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Thema: [HdR] Elfstone - Das Geheimnis der Elbensteine

  1. #1
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    Standard [HdR] Elfstone - Das Geheimnis der Elbensteine

    Titel: Elfstone - Das Geheimnis der Elbensteine
    Autor: LilórienSilme und Nefertari
    Fandom: Herr der Ringe
    Genre: Reallife meets Mittelerde; Liede, Romantik & Freundschaft; Action, Spannung & Abenteuer
    Charakter(e): Alle Buchcharaktere und einige eigene
    Rating/Warnings: PG 12
    Spoiler: Herr der Ringe, Der Hobbit, das Silmarillion
    Anmerkung des Autors: Fearwynn und Gwyneth haben noch nie vom Herr der Ringe gehört, es gab die Bücher aber in ihrer Welt. Ebenso werden hier nicht nur die Ereignisse der Bücher gezeigt sondern auch ein völlig neuer Handlungsstrang außerhalb des Pfades der Ringgemeinschaft.
    Kurzinhalt: Die zweieiigen Zwillingsschwestern Fearwynn und Gwyneth haben nicht viel gemeinsam. Eigentlich haben sie nur ihre Eltern gemeinsam und dass sie sich beide irgendwie mehr vom Leben erhofft haben. Doch dann erhalten sie ein Geschenk. Eines, was sie eigentlich schon seit ihrer Geburt besitzen. Und sie landen in Mittelerde. Und während Fearwynn noch denkt, dass sie entweder im Koma liegt oder schon an ihrem HIV gestorben ist, scheint Gwyneth sich sicher zu sein, mitten in einem LARP zu stecken. Doch keiner der beiden kommt auf die Idee, dass es vielleicht einen ganz anderen Grund hat, warum sie ausgerechnet jetzt in Mittelerde landen...
    Disclaimer: Weder Lilórien noch ich haben irgendwelche Rechte an Tolkiens Charakteren, Schauplätzen und auch nicht an der Handlung des Herrn der Ringe auf der unsere FF aufbaut, auch an Peter Jackson’s Verfilmung haben wir keinerlei Rechte. Nur an unseren eigenen Charakteren bleiben uns die Rechte.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 1

    Das Ende eines Lebens

    Fearwynn


    Das Kratzen in meiner Kehle begann von Neuem. Mein Körper zitterte, während ich wieder einmal einen meiner Hustenanfälle bekam. Ich versuchte verzweifelt während dem Husten noch Luft zu holen, doch es war schwerer als man es wahrscheinlich als Außenstehender dachte. Ich war froh, dass ich in diesem Moment niemanden meiner Familie um mich hatte. In der Nacht hatte ich an akuter Luftnot gelitten und war von meinem normalen Krankenzimmer auf die Intensivstation gebracht worden.

    Ich war vor genau 3 Wochen in eine Spezialklinik eingeliefert worden wegen dem Verdacht auf eine Lungenentzündung. Normalerweise war eine Lungenentzündung im Anfangsstadium noch kein Grund, jemanden in ein Krankenhaus einzuweisen. Bei mir war es jedoch etwas anderes. Seid einem kleinen Zwischenfall vor 19 Jahren verfolgten mich 3 Buchstaben, waren überall, wo ich war: HIV.

    „Wynni, deine Mutter ist da." Martha, eine der jüngeren Krankenschwestern, steckte ihren Kopf in mein Zimmer. Nachdem ich vorgestern beinahe zusammengebrochen war während meine Mutter mich besucht hatte, fragten die Krankenschwestern immer wie es mir ging, bevor sie jemanden zu mir ließen. Ich nickte kurz und versuchte meinen Husten in den Griff zu bekommen. Ich wollte meiner Mutter durch diesen Husten nicht mehr Sorgen machen, als sie sowieso schon hatte.

    Sie machte sich indirekt verantwortlich für meine Erkrankung. Auf einer Klassenfahrt in die Berge hatte sie uns begleitet. Sie sollte auf eine kleine Mädchengruppe achten, zu der auch ich gehörte. Durch einen Anruf ihrer Freundin war sie jedoch so sehr abgelenkt, dass sie nicht merkte, dass ich mich zu weit von den anderen entfernte. Es war eine Wette gewesen und ich hatte nicht einmal im Traum daran gedacht sie zu verlieren. Damals hatte ich keine Angst alleine im Dunkeln. Hätte ich sie gehabt und wäre an diesem Abend in der Nähe der Gruppe geblieben, dann wäre mein Leben sicherlich anders, besser verlaufen.

    Nicht weit weg von der Stelle an der wir uns alle versammelt hatten, hatte ein Junkie ein kleines Lager aufgeschlagen. Natürlich wusste ich damals noch nicht um die Gefahren, ich wusste noch nicht einmal was ein Junkie tat. Das Lager war leer und ich ahnte nicht im geringsten, dass sein Besitzer bald zurückkehren würde. Daher erschrak ich fürchterlich als auf einmal ein junger Mann, jung aber dennoch heruntergekommen, vor mir stand. Sein Blick war zwar auf mich gerichtet, er schien jedoch etwas anderes zu sehen als ein junges Mädchen.

    Sein Blick erschien mir fast wahnsinnig und ich bekam es verständlicher Weise mit der Angst zu tun. Ich wollte wegrennen, doch mit einem großen Schritt war er genau vor mich getreten und hatte mich festgehalten, oder zumindest wollte er das. Er hatte anscheinend nicht damit gerechnet, dass ich doch etwas stärker war und hatte seinen Griff lockerer gelassen. Durch die Irritation verlor ich jedoch das Gleichgewicht und stürzte genau in seine Sachen. Ich merkte erst, dass eine Nadel in meinem Arm steckte als ich tränenüberströmt zurück zu den anderen lief.

    Ich hatte eine unheimliche Angst, und mein Arm und meine Hände, mit denen ich mich abgestützt und einige Glasbehälter des Mannes zerstört hatte, bluteten und schmerzten. Meine Mutter war natürlich außer sich gewesen und war sofort mit mir zum Arzt gefahren. Nach einigen Wochen stand das Ergebnis dann fest. Ich war HIV-Positiv.

    Mittlerweile war ich 29 und die Krankheit hatte mein Immunsystem geschwächt.

    "Fearwynn. Wie geht es dir?", fragte meine Mutter besorgt. Ich sah an ihrem Blick, dass es ihr nicht gefiel, mich an so viele Geräten angeschlossen zu sehen. Immer und immer wieder unterdrückte ich den Drang zu Husten. Dadurch konnte ich meiner Mutter aber nur kurz zunicken.

    "Gwyn hat nach dir gefragt", sagte sie. Mit Gwyn war meine 15 Minuten ältere Schwester Gwyneth gemeint.

    "Wenn sie wissen will, wie es mir geht, soll sie selbst kommen." sagte ich etwas desinteressiert. Wir waren zweieiige Zwillinge und trotzdem waren wir keine normalen Schwestern. Wir waren uns näher, zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem ich infiziert wurde. Nachdem sich meine Eltern vor 10 Jahren hatten scheiden lassen, war sie bei meinem Vater geblieben und wir hatten uns nur noch selten gesehen.

    "Sie hat darüber nachgedacht zu kommen, aber sie wusste nicht, ob du die sehen willst." ich sah meiner Mutter an, dass dieses distanzierte Verhältnis zwischen ihren beiden Töchtern ihr nicht gefiel, aber es war nun einmal so. Gwyneth war schon immer mehr auf der Seite unseres Vaters gewesen und sie war sein Ein und Alles. Ich hingegen, war seit meiner Erkrankung für meinen Vater ein rotes Tuch geworden. Von dem Tag der Diagnose hatte er sich von mir entfernt, hatte versucht so wenig Zeit wie mögliche mit mir zu verbringen, dabei hätte ich seine Liebe und Unterstützung genauso gebraucht wie die meiner Schwester. Doch wahrscheinlich hatten beide Angst sich, auch wenn das eigentlich nicht möglich war (das heißt wenn man vorsichtig ist), anzustecken. Sie ekelten sich vor mir, zumindest dachte ich das.

    Dieser Irrglaube hatte auch zur Scheidung meiner Eltern und zu einer noch weiteren Entfernung von meiner Schwester geführt. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich sie nur wenige Male gesehen, wenn es hoch kam 3 Mal im Jahr, zu unserem Geburtstag, zu dem Geburtstag unserer Mutter und zu Weihnachten.

    Dann konnte ich den Husten nicht weiter unterdrücken. Ich merkte wie der trockene Husten mich einholte und meine bereits wunde Kehle mit mehr und mehr Schmirgelpapier bearbeitete. Wieder kämpfte ich damit Luft zu bekommen und meine Mutter schüttete mir nervös Wasser in ein Glas. Ich griff jedoch nicht danach, sondern nach einem Taschentuch, denn ich merkte wie etwas warmes, flüssiges sich langsam mit dem Husten seinen Weg nach oben bahnte.

    Als das Blut dann mit dem nächsten Husten im Tuch landete erschreckte meine Mutter und lief augenblicklich aus dem Zimmer um eine der Krankenschwestern zu holen. Doch da es nicht das erste Mal gewesen war, dass ich Blut hustete dachte ich, dass niemand mehr kommen würde. Meiner Mutter hatte ich noch nicht gesagt, dass meine Lungen mittlerweile so geschädigt waren, dass sie Bluteten, hatte ihr noch nicht gesagt, dass sie, wenn es nicht besser werden würde, einen Schlauch legen mussten. Dieser Schlauch sollte dann ständig das entstehende Blut aus meiner Lunge aufsaugen, damit ich an meinem eigenen Blut ersticken würde.

    Entgegen meiner ersten Vermutung kam jedoch nicht nur meine Mutter in den Raum als sich die Tür wieder öffnete.

    "Wir müssen ihnen den Katheder legen Miss Johnson." sagte der Arzt und hatte bereits eine Spritze in der Hand.

    "Aber ist es nicht riskant sie jetzt zu narkotisieren?" fragte meine Mutter besorgt. Ich sah sie an. Natürlich war es riskant. Eine Narkose war immer riskant, ob man nun krank war oder nicht. Aber ich war bereit dieses Risiko einzugehen und vielleicht einfach nur für immer einzuschlafen, als elendig an meinem eigenen Blut zu ersticken. Und Außerdem würde mein Leben dann endlich ein Ende haben.

    Dann öffnete sich auf einmal die Tür und meine Schwester stand in ihr. Sie sah mich mit einem entgeisterten Blick an. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ich sah wie augenblicklich Tränen in ihnen aufstiegen und sie zu meiner Mutter rannte. Anscheinend ging es auch ihr nahe wie ich dort lag, immer noch im Hustenwahn gefangen, nicht möglich vernünftig zu Atmen. Doch ich konnte oder wollte ihr diese Mitgefühlstour die sie sicherlich nur vor den fremden Ärzten spielte nicht ernst nehmen.

    "Wir können später reden." sagte ich unterkühlt und unter weiterem Husten, während der Artz mir langsam das Narkosemittel spritzte.

    Ich merkte wie es langsam begann zu wirken und alles um mich herum verschwamm alles. Dann war alles dunkel.

    "Sieh doch da vorne!" Ein dumpfes Geräusch drang an meine Ohren. Ich konnte nur raten, dass der Katheder gelegt war und die Narkose langsam ihre Wirkung verlor. Doch ich fühlte mich nicht benebelt. Das normale Gefühl nach einer Vollnarkose blieb aus.

    Langsam öffnete ich meine Augen, doch ich schloss sie direkt wieder. Ich konnte nicht glauben was ich sah. Meine Augen mussten mir einen Streich spielen. Wieder öffnete ich die Augen und erwartete schon wieder die Wände der mir bekannten Intensivstation zu sehen, doch wie schon vorher sah ich vor meinen Augen nur etwas Grünes. Durch meinen noch etwas verklärten Blick konnte ich nicht erkennen was das Grüne vor mir war. Was mich wunderte, war der Geruch der meine Nase erreichte. Es war eine Mischung aus Erde und Wald, die so gar nicht zu dem Ort passten an dem ich mich zu befinden glaubte.

    "Was macht eine Dame wie ihr hier in der Wildnis?" Die Stimme war mir unbekannt, doch ich konnte ausmachen, das sie zu einem älteren Mann gehörte der hinter mir zu stehen schien.

    "In der Wildnis?" Ich drehte mich langsam um und sah nun, dass der Mann tatsächlich alt war und hinter mir kniete. Dann fokussierten sich meine Augen auf die Umgebung. Überall waren Bäume.

    "Wer sind sie und warum haben sie mich aus der Intensivstation geholt?" fragte ich halb entsetzt. Wusste er nicht wie gefährlich es für mich hier draußen war? Erst jetzt fiel mir auf, dass der Mann keinen weißen Kittel trug der darauf hinweisen würde dass er ein Arzt war. Leichte Panik stieg in mir auf? Hatte er mich entführt? Was hatte er mit mir vor?

    "Ich weiß nicht was eine Inwensifsation ist, aber seien sie gewiss, ich habe sie nicht hier her gebracht, sondern nur gefunden." sagte er. Das machte die Sache für mich nicht besser. Wo war ich hier gelandet, dass dieser alte Kerl noch nicht mal wusste was eine Intensivstation war, geschweige denn wie man es aussprach?

    Wahrscheinlich war er einer der Hinterwäldler die in einigen Teilen des Landes lebten. Einer der Menschen die immer noch jeder Form der Moderne absagten, denn so sah auch sein langes Gewandt aus Stoff aus, das er trug. Es war an einigen Stellen bereits verschlissen und sah so aus, als habe er es schon einige Zeit getragen.

    "Deorhain!" Hörte ich eine andere Stimme und der alte Mann drehte sich in die Richtung aus der der Ruf gekommen war. War das sein Name? Deorhain? Ich fand meinen Namen ja bereits sehr außergewöhnlich, aber Deorhain? Welche Mutter nannte bitte sein Kind Deorhain? Wäre ich nicht in einer solchen Lage gewesen, hätte ich sicherlich bei dem Namen angefangen zu lachen, doch ich wusste ja immer noch nicht wo ich war und wieso.

    "Ich komme gleich mein junger Freund." rief er zurück und sah mich an.

    "Ihr könnt hier nicht liegen bleiben, mein Kind. Nicht in diesen gefährlichen Zeiten." sagte er und in seinem Blick lag eine Eindringlichkeit die mir klar machte, dass er von dem was er sagte überzeugt war. Ebenso sagte mir meine eigentlich vortreffliche Menschenkenntnis, dass ich von diesem Mann nichts zu befürchten hatte.

    Er reichte mir seine Hand und ich nahm sie, um aufzustehen. Ich erwartete schon ein klein bisschen zu schwanken, doch meine Beine schienen stark zu sein. Erst jetzt blickte ich an mir hinunter. Das erste was ich sah, war das meine Kleidung aus 3 Teilen zu bestehen schien. Eine schwarze, enge Lederhose, ein schwarzes Ledernes Korsett und darüber einen langen kleidähnlichen, olivgrünen Umhang der vorne zugeschnürt war. Meine Füße waren von Overknees aus schwarzem Leder bedeckt.

    Dann bedeutete er mir ihm zu folgen. Wir stapften einige Meter durch unwegsames Gelände mitten durch Brombeersträucher, deren Dornen jedoch durch das dicke Leder nicht den weg zu meiner Haut fanden.

    "Wo bringst du mich hin?", fragte ich als ich merkte, dass wir nicht wie erhofft zu einer Straße gingen, an der mich dann ein Taxi oder ein Krankenwagen abholen konnte. Erst jetzt viel mir auf, dass ich seit ich aufgewacht war nicht mehr hustete und auch nicht mehr den Drang dazu verspürte. Das musste wohl an dem Katheder liegen den sie mir eingesetzt hatten.

    "Ich werde dich zu den anderen bringen. Vielleicht wissen sie etwas über dich." sagte er und ging ohne weitere Erklärungen seinen Weg.

    "Ah da bist du ja Deorhain!" hörte ich wieder die andere, jüngere Männerstimme. Erst kurz danach konnte ich ihn auch sehen. Er war groß und seine kurzen, dunkelbraunen Haare umspielten sein eher rechteckiges Gesicht. Ein leichter Bartansatz zog sich von seinem Kinn bis hinauf zu seinem Haaransatz, doch er schien ihn in regelmäßigen Abständen zu stutzen.

    "Wen hast du da mitgebracht Deorhain?", fragte er und sah mich fragend an. Der alte Mann grinste nur verschmitzt. "Was hat er dir erzählt? Er sei ein Zauberer und sähe nur alt aus? Oder etwas anderes?" Jetzt sah ich zwischen den beiden Männern hin und her. Was ging hier vor sich.

    "Hüte deine junge Zunge oder sie wird dir mit dem alter abfallen." sagte Deorhain und der junge Mann lachte. "Ich habe sie auf dem Waldboden liegen sehen, bewusstlos." Der Junge man sah ihn skeptisch an, blickte dann auf mich und ich nickte.

    "Wie seid ihr dort hingekommen?"

    Na der war ja lustig. Woher sollte ich das denn wissen? Ich war es immerhin die in Narkose gelegt wurde und nun hier aufwachte. "Wenn ich das wüsste, dann wüsste ich wen ich hier wegen Inkompetenz Anzeigen müsste!" blaffte ich ihn scharf an.

    "In- was?" Ich atmete tief ein und wieder aus. Das konnte alles nicht wahr sein. Wo war ich hier nur gelandet? "Inkompetenz! Die Unfähigkeit der Leute etwas richtig zu machen! Wie zum Beispiel jemanden der in Narkose liegt in den Aufwachraum zu bringen und ihn nicht mitten in einem Wald abzulegen!" Ich merkte wie Wut in mir aufkochte, ich merkte wie der Frust der letzten Jahre in mir aufstieg.

    "Und außerdem, hat mich irgendeiner von euch Freaks hier ausgezogen! Wisst ihr eigentlich wie gefährlich das ist? Nicht genug, dass ich schon eine Lungenentzündung habe, nein da soll ich mir auch noch den Tod holen ... ach nein Moment das ist ja mein Tod und ..." dann stockte ich mit einem Mal. War es vielleicht genau das? War ich gestorben oder lag im Koma? War das hier alles nur ein Traum? Ich kniff mich einmal. Es tat weh, ich konnte also nicht Träumen, es musste war sein und nach einem Paradies sah das hier auch nicht aus. Vielleicht hatte ich vorher nur geträumt. Vielleicht war das ganze Leben, das ich geglaubt hatte zu leben der Traum gewesen.

    Die Männer starrten mich immer noch mit offenen Mündern an, anscheinend verstanden sie nichts von dem was ich sagte. Ich hatte sie angefahren, obwohl sie sicherlich nichts für meine Lage konnten. Im Gegenteil, Deorhain hatte mir sogar geholfen, denn ohne ihn hätte ich sicherlich nicht aus dem Wald gefunden.

    "Es tut mir leid, mein Name ist Fearwynn.", sagte ich und sah sie etwas beschämt an, aber die beiden Männer lächelten mich an.

    "Wie du bereits gehört hast bin ich Deorhain, Thorhelms Sohn, und dieser Jüngling hier ist Erebor, Retrens Sohn."

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    So das war also das erste Kapitel. Lilórien und ich würden uns wirklich sehr freuen wenn wir von euch hören würden. Bis dahin alles Liebe und viel Spaß
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:30 Uhr)
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  2. #2
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    Hallo Ihr Lieben!

    Heute folgt nun das 2. Kapitel unserer Geschichte. Dieses Mal betrachten wir die Sicht von Gwyneth, die nun mit dem Tod ihrer Schwester klarkommen muss.

    Es ist schön zu sehen, dass unsere Geschichte gelesen wird. Aber noch mehr würden wir uns freuen, wenn Ihr uns auch noch ein kleines Review dalassen würdet. ;o) Fühlt Euch frei, uns Eure Meinung mitzuteilen. Selbst wenn es konstruktive Kritik ist.

    Und jetzt wünschen wir Euch viel Spaß beim Lesen!

    Alles Liebe, Lilly

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    Kapitel 2

    Die Beerdigung

    Gwyneth



    Der Tag der Beerdigung meiner Schwester war vermutlich einer der schwersten, die ich in meinem 29 Jahre alten Leben bisher erleben musste. Natürlich kam es für meine Eltern und mich nicht sonderlich überraschend, doch das machte es leider kein Stück leichter.

