtschaft o.ä., werde ich sie gar nicht lesen.

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  8. Danke sagten:


  9. #5
    Staff Sergeant
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    Wow die Geschichte hat mich total in ihren Bann. Ich hoffe sie geht bald weiter. Ich bin richtig ins Schwitzen gekommen als ich das Erlebnis von John gelesen habe.

    Ich hoffe doch sehr das John das überlebt. Natürlich kommt es darauf an wo ihn die Kugel getroffen hat und wie schnell er Hilfe bekommt bzw Notoperiert wird. Irgendwie hatte ich Tränen in den Augen.

    Freu mich schon auf die Fortsetzung

    Lg Christine

  10. #6
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    Hi

    Ich hab jetzt mal das Forum durchsucht und bin wieder auf diese Story gestoßen. Hatte sie schon fast vergessen. Ich wollte mal nachfragen. Geht sie irgendwann mal weiter? Weil du geschrieben hast sie ist schon fertig nur noch bei deiner Beta-Leserin.

    Ich würde mich freuen wenn sie doch noch zu Ende ginge. Sie ist sehr interessant und spannend.

    Also bis dann lg

  11. Danke sagten:


  12. #7
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Wow, ich finde deinen Schreibstil echt fesselnd, sehr sehr gut. Hab ja schonmal in die John und Teyla Stors reingeschnuppert, muss ich nur noch weiterlesen, abe diese hier toppt das vollkommen. Wäre ohne meine Vorrednerin wohl nicht auf diese Story gestoßen, aber es wäre total schade, wenn du sie nicht fortsetzen würdest. Genial, ehrlich, mach weiter bitte bitte. Denk dir nichts, wenn Jemand Probleme mit dem Tod eines so gemochten Charakters wie John hat, ich bin sicher da steckt noch jede Menge anderes dahinter. Steh zu dem, was du schreiben willst, ganz gleich, was andere sagen. Genau solche Storys haben das Zeug zu etwas Besonderem zu werden. LG Susann
    Geändert von Sumanira (23.10.2016 um 16:18 Uhr)

  13. Danke sagten:


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