Titel: Frühlingserwachen
Fandom: Spooks – Im Visier des MI5
Beta: Liljana
Charakter: Lucas North
Rating: PG-13
Staffel/Spoiler: Staffel 7
Anmerkung: Diese Fanfiction wurde für die Allerlei-Challenge geschrieben. Die von Zeson gestellte Aufgabe lautete Frühling/Ostern und sollte noch die folgenden Punkte enthalten:
- Orangensaft
- Gummibaum
- Vollmond
- Der Satz "Mein Gott, ist der/die niedlich!"
Kurzinhalt: In London nimmt der Frühling Einzug. Und Lucas, der noch mit den Geschehnissen der letzten 8 Jahre hadert, ist mittendrin.
Stille umfing ihn, nur gelegentlich unterbrochen von dem Zwitschern der Vögel oder dem Rascheln der Blätter, wenn der Wind durch die Bäume streifte. Die Mütter und Väter mit ihren Kindern waren auf dem Weg nach Hause. Auch die mit jedem Tag wärmer werdenden Sonnenstrahlen des Frühlings hatten sich bereits verabschiedet. Nur er saß noch alleine auf einer Bank im Hyde Park mitten in London und beobachtete die Enten, die langsam ihre Kreise über den See zogen.
Es war seit einer Woche erstaunlich ruhig. Keine zwielichtigen Personen, die einer Überwachung bedurften; keine Nachrichten über mögliche geplante Anschläge. Daher hatte Lucas North beschlossen, einige seiner zahlreich angesammelten Überstunden abzufeiern. Doch anstatt nach Hause zu fahren, hatte es ihn direkt vom Thames House, dem Hauptsitz des MI5, in den wenige Kilometer entfernten Park verschlagen.
Den ganzen Nachmittag hatte er einfach nur dagesessen, die Sonnenstrahlen genossen und die Gedanken regelrecht abgeschaltet. Sonne war etwas, was er für eine sehr lange Zeit nur selten zu Gesicht bekommen hatte. Daher genoss er jeden Augenblick des ersten Frühlings, den er in Freiheit verbringen durfte. Auf der Arbeit ließ er sich nichts anmerken – durfte er sich nichts anmerken lassen – doch sobald er nach Hause kam, begannen ihn die Erinnerungen an seine Gefangenschaft einzuholen und zu quälen.
Während einer Operation in Russland war er aufgeflogen und wurde für acht lange Jahre seiner Freiheit beraubt. Mehrmals hatte er versucht zu fliehen. Einmal hatte er es bis vor das Gebäude geschafft. Doch der Moment der Freiheit währte nicht sehr lange. Nur Augenblicke nachdem er durch die Tür war, hatten seine Verfolger ihn eingeholt und brutal niedergeschlagen. Das letzte, was er wahrnahm, als er zu Boden ging, war der Vollmond, der die Nacht erleuchtete. Die Tage danach waren die Hölle für Lucas gewesen. Bis - drei Jahre nach seiner Gefangennahme - die Folterungen plötzlich von dem einen auf den anderen Tag aufhörten und sie eine neue Taktik einschlugen, um ihm Informationen zu entlocken und ihn zu einem Doppelagenten zu machen. Lucas wurde nicht mehr länger in eine heruntergekommene, feuchte und mit Schimmel überzogene Zelle gesteckt. Stattdessen erhielt er ein kleines Zimmer, bekam die Möglichkeit, sich zu waschen und zu rasieren. Sogar saubere Kleidung wurde ihm zur Verfügung gestellt. Arkady Kachimov versuchte alles, um ihn davon zu überzeugen, fortan für die Russen zu arbeiten. Versuchte ihn damit zu überzeugen, dass Harry Pearce, sein Chef beim MI5 und Leiter von Sektion D, es nicht eilig damit hatte, ihn wieder zurück nach England zu holen. Wenn Lucas sich mal wieder standhaft weigerte, wurde er für mehrere Wochen in seine alte Zelle gesperrt und die Torturen begannen erneut. Irgendwann beschloss Lucas, zum Schein darauf einzugehen, in der Hoffnung, dadurch wieder zurück nach England zu gelangen.
Im letzten November kehrte er im Austausch gegen einen russischen Spion endlich wieder heim, wo er von Harry in Empfang genommen wurde. Seitdem waren erst wenige Monate vergangen und doch hatte er nach nur einer kurzen Erholungsphase seinen Job als Spion wieder aufgenommen und konnte gleich zu Anfang durch seine scheinbare Tätigkeit als Doppelagent einen Cyper-Angriff der Russen auf Großbritannien verhindern. Er brauchte die Arbeit, um die letzten acht Jahre aus seinem Kopf zu verbannen. Doch dies funktionierte nur bedingt. Denn kaum, dass er einen Fuß in seine Wohnung setzte, war alles wieder da. Denn hier war niemand, der ihn auf anderen Gedanken brachte. Seine Ex-Frau hatte längst jemanden anderen geheiratet und würde nicht zu ihm zurückkehren.
Eigentlich hatte er bei seinem Ausflug in den Park befürchtet, dass ihn auch hier die Erinnerungen einholen würden, doch erstaunt musste er feststellen, dass er tatsächlich in der Lage war, einfach nur das Wetter zu genießen. Es war der bisher schönste Tag war, den er in Freiheit verbringen durfte.