    Sie hatte seit Jahren mit einer schweren Krankheit zu kämpfen, die sich allgemein hin als Aids bezeichnen ließ. Doch was man immer so leicht sagte, war alles andere als das. Für Fearwynn hatte es immer Einschränkungen bedeutet: Einschränkungen beim Spielen, als sie noch klein war; Einschränkungen bei der Jobsuche, als sie größer wurde; und Einschränkungen in Sachen Liebe. Denn nichts war leichter, als einen anderen beim gemeinsamen Liebesspiel zu infizieren.

    Doch nicht nur meine Zwillingsschwester hatte unter der Krankheit gelitten. Auch ich und unsere Eltern hatten es schwer gehabt. Mein Vater kam wohl am wenigstens damit klar. Er hatte es nie überwinden können, dass sein kleines Mädchen vermutlich viel früher als er ins Gras beißen würde. Aus Angst, tief verletzt zu werden, wenn Wynni sterben sollte, hatte er sich immer weiter von ihr zurückgezogen. Doch das hatte ihm nicht das Geringste genützt. Die Nachricht ihres Todes hatte ihn trotzdem aus der Bahn geworfen. Er war noch am Telefon einem Nervenzusammenbruch erlegen und auf der Beerdigung musste ich ihn die ganze Zeit über stützen.

    Unser Mutter wirkte seltsam gefasst. Sie hatte jeden Tag damit gerechnet, dass Wynni sterben würde und hatte sie jedes Mal in dem Wissen besucht, dass es das letzte Mal sein könnte, dass ihre Tochter die Augen aufschlug. Vermutlich hatte sie sich schon lange vor diesem Tag von ihr verabschiedet.

    Und was mich anging, ich hatte gar keine Zeit zum trauern. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meinen Vater davor zu bewahren, sich nicht auch noch in das dunkle Loch zu stürzen, welches sich nun vor uns auftat. Die Messe hatte ich gar nicht richtig mitbekommen. Ich hatte nur dagesessen, meinen Vater im Arm wie ein kleines Kind, und hatte seinen unregelmäßigen Weinkrämpfen gelauscht.

    Man hatte ihren leblosen Körper aus den USA wieder in ihre alte Heimat einfliegen lassen. Auf dem Flughafen Köln/Bonn hatte ich schließlich Wynni und meine Mutter empfangen. Es war seltsam für mich gewesen. Kurz vorher war ich noch bei ihr gewesen, hatte sie angesehen, als man sie für ihre letzte Operation in Tiefschlaf versetzt hatte. Doch sie war nicht mehr aufgewacht.

    Warum ich zu ihr geflogen bin, weiß ich nicht mehr. Etwas in mir hatte mich dazu getrieben, Halloween mit ihr feiern zu wollen. Meine Oma würde vermutlich sagen, dass das Schicksal es so gewollt hatte, dass ich sie an ihrem letzten Tag noch einmal sehe. Ich sage, es war Zufall. Ich glaube nämlich nicht an das Schicksal.

    Als der Arzt durch die Türen getreten war, seinen Mundschutz abnahm und uns ansah, hab ich es gewusst. Es ist dieser Blick, den nur Ärzte draufhaben und den wir alle schon unzählige Male bei „Grey‘s Anatomy“ oder „Emergency Room“ gesehen haben. Und jedes Mal dachten wir, dass wir diesen Blick niemals sehen würden. Das passiert doch nur den anderen. In der eigenen Familie kann so etwas nicht passieren. Von Komplikationen oder vergessenem OP-Besteck hört man doch immer nur im Fernsehen oder liest davon in der Zeitung. Aber niemals würde man auf die Idee kommen, dass es einen selbst treffen könnte.

    Doch was das Schlimmste war, war die Tatsache, dass ich diesen Blick sofort erkannt habe. Etwas in mir hatte damals „Klick“ gemacht und ich wusste, dass ich Wynni in dieser Welt nicht wieder sehen würde. Es war einfach so ein Gefühl wie, dass man weiß, dass es gleich regnen wird.

    Meine Mutter fing sofort an zu weinen. Vermutlich hatte sie jeden Tag damit gerechnet und hatte daher die erste Phase übersprungen, während ich noch in der Trotz-Phase steckte. Ich konnte es erst nicht glaube, obwohl ich es doch besser wusste. Mein Herz sagte mir die Wahrheit, mein Verstand kämpfte erbittert dagegen an. Doch schließlich siegte mein Herz und auch ich musste weinen.

    Aber das dauerte nur sehr kurz an. Da meine Mutter nicht in der Lage war, die Formalitäten zu regeln, blieb es an mir hängen. Sie und meine Schwester hatten jedoch schon gute Vorarbeit geleistet, sodass ich hauptsächlich nur unterschreiben musste. Zuletzt buchte ich einen Flug für mich zurück nach Deutschland, um dort vor Ort alles weitere regeln zu können. Zwei Tage später kam meine Mutter nach - mit Wynni.

    Schnell schluckte ich meine Gefühle hinunter, als ich den billigen Pressspansarg sah, denn ich wusste, dass es so üblich war. Trotzdem versetzte es mir einen Schlag in den Magen. Es sah so unwürdig aus.

    Zum Glück wartete der Bestatter bereits auf uns. Meine Mutter hatte Wynni schon umgezogen. Sie trug ihr Lieblingssommerkleid, hatte die Haare um den Kopf drapiert wie einen Heiligenschein und die Hände im Schoß gefaltet. Wenn ihr fahles Gesicht und die tiefen Ringe unter ihren Augen nicht gewesen wären, hätte man denken können, sie schlafe nur. Ich gab mich kurz meinen Gefühlen hin und streichelte ihr Gesicht. Ihre Haut war kalt und hart und es fühlte sich gar nicht mehr nach einem Menschen an. Am liebsten hätte ich mich gleich zu ihr gelegt, so müde kam ich mit in diesem Moment vor.

    „Sie ist immer noch ein so wunderschönes Mädchen“, sagte meine Mutter. Ich nickte nur kurz, dann fuhr ich zu meinem Vater. Die Beerdigung würde noch am selben Tag stattfinden und ich musste versuchen, ihn zumindest halbwegs vorzeigbar zu machen. Unsere Großeltern würden auch da sein und der Rest der recht kleinen Familie, sowie ein paar Freunde, die wir noch aus der Schule kannten. Sie alle hatten geschockt auf die Zeitungsanzeige reagiert, konnten es zunächst gar nicht fassen, dass jemand aus unserem Alter schon gestorben sein sollte. Doch in ihren Gesichtern las ich dieselbe Verzweiflung, wie ich sie in mir zu verstecken versuchte.

    Als der Mahagonisarg, von einem Metallgestänge umgeben, langsam in die Tiefe herabgelassen wurde, trat meine Mutter als erste vor. Sie warf eine Hand voll Erde auf das Blumengesteck, welches oben auf lag, dann trat sie zur Seite. Ich konnte stille Tränen ihre Wangen hinablaufen sehen.

    Dann waren Paps und ich an der Reihe. Wir hatten seit der Scheidung zusammen gelebt, bis ich schließlich ausgezogen war. Mit ihm war es leicht, zusammen zu leben. Er stellte keine Fragen, erwartete nicht viel von mir und sah sich jedes meiner Bilder an, egal, wie schrecklich sie eigentlich waren. Deswegen mochte ich ihn so sehr. Er war einfach nur da.

    Doch das Bündel Elend, was nun an meinem Arm hing, hatte nichts mehr mit dem starken, stolzen Mann gemeinsam, der er früher einmal gewesen war. Seine breiten Schultern waren eingefallen, seine Haare hatte er wohl schon länger nicht mehr gewaschen, denn sie lagen so, dass es aussah, als wären ihm in der letzten Woche, wo ich ihn nicht gesehen hatte, die Hälfte seiner Haarpracht ausgefallen. Seine blauen Augen, die mich so sehr an Wynnis erinnerten, wirkten leblos und schwammen in Tränen.

    „Paps, wenn du das nicht willst, dann lass dich von Opa zurück zum Auto bringen, ja?“, fragte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf. Es wirkte etwas unkontrolliert, vermutlich weil er immer noch weinte, doch er sah jetzt entschlossener aus, als noch einen Augenblick zuvor. Zum ersten Mal richtete er sich selbstständig auf, griff in den Topf mit der Erde und blickte auf den Sarg.

    Er murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte, warf die Erde hinein und wandte sich noch im selben Augenblick wieder ab. Dann war ich allein.

    Ich würde gerne sagen, dass es auch mir so leicht fiel wie meiner Mutter, Abschied zu nehmen. Doch das tat es nicht. Wynni und ich hatten es nicht immer leicht. Bevor sie krank wurde, waren wir die besten Freunde. Wir taten alles zusammen. Doch danach änderte sich alles. Plötzlich schien es, als wäre ich nicht mehr wichtig, als würde nur noch das kranke Mädchen zählen. Das gesunde Mädchen konnte sich schließlich selbst helfen. Auf sie musste man nicht achten.

    Doch das stimmte nicht. Meine Eltern hatten mich damals sehr enttäuscht, indem sie Wynnis Gesundheit über meine Gefühle stellten. Heute kann ich es natürlich verstehen, doch glücklich macht es mich trotzdem nicht. Es war mir wie eine Befreiung vorgekommen, als Paps damals ausgezogen war und mich mitgenommen hatte. Wir hatten endlich das Vater-Tochter-Verhältnis haben können, dass ich mir so lange gewünscht hatte. Leider war es dann schon viel zu spät gewesen. Ich war schon kein kleines Kind mehr. Doch nach seiner Liebe hatte ich mich trotzdem gesehnt.

    Jetzt, da Wynni nicht mehr war, fühlte ich plötzlich eine Leere in mir. Da war immer dieser unterschwellige Hass auf sie gewesen, das hatte ich bisher noch nie jemandem erzählt. Wie hätte ich das auch sagen sollen? Ich hasse meine Schwester, weil sie unheilbar krank geworden ist und damit all die Liebe unserer Eltern in Anspruch genommen hat, sodass für mich nichts mehr übrig geblieben ist? Man hätte mich vermutlich für das kaltherzigste Missstück auf Erden gehalten. Und genauso hatte ich mich die ganzen beinahe 20 Jahre seit ihrer Krankheit immer gefühlt.

    Aber jetzt war dieser Hass weg. Er war mit Wynni gestorben und plötzlich merkte ich, wie unsagbar egoistisch ich mich verhalten hatte. Ich hätte bei ihr sein müssen, hätte für sie da sein müssen, wie es eine echte Schwester getan hätte. Doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, in meinem eigenen Leid zu baden. Und endlich liefen die Tränen meine Wangen hinab, die ich die ganze Zeit nicht hatte weinen können. Endlich löste sich der Knoten in meiner Brust. Schluchzend nahm ich eine Hand voll Erde und warf sie in das Grab. „Es tut mir so leid, Wynni“, flüsterte ich. Dann ging ich.

    Auf den Beerdigungskaffee verzichtete ich. Es war mir auch egal, was die anderen sagen würden. Aber ich musste jetzt alleine sein. Ich ließ meinen Vater in der Obhut seiner Eltern zurück und fuhr in mein Atelier. Hier konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Hier musste ich auf niemanden Rücksicht nehmen. Ich konnte...

    Ja, was konnte ich eigentlich tun? Ich starrte auf eine leere Leinwand und es kam mir in diesem Moment so vor, als könne nichts sie füllen. Der Stoff sah so leer aus, wie sich mein Innerstes anfühlte. Die Beerdigung hatte mich aufgewühlt, hatte mich Gefühle erleben lassen, die ich immer versucht hatte zu verstecken. Ich war noch nie sonderlich gut darin gewesen, Leuten zu sagen oder zu zeigen, was gerade in mir vorging. Das taten meine Bilder für mich. Durch sie konnte ich sprechen.

    Plötzlich leuchteten endlich die Farben vor meinem inneren Augen auf und ich wusste, was ich malen wollte. Schnell streifte ich die dunkle Beerdigungskluft ab und schlüpfte in meinen weißen Maleroverall. Dann griff ich zu meinen Farben, den Pinsel beachtete ich dieses Mal nicht. Ich öffnete die Tuben, drückte mir die Farben in die Hand, zermatschte sie ein wenig, dann trug ich sie auf die Leinwand auf.

    Ich malte die komplette zwei Quadratmeter-Leinwand voll. Nicht eine Stelle blieb weiß. Und als die Sonne untergegangen war, betrachtete ich im Licht der Neonröhren mein Werk. Es war düster, wie alle meine Bilder. Doch dieses Mal war etwas anders. Ich wusste nicht, was es war, doch es schien mir wertvoller, als meine anderen Werke bisher. Vielleicht, weil es mehr von dem ausdrückte, was ich fühlte, als meine Bilder es sonst taten.

    Die Grundfarbe war dunkelrot. Seit meine Schwester krank geworden war, war Rot nicht mehr nur eine Farbe für mich gewesen. Ich assoziierte sie mit Fearwynn. Und die dunkle Schattierung bedeutete für mich, dass sie nun meiner Welt entrückt war. Sie war nicht mehr das strahlend grelle Rot, was ich sonst symbolisch für sie verwendet hatte. Nun war sie ein mattes, dunkles Rot, was schon beinahe braun wirkte.

    Dazwischen guckten einzelne hellblaue Flecken hervor, wie der strahlende Himmel nach einem Gewitter, wenn sich die Wolken langsam verziehen. Den unteren Rand bildetet ein grüner Streifen und in der Mitte beherrschte ein dunkelgelber Fleck das Geschehen. Von ihm gingen leichte Strahlen aus, wie die der Sonne. Doch sie waren nicht wärmend, sondern wirkten kalt und hart.

    Eine Weile betrachtete ich das Bild noch und versuchte zu ergründen, was es mir wohl sagen wollte. Ich hatte nach keiner exakten Vorstellung gemalt, sondern meinen Händen einfach freien Lauf gelassen. Dabei kamen meist die besten Werke heraus.

    Müde legte ich mich schließlich, noch mit der Farbe an meinen Händen, auf das Sofa, was ich im Atelier stehen hatte, und schlief ein. Ich hatte einen seltsamen Traum von einer weiten, grünen Landschaft. Es war keine, die mir bekannt vorkam. Ich hätte nicht einmal sagen können, auf welcher Halbkugel der Welt sie sich befinden sollte. Doch über allem leuchtete eine rote Sonne.

    Als ich genauer hinsah, merkte ich, dass es gar keine Sonne war, was ich dort sah. Es hatte eine ovale Form, war umgeben von Flammen und zuckte seltsam hin und her. Und aus irgendeinem Grund machte es mir schreckliche Angst. Mit einem leisen Schrei erwachte ich aus diesem merkwürdigen Traum. Doch es war noch dunkel draußen und ich wusste im ersten Moment nicht, wo ich war. Erst, als sich mein Herzschlag wieder einigermaßen beruhigt hatte, konnte ich wieder klar denken und alle Bilder zusammen fügen.

    Am nächsten Morgen schickte ich eine Fotografie von dem neuen Bild an meinen Agenten. Eigentlich hätte ich heute am Gymnasium Unterricht geben müssen, doch ich hatte mich für die komplette Woche krank gemeldet. Hätte ich heute vor den Jugendlichen gestanden, hätte ich vermutlich nur jemanden umgebracht. Das Risiko wollte ich lieber nicht eingehen. Also blieb ich in meinem Atelier, setzte mich auf das zerschlissene Sofa und wartete auf Antwort.
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:30 Uhr)
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    Kapitel 3

    Wundersame Welt

    Fearwynn



    Wo war ich hier nur gelandet? Diese Frage geisterte immer wieder in meinem Kopf herum seit dem ich vor 2 Wochen in einem dunklen Wald aufgewacht war. Ich hatte es auf gegeben die beiden Männer zu fragen was mit mir passiert war, denn sie hatten mir in ihrer geschwollenen Redensart versichert hatten, dass sie keine Ahnung hatten wie ich in den Wald gekommen war. Und da laut ihnen die nächste größere Stadt der Menschen mehrere Tagesmärsche entfernt war würde ich sicherlich auch nicht allzu bald erfahren was passiert war.

    Was mich am meisten erstaunt hatte war, dass mein Husten in den letzten zwei Wochen kaum noch existent gewesen war. Ich hatte hier und dort einmal husten müssen, das konnte man jedoch mit einer normalen Erkältung bei Gesunden Menschen vergleichen.

    Sarkastisch lachte ich auf "gesunde Menschen" zu denen konnte ich wohl nicht zählen. Das Wort gesund hatte ich schon lange aus meinem Wortschatz gestrichen. Ich hatte nie so leben können wie andere, hatte nie das machen können was andere taten. Ich erinnerte mich an die unbeschwerte Zeit in der wir, damit meinte ich unsere zerrüttete Familie, im Sommer draußen in Zelten geschlafen hatten. Der Sommer war damals immer unsere liebste Jahreszeit gewesen. Jedoch nicht nur wegen den Temperaturen, sondern weil der Sommer auch immer die Jahreszeit war in der sich die Mittelaltermärkte sozusagen die Klinke in die Hand drückten und wir waren bei fast jedem dabei gewesen. Meine Eltern hatten sich auf solch einem Markt kennengelernt und waren der Schaustellergesellschaft, die sich dort in das mittelalterliche Leben zurück versetzte, verfallen. Meine Schwester und ich waren sogar während eines solchen Marktes geboren worden.

    In den darauf folgenden Jahren waren wir auf vielen Märkten gewesen und Gwyn und ich waren sozusagen in zwei Welten aufgewachsen. Einmal im 20. Jahrhundert und im 14. Jahrhundert. Wir hatten gelernt uns selbst Bogen zu bauen und sie auch präzise zu nutzen, ebenso hatte unser Vater uns beigebracht uns mit Schwertern und Dolchen zu verteidigen. Gwyn hatte immer mehr von der Distanz aus angegriffen um nicht in Gefahr zu geraten. Ich dagegen hatte zur damaligen Zeit nicht viel von Sicherheit gehalten ich mochte es meinem Gegner in die Augen zu sehen, von Angesicht zu Angesicht.

    Das war mit ein Grund warum mich diese Krankheit so zerstörte. Sie griff von hinten, heimlich und hinterhältig an und man konnte sich dagegen nicht verteidigen. Bei ihr nutzte kein Schild, kein Dolch oder Schwert. Noch nicht mal Vorsicht half, wenn das Schicksal entschieden hatte jemanden mit dieser Krankheit zu bestrafen.

    "Herr Aragorn ist nun schon mehrere Tage verschwunden. Ich frage mich was Gandalf ihm aufgetragen hat." bemerkte Deorhain während er zwei Hasen ans Lagerfeuer brachte. Erebor sah ihn mit einem schälmischen Lächeln an.

    "Vielleicht ist er auch nur wieder in Bruchtal aufgehalten worden. Er soll ein Auge für Lady Arwen haben." ohne Umschweife schlug der ältere Erebor leicht gegen den Hinterkopf und ich konnte mir ein kleines Kichern nicht verkneifen als er sich spielerisch verletzt die Stelle rieb.

    "Du solltest nicht so viel auf das Gerede der anderen geben Erebor, benutze lieber deine eigenen Augen."

    Die Art in der Deorhain sprach erinnerte mich sofort an Hubertus, einen der "Weisen Alten" wie sie auf manch einem Markt genannt wurden. Hubertus war eine Art Magier gewesen er kannte sich mit Heilkräutern aus und hatte uns Kindern nachts nie eine gute Geschichte versagt. Mir hatten besonders seine Geschichten über die jungen Mägde gefallen die sich zu verteidigen wussten und später durch ihren Mut den Respekt eines edlen Ritters erlangten.

    Doch damals war ich noch jung gewesen. Damals wusste ich nicht, wie es tatsächlich um die Liebe stand. Und vor allem wusste ich nicht, dass es mir verwehrt sein würde jemals zu lieben.

