Kapitel 4 - Eine schicksalhafte Entdeckung
Vader fand, dass ein Tag mehr als genug Zeit für die Dechiffrierung des Rebellen-Datenkerns war, als er sein Quartier verließ und sich mit weiten Schritten auf den Weg zur nachrichtendienstlichen Abteilung der Executor machte. Fünf Decks, zwei Sektionen und einige Dutzend verdutzt grüßender Crewmitglieder traf er in der ausgedehnten Rechenzentrale an. Und er schien offensichtlich nicht der einzige gewesen zu sein, der sich ein Bild von den bisherigen Erfolgen machen wollte. Auch Admiral Piett war anwesend. Der Offizier schritt die einzelnen Stationen ab und lauschte angespannt den Ausführungen der Spezialisten. Zumindest solange, bis sie den dunklen Lord erblickten, als er mit wallendem Umhang ebenfalls durch die Reihen ging.
„Lord Vader!“, begrüßte Piett ihn knapp. „Gut, dass Sie bereits da sind. Fähnrich Deckar hier hat eine interessante Entdeckung gemacht.“
Der Junge in der schwarzen Technikeruniform sah zwar weniger begeistert aus im Angesicht der unverhofften Aufmerksamkeit Vaders, doch das hielt den Sith nicht davon ab, sich zu den beiden zu gesellen.
„Worum geht es?“, fragte er zwischen zwei Zügen seines Atemfilters.
„Äh, ja, Lord Vader. Sir. Mein Lord, meine ich. Hier!“, er deutete etwas hilflos in Richtung Bildschirm.“
Vader erwiderte nichts, sondern versuchte sich nur angestrengt zu verkneifen, mit den Augen zu rollen. Sein Ruf als harter Anführer hatte zwar seine Vorteile, doch gerade Neulinge an Bord seines Flaggschiffs waren so verschreckt, dass es der Effizienz der Crew schadete. Und dieser hier war vielleicht Mitte zwanzig, frisch von der Akademie. Er musste bereits außergewöhnliche Leistungen gezeigt haben, sonst hätte man ihn nicht gleich auf das Flaggschiff der Flotte versetzt.
„Reden sie Klartext, Deckar. Ich bin mir sicher, dass Lord Vader nicht den ganzen Tag Zeit hat.“
„Verstanden, Sir“, es schien, als ob er sich so langsam zusammenreißen würde.
Dabei half es auch, dass er sich nun seinem Bildschirm zuwandte und nicht mehr direkt an Vader adressierte.
„Wir konnten eine Liste von Zielorten für die im Einsatz befindlichen Rebellengeschwader entnehmen. Ich... ich hatte mir die Freiheit genommen, sie mit kürzlich erfolgten Angriffen auf Versorgungstransporte und militärische Einrichtungen zu vergleichen. Die meisten der hier aufgelisteten Missionen wurden bereits durchgeführt, während gut ein halbes Dutzend offenbar in naher Zukunft stattfinden wird.“
„Ich dachte mir, wenn wir zu jedem dieser Ziele einen Sternenzerstörer schicken, könnten wir den Rebellen eine Falle stellen“, warf Piett ein.
„Das erscheint mir angemessen. Veranlassen Sie es. Ich bin gespannt, welche Geheimnisse Sie diesem Gerät noch entlocken können“, er wollte sich gerade abwenden und gehen, als Vader bemerkte, dass der Techniker zögerlich die Hand hob, als sei er ein Schüler, der den Lehrer um Erlaubnis bittet, noch etwas hinzufügen zu dürfen. „Sie haben noch etwas zu sagen?“
„Nun. Ich... Also wir... Das heißt, der Admiral und ich hatten gehofft, Ihr könntet noch eine andere Kleinigkeit aufklären, die uns hier aufgefallen ist. Also wenn es Euch nicht zu viel ausmacht.“
„Was bereitet Ihnen Probleme?“
In einem Versuch, die Stotterei des Crewmitglieds zu beenden, übernahm nun Piett das Reden: „In einem Dokument, welches den Einsatzbericht eines Rebellen-Offiziers darstellt, wird detailliert der Angriff auf eine imperiale Einrichtung im Darpa-Sektor berichtet, der erst vor drei Wochen stattfand. Eine Einrichtung, die in keiner unserer Datenbanken vorhanden ist.“
„Es wäre nicht das erste Mal, dass die Aufklärer der Allianz eine geheime Einrichtung ausfindig gemacht hätten. Ich würde dem keine allzu große Bedeutung beimessen wollen“, winkte der Sith ab.