Am Anfang war er ein wenig ziellos durch den Park geschlendert, hatte die Kinder beobachtet, wie sie lachend über das Gras liefen und herumtollten. Hatte die am Rand stehenden und sitzenden Eltern betrachtet, die sich liebevoll über ihre Schützlinge austauschten und diese dabei nie aus den Augen ließen. Zwischendurch waren die Kinder zu ihren Eltern gelaufen, hatten einen Schluck Orangensaft zu sich genommen und waren dann wieder zu den wartenden Freunden zurückgekehrt, um das Spiel fortzusetzen.
Irgendwann war Lucas am See angekommen und hatte eine freie Bank ergattert, auf die er sich niederlassen konnte. Genießerisch schloss er für einen kurzen Augenblick die Augen und spürte, wie die Sonne sein Gesicht erwärmte und der leichte Wind über seine kurzen schwarzen Haare strich. Aus der Ferne hörte er immer noch das fröhliche, ungezwungene Lachen der Kinder.
Ein lautes Bellen zerstörte die Idylle. Auf der Bank neben ihm saß ein Mädchen im Teenager-Alter. Als sie das Gebell hörte, drehte sie sich genau wie Lucas zu dem Geräusch hin. Beide erblickten einen braunhaarigen Mann in den Vierzigern. Auf dem Arm hielt er einen kleinen Golden-Retriever-Welpen und strahlte das ebenfalls braunhaarige Mädchen an. „Überraschung! Alles Gute zum Geburtstag mein Schatz!“
Freudig sprang die Angesprochene auf und überwand eilig die wenigen Meter zwischen ihr und dem Mann. „Dad! Oh mein Gott, ist der niedlich!“, rief sie mit strahlenden Augen aus, als sie den Welpen vorsichtig an sich nahm. Dieser stieß ein erneutes Bellen aus und machte Anstalten, mit seiner Zunge dem Mädchen quer über das Gesicht zu lecken.
Ein Lächeln stahl sich auf Lucas Gesicht, während er das Geschehen beobachtete. Eine ganze Weile schaute er noch zu, wie Vater und Tochter mit dem Hund spielten, ehe sich sein Blick wieder auf den See vor ihm richtete. Dort zog ihn das Lichtspiel der reflektierten Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche in den Bann.
Er bemerkte nicht, wie die Zeit verging. Erst verschwanden nach einiger Zeit Vater und Tochter mit dem Hund, dann verebbte nach und nach das Lachen der Kinder, denn die Eltern riefen zum Aufbruch. Auch die Sonne musste sich letztendlich geschlagen geben und begann, langsam aber unaufhaltsam am Horizont zu versinken, wodurch auch das Lichtspiel auf der Wasseroberfläche verbleichte. Stille legte sich über den Hyde Park und zurück blieben nur Lucas North, vereinzelte Vögel auf den Wipfeln der Bäume und die auf dem See schwimmenden Enten.
Eine kalte Windböe ließ ihn frösteln und er beschloss, dass es langsam an der Zeit war, den Weg nach Hause fortzusetzen. Dort würde ihn allerdings wieder diese unerträgliche Einsamkeit begrüßen, gepaart mit den Erinnerungen an die Erlebnisse in russischer Gefangenschaft. Aber dieses Mal würde er sich nicht dadurch runterziehen lassen.
Durch seine Arbeit als Spion hatte er es oft genug mit schrecklichen Dingen zu tun. Er wollte sich nicht auch noch in der Freizeit damit belasten, sondern das Leben so gut wie möglich genießen und alle Probleme in dieser Zeit hinter sich lassen.
Es war ein langer Weg, der vor ihm lag. Das durch die Gefangenschaft entstandene Trauma würde sich nicht von heute auf morgen in Luft auflösen und die Alpträume, die ihn im Schlaf heimsuchten, würden ebenso hartnäckig sein. Aber der heutige Tag hatte ihm vor Augen geführt, dass es weitergehen musste und das Leben auch seine schönen Momente hatte. Es ihm mehr bieten konnte - anstatt einfach nur auf der Arbeit zu funktionieren. Vielleicht sollte er damit anfangen, seine etwas in Mitleidenschaft gezogene Zimmerpflanze, einen Gummibaum, wieder aufzupäppeln und seine Wohnung auch allgemein ein wenig wohnlicher zu gestalten. In einer Umgebung wo er sich wohlfühlte, hatten es die trüben Gedanken doch gleich viel schwerer, über ihn herzufallen, wie dieser Nachmittag bewiesen hatte.
Er hatte sich gerade von der Bank erhoben und warf einen letzten Blick auf den See, als sein Handy sich bemerkbar machte. Noch bevor er einen Blick auf das Display warf, wusste er, dass es nur einer seiner Kollegen sein konnte. Und tatsächlich meldete sich Ruth zu Wort. „Es gibt Hinweise darauf, dass jemand einen Bombenanschlag hier in London plant. Du solltest besser sofort herkommen, Lucas.“
Lucas konnte sich ein leises Seufzen nicht verkneifen. Soviel zu seinem Vorhaben. Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Jetzt hatte allerdings der neue Fall Priorität. Erst den Anschlag vereiteln, dann würde er damit beginnen, sein Leben neu zu ordnen.
„Alles klar. Ich bin unterwegs.“
Ende
© Saffier (März 2014)