    Dafür beneidete ich meine Schwester Gwyn. Egal wie ihr Leben sonst verlief hatte sie doch immer die Chance auf Liebe gehabt. Die Chance eine eigene Familie zu haben. Einen Mann der sie liebte, Kinder für die sie ein Vorbild war, denen sie Geschichten erzählen konnte. Jedes Mal wenn ich ihr in die Augen blickte sah ich ein Leben in ihnen das mir für immer verschlossen bleiben würde und es fraß mich auf. Ich musste mir eingestehen, dass mich diese Krankheit so sehr verbittert hatte, dass ich Gwyn in gewisser Weise dafür hasste, dass sie gesund war. Ich hasste sie für das normale Leben das sie führen konnte. Sie hatte einen Job, ein Hobby und Freunde mit denen sie das alles teilen konnte. Sie hatte all das was ich in den letzten Jahren so schmerzlich vermisste.

    "Was bedrückt euch Fearwynn?" ich hatte nicht gemerkt wie sich Erebor neben mich gesetzt hatte und ich schrak kurz zusammen bevor ich ihm antworten konnte.

    "Nichts", log ich. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass ich meine Eigene Schwester hasste und das nur weil sie Gesund und glücklich war. Für was für ein Monster würde er mich halten? "Ich habe nur darüber nachgedacht was nun geschieht." sein Blick verriet mir, das ich mal wieder unter Beweis gestellt hatte, dass ich nicht lügen konnte, doch zu meiner großen Überraschung ließ er es dabei bewenden und fragte nicht weiter nach.

    Es irritierte mich ein wenig, denn ich war es von meiner Mutter gewohnt immer weiter gefragt zu werden, bis ich ihr sagte was los war. Wann immer ich auch nur eine Miene verzog hatte sie direkt Angst ich würde jeden Moment schwer krank werden. Sie behandelte mich wie ein rohes Ei das auf einem Löffel balanciert wurde. Es nervte unheimlich und manchmal hatte ich meinem Unmut auch Luft gemacht, doch wann immer dies passiert war, war meine Mutter in Tränen ausgebrochen. Wenn ich eines nicht überstehen konnte dann waren es die Tränen die meine Mutter meinetwegen vergoss.

    In Gedanken verloren sah ich dem prasselnden Feuer zu wie seine flackernden Flammen langsam die einzelnen Holzscheide, die Erebor und ich zuvor zusammen gesucht hatten, auffraßen. Ich lauschte dem prickeln das aus den kleinen explodierenden Wasserreserven des Holzes entstand und lies mich davon tragen. Ich erinnerte mich an das letzte Mal, dass ich an so einem Lagerfeuer gesessen hatte.

    Es war wenige Monate vor der Scheidung meiner Eltern gewesen. Meine Eltern hatten einen letzten Versuch gestartet unsere Familie wieder in die Richtigen Bahnen zu lenken und waren mit uns Kindern Zelten gefahren. Natürlich war Gwyn und mir bereits klar, dass unsere Familie nicht mehr zu retten war. Mein Vater versuchte zwar sich so zu benehmen als sei nichts passiert, aber ich merkte wie er sich von mir fernhielt. Er musste mich wohl so abstoßend finden, dass er mich noch nicht einmal ansehen konnte und das machte mich wütend. Er ergriff jede Gelegenheit, um nicht mit mir alleine sein zu müssen. Meistens bedeutete das, dass er mit meiner Schwester nach Holz für das Lagerfeuer suchte während ich mit meiner Mutter kochte. Nur bei den Mahlzeiten saßen wir alle zusammen und da schwiegen wir uns nur an. Ich hasste es wenn man mit anderen Menschen zusammen saß und sich nicht mit ihnen unterhielt.

    "Wer ist Aragorn?" fragte ich um die unangenehme Stille zwischen uns zu brechen und ein kurzes Lächeln zeichnete sich auf Erebors Gesicht ab. Er sah fast wie ein Junge aus der gerade über sein Idol befragt wurde, denn seine graublauen Augen strahlten. Ich kam nicht umhin sein Lächeln zu erwidern den es war so euphorisch, dass es regelrecht ansteckte.

    "Aragorn ist einer von uns. Er führt uns in gewisser Weise an. Wir, das sind alle Waldläufer zwischen dem Golf von Lune und dem Nebelgebirge. Er ist noch vergleichsweise Jung, nur wenige Jahre älter als ich, aber er hat es geschafft den Respekt der Älteren zu erlangen." Nachdem wie Erebor über diesen Mann redete stellte ich ihn mir als eine erhabene Gestalt vor die eine Aura der Sicherheit und Stärke verbreitete, eine Aura die einen in seinen Bann zog.

    "Und was macht ihr hier? Also was bedeutet es ein Waldläufer zu sein?" fragte ich interessiert. Ich hatte noch nie etwas von Waldläufern gehört und konnte mir nichts unter diesem Beruf vorstellen. Nun war es Erebor der in das Feuer starrte, seine Worte mit Bedacht auswählend.

    "Wir stellen sicher, dass Wanderer sicher durch diese Länder ziehen können, ohne von wilden Tieren oder bösen Mächten angegriffen zu werden." sagte er, doch ich merkte, dass er mir etwas verschwieg. Er log nicht, doch er erzählte mir nicht die vollkommene Wahrheit.

    Dann plötzlich hörten wir in der Ferne wie sich ein Pferd unserer Position näherte. Direkt löschte Erebor das Feuer vor uns und bedeutete mir still zu sein. Es war dunkel und meine Augen konnten sich nicht schnell genug an die Dunkelheit gewöhnen. Ich war praktisch blind. Nur durch das klirrende Geräusch das die Schwerter von Deorhain und Erebor erzeugten als sie aus ihren Scheiden gezogen wurden, wusste ich, dass es besser war wenn auch ich die Dolche zog die ich seit zwei Wochen in einer lasche meiner Stiefel befanden.

    Das Geräusch der herannahenden Hufe kam stetig näher und ich merkte wie mein ganzer Körper sich anspannte. Adrenalin Schoss in meine Adern und erzeugte ein prickeln in meinem Körper. Auf einmal spürte ich jeden Zentimeter meines Körpers. ich spürte meine Hände die sich fest um die Dolche klammerten. Ich spürte meine Füße und versuchte einen sicheren Halt zu bekommen.

    Ich merkte wie mein Körper vor Aufregung zitterte. Es war schon über 19 Jahre her, dass ich das letzte Mal eine solche Waffe in der Hand gehalten hatte und die Waffen waren nie scharf gewesen. Außerdem waren die "Kämpfe" immer nur aus Spaß gewesen.

    Erebors flacher aber dennoch tiefer Atem sagte mir jedoch, dass dies alles andere als ein Spaßkampf werden könnte. Er war genauso angespannt wie ich, vielleicht noch mehr. Dann preschte das Pferd an uns vorbei und ein bekanntes Gefühl durchströmte meinen Körper als der Reiter einen grellen, fast unnatürlichen Schrei von sich gab: Hoffnungslosigkeit. Das Gefühl schnürte mir die Kehle zu, lies meinen Atem aussetzen.

    "Was war das?" fragte ich als ich meine Fassung endlich wieder fand.

    "Was sagt dir dein Gefühl?" fragte Deorhain fast so als wollte er einem Kind die Möglichkeit geben seine eigenen Erfahrungen zu machen. Erebor rollte mit den Augen und wollte mir gerade Antworten, aber ich wollte Deorhain antworten, also hob ich meine Hand um Erebor davon abzuhalten mir die Antwort auf ein Silbertablett zu legen. Silbertablette hatte ich in meinem Leben genug bekommen. Jeder der von meiner Krankheit wusste und sich nicht von mir abgewendet hatte, hatte mir jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Seit 19 Jahren hatte ich mir nie mehr etwas hart erarbeiten müssen und es belebte mich regelrecht meinen Kopf wieder für etwas das ich wissen wollte anzustrengen.

    "Es war ein Schwarzer Reiter auf einem Schwarzen Pferd." bemerkte ich und Deorhain nickte, aber an seinem Blick sah ich , dass das nicht alles war. "Aber dieser Schrei, ich weiß nicht was das war. Ich kann es noch nicht mal einem Tier zuordnen, geschweige denn einem Menschen."

    "Das waren Ringgeister," erschrocken wirbelte ich herum. Bei der Drehbewegung zog ich reflexartig wieder die Dolche aus den Stiefeln und als ich mich drehte stießen sie klirrend mit einem Schwert zusammen.

    Ich hörte wie Erebor und Deorhain die Luft anhielten und sah auf einmal in ein weiteres Paar grauer Augen. Der Mann war deutlich größer als ich. Seine Haare waren fast Schulterlang und dunkel und ich musste leider feststellen, dass sie auch alles andere als gepflegt waren. Seine Kleidung war verschlissen. Um ehrlich zu sein, jagte er mir in gewisser Weise Angst ein.

    "Scharfe Waffen, für eine Lady wie ihr es seid." sagte er und beäugte meine Dolche, zog sein Schwert jedoch nicht zurück. Seine Stimme war tief und hatte etwas Erhabenes. Ich warf einen kurzen Blick auf Erebor und Deorhain die mich immer noch etwas entsetzt anstarrten.

    "Ich weiß auch mit ihnen umzugehen, mein Herr.", antwortete ich, aber es fiel mir schwer seinem durchbohrendem Blick standzuhalten. Dann begann er zu lachen. Auch die anderen beiden Männer lachten erleichtert, aber ich wurde wütend. Ich wusste nicht was los war und wusste den Mann der mir immer noch mit gezücktem Schwert gegenüber stand nicht einzuschätzen.

    "Ich denke nicht, dass man jemanden der mit gezückten Waffen vor einem steht auslachen sollte." zischte ich aus zusammen gepressten Zähnen. Wieder lachte der Mann vor mir.

    "Eine Lady mit einer sehr eigensinnigen Zunge.", sagte er und ohne das ich es erwartet hatte und ohne das ich etwas dagegen tun konnte schlug er mir mit einer Bewegung seines Schwertes die Dolche aus der Hand. "Es gibt nicht viele Frauen die Waffen tragen und wenige von ihnen trauen sich gegen einen Mann anzutreten. Sagt mir euren Namen.", sagte er.

    "Ich finde es unhöflich wenn sich ein Mann nicht zuerst vorstellt, vor allem da er mich entwaffnet hat.", entgegnete ich und hielt seinem Blick stand. Ich musste zugeben, dass das schwer und vor allem Gefährlich war, aber ich konnte nichts daran ändern. Das Adrenalin das immer noch durch meinen Körper schoss lies mich frech und aufmüpfig reagieren. Es war mein großes Glück, dass dies meinem Gegenüber zu gefallen schien.

    "Viele nennen mich Streicher." Er sagte es fast beiläufig und ich merkte, dass Streicher definitiv nicht sein wahrer Name war.

    "Mich interessiert nicht, wie euch viele nennen, ich möchte euren wahren Namen kennen, bevor ich euch den meinen Offenbare." Wieder lachte er.

    "Ihr gefallt mir. Selbst mit einem Schwert vor eurem Gesicht, denkt ihr nicht einmal daran eure Zunge zu hüten." Ich hörte wie Erebor und Deorhain wieder begannen zu atmen. Anscheinend hatten sie während unserer Unterhaltung die Luft angehalten.

    "Schön, dass euch meine Art entzückt, aber damit habt ihr mir noch immer nicht euren Namen genannt." Langsam wurde ich wirklich ungeduldig.

    "Das ist Aragorn, Arathorn's Sohn.", sprang Deorhain ein, der mittlerweile ein Lachen zurückhalten musste. Ich wurde augenblicklich steif. Das vor mir war tatsächlich Aragorn? Der Stammesführer? Ich sah ihn noch einmal an. Wie konnte ein so heruntergekommener Mann ein Stammesführer sein? Wie konnte er Menschen Leiten.

    "Ihr kennt jetzt meinen Namen werte Lady, wie lautet nun der eure?" Endlich senkte er sein Schwert und hob meine Dolche wieder auf.

    "Fearwynn.", sagte ich nur kurz.

    "Leider bleibt uns nicht viel Zeit für weitere Erklärung. Deorhain, Erebor, ich begebe mich auf dem Weg nach Bree. Gandalf hat mir aufgetragen dort zwei Hobbits zu treffen." Ich wunderte mich. Wenn er doch der Stammesführer war, wer konnte ihm dann etwas Auftragen? Wer war dieser Gandalf und was waren Hobbits.

    "Diese Reiter? Bedeutet es das was ich denke?", fragte Deorhain und er schien alles andere als erfreut. Aragorn nickte nur.

    "Es ist ziemlich unhöflich sich in Rätseln auszudrücken wenn jemand dabei ist, der diese nicht lösen kann." Die drei Männer sahen mich wieder an, als hatten sie mich schon ganz vergessen. Etwas darüber verärgert stemmte ich meine Hände in die Hüften.

    "Ihr solltet besser wieder dorthin gehen wo ihr her kommt, Fearwynn. Dies ist sicherlich kein Ort für eine Lady.", entgegnete Aragorn und es klang so als sei es kein Rat sondern ein Befehl, und diesen Ton konnte ich gar nicht leiden. Ich war in der Lage selbst zu bestimmen was gut für mich war und was nicht. Sicherlich, in einem Krankenhaus war ich wahrscheinlich besser aufgehoben, doch ich hatte mich seit meinem Erwachen in diesem Wald nicht mehr krank gefühlt. Im Gegenteil ich hatte mich schon lange nicht mehr so lebendig und gesund gefühlt. Hier hielt mich keiner von den Sachen ab die ich tat, weil sie mich umbringen konnten, hier war ich nicht das rohe Ei. Außerdem wusste ich gar nicht wie ich wieder zurückkommen würde.
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:31 Uhr)
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  4. #4
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    Halli hallo,

    heute haben wir wieder ein neues Kapitel für Euch! Hoffentlich gefällt es Euch und Ihr hinterlasst uns ein klitze-kleines Reviewchen? )

    Dieses Mal besuchen wir wieder Gwyneth' Gedankenwelt. Viel Spaß dabei!

    Alles Liebe, Eure Lilly

    ************************************************** *******************************************

    Kapitel 4

    Fearwynns Vermächtnis

    Gwyneth


    Die Antwort kam erst eine Woche später und bestand darin, dass man mein Bild ausstellen wollte. Widerwillig gab ich es für die gewünschte Galerie her. Eigentlich hatte ich es behalten wollen. Doch was hätte mir das genützt? Wenn ich es wirklich so gewollt hätte, hätte ich Thomas, meinem Agenten, erst gar nicht das Foto geschickt. Zum Glück wurde das Bild nicht gleich verkauft.

    Irgendwann in dieser Woche, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, fuhr ich zu meiner Mutter. Sie hatte Wynnis Sachen ausgemistet und stellte mir nun eine Reihe von Dingen vor, die mich vielleicht interessieren könnten. Darunter alte Kleider von ihr, die mir jedoch nicht passen würden. Ersten war meine Schwester größer als ich gewesen und auch dünner.

    Ich war mit meiner Konfektionsgröße 38 sicher nicht dick, aber Wynni hatte das, was neidische Menschen mit einem abfälligen Blick als „Size Zero“ bezeichneten. Und in eine Jeans Größe 27/34 konnte ich mich, selbst mit viel gutem Willen, nicht hinein zwängen.

    Außerdem waren da noch alte Spielsachen von uns, die aber schon so abgegriffen waren, dass meine Mutter sie vermutlich nicht mal auf dem Flohmarkt hätte loswerden können. Und ich war von Natur aus ein Mensch, der nicht gerne hortete. Wenn ich etwas länger nicht gebraucht hatte, wanderte es sofort in den Mülleimer. Und Grußkarten, ob zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach so, flogen bei mir sofort raus. Sehr zum Unmut meiner Mutter, die so etwas gerne noch in eine Kiste packte, die dann auf dem Dachboden verstaubte.

    Das einzige, was ich mitnahm, war ein Foto von Wynni und mir, als wir ungefähr 10 Jahre alt waren. Es musste auf besagter Klassenfahrt aufgenommen worden sein, bevor sie sich infiziert hatte.

    Ich konnte mich noch genau an den Gesichtsausdruck meiner Mutter erinnern, als sie das Unglück gesehen hatte. Wynni hatte weinend auf ihren Arm gezeigt, indem noch die Nadel der Spritze gesteckt hatte. Sofort musste sie unserer Ma zeigen, wo und wie das passiert war. Als dann schließlich der Penner, dem dieses Lager gehörte, auftauchte und rumschrie, dass man seine Sachen gefälligst in Ruhe lassen sollte, war Mama ausgeflippt. Sie hatte ihn angebrüllt, wie er nur so verantwortungslos hätte sein können und solche Sachen. Ganz genau weiß ich es nicht mehr, aber sie hat die ganze Zeit geweint dabei.

    Auf dem Rückweg zum Lager hatte sie kein Wort gesagt, auch wenn wir beide immer wieder gefragt hatten, was denn nun los wäre und ob Wynni würde sterben müssen. Mama hatte nur die Lippen zusammen gebissen und stumme Tränen waren ihre Wange hinunter gelaufen. Wahrscheinlich hatte sie es damals schon geahnt. Sie musste den Test gar nicht mehr abwarten, um zu wissen, dass ihre Tochter dem Tode geweiht war.

    Und von da an hatte sich alles verändert. Für uns alle.

    „Es tut mir leid, Gwyn“, sagte meine Mutter. Sie war hinter mich getreten und hatte ihre Hände auf meine Schultern gelegt, während ich das Foto betrachtete. „Was tut dir leid, Mama?“, fragte ich. Ich drehte mich zu ihr um und sah sie an. Sie hatte die gleichen Augen wie ich.

    Ich hielt den Fotorahmen fest in meiner rechten Hand, darauf abgebildet waren zwei Mädchen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Das einzige, was wir schon immer gemeinsam hatten, war unsere dunkle Haarfarbe. Und wir beide lächelten auf diesem Bild, als hätten wir noch nichts Böses von dieser Welt erfahren. Nur ein paar Tage später war diese heile Welt zusammen gebrochen.

    Die Hand meiner Mutter streichelte meine Wange. „Was ich dir angetan habe.“ Ich schnaubte. „Aber du verstehst das doch sicher, oder nicht?“, sagte sie und sah mich mit meinen eigenen Augen an. Tränen schwammen darin und ich konnte sehen, dass es ihr wirklich leid tat. Doch das spielte keine Rolle mehr. Für Reue war es viel zu spät – 20 Jahre zu spät.

    Wütend sagte ich: „Was soll ich verstehen?“ Meine Stimme wurde lauter, als ich es beabsichtigt hatte und ich sah, wie meine Mutter zusammenzuckte. „Dass ihr eure gesunde Tochter alleine gelassen habt, weil sie ja auch ganz gut selbst zurecht kommen konnte? Dass ihr mir eure Liebe und eure Fürsorge vorenthalten habt, weil alles nur noch für Wynni da war? Weil ihr nur noch für Wynni da wart? Natürlich verstehe ich das. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich es akzeptiere oder deine Entschuldigung annehme.“

    „Gwynni“, begann meine Mutter und streckte ihre Hände nach mir aus, doch ich wich zurück. Ich sah den Schmerz in ihren Augen, konnte geradezu hören, wie ihr Herz zerbrach, doch es war mir egal. „Wir haben das doch nicht mit Absicht getan. Dein Vater und ich sind an dieser Krankheit zerbrochen. Das Virus hat unsere Familie kaputt gemacht.“

    Meine Hand krallte sich fester um das Glas und ich fürchtete im ersten Moment, dass ich es zerbrechen könnte. Doch der Rahmen knirschte nur leise. „Nein, Mutter“, sagte ich und meine Stille klang so kalt, dass es mich beinahe fröstelte. „Nicht das Virus hat unsere Familie kaputt gemacht. Das warst du ganz allein. Du hast mich damit alleine gelassen und Papa nie die Möglichkeit gegeben, das alles zu verarbeiten. Deswegen ist er weggezogen: weil er das alles nicht mehr ertragen konnte, weil er dich nicht mehr ertragen konnte.“

    Ich musste tief Luft holen, um nicht auch noch zu weinen. Der Knoten in meiner Brust wurde größer und bald würde er mir die Möglichkeit rauben zu sprechen. Deswegen musste ich noch all das sagen, was ich meiner Mutter schon immer sagen wollte.

    „Du hast dich von ihm und von mir zurück gezogen und so getan, als hättest du nur noch eine Tochter. Und als wäre alles Unglück der Welt nur für dich da. Sie hast du wie eine Porzellanpuppe behandelt und mich wie Dreck. Sie war das heilige Kind und ich die Sünderin. Obwohl ich nichts getan hatte, war ich die Böse, die bestraft wurde.“ Nun liefen die Tränen doch und ich schämte mich dafür. Ich hatte meiner Mutter eigentlich nicht zeigen wollen, wie sehr mich das alles mitgenommen hatte.