„Sie verstehen nicht ganz, Lord Vader... Ich selbst habe mit meinen eigenen Zugangscodes Nachforschungen angestellt und absolut nichts herausbekommen können. Keine Basis, keine Personalverlegungen, keine Versorgungstransporte. Nichts. Diese Basis, sollte sie denn existieren, befindet sich über meiner Sicherheitsstufe.“
Jetzt wurde Vader hellhörig. Tatsächlich wusste er nichts über eine geheime Einrichtung im Darpa-Sektor. Und dabei dachte er, er befände sich im Bilde über alle wichtigen Projekte in der Galaxis. Selbst einigen, die ihn der Imperator lieber nicht wissen lassen wollte. Das hier konnte durchaus noch interessant werden.
„Übergeben Sie mir die Konsole!“, forderte Vader, wonach das Crewmitglied hastig von seiner Station aufsprang.
Der Sith setzte sich, gab seinen privaten Schlüssel ein und suchte anschließend nach allem, was mit den Koordinaten aus dem Rebellenbericht zusammenhängen könnte. Die beiden Imperialen folgten seinem Suchlauf mit gespannter Wortlosigkeit. Doch es hatte keinen Zweck. Nach gut fünf Minuten verschränkte Vader die Arme und starrte Gedankenversunken auf die Fehlermeldung vor ihm. Die Rebellen schienen es möglicherweise geschafft zu haben, eine Basis aufzuspüren, die vom Imperator direkt kontrolliert wurde. Das war der einzige Grund, der ihm für den absoluten Mangel an Informationen einfallen würde. Eine Falschinformation der Rebellen wäre natürlich auch möglich, doch man sollte immer noch davon ausgehen, dass selbst der hinterwäldlerischste Aufwiegler eine imperiale Einrichtung als solche erkennen könnte.
„Ich hab es doch geahnt, die Rebellen haben wahrscheinlich eine Unternehmung von Piraten oder anderen subversiven Elementen zerschlagen“, begann Piett derweil.
„Und warum hat man sie dann für Imperiale gehalten, Sir?“, fragte der Fähnrich stirnrunzelnd.
Vader konnte ihre Spiegelbilder im schwarzen Bildschirm erkennen, den er immer noch anstarrte.
„Wer weiß, was in so einem Kopf vor sich geht. Die vermuten wahrscheinlich das Imperium hinter allem, was ihnen nicht passt“, setzte der Admiral fort. „Nur eines weiß ich mit Sicherheit: Wenn es etwas von Bedeutung im Darpa-Sektor gibt, dann wüsste ich davon. Als ich noch Erster Offizier auf der Sagitta war, wurden wir für zwei Monate zum Patrouillendienst in den Sektor abkommandiert. Bis auf eine wenig frequentierte Handelsroute gab es dort nicht viel.“
„Wenn es dort nichts gab, wieso sollten Sie dann dort patrouillieren?“, fragte daraufhin der Fähnrich.
Eine absolut berechtigte Frage, welche für den Bruchteil einer Sekunde ein anerkennendes Lächeln auf die Lippen Vaders presste. Und auch am verdatterten Gesichtsausdruck Pietts konnte man bemerken, wie dieser sich ertappt fühlte.
„Admiral Piett. Bevor ich mich geneigt sehe, unserem jungen Freund hier Ihren Posten anzubieten, sollten Sie zur Brücke zurückkehren und die Flotte einen Kurs zum Darpa Sektor setzen lassen.“
„Jawohl, mein Lord“, der Offizier verneigte sich kurz, bevor er mit weiterhin zerknirschtem Gesichtsausdruck davon eilte.