    Doch nun standen wir da, sahen uns an und weinten Tränen der Enttäuschung, der Verzweiflung und Trauer und der Unfähigkeit, über den eigenen Schatten zu springen. Auch wenn meine Mutter sich bei mir entschuldigt hatte, konnte ich ihr nicht vergeben. Ich war noch nicht soweit. Vermutlich würde ich nie soweit sein.

    Es war viel leichter gewesen, meinem Vater zu verzeihen. Es war mir immer so vorgekommen, als würde er das Gleiche durchmachen, wie ich. Deswegen war es einfach gewesen, mit ihm auszukommen. Doch bei meiner Mutter war das anders.

    „Gwyneth“, sagte sie und ihre Stimme zerbrach fast. Es hätte mir auch das Herz zerreißen müssen, doch das tat es nicht. Es war, als wäre mein Innerstes zu einem Klumpen Eis erstarrt, den man nicht einmal mal mehr mit einem Schweißbrenner hätte zum Schmelzen bringen können. „Gwyneth, du bist nicht die Böse. Du bist meine Tochter. Bitte, mach es uns nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist.“

    Wieder streckte sie die Hände nach mir aus, doch auch dieses Mal wich ich ihr aus. „Du meinst, ich soll es dir nicht schwerer machen. Jetzt, wo deine Lieblingstochter tot ist, erinnerst du dich plötzlich daran, dass du auch noch eine zweite hast. Und auf einmal hast du wieder etwas für mich übrig? Es tut mir leid, Mutter, aber das kann und will ich dir nicht glauben.“

    Plötzlich waren meine Tränen versiegt. Ich wischte mir mit meinem Ärmel über das Gesicht, schluckte einmal kräftig und sagte dann mit neu gewonnenen Stärke: „Mutter, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich nicht mehr anrufen, nicht mehr besuchen oder sonst wie kontaktieren würdest. Ich wünsche vom heutigen Tage an keinerlei Kontakt mehr zu dir. Sollten sich noch Sachen von mir in deinem Besitz befinden, überlasse ich es dir, was du damit anstellen willst. Das einzige, was ich will, ist dieses Foto.“

    Sie war zu perplex, um etwas erwidern zu können. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte mich nicht zurückhalten können, weil ihre Beine ihr nicht zu gehorchen schienen. Das einzige, was sie tun konnte, war mir hinterher zu schauen und weiter stumme Tränen zu weinen. Und mein Hass auf sie wuchs nur noch.

    Die nächsten Monate verbrachte ich in einer Art Delirium. Ich war nicht mehr zum Unterricht erschienen, sondern hatte mich stattdessen in meinem Atelier eingeschlossen und nur noch gemalt. Wenn ich aus meiner Trance erwachte und Hunger verspürte, ließ ich mir eine Pizza kommen. Doch das passierte nicht sehr oft. In der Welt, in der ich mich nun befand, gab es keinen Hunger. Es gab keinen Durst und keine Müdigkeit. Man hätte es das Paradies nennen können, wenn nicht die Albträume gewesen wären.

    Irgendwann fing ich sogar wieder das Rauchen an. Und ehe ich mich versah, versank meine kleine Küche, die ich mit dem Atelier gemietet hatte, in einem Haufen von leeren Pizzakartons und vollen Aschenbechern. Mein Kaffeekonsum überstieg sogar den der Finnen und der Pizzabote, der mich netterweise ebenfalls mit mehr und mehr Zigaretten versorgte, nannte mich bald beim Vornamen.

    Mein Körper dankte es mir, indem mein Overall bald nur noch an meinen Schultern richtig saß. Meine Hüften, auf die ich sonst so stolz gewesen war, verschwanden, genauso wie mein Busen. Bald war ich nicht mehr das wohl genährte kleine Mädchen, sondern nur noch ein ziemlich kurzer Strich in der Landschaft. Die Ironie an der ganzen Sache war, dass ich mir das früher immer gewünscht hatte. Ständig hatte ich Diäten gemacht und mir vorgestellt, ich könnte so schlank aussehen, wie meine Schwester.

    Irgendwann hatte ich es jedoch aufgegeben. Nachdem mir mehr und mehr Männer begegnet waren, die an Frauen gerne etwas zum Anfassen hatten, war ich sogar mit meinem Selbstbewusstsein soweit gekommen, dass ich mich in meiner Haut richtig wohl fühlte. Vermutlich hätte ich mich lieber umgebracht, als noch eine weitere Diät zu machen und auch nur ein Pfund von mir einzubüßen.

    Doch jetzt kümmerte es mich nicht mehr. Es war mir egal, wie ich aussah. Ich hatte eh nie besonders viel Glück mit den Männern gehabt. Entweder lag es an meinem miesen Karma, dass sie alle schreiend davon liefen, oder ich war einfach nicht für das Zusammenleben mit einem Mann geschaffen.

    Die letzte Beziehung, die man auch wirklich so nennen konnte, war bereits über zwei Jahre her und hatte mich in ein tiefes Loch stürzen lassen. Zumindest was das andere Geschlecht anging. Im ersten Moment war der Kerl mir wie die Offenbarung vorgekommen. Doch dann hatte sich nach knappen fünf Monaten Beziehung herausgestellt, dass er noch immer in seine Ex verliebt gewesen war.

    Und von da an war es stetig bergab gegangen. Der Erste hatte Bindungsangst; der Zweite war auf seine Mutter fixiert; der Dritte war ein chronischer Fremdgeher; der Vierte meldete sich nach dem ersten Date nie wieder; und der Fünfte wartete nicht einmal bis zum ersten Date, sondern brach davor schon den Kontakt ab. Ich hatte sogar schon ernsthaft darüber nachgedacht, lesbisch zu werden. Doch vermutlich hätte mich das auch nicht glücklicher gemacht.

    Glück spürte ich nun auch nicht mehr. Ich spürte gar nichts mehr. Ich lebte nur noch in meiner Welt aus Kaffee, Farben und Zigaretten. Ich war tatsächlich zu einem dieser exzentrischen Künstler geworden, die ich sonst immer nur belächelt hatte. Die, die nur ein weiten Gewändern und mit Mützen durch die Galerien dieser Welt schlürften, um sich die nächste Inspiration zu holen. Oder solche, die ständig pleite in irgendwelche Cafés saßen, um zumindest einen Hauch von sozialem Miteinander zu erleben. Die alte Gwyneth hätte sich vermutlich über mich lustig gemacht, wenn sie mich nun so gesehen hätte. Doch diese Gwyneth gab es nun nicht mehr.

    Der Tod meiner Schwester und vor allem der daraus resultierende Bruch mit meiner Mutter hatten eine so tiefe Wunde in meine Seele gerissen, dass ich hätte sterben können, ohne es zu merken. Äußerlich sah ich noch aus wie ein Mensch. Doch in meinem Inneren gab es nichts mehr. Wenn man mich aufgeschnitten hätte, wäre einem der Gestank von Nikotin aus einem gähnend schwarzen Loch entgegen gekommen. So stellte ich es mir zumindest vor. Und so malte ich mich auch.

    Das Bild, welches ich schließlich „Selbstportrait“ taufte, war der Umriss eines menschlichen Torsos auf schwarzem Hintergrund. Dort, wo eigentlich das Herz saß, grinste ein blanker Schädel, der eine brennende Zigarette zwischen den Zähnen hielt. Und in seinen Augen leuchtete ein schwaches Feuer, das kurz vor dem Ersticken war.

    Und genauso sah ich mich auch. Ich war leer, ausgebrannt und fühlte mich hilflos. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich die Kraft, jeden Tag noch vor dem Sonnenaufgang aufzustehen, neue Farben zu mischen und weitere weiße Leinwände in Gemälde zu verwandeln.

    Meine Mutter rief nach unserem Streit ständig bei mir an. Sie hinterließ jeden Tag eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, die ich noch nicht einmal abhörte, sondern sie sofort löschte. Irgendwann, nach dem gefühlt hundertsten Anruf, hielt ich es nicht mehr aus. Mitten in einem Bild vertieft, die Hände und das Gesicht mit Farben beschmiert, packte ich das Kabel des Apparates, riss es aus der Wand und warf den AB samt meinem Telefon zum Fenster hinaus.

    Die plötzliche Ruhe hinterließ ein seltsames Klingeln in meinen Ohren und im ersten Moment hatte ich das Gefühl, dass mir etwas fehlte. Doch nachdem ich zwei Tage lang kein nerviges „Ring Ring“ mehr gehört hatte, genoss ich es, völlig von der Außenwelt abgeschieden zu sein.

    Danach, als man mich weder über das Festnetz, noch über mein Mobiltelefon, welches bereits seit Tagen kein Ladekabel mehr gesehen hatte, erreichen konnte, stand mein Vater ein paar Mal vor meiner Tür. Vermutlich hatte meine Mutter ihm von unserem Streit erzählt und nun machte er sich Sorgen um mich. Dass meine Mutter sich vielleicht auch Sorgen um mich machen könnte, erschien mir zu diesem Zeitpunkt absurd.

    Widerwillig öffnete ich meinem Vater schließlich die Türe, nachdem er beinahe drei Stunden geklopft und gebettelt hatte. Er hatte von seinem Arzt Tabletten bekommen, die ihn stabilisierten, und es schien als wollte er mir davon auch welche andrehen. Doch davon wollte ich nichts hören.

    Er sagte mir, dass er sich große Sorgen um mich machen würde, weil ich nicht mehr für die Türe ging, und dass er die letzte Miete meiner Wohnung bezahlt hatte. Dort war ich seit Wynnis Tod nicht mehr gewesen. Auch das hatte er bemerkt, denn er war der Einzige, der einen Schlüssel hatte.

    Als er einmal dort war, um meine Blumen zu gießen, war ihm mein Vermieter über den Weg gelaufen. Der hatte meinem Vater gedroht, mich bald vor die Türe setzen zu wollen, sollte ich noch mal so weit mit meiner Miete im Rückstand sein. Paps hatte ihm versichert, dass das nicht mehr vorkommen würde, hatte aber noch am gleichen Tag eine Kündigung in meinem Namen aufgesetzt und abgeschickt.

    Sein Weihnachtsgeschenk für mich war der Schlüssel zu einer Garage, in der mein gesamter Besitz Platz gefunden hatte. Mein ganzes Leben ging doch tatsächlich in nur vier Kubikmeter.

    Nur eine Sache hatte er mir mitgebracht. „Ich dachte, den möchtest du vielleicht haben, Kleines“, sagte er und reichte mir einen Lederbeutel. Ich erkannte ihn sofort und riss ihm das Teil mehr oder weniger aus den Händen. Hastig öffnete ich die Schnur und schüttetet den Inhalt in meine Handfläche.

    Der helle Stein glitzerte im Licht meiner Neonröhren und ganz plötzlich schien die Leere in mir nicht mehr ganz so unerträglich. „Das ist ja unser Ring“, sagte ich leise und mein Vater nickte. Unsere Eltern hatten damals, als sie erfahren hatten, dass meine Mutter Zwillinge erwartete, zwei völlig identische Ringe aus Silber gekauft. Und darauf thronte ein dreieckiger, gelber Stein, ein Beryll. Leider waren ihre zwei Mädchen so gar nicht wie diese Ringe gewesen.

    Und doch hatten sie mich und meine Schwester immer auf eine bestimmte Art verbunden. Und als ich ihn an den Finger steckte, hätte ich schwören können, dass ich Wynnis Stimme hörte, wie sie mir etwas zuflüsterte.

    tbc...
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:32 Uhr)
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  5. #5
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    So,

    es sind wieder zwei Wochen seit dem letzten Kapitel vergangen

    und heute ist Dienstag, das heißt Updatezeit ^^

    Da Versorge ich euch natürlich wieder mit einem netten Kapitel. Diesmal geht es wieder um Fearwynn die zusammen mit Erebor und Deorhain durch die Wälder Mittelerdes wandert.

    Ich wünsche euch viel spaß und bitte euch dafür zu sorgen, dass wir nicht wegen den schlimmen Folgen eines Reviewentzugs im Krankenhaus enden. Glaubt mir diese Sucht ist schlimmer als jedes Dope. ^^

    viel Spaß beim Lesen

    Eure Neffi.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~


    Kapitel 5

    Die Monster unter dem Bett

    Fearwynn


    Aragorn war, kurz nachdem er gekommen war, auch schon wieder verschwunden gewesen. Ich hatte nicht viel von ihm mitbekommen, nur diese Macho-Sprüche, die ich überhaupt nicht leiden konnte. Um ehrlich zu sein hatte er nicht gerade einen guten Eindruck bei mir hinterlassen und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine Frau, noch dazu eine Elbe, diesen Mann lieben konnte. In den letzten paar Tagen hatte mir Erebor viel über Lady Arwen, die Tochter Lord Elronds aus Bruchtal, erzählt. Es war unverkennbar, dass auch er diese Frau in einer gewissen Weise anhimmelte, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine Frau tatsächlich so hübsch sein konnte wie er sie beschrieb.

    Mittlerweile konnte ich meine Füße kaum noch spüren. Ich war seit Jahren nicht mehr so viel gelaufen. Um ehrlich zu sein, war ich noch nie so viel gelaufen. Deorhain gewährte uns nur eine Pause um zu Essen oder um ein paar Stündchen zu schlafen. Wenn es ums Schlafen ging war ich den beiden Männern äußerst dankbar, dass sie sich auch meine Wache aufteilten, damit ich ausschlafen konnte.

    „Hast du gut geschlafen?“, fragte Deorhain mich grinsend als ich eines morgens, wir waren nur noch wenige Tage von Tharbad entfernt, aufwachte. Ich nickte nur. Ich war schon immer ein kleiner Morgenmuffel gewesen. Ohne einen Schluck Kaffee in Aussicht, war ich mittlerweile zum wahrscheinlich denkbar größten Morgenmuffel geworden, den es gab. Ich war mir sicher, noch nicht mal meine Schwester Gwyn hätte mich nun übertreffen können. Es war seit je her bekannt, dass man sie, zumindest wenn man sein Leben liebte, nicht ansprach, wenn sie nicht mindestens schon 3 Stunden wach war.

    „Du wirst sicher glücklich sein, bald wieder in einem weichen Bett schlafen zu können, nicht wahr?“ Nun kam auch Erebor dazu und ich sah, dass er einen toten Hasen in seiner Hand hielt. Früher war ich immer strickt beim Essen gewesen: morgens Brot, mittags etwas Warmes und abends auch wieder Brot oder etwas anderes Kaltes. Hier in den Wäldern war dies jedoch nicht möglich. Niemand wartete hier am Straßenrand, um einem Brot und Aufschnitt zu verkaufen.

    Die letzten 2 Monate hatten mir gezeigt, welch angenehmes Leben ich doch, trotz meiner Krankheit, hatte führen können. Immer warmes Wasser zum Duschen, ein weiches Bett inklusive Kissen und Decke, Essen wann immer ich es wollte, Telefon, Computer, Handy. Das alles hatte ich hier nicht. Zu Hause hatte ich nie damit gerechnet, dass ich solche Sachen irgendwann einmal vermissen würde, doch nun merkte ich, dass ich es tat. Wie gerne hätte ich meine Mutter angerufen um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung war, dass sie sich keine Sorgen machen musste, sondern mich einfach nur abholen sollte. Wie gerne hätte ich mich nun von Ärzten untersuchen lassen, denn ich hatte mir vor einigen Tagen bei der Wanderung meinen Knöchel so hart an einer Wurzel gestoßen, dass ich mir sicher war, dass er zumindest geprellt, wenn nicht sogar gebrochen war.

    Erebor hatte angeboten mich zu tragen, aber das war dann doch unter meiner Würde gewesen. Daraufhin hatte Deorhain mir dann aus einem seiner Ersatzhemden einen Stützverband gemacht, in dem ich einigermaßen zügig gehen konnte. Ebenso hatte er irgendwelche Kräuter aus dem Wald in den Verband gesteckt, und ich hatte das Gefühl, dass sie meinen Schmerzen Linderung verschafften.

    „Na ja, weiche Betten sind nichts für mich, da bekomme ich nur Rückenschmerzen. Die Mittelharten sind die Besten.“ Bemerkte ich trocken und nahm ein Stück von dem Hasen entgegen, das Erebor mir hinhielt.

    Es war komisch nur mit Männern zu reisen. Die letzten Jahre hatten mich die meisten Männer gemieden und ich war deren Gesellschaft daher alles andere als gewöhnt. Deorhain und Erebor mieden mich jedoch nicht. Okay, sie wussten ja auch nichts von meiner Krankheit. Ich war der Meinung gewesen, ihnen nichts sagen zu müssen solange es mir gut ging und ich keine Anzeichen zeigte, einen Rückfall zu bekommen. Und selbst wenn, wenn ich wieder so hilflos im Bett liegen würde wie vor 2 Monaten, da war der Tod mittlerweile wahrscheinlich wirklich besser. Ich hatte mittlerweile wieder das Leben gekostet, das Leben ohne Einschränkungen der Gesundheit wegen. Niemand war da, der mich rund um die Uhr bewachte, niemand, der mir sagen konnte, was ich zu tun oder zu lassen hatte. Ich konnte endlich meine eigenen Entscheidungen treffen.

    „Es sind noch 3 Tagesmärsche bis Tharbad, aber es wird dir gefallen, Fearwynn“, sagte Deorhain, doch dann hörten wir in weiter Entfernung Stimmen. Es waren keine Menschen, denn die Stimmen unterhielten sich nicht. Sie schrien und kreischten mit Stimmen, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Die beiden löschten umgehend das Feuer, verwischten unsere Spuren auf dem Weg und zogen mich mit sich ins Gebüsch. Mit gezückten Waffen erwarteten wir, was sich uns dort näherte. Die Geräusche kamen immer näher, doch durch den Baum, der vor mir stand, konnte ich nichts sehen. Ich spürte wieder, wie mein Adrenalinspiegel stieg, mittlerweile ein fast normales Gefühl. Ich war das Leben im Wald nicht gewöhnt und jedes neue Geräusch ließ mich unruhig werden. Erebor und Deorhain lachten immer, wenn ich wegen irgendeinem Vogel aufschreckte und meine Dolche zog. Immer, wenn ich dies getan hatte, hatte mich Erebor im Namen des Vogels zu einem kleinen Kampf heraus gefordert und ich war ihm dankbar dafür. Dadurch waren meine etwas eingerosteten Kampfkünste wieder zu neuem Leben erwacht.

    Plötzlich schossen die Kreaturen, die diese Geräusche von sich gegeben hatten, an uns vorbei. Ich musste einen Schrei unterdrücken, denn so etwas wie diese Kreaturen hatte ich noch nie gesehen. Sie waren hässlich, nein, mehr als hässlich. Sie waren vollkommen entstellt. Ich konnte noch nicht mal sagen, was sie waren. Waren es Menschen, waren es Liliputaner, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden waren? Ihre Arme waren genauso lang wie ihre Beine und sie liefen wie Affen, nur halb aufrecht und stützen sich teilweise auf ihre Hände. Sie waren durch Rüstungen geschützt und trugen Schwerter, Sicheln oder andere Waffen mit sich. Es war jedoch nicht nur das Aussehen der Kreaturen, das mich erschreckte, sondern auch ihre Masse. Ich merkte wie Deorhain und Erebor beide ihre Hand auf meinen Rücken gelegt hatten um mich sanft, aber bestimmend zu Boden zu drücken. Ich war einerseits etwas erbost darüber, denn es war mal wieder eine unterdrückende Geste, aber anderseits wusste ich, dass ich sonst aufgestanden und vor Angst davon gelaufen wäre. Das hätte sicherlich die Aufmerksamkeit der Kreaturen auf uns drei gerichtet.

    „Ihr könnt mich wieder loslassen“, zischte ich, als der Trupp von Kreaturen an uns vorbei gezogen war. Langsam verringerten sie den Druck, bis sie ihre Hände ganz wegnahmen und selbst aufstanden.

    „Was wollen diese Biester?“, fragte ich, denn ich sah in die geschockten Augen zweier Männer. Sie schienen nicht glauben zu wollen, was sie gesehen hatten.

    „Das sind Goblins, Diener des Dunklen Herrschers. Ich habe keine Ahnung, wo sie herkommen, aber ich fürchte, sie sind auf dem Weg nach Tharbad“, sagte Deorhain abwesend, so als lese er es irgendwo ab, während sein Kopf anderen Gedanken nachhing.

    Goblins, von solchen Kreaturen hatte ich bisher nur in Geschichte gelesen. Nie hatte ich davon gehört, dass sie tatsächlich in irgendeinem Teil der Welt herumliefen. Und wer war der Dunkle Herrscher? Natürlich, es gab so einige Menschen an den Spitzen der Regierungen, die nicht gerade koscher waren, aber ein Dunkler Herrscher? Dann musste ich leise Prusten. Meinten sie vielleicht Bush? Den Bush, der nun seit einiger Zeit der Präsident der Vereinigten Staaten war? Natürlich, ich mochte Bush nicht und ich hatte ihn auch nicht gewählt, ihn aber als Dunklen Herrscher zu bezeichnen war dann doch etwas übertrieben. Aber ich konnte mir nun ungefähr vorstellen, wo wir waren. Wahrscheinlich waren wir irgendwo im Staate Washington. Hier waren Berge und Wälder, und die Leute waren gegen die Republikaner. Ich wohnte zwar erst seit einigen Jahren in den USA, aber so viel hatte ich davon schon mitbekommen: die Republikaner wurden eigentlich nur von der Mitte des Landes gemocht. Der Westen und der Osten waren eher für die Demokraten.

    Meine Mutter war nach der Scheidung meiner Eltern mit mir nach Kalifornien gezogen weil es in San Francisco eines der besten Krankenhäuser für die Aids-Forschung gab. Sie wollte für mich alles tun, was sie konnte, wollte sichergehen, dass es mir gut ging. Natürlich war es schwer für mich gewesen, von Deutschland, dem Heimatland meines Vaters, nach San Francisco zu ziehen. Ich konnte zwar einigermaßen Englisch sprechen, aber damals hatte ich noch den ein oder anderen Freund gehabt, den ich zurücklassen musste. Außerdem war der Zwist zwischen mir und meiner Schwester nicht allzu schlimm gewesen und ich vermisste sie sehr. Aber dann kam mir ein Gedanke, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: wenn wir nun in Washington waren … dann war ich viel zu weit weg von zu Hause. Viel zu weit weg, als dass meine Mutter mich sofort würde holen können. Und zu weit weg um im Notfall schnell in das Aids-Center zurück gebracht zu werden.

    Dann packte Erebor meinen Arm und zog mich mit sich. Anscheinend hatten sie versucht mich zum Laufen zu kriegen. Doch in dem Moment als ich bemerkte, wie weit entfernt ich war, war ich steif geworden. Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, wie ich hier her gekommen war. Keine Ahnung, wie ich nach der OP hier gelandet sein könnte. Irgendjemand musste mich tatsächlich entführt haben. Doch welchen Vorteil hatte man, wenn man mich hier aussetzte? Ich konnte es mir einfach nicht erklären, aber spätestens wenn wir nach Tharbad kamen, würde ich nach Hause kommen und vielleicht würde sich dann alles aufklären.

    „Komm schon, Fearwynn, wir müssen uns beeilen!“, rief Deorhain und ich konzentrierte mich wieder auf das Hier und Jetzt. Wir waren nicht mehr auf dem Weg, sondern rannten so durch die Wälder. Ich verstand nicht ganz, was die beiden vorhatten, aber ich war mir sicher, dass es etwas mit diesen Goblins zu tun hatte. Ich versuchte mit den beiden mit zu halten, doch ich merkte, dass der Abstand zwischen uns immer größer wurde. Auch Deorhain und Erebor merkten das, doch sie konnten keine Rücksicht auf mich nehmen und in meinem Tempo rennen.

    „Fearwynn, wir müssen so schnell wie möglich nach Tharbad. Die Goblins sind auf dem Weg dorthin und das sicherlich nicht um dort zu Plaudern. Wir müssen die Einwohner warnen, bevor es zu spät ist“, sagte Deorhain und sein Blick war mehr als gehetzt. Er war in aufrichtiger Sorge und ich konnte seine Sorge verstehen. Wenn dort, wie vermutet, viele Waldläufer waren, dann würden bald viele seiner Sippe sterben, viele seiner Freunde. Ich zuckte resignierend mit den Schultern und sprang eher widerwillig auf Erebors Arme.

    „Ich danke dir, Fearwynn“, flüsterte er und ich sah ihn an, während er wieder begann zu laufen. „Es ist wirklich wichtig, dass wir vor den Goblins ankommen. In Tharbad leben größtenteils Frauen und Kinder“, sagte er.

    Aus den 3 Tagesmärschen wurden durch unser Tempo und dadurch, dass Erebor und Deorhain keine Rast machten, ein Tag und wenige Stunden. Doch als wir am Rand des Waldes ankamen, sahen wir, dass Tharbad bereits brannte. Ein Schrei entfuhr Erebor, er ließ mich beinahe fallen und rannte ohne Kopf und mit gezücktem Schwert los. Deorhain wollte ihn zuerst aufhalten, doch dann folgte er ihm.

    Was blieb mir nun übrig? Ich musste ihnen folgen. Aber mir fiel trotz der Brände auf, dass Tharbad nicht das war, was ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte gedacht eine Stadt mit vielen Häusern, vielleicht sogar einige Hochhäuser zu sehen, doch Tharbad war … alt. Wie eine Stadt im Mittelalter. Alles war aus grauem Stein gemeißelt.

    Doch ich konnte mich nun daran nicht aufhalten. Deorhain und Erebor waren schon weit vor mir und ich kannte mich nicht aus. Ich zog also meine Dolche und folgte ihnen. Das Adrenalin in meinen Adern verhinderte, dass ich den Schmerz in meinem Knöchel zu ernst nahm. Ich lief, als wäre er vollkommen geheilt und auch ich stieß einen Schrei aus. Je näher ich der Stadt kam, desto klarer sah ich die Horden von Goblins, die sich durch die Tore der Stadt drängten. Ebenso sah ich, dass auf den Mauern der Stadt vereinzelt Männer standen und mit Bögen und Katapulten nach den Goblins zielten.

    „Fearwynn, verschwinde! Das ist zu gefährlich!“, schrie Deorhain, doch ich wollte nicht verschwinden. Gerade hatte ich gesehen, wie einer der Goblins einem Unbewaffneten die Kehle aufgeschnitten hatte. Es war brutal und grausam und ich wollte etwas dagegen tun. Ich war mir sicher, diese Kreaturen würden auch keinen Halt vor den Kindern und Frauen machen.

    Als ich dann auf selber Höhe war wie Erebor und Deorhain, die bereits mit den Goblins kämpften, wurde auch ich angegriffen. Der Goblin kreischte kurz und sah dabei wie eine fauchende Katze aus. Dann sprang er mit seiner undefinierbaren Waffe auf mich zu. Ich konnte nicht viel tun und er klammerte sich an mir fest. Ich versuchte ihm mit meinen Dolchen die Gliedmaßen abzutrennen, damit er mich losließ, doch ich traf ihn nicht. Dann spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem linken Arm. Na klasse, ich hatte mich immer für eine gute Kämpferin gehalten und hier war der Gegenbeweis.

    Der erste Ernstfall und ich würde sterben. Aber das Gute an der Sache war, dass ich blutete und diese Kreatur auch. Ich wusste zwar nicht, ob sie auch Aids bekommen konnten, aber wenn ja, dann war er nun ohne Zweifel infiziert worden. Als das Wesen nochmals seine Waffe hob, erwartete ich schon, den letzten Schmerz meines Lebens zu spüren, schloss die Augen, bereit, endlich ein Ende zu haben. Doch ich merkte nur, wie die Kreatur von mir herunter fiel. Als ich augenblicklich wieder meine Augen öffnete, stand Erebor neben mir, sein Schwert erhoben.

    „Du bist schlimmer als ein Zwerg!“, sagte er, während er weitere Goblins davon abhielt, mir zu nahe zu kommen. Es dauerte nicht lange, bis ich mich wieder gefasst hatte, denn ich sah wie immer mehr Goblins zu uns kamen. Ich hatte keine andere Wahl als auch den Schmerz der neuen Verletzung zu übersehen und es war nicht schwer. Ohne darüber nachzudenken, dass ich verletzt war, erhob ich wieder meine Dolche. Erebor und ich sahen uns kurz an, dann nickten wir uns zu. Ich ergriff seine Hand und er die meine. Dann wirbelte er mich wie in einem Tanz hin und her und immer wieder schaffte ich es, meine Dolche in einen der Goblins zu rammen. Es erinnerte mich etwas an die Discofox-Tänzer die ich manchmal im Fernsehen gesehen hatte. Aber das ewige Eindrehen und wieder Ausdrehen schien die Goblins so sehr zu verwirren, dass sie nicht wussten, wie sie gegen uns vorgehen sollten. Immer wieder versuchten sie uns anzuspringen, doch durch unsere stetige Bewegung und dadurch, dass wir uns auch gegenseitig Verteidigen konnten, schaffte es keiner von ihnen, auf uns einen Halt zu finden. Sie alle landeten entweder auf dem Boden und wurden dort erstochen oder ihnen wurden die Gliedmaßen abgetrennt, bevor sie etwas andere tun konnten.

    Immer und immer wieder schlossen neue Goblins die Lücke, die wir in ihre Menge schlugen, und es schien ein unaufhörlicher Kampf zu werden. Auch Deorhain war umzingelt und er schien schlechtere Chancen zu haben als wir. So bewegten wir uns in unserem immer fortwährenden Tanz zu Deorhain um ihn zu unterstützen. Er hatte anscheinend versucht, sich bis zu einem der Tore durchzukämpfen, um dann so die Goblins von innen zu bekämpfen. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass bereits so viele von ihnen durch das Tor gekommen waren.

    „Deorhain!“, schallte es von einer der Mauern herunter. Ich sah für einen kurzen Augenblick nach oben und sah den Mann, der gerufen hatte. Er stand direkt über uns und hielt einen Bogen in der Hand, der unaufhörlich Tod und Verderben sang. „Wir müssen die Stadt verteidigen! Die Kinder sind alle hier!“ Deorhains Gesicht wurde bleich. „Haltet sie noch ein bisschen zurück!“, schrie er weiter, doch ich glaubte nicht, dass Deorhain ihn noch hörte. Wie in Raserei war er auf die Goblins losgegangen, so als beflügle ihn eine neue Hoffnung. Auch Erebor schien eindeutig entschlossener zu kämpfen und unsere Schläge wurden schneller und intensiver.

    Leider wurden auch die Goblins immer zahlreicher und drängten uns immer mehr an die Stadtmauer. Irgendwann konnten wir unsere Stellung nur noch schwer halten und ich sah schon, dass wir nur noch um die Minuten bis zu unserem Ende feilschten. Ich gab nur nicht auf, weil es dabei nicht nur um mein Ende, sondern auch um das Ende meiner Freunde ging.

    Und dann, ohne dass jemand von uns noch damit gerechnet hätte, sahen wir auf einmal Goblins in die entgegengesetzte Richtung laufen. Keiner von uns wusste, was los war und dann hörten wir Kampfgeschrei. Anscheinend hatten die Männer aus der Stadt endlich geschafft sich zu formieren und sich gegen diesen Angriff zu erwehren.

    Dann liefen immer mehr der Kreaturen an uns vorbei und einige von ihnen erledigten wir noch während sie an uns vorbei liefen. Dann sackte ich auf den Boden. Meine Kraft war aufgebraucht und nun, da die Gefahr anscheinend vergangen war, spürte ich die Verletzungen, die ich erlitten hatte und die Schmerzen zogen sich durch meinen ganzen Körper. Schon nach kurzer Zeit setzten sie mich soweit außer Gefecht, dass mein Körper es nicht mehr aushielt und sich mit einer tiefen Ohnmacht schützte.

    Als ich langsam wieder in die bewusste Welt hinüber glitt, erwartete ich schon, dass alles nur ein Traum gewesen war, dass ich im Narkosewahn alles nur geträumt hatte und gleich die Stimme meiner Mutter ertönen würde, die den Schwestern Bescheid sagte, dass ich wieder aufwachte. Ich erwartete die gewohnten weißen Wände zu sehen, die ein Krankenhauszimmer nun einmal hatte. Doch es wunderte mich schon, dass es in dem Raum, in dem ich mich wohl befand, keineswegs steril roch. Außerdem wunderte es mich, dass um mich herum Menschen vor Schmerzen stöhnten, hatte ich doch immer ein Einzelzimmer gehabt.

    Dann öffnete ich meine Augen und erschrak leicht. Ich war nicht im Krankenhaus. Die Decke, auf die ich starrte, war grün und braun und direkt vor meinen Augen sah ich, zwar unscharf aber ich war mir sicher, Erebors Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht.

    „Was …?“, fragte ich und sah, wie Wut sich in ihm auftat. War es Wut auf mich? Wut, weil ich mich nicht in Sicherheit gebracht hatte, wie sie es mir gesagt hatten?

    „Du kannst dich glücklich schätzen, wach zu sein“, sagte Deorhain als auch er vor meinen Augen erschien. Leicht versuchte ich meinen Kopf in seine Richtung zu drehen, doch ein stechender Schmerz durchfuhr mich.

    „Die Goblins haben dich glücklicherweise für Tod gehalten, als sie zurückkamen“, bemerkte Deorhain und ich wollte schon beinahe aufspringen. Sie waren zurückgekehrt? Es musste geschehen sein nachdem ich in Ohnmacht gefallen war.

    „Sie haben dich überrannt, wie die Stadt“, bemerkte Erebor aus zusammengepressten Zähnen. Ich erschrak abermals. Die Stadt war überrannt worden? Aber was war dann mit den Frauen und Kindern geschehen? Ich versuchte mich aufzurichten, aber Deorhain drückte mich sanft wieder in die Kissen. Ich wäre ohnehin nicht dazu in der Lage gewesen zu sitzen.

    „Was ist mit den Kindern?“, brachte ich unter vor Schmerzen hervor. Der Blick der beiden schockte mich. Ihre Augen waren leer, emotionslos. Ich fragte noch einmal, nachdrücklicher. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Männer um mich herum alle schwer verwundet waren und die Decke, auf die ich starrte, keine Decke war, sondern die Kronen der Bäume.

    „Sie sind tot. Wir haben verzweifelt versucht sie zu schützen, aber die Goblins haben uns zahlenmäßig weit überrannt“, murmelte Deorhain und ich sah ihm an, dass es ihn sehr mitnahm.

    „Ich möchte gerne wissen, was diese Bestien so hat wachsen lassen. Als Aragorn ihre Zahl vor 20 Jahren ausgespäht hat, waren es nur vereinzelte Stämme“, bemerkte Erebor zornig und er hieb mit seiner Faust auf den Boden.

    „Irgendein Unheil ist am Werk und arbeitet gegen uns“, ertönte eine andere Stimme, deren Ursprung ich aber nicht sehen konnte. Deorhain blickte in die Richtung und sah umgehend erleichtert aus. Dann trat der Unbekannte in mein Blickfeld und ich sah wie er und Deorhain sich umarmten.

    „Ich dachte, du seist verloren, Väterchen“, sagte der Fremde und sah erleichtert aus.

    „Viele sind verloren, mein Sohn, doch du weißt, Unkraut vergeht nicht.“ Ich war erstaunt. So, wie es schien, war der Fremde Deorhains Sohn. Er hatte auf unserer Reise viel von ihm gesprochen, mir erzählt, dass er ein sehr angesehener Mann war unter seiner Sippe, ein Guter Freund Aragorns. Er war der Stadthalter Tharbads gewesen.

    „Halbarad, dies ist Fearwynn“, stellte mich Deorhain vor und ich merkte wie er stolz war, uns einander vorzustellen. Halbarad setzte sich neben mich und betrachtete meine Verletzungen. Dann griff er in eine Schüssel neben mich, hauchte einige der Blätter, die er herausholte, an und steckte sie unter meinen Verband. Sofort merkte ich wie der Schmerz sich milderte und ich mich besser bewegen konnte.

    „Ich danke euch, Halbarad“, sagte ich und neigte meinen Kopf einen Moment als Deorhain mir half mich aufzurichten. „Aber ich möchte wissen, was passiert ist“, bat ich. Erebor stand wütend auf. Anscheinend war er doch wegen mir wütend. War er der Meinung, dass meine Ohnmacht Schuld an dem Ganzen war? Ich wusste es nicht, aber sein Verhalten gefiel mir ganz und gar nicht.

    „Eine kleine Schar unserer Männer schafften es, sich ihrer Pferde zu bemächtigen und die Goblins zurückzudrängen“, begann Halbarad und sah während der Erzählung seinen Vater an.

    „Die Männer ritten zurück, im Glauben, wir hatten sie endgültig in die Flucht geschlagen … Doch dann kamen die Goblins zurück, zusammen mit einigen Orks. Erebor und ich waren gerade in den Schutz der Stadt gekommen und hatten dich zu den Heilern gebracht, als die zweite Angriffswelle begann.“ Entsetzt hörte ich den beiden zu. „Es waren zu viele und sie brachten noch mehr Feuer und Zerstörung. Wir versuchten die Tore zu verteidigen, doch wir mussten uns bis ins Innere der Stadt zurückziehen. Dort versuchten wir den Eingang zu den Schutzhäusern zu verteidigen, doch sie hatten es gezielt auf die Kinder abgesehen. Sie schleuderten große Felsbrocken mit Katapulten über die Mauern auf die Häuser. Die Männer, die die Häuser beschützten, und die Kinder und Frauen, die sich im Inneren befanden, wurden erschlagen. Wir wenigen, die die Stadt von den Mauern aus verteidigten, mussten dann schweren Herzens fliehen“, endete Halbarad und auch in mir begann die Wut zu kochen.

    Wer konnte so grausam sein und Kinder ermorden? Unschuldige Kinder? Sicherlich würde er früher oder später vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag kommen und dafür bestraft werden. Aber es konnte nicht Bush sein, denn er würde sicherlich nicht seine eigenen Bürger töten und solche Methoden waren barbarisch. Aber wenn der Dunkle Herrscher nicht Bush war, wo war ich dann bloß?

    „Es tut mir sehr leid, Deorhain“, sagte ich. Ich konnte mir jedoch immer noch nicht erklären, wie ich dann in Sicherheit gebracht werden konnte, wenn ich doch verletzt gewesen war.

    „Erebor hat dich aus dem Haus der Heiler geholt.“

    „Und Orina? Hat er auch seine Schwester retten können?“, fragte Halbarad und es klang als hoffte er eine positive Nachricht zu hören. Deorhain schüttelte nur den Kopf.

    Nun waren es meine Gesichtszüge, die starr waren. Seine Schwester? Seine Schwester hatte hier gelebt? Sie hatte hier gelebt und er hatte eher mich als sie gerettet. Aber warum? War er deswegen sauer auf mich? Hatte er aufgetragen bekommen mich zu retten und seine Schwester zurückzulassen? Gab er mir die Schuld an ihrem Tod? Doch ich kam nicht mehr dazu ihn zu fragen, denn wieder übermannte mich die Erschöpfung.
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:33 Uhr)
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    Hallo Ihr Lieben,

    es ist Dienstagabend und das bedeutet, dass es ein neues Kapitel gibt. Wir sind wieder bei Gwyneth und dieses Mal geht es darum, dass sie merkt, wie schlecht sie sich verhalten hat.

    Doch, wie meistens im Leben, kommt die Einsicht immer dann, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann...

    Viel Spaß beim Lesen!

    Alles Liebe, Eure Lilly

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~

    Kapitel 6

    Die Welt zersplittert

    Gwyneth



    Im April - etwa sechs Monate nach der Beerdigung - erhielt ich die Einladung zu einer Vernissage - meiner eigenen. Eigentlich hatte ich nicht besonders große Lust, dahin zu gehen. Um genau zu sein hätte ich mir lieber einen Arm abgeschnitten, mir den Kopf rasiert und mir die Zehennägel ziehen lassen. Doch mein Agent bestand darauf. Er drohte sonst damit, mich nicht weiter zu vertreten. Und das konnte ich mir, bei all meiner Egozentrik, nicht leisten.