Auch Vader erhob sich und wollte es ihm gleich tun, doch vorher wandte er sich noch an den Geheimdienstoffizier.
„Sie wollen erneut etwas hinzufügen?“, fragte er schroff, da er bemerkte, wie der junge Mann unruhig hin und her wippte.
„Ich bin mir nicht sicher, mein Lord. Ich... ich meine, ob wir das wirklich tun sollten? Wenn die Einrichtung doch so geheim ist, dass nicht mal Ihr davon erfahren solltet, dann gibt es doch sicher andere, die dem nachgehen. Und ich glaube nicht, dass denen unsere Einmischung gefallen wird.“
„Ihre Bedenken sind notiert, Fähnrich. Doch lassen Sie das allein meine Sorge sein.“
„Jawohl, mein Lord. Ich werde es nicht wieder erwähnen, mein Lord, Sir“, druckste er zurück.
Vader gab einen kaum hörbaren Seufzer von sich. Er bevorzugte es, wenn Offiziere ihren Kopf benutzen. Davon gab es im Imperium ohnehin zu wenige. Stattdessen wurde das Leben von Millionen loyaler Soldaten in die Hände von unfähigen Tölpeln gegeben, die ihr Hirn nicht einsetzen könnten, selbst wenn ihr Leben davon abhing. Aus diesem Grund drehte es Vader ja auch so, dass gerade eben ihr Leben davon abhing. Und hier drohte ein kluger Kopf zu so einem unflexiblen Speichellecker zu werden, wie sie Vader so verabscheute. Er musste einschreiten.
„Sie haben gute Arbeit geleistet. Es wird in meinem Bericht vermerkt“, erläuterte der Sith.
„Oh“, war zunächst die einzige Reaktion. „V... vielen Dank, mein Lord.“
„Sie haben nicht wirklich ein Lob vom gefürchteten Lord Vader erwartet, oder?“, bemerkte Vader das Offensichtliche.
„Nein, ehrlich gesagt nicht, Sir. Ihr... Euer Ruf eilt euch gewissermaßen voraus.“
„Ich gebe zu, dass Offiziere unter meinem Kommando eine verkürzte Lebenserwartung haben. Doch das betrifft vor allem diejenigen, die ihre Posten durch Politik anstatt Leistungen bekamen. Für mich zählt aber nur Erfolg. Also setzen Sie ihre gute Arbeit fort und Sie wird entsprechend gewürdigt. Ansonsten müssen Sie mit den Konsequenzen rechnen.“
Vader hielt diesen Ratschlag für ausreichend, sodass er prompt auf dem Absatz kehrt machte und die Nachrichtendienstabteilung verließ. Auf dem Weg zurück zu seinem Quartier drehten sich seine Gedanken aber rasch wieder um das neue Ziel seiner Reise. Tatsächlich konnte er sich derartige Kursabweichungen erlauben. Death Squadron hatte in den letzten Monaten gute Arbeit geleistet. In einer koordinierten Großoperation hatten sie zahlreiche Rebellenzellen vernichtet, bevor sie die umliegenden Sektoren noch weiter destabilisiert hätten. Generell schien die ach so mächtige Allianz zersplittert worden zu sein in unzählige unabhängige Fragmente. Einige von diesen waren zwar umso fanatischer und strapazierten die Nerven imperialer Bewohner durch Angriffe auf zivile Einrichtungen, doch die meisten setzten ihre bisherige Strategie mit imperialen Militärs als Zielen fort. Und gerade diese hatten durch ihre schwindenden Ressourcen nicht mehr die Möglichkeit, eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Vader konnte sich tatsächlich erlauben, ein baldiges Ende des Bürgerkriegs zu erwarten. Dem Imperator auch noch das Scheitern eines seiner kleinen 'Geheimprojekte' unter die Nase zu reiben war da nur ein Bonus, den er sich gönnte.
to be continued...