    Auch das hätte mir eigentlich egal sein müssen, doch irgendwie war es das nicht. Meine Bilder, die ich in den letzten Monaten gemalt hatte und die sich so gut verkauft hatten, handelten ausnahmslos von meinem inneren Kampf. Und das schien den Leuten zu gefallen.

    Mir gefiel jedoch die Idee, dass ich der Welt mit den Bildern zeigen konnte, wie sehr ich und auch meine Schwester gelitten hatten. Es gab mir die Möglichkeit, den Menschen die Augen zu öffnen, ihnen zu zeigen, was so eine Krankheit alles zerstören konnte, was auf dem Spiel stand, wenn man leichtfertig damit umging oder was man zerstörte. Es war meine Art zu trauern. Und wenn man mir das nehmen würde, würde ich vermutlich daran zerbrechen. Noch mehr, als ich ohnehin schon zerbrochen war. Es würde mich wahrscheinlich sogar auslöschen, mich soweit an den Rand der Existenz treiben, dass man mich nicht mehr Mensch nennen durfte, sondern nur noch ein gestörtes Tier mit Hang zum Dramatischen.

    Die Vernissage sollte im Mai sein und sie sollte in einem großen Museum stattfinden, von dem ich allerdings noch nie gehört hatte. Mein Agent schickte mir die Gästeliste, doch es war mir egal, wer dahin kam, ob er Rang oder Namen oder beides hatte. Die meisten Einträge sagte mir sowieso nicht viel. Ich wollte ihnen nur meine Bilder zeigen. Mehr wollte ich nicht.

    Der Tag der Ausstellung kam jedoch viel zu schnell. Waren die letzten Wochen und Monate zähl dahin geflossen, verflogen die Tage, seit ich die Einladung im Briefkasten hatte, nur so. Mittags klopfte es an meine Tür und ich rechnete schon damit, dass es wieder mein Vater war, doch dieses mal war es Thomas. Da ich auf keine Anrufe mehr reagierte (wie auch, wenn mein Telefon vermutlich im Rhein schwamm?), war er persönlich vorbei gekommen, um sicher zu stellen, dass ich auch wirklich da sein würde. Und vermutlich auch, dass ich noch lebte. Ich hatte nicht einmal meine Emails beantwortet. Er hatte mir sogar ein Kleid mitgebracht. Doch als ich ihm die Türe aufmachte, ließ er den Kleidersack und sein fröhliches Gesicht gleichzeitig fallen.

    „Wie siehst du denn aus?“, rief er erschrocken aus und schlug sich beide Hände vor den Mund. Nachdem er sich wieder gefasst hatte, was bei ihm meist ziemlich schnell ging, hob er das wertvolle Kleid vom Boden auf und schob sich an mir vorbei in mein Atelier. „Es ist auch schön, dich zu sehen, Thomas“, sagte ich sarkastisch und warf die Tür zurück ins Schloss, als er drin war.

    Er sah sich einen Moment in dem großen Raum mit der hohen Decke und den bodentiefen Fenstern um, warf einen Blick auf den Müllberg in der kleinen Küche, schnupperte einmal in die Luft, dann drehte er sich wieder zu mir um. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck von Abscheu, Ekel und irgendwie auch Bewunderung, was ich nicht ganz in Einklang miteinander bringen konnte. Vielleicht bewunderte er mich dafür, dass ich so lange unter diesen Umständen überlebt hatte. Schließlich sagte er: „Also, Liebes, so scheiße, wie du jetzt aussiehst, gehst du mir da nicht hin!“

    Thomas war schwul, modebewusst, wie es nur Schwule sein können, und der ehrlichste Mensch, den ich kenne. Wenn ihm etwas nicht passt, dann dauert es nicht lange und du weißt, was ihm nicht passt. So wie mein Aussehen heute. Ich konnte es ihm auch nicht verdenken. Wenn ich genauer nachdachte, konnte ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal geduscht hatte.

    Also schälte Thomas (und er bestand darauf, dass man es Englisch aussprach) mich aus meinem Overall, nahm mir das Tuch aus den Haaren, die trotzdem eine Menge Farbe abbekommen hatten, und schob mich unter die Dusche. Ich protestierte nicht einmal. Irgendwie war es schön, dass er sich um mich kümmerte.

    Als ich wieder sauber war, wickelte ich mich in ein Handtuch und kam ins Atelier zurück. „Ich frage mich wirklich, was du hier gemacht hast, Liebes. Es sieht aus wie nach einem Krieg und es riecht, als hättest du hier drin einen Bären gehalten.“ Er machte eine ausladende Geste und drehte sich zu mir um. Als er mich so sah, nur bekleidet mit einem Handtuch, stockte ihm doch ein bisschen der Atmen. Eben in der Duschecke hatte er wohl nicht so genau hingesehen, doch jetzt konnte er es wohl nicht mehr übersehen.

    „Du bist ja nur noch Haut und Knochen!“ Und er hatte Recht. Meine Haut war fahl und so trocken, dass sie bereits rissig war; ich hatte Pickel; meine Haare hingen mir nur so schlaff von meinem Kopf; und meine Knochen stachen an manchen Stellen soweit hervor, dass man mich vermutlich auch als Kleiderständer hätte benutzen können. „Das schreit nach einer Pizza!“

    Eines musste man Thomas lassen: er war selten so geschockt, dass es ihm die Sprache verschlag. Sollte dieser Tag tatsächlich einmal eintreffen, würde ich ihn mir rot im Kalender anstreichen. Und meistens hatte er auch ziemlich gute Ideen. So wie jetzt. Er zog sein Handy, ein hypermodernes schwarzes Klappding mit Antenne, aus seiner Louis Vuitton-Jeans und wählte die Nummer des Pizzaservice. Die Adresse musste er nicht lange buchstabieren. Als er meinen Namen nannte, wusste man schon Bescheid. Für einen Moment überlegte ich, ob ich mir Sorgen machen musste.

    In der Zeit, in der die Familienpizza mit allem drum und dran geliefert wurde, kümmerte er sich um mein Haar. Zu meinem Glück (oder sollte ich Unglück sagen?) hatte er sein Notfallset immer dabei: eine Tasche, in der genug Make-up war, um selbst Kate Moss zu schminken, ein Föhn, eine Rundbürste und sein Lieblingsparfum, Chanel N°5.

    Mit dem ganzen Kram bearbeitete er mich nun, bis ich mich selbst im Spiegel nicht mehr erkennen konnte. Er steckte mich anschließend in ein schwarzes, leicht flatterndes Kleid, was vermutlich eng hätte anliegen sollen. Doch er wirkte nicht zufrieden. Ich musste mich ein paar Mal um meine eigene Achse drehen, bis ihm schließlich eine Idee kam. Er wühlte in seiner Tasche herum und zog schließlich einen roten Gürtel daraus hervor. Den band er mir um die Taille. Dann ging er ein paar Schritte zurück und bewunderte sein Meisterwerk. „Du siehst fabelhaft aus, Liebes! Ich bin ein wahrer Meister.“

    Ich hatte leider keine Gelegenheit mehr, angemessen auf seine Äußerung zu reagieren, denn unsere Pizza läutete an der Türe. Sofort schob er mich auf einen Stuhl, der noch einigermaßen unberührt von Farbe war, öffnete, bezahlte, flirtete ein bisschen mit dem Pizzaboten, gab noch etwas mehr Trinkgeld und stellte den Karton schließlich vor mich auf die Theke. „Essen!“, sagte er nur. Er setzte sich neben mich, stützte die Ellbogen auf und sah mich erwartungsvoll an.

    Nachdem ich das erste Stück verdrückt hatte, konnte ich schon eigentlich nicht mehr. Doch es schmeckte so gut, dass ich einfach nicht mehr aufhören konnte zu essen. Schließlich schienen ich und der Gürtel platzen zu wollen und Thomas wirkte zufrieden. Er sah mich noch einmal sehr eindringlich an. „Na siehst du“, sagte er, „so gefällst du mir schon viel besser.“

    Ich warf einen Blick in den Spiegel, der in der Ecke mit der Dusche und der Toilette hing, und musste ihm unweigerlich zustimmen. Doch die Frau, die mich dort anlächelte, kam mir ein bisschen bekannt vor. Die Gwyneth, die ich das letzte halbe Jahr gewesen war, war plötzlich verschwunden. Und ich fühlte mich nackter, als ich es jemals in der Sauna hätte sein können. Ohne die Farbe auf meiner Haut und dem Overall an fühlte ich mich nicht wohl. Es kam mir vor, als würde ich ein Kostüm tragen und das Leben einer anderen Frau führen.

    Doch ich hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken. Thomas erklärte, dass wir das akademische Viertel schon überschritten hätten und ich mich endlich mal auf meiner eigenen Party blicken lassen müsste. Und so setzte er mich auf den Beifahrersitz seines kleinen Flitzers, der so gar nicht zu seinem sonstigen Stil passte, und fuhr zum Museum.

    Was mich dort erwartete, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. So viele Leute auf einem Haufen, die alle nur gekommen waren, um meine Kunst zu sehen, waren mir noch nie begegnet. Ich hatte früher gelegentlich ein paar Freunde in mein Atelier gelassen, um ihnen meine Bilder zu zeigen, doch das war auch schon das Höchste der Gefühle gewesen.

    So im Mittelpunkt zu stehen, behagte mir jedoch nicht wirklich. Die ständigen Fragen, die auf mich einprasselten und die Drinks, dir mir angeboten wurden, zerrten ganz schön an meinen Nerven. Ich schüttelte Hände, lernte einflussreichen Leute und neureiche Leute kennen, führte oberflächliche Gespräche und beantwortete brav alles, was man mich im Bezug auf meine Bilder auch fragte.

    Der ganze Trubel kam mir so unheimlich vor, dass ich vermutlich nicht mal geschrien hätte, wenn Freddy Kruger aufgetaucht wäre und mich verfolgt hätte. Das alles war so weit entfernt von dem, was ich eigentlich wollte, wie nur irgendetwas. Das hatte ich nie gewollt.

    Und trotzdem hatte es mir gefallen. Die Rolle der erfolgreichen Malerin zu spielen war irgendwie so leicht. Es war zwar nicht das, was ich gewollt hatte, doch es schien das zu sein, was ich gebraucht hatte und was ich war. Vielleicht war ich ja die erfolgreiche Malerin, vielleicht war das mein Schicksal.

    „Und wie heißt wohl dieses Bild?“, fragte mich eine näselnde Stimme. Ich drehte mich nach Rechts und erkannte einen Mann wieder, den ich ganz zu Anfang des Abends hatte kennenlernen dürfen. Er trug einen blauen Frack aus Cord, dazu rote Samthosen und einen Stehkragen. Seine langen, grauen Haare hatte er zu einem Zopf zusammen gebunden und in seinem Mundwinkel steckte eine Zigarette, die jedoch nicht an war.

    Ich brauchte einen kurzen Moment, um mich aus meinen Gedanken zu holen. Dann räusperte ich mich, als er mich erwartungsvoll ansah, um etwas Zeit zu schinden. Schließlich sagte ich mit leicht brüchiger Stimme: „Dieses Bild habe ich ,Selbstportrait‘ getauft.“ Seine nach oben wandernden Augenbrauen ignorierend, begann ich eine kleine Ausführung darüber, wie dieses Gemälde entstanden war. Dass diese Ausführung frei erfunden war, brauchte dieser eingebildete Fatzke nicht zu wissen.

    Als ich geendet hatte, verschwand er einfach, ohne ein Wort. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet und sie warf mich etwas aus der Bahn. Ich griff nach einem Glas Champagner, welches ein Kellner gerade auf einem Tablett an mir vorbei geführt hatte, und kippte es mit einem Zug runter. Dann machte ich mich auf die Suche nach Thomas.

    Leider konnte ich ihn unter den vielen Leuten nirgends ausfindig machen. Verwirrt öffnete ich die Türe, die die Aufschrift „Nur für Personal“ trug, denn das war der einzige Ort, an dem ich noch nicht gesucht hatte. Dahinter lag ein kleiner Flur, von dem drei Türen abgingen. Eine stand offen und dahinter hörte ich Stimme. Leise ging ich hin.

    „... und erst dieses Bild mit dem Totenkopf drauf!“, sagte eine weibliche Stimme direkt hinter der Tür. Wie angewurzelt blieb ich stehen. „Ich meine, ich hab ja schon viel Seltsames in dieser Galerie erlebt, aber dass man so ein grässliches Bild dann auch noch ,Selbstportrait‘ nennt.“ Des Rest ließ sie ungesagt. Ich stellte mir vor, wie sie gerade den Kopf schüttelte.

    Nun meldete sich eine männliche Stimme zu Wort. „Ja! Und dann tut sie auch noch so, als würde sie das alles nichts angehen. Ganz so, als wäre ihr das alles total egal.“

    „Ich glaube, es ist ihr alles egal“, sagte die erste Stimme wieder. „Sie schaut einen noch nicht mal an. Als wäre man gar nicht da oder sie würde in eine andere Welt gucken. So eine Künstlerin hab ich wirklich noch nicht erlebt.“

    Eine dritte Stimme ertönte aus dem Off und ich erkannte einen Kellner von eben wieder, der mir ein Horsd'oeuvre angeboten hatte. „Die trägt sicher eine Maske und ist sonst ganz anders. Das sieht man gleich, dass sie sich in ihrer Haut nicht wohl fühlt. Ich kenn das Gefühl.“

    Wie Recht er damit doch hatte, merkte ich erst in diesem Moment. Ich sah an mir herunter, sah das teure Kleid, die teuren Schuhe und dachte: das bist du gar nicht. Das einzige, was mir an mir wahr und richtig vorkam, war der Ring, den ich an meiner rechten Hand trug. Was war nur mit mir los? Seit wann hatte ich plötzlich Spaß daran, jemand anderes zu sein?

    Auf einmal bekam ich keine Luft mehr. Das alles strömte auf mich ein und erdrückte mich. Die vielen Menschen nahmen mir den Platz weg und die Bilder an der Wand, die Bilder, die ich mit meinen eigenen Händen gemalt hatte, schienen mich anzuschreien: Lügnerin, Betrügerin! Ich musste raus hier.

    Ich stürmte in das kleine Badezimmer am anderen Ende der Galerie. Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das kalte Wasser über meine Handgelenke laufen. Dann spritzte ich mir etwas davon ins Gesicht. Dabei war es mir egal, dass das Kleid nass oder mein Make-up zerstört wurde. Ich wollte mir am liebsten alle Klamotten vom Leib reißen, mir die Haare abschneiden und die Farbe aus dem Gesicht kratzen, bis nur ich allein übrig war, nur noch die Gwyneth von damals.

    Und plötzlich begriff ich, was in den letzten Monaten passiert war. Ich hatte nicht nur Fearwynn verloren, sondern auch meine Eltern. Ich hatte sie beide vor den Kopf gestoßen, weil ich mich so verletzt fühlte. Sie hatten also nicht nur eine Tochter verloren, sondern ich hatte ihnen auch noch die zweite entrissen. Wie hatte ich nur so egoistisch sein können?

    Vermutlich hatte sich meine Mutter nach unserem Streit die Augen aus dem Kopf geweint und mich hatte es nicht interessiert, weil ich mich so allein gelassen fühlte. Doch wie musste sie sich erst fühlen?

    Der Schlüssel von Thomas‘ Auto klimperten in meiner Tasche und das brachte mich auf eine Idee. Vielleicht sollte ich gleich heute Nacht zu ihr fahren und mich entschuldigen? Verdient hätten sie es. Auch wenn sie mir vermutlich gar nicht erst die Türe aufmachen würden. Was ich wiederum mehr als verdient hätte, so wie ich mich verhalten hatte. Der Begriff „schlechter Mensch“ traf hierbei nicht mal annähernd zu. Ich hatte mich ganz und gar in meinem Kummer vergraben und dabei völlig übersehen, dass es andere gab, die genauso litten. Selbst wenn meine Mutter mir verzeihen würde, ich würde es mir trotzdem nicht verzeihen, wie gemein ich zu ihr gewesen war.

    Ich hinterließ bei einer Kellnerin eine Nachricht für Thomas, dass ich sein Auto geliehen hatte und es ihm morgen früh zurückbringen würde, dann setzte ich mich hinters Steuer. Ich war seit der Beerdigung nicht gefahren und es fühlte sich seltsam, mein Leben wieder ein Stück weit in der Hand zu halten. Scheinbar hatte Thomas mir mit seinem Überfall wirklich einen Gefallen getan. Dafür würde ich ihn ganz groß zum Essen ausführen von dem Geld, was ich heute Abend verdient hatte.

    Zögerlich startete ich den Motor. Ich überlegte kurz, ob es verantwortungsbewusst war, noch selbst zu fahren. Doch mehr als das eine Glas Champagner hatte ich nicht getrunken. Alles andere, was man mir zuvor in schillernden Farben angeboten hatte, hatte ich dankend abgelehnt. Also fuhr ich los.

    Auf der Fahrt überlegte ich mir schon, was ich meiner Mutter gleich sagen, wie ich mich am besten entschuldigen wollte. Ein Kniefall vor der Tür wäre sicher ein guter Anfang. Doch bevor sie mir richtig zuhören würde, musste ich wahrscheinlich schon etwas eindringlicher werden. In den Staub werfen wäre auch noch eine gute Alternative. Oder vielleicht könnte ich ihr sagen, dass ich ein Idiot gewesen war. Nein, eine miese Tochter, ein egoistisches Miststück. Ich könnte ihr sagen, dass es mir schrecklich leid tut, was ich getan hatte und dass ich alles tun würde, um...

    Die Welt um mich herum wurde plötzlich durcheinander gewirbelt. Ich verlor völlig die Orientierung, wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Etwas schien zu explodieren und Glassplitter flogen mir um die Ohren, bohrten sich in meine Haut und rissen sie auf. Eigentlich hätte es mir Schmerzen bereiten müssen, auch wie sich der Sicherheitsgurt um meinen Hals schlang und mir die Luft abdrückte, oder wie mein Kopf gegen die Windschutzscheibe schlug und Sterne vor meinen Augen tanzten.

    Doch ich spürte nichts. Das einzige, was ich noch spürte, war, wie ich langsam das Bewusstsein verlor. In einem Moment merkte ich noch, wie meine Hände das Lenkrad umfassten, und im nächsten war da nichts mehr. Gar nichts. Nur noch Dunkelheit.
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:34 Uhr)
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    Kapitel 7

    Der Elbenstein

    Fearwynn



    „Ich denke sie haben unsere Spur verloren.“ Ich verstand Deorhains Worte nur verschwommen, da mein laut pochendes Herz und mein lauter, starker Atem alles andere übertönten. Wir waren nun seit mehr als 18 Stunden auf den Beinen und den größten Teil davon waren wir um unser Leben gelaufen.

    Der Grund dafür waren die Nazgûl, diese Schwarzen Reiter, denen ich schon an meinen ersten paar Tagen nach dem Anfall begegnet war.

    Die Schlacht von Tharbad war nun schon über 4 Wochen her und nach ihr war unsere Lage nicht besser Geworden. Von der ersten Woche hatte ich kaum etwas mitbekommen, da ich immer und immer wieder auf Grund meiner doch schwereren Verletzungen das Bewusstsein verlor. Halbarad, Deorhains Sohn und Erebor trugen mich auf einer Trage während die Überlebenden Richtung Sarnfurt zogen.

    Man hatte sich entschieden sich in zwei Gruppen auf zu Teilen. Die eine Gruppe bestand aus einigen Unversehrten und den Verletzten die nach Bree ziehen sollten um dort Unterschlupf und Hilfe suchen sollten. Die andere Gruppe sollte zur Sarnfurt ziehen um dort die Nazgûl daran zu hindern über die Brücke zu gelangen.

    Als ich von diesem Vorhaben erfahren hatte, fragte ich Halbarad eines Nachts warum sie mich nicht mit den Verwundeten weggeschickt hatte. Seine Antwort war gewesen, dass sein Vater der Meinung war, ich solle in ihrer Nähe bleiben, warum auch immer. Erebor schien jedoch anderer Meinung gewesen zu sein, denn seine Laune besserte sich nicht gerade. Hatten wir in den Wochen vor der Schlacht von Tharbad langsam eine Freundschaft aufgebaut, so war sie nun zerstört worden. Ich kannte den Grund nicht und niemand schien ihn mir nennen zu wollen, doch ich merkte, dass es an mir lag.

    Als wir dann endlich an der Sarnfurt ankamen, das war vor 14 Tagen gewesen, schlugen wir dort unser Lager auf. Seit dem hatte Halbarad sich um mich gekümmert. Er versorgte meine Wunden mit einem seltsam duftenden Kraut das die Schmerzen linderte und meinen Körper zur Heilung anregte. Er unterhielt sich mit mir und er war auch der Erste der mir endlich erklärte was hier vor sich ging. Natürlich hatte ich zu Beginn Schwierigkeiten die Geschichte von den Ringen der Macht, dem dunkeln Herrscher Sauron und den freien Völkern, Hobbits, Zwerge, Menschen und Elben, zu glauben. Doch andererseits war es eine Erklärung und ein Zeichen, dass das alles nicht Real sein konnte. Ich musste in irgendeinem Alptraum feststecken. Vielleicht hatte es bei meiner Operation Komplikationen gegeben und sie hatten mich in ein künstliches Koma legen müssen. Ich hatte mich schon immer gefragt wie so etwas sein würde. Allerdings hatte ich eher an eine Art „Out-of-Body-experience“ eingestellt als so etwas.

    Dies war nichts was ich mir je hätte vorstellen können und es war seltsam zu denken, dass so etwas gerade tatsächlich in meinem Kopf ablief. Aber vielleicht war es auch eine Art von meinem Körper mich zum Kämpfen zu bringen. Vielleicht waren alle Kämpfe die ich nun durchmachte eigentlich ein Kampf gegen den Tod und wenn ich verlieren würde, dann würde ich nicht mehr aufwachen.

    Ich musste mich also zusammen reißen, denn sterben wollte ich auf keinen Fall, das wollte ich meiner Mutter nicht antun. Ich musste wieder wach werden und dafür würde ich kämpfen, egal was sich mein Komatöses Gehirn noch einfallen lassen würde.

    Da hatte ich noch nicht damit gerechnet, dass wenige Tage nach unserer Ankunft an der Sarnfurt die Schwarzen Reiter auftauchen würden.

    Sie griffen mitten in der Nacht an und wir waren vollkommen unvorbereitet. 4 von ihnen stürmten einfach an uns vorbei über die Brücke während die anderen 5 uns umkreisten. Jeder von uns hatte die Angst in den Augen stehen, doch die Angst war nicht nur in uns, sondern auch um uns herum. Sie war allgegenwärtig und sie kam von den Reitern. Es war als trügen sie die Angst mit sich herum und warfen sie bei Bedarf wie ein Netz aus, das ihre Feinde einfing.

    Wut stieg in mir auf. Sie waren ebenfalls Diener Saurons, die engsten wenn man es so ausdrücken konnte. Und nun waren sie drauf und dran die letzten Überlebenden einer Sippe auszulöschen die gerade erst dem Tode entronnen waren. Sie würden das Leben meiner Freunde auslöschen. Welches Recht hatten sie dazu? Was gab ihnen diese Macht? Niemand sollte das Recht haben solch Grausamkeiten zu vollziehen und wenn er sie dennoch an sich nahm, musste man sie ihm entreißen.

    „Für Tharbad!“ schrie ich laut auf und erhob meinen Dolch. Die Waldläufer sahen mich verwundert an, doch dann zogen auch sie ihre Schwerter und stimmten mit in mein Gebrüll ein. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Deorhain mich leicht anlächelte. Erebor blickte immer und immer wieder an sich herunter an seine Jacke, hielt sein Schwert jedoch ebenfalls erhoben, doch ich merkte, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Es gab einen kurzen Kampf bei dem viele der Restlichen Waldläufer getötet wurden und aus insgesamt 80 Mann die aus Tharbad entkommen waren, abzüglich derer die sich auf den Weg nach Bree machten waren wir nun nur noch 23 Mann.

    Aber so groß unser Wille auch war, wir waren nicht stark genug um die Nazgûl zu vernichten und so ergriffen wir die nächste Möglichkeit zur Flucht.

    „Ihr seid eine mutige Frau, Lady Fearwynn.“ Hatte Halbarad mich für meinen Mut vor den Nazgûl gelobt als wir nach einem weiten lauf endlich sicher sein konnten nicht mehr verfolgt zu werden.

    Doch nun wusste ich nicht einmal, ob Halbarad noch lebte. Vor 3 Tagen hatten uns die Nazgûl aus irgendeinem Grunde wieder gefunden und Halbarad und Deorhain hatten beschlossen, dass es das Beste war, wenn wir uns aufteilten.

    Unter Protest Deorhains, hatte Halbarad entschieden, dass er zusammen mit 19 anderen wieder in Richtung Tharbad gehen würde, während Deorhain, Erebor und ich in Richtung Bree gehen sollten um mit der Gruppe der Verletzten nach Bree zu gelangen und dort Aragorn zu warnen.

    Mir gefiel es nicht, dass sich Halbarad als eine Art Köder anbieten wollte damit die Reiter nicht hinter und her sein würden, ich wusste aber auch, dass er damit versuchte die verletzten Waldläufer zu schützen. Nach einigen erhitzten Diskussionen hatte Deorhain dann zugestimmt und wir waren in der Nacht aufgebrochen.

    Als wir dann in der Nacht darauf wieder alleine waren und es so schien als seien die Reiter tatsächlich nicht mehr hinter uns her waren konnten wir das erste Mal ein Lagerfeuer errichten. Erebor und Deorhain hatten Wache gehalten und ich hatte endlich wieder schlafen können, doch dann hatte uns einer der Reiter überrascht. Er war plötzlich im Wald aufgetaucht, fast ohne ein Geräusch. Wir stoben sofort auf und rannten so schnell wir konnten. Immer und immer wieder sah ich wie der Reiter Schwierigkeiten hatte sein Pferd durch den dichten Wald zu lenken, aber er schaffte es. Ich war froh über den Wald, denn ich war mir sicher, dass der Reiter und andererseits bereits längst eingeholt hätte, doch ich fragte mich auch wie er und hatte finden können. Natürlich wir hatten ein kleines Feuer entfacht, aber man musste schon in der Nähe sein um es zu sehen.

    „Hier das gehört dir.“ Erebor hielt mir eine kleine Kette mit einem Ring vor mein Gesicht. Ohne Nachzudenken riss ich ihm die Kette aus der Hand und legte sie mir um den Hals.

    „Du weißt also was das ist.“ Seine Augen leuchteten vor unterdrückter Wut und ich musste mir eingestehen, dass mich das etwas beunruhigte. IN den letzten Monaten die wir zusammen verbracht hatten, hatte ich ihn noch nie so gesehen. Und ich hatte die schlimme Ahnung, dass diese Wut mir galt

    „Natürlich weiß ich was das ist.“ Antwortete ich ihm.

    Wie sollte ich das nicht wissen, immerhin hatten meine Eltern mir diesen Ring vor 29 Jahren geschenkt. Er war laut meinen Eltern das Verbindungsstück zwischen meiner Schwester Gwynneth und mir. Sie hatte genau denselben Ring geschenkt bekommen. Wir beiden hatten den Ring immer bei uns getragen, auch wenn sich die Position die er hatte immer geändert hatte. Zu Beginn trugen wir ihn an einer kleinen Halskette um den Hals, als wir dann größer wurden trugen wir ihn an der Hand. Nach meiner Erkrankung und der Scheidung meiner Eltern hatte ich den Ring wieder an einer Kette um meinen Hals getragen. Denn ich wollte ihn nicht mehr sichtbar tragen, wollte ihn aber auch nicht ablegen. Während Operationen steckte ich die Kette mit dem Ring immer in meine Trombosestrümpfe, damit die Kette auch so bei mir war.

    Ich wollte nicht auf ihn angesprochen werden, wollte ihn aber auch nicht verlieren oder gestohlen bekommen. So sehr ich mich auch mit Gwynneth verkracht hatte, sie war dennoch meine Zwillingsschwester und das brachte sie mir nahe. Wir waren und würden immer ein Teil vom anderen sein. Sie war all das was ich sein wollte und nicht sein konnte, und ich, dass musste ich zugeben, hatte immer die Aufmerksamkeit von unserer Mutter bekommen, die sich nicht haben konnte.

    „Warum hast du uns belogen?“ Erebors Wut war nicht zu übersehen und auch Deorhain war etwas überrascht darüber. Ich wusste nicht wovon er sprach und vor allem wusste ich nicht wie er nun auf so etwas kam.

    „Woher hast du diesen Ring?“ fratge nun Deorhain, der sich nun zu mir umgedreht hatte. Nach unserer Hetzjagd hatten wir beschlossen kein Feuer zu machen, um und nicht wieder zu verraten, was jedoch bedeutete, dass keiner von uns Schlafen konnte. Jeder musste wachsam bleiben.

    „Ich habe ihn von meinen Eltern geschenkt bekommen.“ Sagte ich und sah Deorhain etwas Hilflos an.

    „Und woher haben sie einen Elbenstein?“ fragte Erebor ungeduldig. Anscheinend war er des Versteckspiels überdrüssig. Ich jedoch wusste nicht wovon er sprach.

    „Ich glaube sie haben ihn und den Ring meiner Schwester auf dem Mittelaltermarkt gekauft auf dem wir geboren wurden.“ Sagte ich und auf einmal hörte ich wie Erebor eine seiner Fäuste gegen die Ringe eines Baumes schlug. Er hatte so fest dagegen geschlagen, dass mir einige kleinere Bruchstücke in die Augen flogen.

    „Hör auf uns deine Lügen zu erzählen. Nur Könige der Elben und die alten Könige Gondors trugen die Elbensteine in ihren Kronen.“ Sagte er und seine Stimme wurde nicht lauter, aber energischer. Ich konnte es nicht glauben. Wollte er mich oder meine Eltern als Diebe blos stellen? Dachte er wirklich ich könnte etwas stehlen, das mir nicht gehörte? Ich war enttäuscht.

    „Das ist nichts als ein Geschliffener Beryll.“

    „Ein Elbenstein ja!“

    „Der Beryll wird auch Elbenstein genannt.“ Erklärte Deorhain dann, als er merkte, dass wir beide aneinander vorbeiredeten.

    „Du hast gesagt du wüstest nicht wo du bist!“ begann Erebor und nun erkannte ich wo der Hase begraben lag. Er dachte ich hätte sie von Anfang an Belogen, dachte ich hätte nur ahnungslos getan um von ihnen mitgenommen zu werden.

    „Das weiß ich auch immer noch nicht! Verdammte Scheiße ich bin in einem Land von dem ich noch nie zuvor gehört habe. Hier gibt es keine Krankenhäuser, keine Telefone, noch nicht mal elektrisches Licht gibt es hier! Und dann diese komischen Kreaturen!“ ich merkte wie sich der Ring um meinen Hals erhitzte, aber ich schrieb es meiner steigenden Körpertemperatur zu.

    „Du bist eine Betrügerin!“ sagte Erebor und stapfte davon. Deorhain saß immer noch auf dem Boden und starrte stumm in eine Richtung. Er sagte keinen Ton und das machte mich wütend.

    „Ich weiß nicht was ihr von mir haltet, doch wenn ihr mich, nach all dem was wir zusammen durchgemacht haben, für eine Betrügerin haltet, ist es wohl das beste wenn ich gehe!“ zischte ich und stapfte in die Entgegengesetzte Richtung los. Ich war verletzt, und erschüttert, dass sie so von mir denken konnten, dass Erebor so von mir denken konnte. Ich war der Ansicht gewesen, dass wir uns gut verstanden hatten, dass wir uns vertrauen konnten, doch nun. Dieser eine Ring hatte alles zur Nichte gemacht. Ich war wieder alleine. Ich merkte zu Beginn gar nicht wie Tränen der Wut und Verzweiflung meine Wangen hinunter liefen. Doch als ich den salzigen Geschmack auf meinen Lippen bemerkte war ich wütend auf mich selbst.

    Wieder einmal war ich auf mich selbst herein gefallen. Wie hatte ich nur denken können, dass jemand mit mir befreundet sein wollte? Wahrscheinlich hatten die beiden während meiner Bewusstlosigkeit von meiner Krankheit erfahren und wollten mich deswegen los werden. Wahrscheinlich war Erebor wütend, dass er für mich seine, bis auf Verletzungen, gesunde Schwester hatte sterben lassen, damit er mich hatte retten können. Aber wäre ich wach gewesen ich hätte ihm gesagt für wen er sich entscheiden sollte. Ich hätte ihm gesagt er solle seine Schwester mit nehmen und mich zurück lassen.

    Blind vor Zorn merkte ich nicht wie ich immer weiter auf die Straße zuging und somit große Gefahr lief entdeckt zu werden. Ich machte mir auch keine Gedanken darüber. Meine Gedanken lagen nur bei Deorhain und Erebor und meinem wieder mal eingebrochenen Selbstbewusstsein.

    Dann ertönte nur wenige Meter hinter mir ein kreischen wie es nur von einem der Schwarzen Reiter kommen konnte. Er schien direkt hinter mir zu sein. Ohne auch nur eine weitere Sekunde nachzudenken lief ich los. Dann hörte ich wie direkt neben mir im Gebüsch eine Klinge aus ihrer Scheide gezogen wurde.

    „Lauf, ich werde sie aufhalten!“ es war Erebor. Seine Stimme war energisch, aber ohne Wut. Ich wollte ihm etwas entgegen schreien, ihm sagen, dass er sich heraushalten solle, aber er stieß mich weg. Ich konnte also nicht anders als zu laufen, doch Erebors Ablenkung hielt nicht lange, denn zu meinem großen Unglück hatte das Kreischen des einen Reiters noch einen zweiten der wohl in der Nähe gewesen war auf den Plan gerufen. Glücklicherweise hatte ich vor ihm jetzt doch einen etwas größeren Vorsprung, sodass ich der Straße bis aus dem Wald folgen konnte. In einer kleinen Entfernung konnte ich die Mauern einer Stadt erkennen und ich war mir sicher, dass das Bree sein musste. Wenn ich es also schaffte bis dorthin zu kommen würde man mir mit Sicherheit Helfen können.

    Doch es war töricht zu denken, ich könnte schneller sein als ein Pferd ich war ja schließlich nicht Superman oder irgendein anderer Superheld aus einem Comicbuch. So kam der Schwarze Reiter immer und immer näher und das Geräusch der Pferdehufe auf dem Matsch sollte mein persönliches Lied vom Tod werden. Dann sah ich den Reiter mit gezückter Klinge auf mich zu preschen.

    Geistesgegenwärtig duckte ich mich und ich spürte wie die Klinge über mich hinwegschoss. Für einen kurzen Moment konnte ich im fahlen Mondlicht erkennen, wie eine meiner Haarsträhnen abgetrennt zu Boden viel. Mein Herz pochte schneller, buchstäblich um Haaresbreite hatte er meinen Kopf verfehlt. Mit großem Getöse drehten der Schwarze Reiter und sein Pferd sich wieder zu mir um. Dann hörte ich ein Geräusch das einem grausamen Lachen gleichkam. Ich fühlte mich wie in einem dieser Horrorfilme in der eine Arme Jungfrau von einem Grausamen Ritter ermordet wurde und mir gefror das Blut in meinen Adern.

    Ich spürte wie sich alle Muskeln in mir anspannten. Ich wusste, es gab kein Entkommen mehr und es war nur noch die Frage, ob es schnell gehen würde, oder ob er mich leider lassen würde. Dann stieg sein Pferd mit den vorderbeinen in die Luft und wieherte während er siegessicher kreischte.

    Dann merkte ich wie der Ring um meinen Hals wieder begann sich zu erhitzen, doch diesmal war es nicht nur das erst jetzt merkte ich, dass er schwach leuchtete. Der Grüne Stein war zu einer Art Grün-blau leuchtenden Lampe geworden. Dann wurde der Ring immer heißer und ich war mir sicher, hätte ich ihn am Finger getragen ich hätte ihn einfach abgestreift und in den Matsch fallen lassen.

    Allein der Gedanke das zu tun war für mich als würde ich damit ein Gesetzbrechen. Ich durfte diesen Ring einfach nicht verlieren, weggeben oder wegschmeißen, ich wusste das er zu Wertvoll war, obwohl mir meine Eltern immer erzählt hatten die beiden Ringe wären eigentlich relativ Billig gewesen, da niemand sonst sie haben wollte. Aber vielleicht lag es auch an dem Ideellen Wert, dass ich ihn nicht einfach wegschmeißen konnte.

    Durch das Leuchten einen kleinen Moment stockend merkte der Nazgûl nicht wie hinter ihm ein weiteres Leuchten das meine Beantwortete. Es war so hell, dass ich, geblendet von dem Hellen licht, kaum noch sehen konnte was der Nazgûl vorhatte. Ich sah nicht, ob er vielleicht gerade wieder auf mich zu preschte. Das einzige was mich für den Moment in Sicherheit wiegte war, dass ich nichts hören konnte was dem Geräusch galloppierender Hufe auf Matsch nahe kam. Das bedeutete, der Reiter musste immer noch da stehen wo ich ihn zuvor gesehen hatte.

    Ich stand da wie versteinert. Ich wusste, nun war der beste und vielleicht einzige Moment zu laufen, zurück in den Wald wo ich sicherer vor diesen Monstern war. Doch so sehr ich auch Laufen wollte, es ging nicht. Meine Beine gehorchten nicht den Befehlen die mein Gehirn ihnen sicherlich sandte. Dann hörte ich ein lautes kreischen und auf einmal wieder das preschen der Hufe. Der Reiter kam wieder in meine Richtung. Da das Licht immer noch hell Leuchtete hoffte ich, dass auch der Nazgûl geblendet war und mich genauso schemenhaft sehen konnte wie ich ihn, also vertraute ich auf mein Gehör und lies mich kurz bevor der Reiter bei mir angelangt war flach auf den Boden Fallen.

    Das Gefühl als ich auf den kalten Matsch traf war alles andere als angenehm. Sofort durchfuhr mich die Kälte, und ich spürte den Matsch in meinem Gesicht. Naja, dachte ich Zynisch, hiermit hätte ich wohl meine erste Matschpackung.

    „Ihr hattet Glück, dass ihr nicht auf den Hexenkönig von Angmar getroffen seid.“ Das Licht das dem meines Ringes geantwortet hatte kam näher, verblasste aber stetig und ich konnte erkennen, dass es die Spitze eines Stabes war, der von einem Mann getragen wurde. Die Stimme des Mannes klang freundlich und warm. Dann hielt er mir seine Hand hin und ich konnte ihn endlich komplett sehen.

    Es war ein Alter Mann, vielleicht einige Jahre älter als Deorhain. Er trug einen langen grauen Bart und lange graue Haare. Auch sein Umhang war grau gehalten so als bedeute diese Farbe etwas bestimmtes. Ohne nachzudenken ergriff ich die Hand des Mannes und er half mir auf. Eigentlich hätte ich nach seiner Lightshow etwas skeptischer sein sollen, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte.

    „Zeigt mir euren Ring.“ Sagte er mir einem freundlichen Lächeln und obwohl ich mich wunderte, woher er von dem Ring wusste, zog ich ihn hervor. Er betrachtete ihn für einen Moment dann wurde das Lächeln auf seinen Wangen noch breiter.

    „Das ist wahrlich eine freudige Wendung der Dinge.“ Er schien tatsächlich erfreut diesen Ring zu sehen. Ich konnte es mir nicht erklären was alle nur an diesem Ring fanden. Es war ein ganz normaler, auf einem Mittelaltermarkt geschmiedeter Ring. Wahrscheinlich gab es hunderte davon und dennoch schien er alle hier zu faszinieren, oder im Falle ERebors zu erzürnen.

    Erebor … erst jetzt kam mir wieder in den Sinn was passiert war. Er hatte mich als Betrügerin dargestellt, hatte ich beleidigt. Und dennoch, als ich in Not war, war er gekommen um den ersten Nazgûl abzulenken, um mich zu schützen. Ich verstand seine Beweggründe nicht, doch ich wusste: Hätte er den Nazgûl nicht aufgehalten, dann wäre ich wahrscheinlich noch im Wald gestorben.

    Er hatte sein Leben für meines aufs Spiel gesetzt. Ich musste wissen, ob es ihm und Deorhain gut ging. Ohne auf den alten Mann zu achten wollte ich los laufen, zurück in die Richtung aus der ich kam.

    „Deine Freunde werden kommen. Du solltest dich nun außer Gefahr bringen, sonst wäre ihr Einsatz vergebens gewesen.“ Ich sah den alten Mann etwas vorwurfsvoll an. Wie konnte er nur so etwas sagen. Wie konnte er von mir verlagen den beiden nicht zu helfen. Er wusste nicht was die beiden bereits alles für mich getan hatten. Dennoch, lies ich mich sanft von ihm hinter die Mauern der Stadt bringen.
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:35 Uhr)
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    Hallo Ihr Lieben,

    wieder sind 2 Wochen rum und das bedeutet, dass es ein neues Kapitel gibt! Heute sind wir wieder bei Gwyneth und Ihr erfahrt, wo sie nach ihrem Autounfall "gelandet" ist. ;o)

    Viel Spaß beim Lesen!


    __________________________________________________ ____________________________


    Kapitel 8

    Ein LARP?

    Gwyneth



    Der erste Gedanke, den ich hatte, als ich wieder denken konnte war: scheiße!

    Mein ganzer Körper schmerzte, als wäre ich von einer Horde LKWs überrollt worden. Mein Schädel hämmerte wie eine ganze Armee Dampfhammer. Meine Muskeln schrieen bei der kleinsten Bewegung. Alles um mich herum verschwamm zu einem einheitlichen roten Brei, den ich weder deuten, noch identifizieren konnte.

    Das einzige, was mir deutlich bewusst war, war, dass ich auf dem Boden lag. Als ich versuchte, mich zu bewegen, krampfte sich mein Körper augenblicklich zusammen. Es kam mir vor, als würde jemand einen brennenden Schürhaken in jeden einzelnen Muskel rammen, bis nichts mehr übrig war, was man heil nennen konnte.

    Minuten, die mir wie Tage vorkamen, verstrichen, dann entspannten sich meine Muskeln endlich wieder und mein nach oben gebogener Rücken schlug wieder hart auf dem Boden auf. Doch dieser Schmerz war nichts, war mir sogar willkommen im Gegensatz zu dem ersten.

    Was ging hier nur vor sich? Ich hatte zweifellos einen Autounfall gehabt. Aber wieso fühlte ich mich, als hätte ich tagelang auf dem Boden gelegen? Hätte man mich nicht längst finden müssen? Wo, zum Teufel, war der Rettungssanitäter oder der Ersthelfer?

    Eine Weile lang ich noch still. Als ich mich endlich traute, mich zu bewegen, kam eine neue Art von Schmerz. Es fühlte sich an, wie wenn ein eingeschlafenes Körperteil wieder zum Leben erwacht: als würden Millionen Ameisen auf mir herumkrabbeln und mich überall kitzeln, wo sie nur hinkommen konnten. Selbst im Gesicht, zwischen den Fingern und unter den Füßen kribbelte es.

    Als es endlich, endlich nachließ, schlug ich die Augen auf – und wünschte mir sofort, ich hätte es nicht getan. Denn das, was ich sah, konnte nicht sein. Erstens sah ich über mir ein goldenes Blätterdach unter einem blassblauen Himmel und das war definitiv nicht der Ort, an dem ich meinen Autounfall gehabt hatte.

    Zweites leuchtete über allem eine grelle, weiße Sonne, deren Strahlen für Mai viel zu schwach waren.

    Und drittens hatte ich nackte Füße!

    Stöhnend setzte ich mich auf und stützte mich auf meine Arme. Erstaunt sah ich mich um und konnte immer noch nicht glauben, was ich hier sah. Wo war ich nur? Das war definitiv nicht mehr meine Heimat. „Toto, ich glaub, wir sind nicht mehr in Kansas“, sagte ich zu mir selbst und musste sofort über meine seltsame Äußerung lachen. Ich war noch nie in Kansas gewesen, geschweige denn, dass ich dort jemals gelebt hatte. Aber dieser Satz schien mir passender, als alles andere, was sonst in meinem Kopf herumspukte.

    Dann kam die Erinnerung wieder. Ich hatte einen Unfall gehabt - mit Thomas‘ Auto! Er würde mich umbringen, da ich zweifellos überlebt hatte. Sein Auto war ihm zwar nicht so wichtig, wie den meisten deutschen Männern, aber trotzdem liebte er seinen kleinen Flitzer. Wie hatte das nur passieren können?

    Ich ließ den Abend der Vernissage noch einmal Revue passieren: die vielen Gäste, das belanglose Geplänkel, die lästernden Kellner, mein Aufbruch, die Fahrt... Und dann war da nichts mehr. Als hätte man den Film mitten in der spannendsten Stelle unterbrochen und nicht weiterlaufen lassen. Ich konnte mich nur noch an grelle Scheinwerfer erinnern, die von Links auf mich zugeraßt kamen.

    Doch wie kam ich von einer belebten Straße in einen völlig menschenleeren Wald? Noch dazu mit nichts an, außer einem weißen Kleid? Und überhaupt: wo hatte ich dieses Kleid her? Hatte ich auf der Vernissage nicht ein schwarzes Kleid getragen? Und hatte ich nicht Schuhe angehabt?

    Das viele Nachdenken ließ meinen Kopf noch mehr pochen. Ich packte mir an die Stirn und stellte fest, dass das Kleid doch nicht alles war, was ich trug. Mein Ring steckte noch an meinem Finger. Wenigstens dieses wertlose Schmuckstück hatte überlebt, dachte ich sarkastisch. Wenn schon nicht das sündhaft teure Kleid und die unbezahlbaren Schuhe, dann wenigstens der Ring, der wahrscheinlich keine zehn Mark wert war.

    Vorsichtig stemmte ich mich hoch und stellte fest, dass meine Beine weniger wackelig waren, als ich angenommen hatte. Ich wagte sogar, einen kleinen Schritt zu machen und wurde damit belohnt, dass ich aufrecht stehen blieb. Ich beglückwünschte mich selbst zu dieser Glanzleistung und machte noch einen Schritt, und noch einen, bis ich schließlich unter einem Baum stand.

    Ich blickte zurück auf die kleine Lichtung, auf der ich gelegen hatte und wo ich immer noch den Abdruck meines Körpers im Gras sehen konnte, und tastete die Rinde des Baumes ab. Erstaunt stellte ich fest, dass sie viel zu glatt für einen normalen Baum war. Der dicke Stamm, den vermutlich nicht mal fünf Männer hätten umfassen können, wirkte wie eine himmelhohe, silberne Säule. Waren das überhaupt richtige Bäume? Oder träumte ich das vielleicht nur?

    Wieder fragte ich mich, wo ich hier nur gelandet war. Und welchen Tag wir hatten. Wie lange mochte ich bewusstlos gewesen sein? Wieso hatte mich niemand gesucht und erst recht nicht gefunden? Was war nur passiert?

    Mein grummelnder Magen beschloss, dass ich diese Fragen erst einmal hinten anstellen würde und mir etwas zu Essen suchen sollte. Wer konnte schon sagen, wie lange ich nichts mehr gegessen hatte. Meinem Magen nach zu urteilen war es jedoch schon mehr als ein paar Stunden her.

    Suchend verließ ich die kleine Lichtung und versuchte auszumachen, ob es in dieser Gegend vielleicht etwas Essbares gab. Doch als ich nach über einer halben Stunde immer noch nichts entdeckt hatte, setzte ich mich resignierend auf den Boden und verschränkte die Arme. In diesem Wald gab es nichts, nur diese merkwürdigen Bäume, die eigentlich gar keine waren. Nicht mal Tiere hatte ich bisher gesehen oder gehört. Es war, als befände ich mich in einer Art Blase, die jeglichen äußeren Einfluss einfach schluckte.

    Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, dämmerte es bereits. Und jetzt wurde mir auf einmal auch kalt. Natürlich waren die Nächte Ende Mai nicht sonderlich warm, doch sie waren zumindest auszuhalten. Hier würde ich aber vermutlich ohne ein Feuer nicht überleben. Dieses dünne Kleid bot nur Schutz vor neugierigen Augen, nicht aber vor Kälte oder Regen.

    Es war aus dünnem, feinen Stoff gefertigt, reichte mir knapp bis über unter die Knie und hatte 3/4-lange Ärmel. Es hatte einen ziemlich weiten, runden Ausschnitt, doch das Kleid saß so perfekt an meinem mageren Körper, dass es nicht einmal bei einem Sturm verrutscht wäre. Nur der Rock war weit und schwingend.

    Irgendwie erinnerte es mich die Petticoats aus den 60er Jahren. Nur, dass es eben völlig weiß und nicht bunt oder mit Punkten besetzt war. So etwas hätte ich freiwillig niemals angezogen!

    Um also nicht zu erfrieren, suchte ich nach Feuerholz. Das war in diesem Wald jedoch nicht so einfach. Es gab kaum Reisig, das herum lag, und auch nicht wirklich Unterholz, in dem ich hätte Schutz suchen können. Es war ein Wald, wie man ihn sich idealerweise vorstellen würde: nur mit Bäumen. Den es aber nie in der Natur so geben würde. Doch das Gras unter meinen Füßen fühlte sich so real an, wie nur irgendetwas. Es war wirklich äußerst seltsam.

    Endlich hatte ich genug Holz gesammelt und einen Platz gefunden, der relativ geschützt war. Ich setzte mich wieder auf den Boden und suchte mir die zwei Hölzer aus, die mir am geeignetsten erschienen, Feuer zu entfachen. Es dauerte eine Weile, bis ich den Bogen wieder raus hatte, doch das Leben unter den Schaustellern auf Mittelaltermärkten hatte wohl durchaus Vorteile gehabt. Denn schließlich brannte mein kleines Feuerchen und ich spürte seine Wärme.

    An Schlaf war jedoch nicht zu denken in der Nacht. Ständig hörte ich Geräusche in der Dunkelheit und blickte um mich, in der Hoffnung und der Angst, jemanden hinter mir stehen zu sehen. Doch es kam niemand. Niemand schien mein Feuer bemerkt zu haben, als der Morgen wieder graute, und so fiel ich endlich doch noch in einen unruhigen Schlaf.

    Ich träumte wieder von der weiten Graslandschaft, nur durchbrochen von ein paar Felsbrocken, von denen nicht erkennbar war, wo sie wohl hergekommen sein mochten. Dieses Mal jedoch leuchtete nicht dieses seltsam feurige Ding am Himmel, sondern es war Nacht und die Sterne strahlten. Und ein Stern strahlte ganz besonders hell.

    Eine Stimme rief meinen Namen und irgendwann schreckte ich hoch. Erst wusste ich nicht mehr, wo ich war. Doch dann fiel es mir wieder ein und wünschte mir, ich hätte einfach weiterschlafen können.

    Dem Sonnenstand zu urteilen war es bereits kurz vor Mittag und mein Bauch sagte mir ziemlich deutlich, dass er endlich etwas essen wollte. Also erhob ich mich wieder und suchte weiter. Dabei versuchte ich mir zu merken, wo mein Lager war. Nicht, dass es wichtig gewesen wäre, aber es vermittelte mir ein Gefühl von Sicherheit, wenn ich wusste, dass ich einen Platz hatte, an den ich zurückkehren konnte.

    Nach einer Stunde Erkundungstour durch den Muster-Wald fand ich endlich einen kleinen Bach. Als ich den ersten Schluck getrunken hatte, merkte ich erst, wie viel Durst ich wirklich gehabt hatte, und bald schon fühlte ich mich wie ein dicker Wasserballon. Ich wusch mir noch Gesicht und Hände, dann sah ich mich etwas genauer um.

    Am Bach gab es einige Stellen, wo die Wurzeln der Bäume kleine Höhlen gebildet hatten. Dies wäre vielleicht ein besserer Ort für ein Lager. Also sammelte ich wieder Holz, um die Nacht zu überleben, und versuchte dann, an etwas Essbares zu kommen. Der Bach war jedoch so flach, dass darin keine Fische überlebt hätten. Und das einzige, was ich finden konnte, waren ein paar Sträucher mit Beeren, die ich nicht kannte. Mein Hunger war jedoch mittlerweile so groß, dass es mir egal war, ob ich davon sterben würde oder nicht.

    Gierig pflückte ich die Früchte von den Ästen, bis ich eine Hand voll zusammen hatte, und schlang sie hinunter. Sie schmeckten nicht besonders gut, doch das war mir im Moment ziemlich egal. Als ich meinen ersten Heißhunger gestillt hatte, setzte ich mich hin und wartete ab, ob etwas mit meinem Magen geschehen würde. Doch es passierte rein gar nichts.

    Das war nun schon mein zweiter Tag in diesem Wald und bisher war mir niemand begegnet. Wieso nur war es hier so verdammt still? Ab und zu konnte ich ein paar Vögel hören, doch das war auch schon alles. Es gab keine Geräusche von Autos, keine Züge, kein Menschengeschrei - nichts! Wie war das möglich? Ich war vermutlich seit meiner „Ankunft“ gute zwanzig Kilometer in verschiedene Richtungen gelaufen und hatte nicht einmal einen Jägersitz entdeckt.

    Ich beschloss, dass ich noch etwas Holz sammeln wollte. Sicher war schließlich sicher. Und dann würde ich mich noch eine Weile aufs Ohr hauen. Es hatte sowieso keinen Sinn, weiter durch die Gegend zu laufen. Was sagte man doch: wenn man sich verlaufen hatte, sollte man dort bleiben, wo man war, bis man gefunden wurde. Nur, wer würde mich hier schon finden? Und vor allem: wie würde man mich hier finden? Es gab hier vermutlich weit und breit nichts. Die nächste Stadt war sicher Kilometer weit entfernt.

    Ich seufzte tief. Ich sollte diese trüben Gedanken bei Seite schieben. Es brachte ohnehin nichts. Wenn das Schicksal es so wollte, dann würde ich hier eben sterben. So würde ich meine Schwester eher früher, als später wieder sehen. Dadurch würde mir meine Mutter zwar nicht verzeihen, aber sie würde mir auch nicht mehr böse sein können.

    Aber wäre sie nicht furchtbar traurig, wenn sie dann gar keine Tochter mehr hätte? Ich konnte mir denken, dass sie am Boden zerstört wäre. Aber sicher war ich mir nicht. Vielleicht wünschte sie sich auch, dass wir uns nie wieder begegnen.

    Eine leise Träne kullerte mir bei dem Gedanken über die Wange. Mochte sie mich wirklich nicht? Hasste sie ihre letzte Tochter wirklich so sehr?

    Verzweifelt legte ich mich auf mein improvisiertes Lager, den Blick auf den Fluss gerichtet, der langsam an mir vorbei floss, und kuschelte mein Gesicht an meine Hand. Dabei liefen die Tränen nun stärker und sammelten sich zwischen meinen Fingern. Ich wünschte, ich hätte etwas zum Zudecken gehabt, unter dem ich mich nun verkriechen konnte. Aber das ging leider nicht.

    Und so lag ich da, hörte auf das Rumoren meines Magens, dem die Beeren wohl doch nicht so einwandfrei bekommen waren, und starrte auf den Fluss. Meine Gedanken waren dabei auf nichts Bestimmtes mehr gerichtet. Das einzige, was ich fühlte, war der Schmerz. Schmerz darüber, dass ich nun mutterseelenallein war; Schmerz darüber, dass meine Mutter mich offensichtlich nicht mehr wollte; Schmerz darüber, dass ich meine Schwester so verletzt hatte und nicht mal mehr die Gelegenheit bekommen würde, mich zu entschuldigen. Mein ganzes Universum bestand nur noch aus Schmerz und mein Herz schien aus meiner Brust springen zu wollen.

    Und über diesen Schmerz hinweg und durch die Tränen hindurch schlief ich irgendwann, auf meinem Lager in der warmen Sonne liegend, ein.

    Wach wurde ich nur ganz langsam. Meine Augen waren verquollen vom vielen Weinen, mein Hals war rau und trocken und mein ganzer Körper war steif und durchgefroren. In der Nacht war es sehr kalt geworden. Und da ich mir kein Feuer entfacht hatte, war es ein Wunder, dass ich überhaupt noch aufwachte. Ich verfluchte mich selbst für meine Dummheit und meine Weinerlichkeit, da ich sonst eigentlich nicht so war, und versuchte die Augen zu öffnen.

    Doch dann hielt ich inne. Es war noch nicht richtig hell, die Sonne konnte mich also nicht geweckt haben. Die Kälte konnte es gewesen sein, doch es war wahrscheinlicher, dass ich von etwas anderem wach geworden war. Immerhin war die kälteste Stunde der Nacht schon vorbei. Was also war es?

    Dann hörte ich es wieder. Durch meine halb geschlossenen und ziemlich geschwollenen Lider konnte ich nur hell und dunkel voneinander unterscheiden. Doch meine Ohren funktionierten so gut wie eh und je.

    Leises Geflüster drang zu mir durch. Die Personen mussten etwa fünf Meter hinter mir stehen und es waren mindestens drei, die miteinander redeten. Doch die Sprache konnte ich nicht verstehen. Es war definitiv kein Englisch und kein Deutsch. Von der Sprechweise her hätte es Französisch sein können, doch wir kamen keine Worte bekannt vor. Für Spanisch oder Italienisch oder alle osteuropäischen Sprachen flossen die Worte zu sein ineinander. Obwohl sie nur flüsterten und ich nicht alles verstehen konnte, hörte es sich für mich so an, als würde Honig einen glatten Stein hinabfließen.

    Als ich mich bewegte, wurden die Stimmen plötzlich hektischer. Äste knackten unter ihren Sohlen und jemand sprang die Böschung zu mir hinab. Ich rappelte mich hoch, versuchte die Augen zu öffnen und blickte, als es mir endlich gelang, auf die Spitze eines Pfeiles, der genau auf meinen Hals zielte. Erschrocken schluckte ich, nicht fähig, mich auch nur einen weiteren Millimeter zu rühren.

    „Wer seid Ihr?“ Seine Stimme war bestimmend und doch irgendwie sanft, als spräche er einen Befehl aus und wusste genau, dass man ihm gehorchen würde, ohne, dass er zu viel Nachdruck hineinlegen musste. Er war ein geborener Anführer, der es gewohnt war, dass man ihm folgte.

    Doch sein Aussehen machte das alles leider wieder kaputt. Er hatte lange blonde Haare, die am Hinterkopf zusammengebunden waren. Er trug eine graue Tunika, die ihn im Morgenlicht seltsam aussehen ließ. Er wirkte schmal wie ein junger Baum, und doch stark wie der dicke Stamm, unter dem ich geschlafen hatte. Trug der moderne Mann von heute so etwas in dieser Gegend?

    Als ich nicht antwortete, wiederholte er seine Frage. Dann sagte er etwas in der ersten Sprache, doch das verstand ich nicht. Also antwortete ich so, dass er es auch verstehen konnte: „Gwyneth, mein Name ist Gwyneth. Und wer bist du?“

    Er stutzte für einen Moment, betrachtete mich von oben herab, dann sagte er etwas zu den anderen beiden, die noch oberhalb der Böschung standen und die ich nicht sehen konnte. „Euer Name ist Gwyneth?“, fragte er schließlich.

    Ich sah ihn erstaunt an. Eine Augenbraue von mir wanderte hinauf zu meinem Haaransatz. „Das hab ich doch grade gesagt. Kannst du mich nicht verstehen?“ Entweder sprach ich sehr undeutlich oder ich hatte es mit einem Schwachsinnigen zu tun. Zu dem Zeitpunkt war ich mir da noch nicht so ganz sicher, zu welcher Sache ich tendieren sollte.

    „Ich verstehe Euch sehr gut, Lady Gwyneth“, sagte er. „Doch Ihr sprecht recht seltsam für eine junge Maid in solcher Gewandung. Woher kommt Ihr?“ Mir klappte die Kinnlade herunter. Nicht nur, dass er mich eine „Lady“ genannt hatte, nein, er sprach auch noch in so einer geschwollenen Art, dass mir beinahe die Spucke wegblieb. So redete heute doch keiner mehr.
    Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: ich war mitten in ein LARP geraten! Gehört hatte ich davon schon, aber wirklich erlebt hatte ich noch keins. Diese Freizeitbeschäftigung, bei der sich Leute in historische Kostüme warfen, sich Geschichten ausdachten und sie selbst live in einer Burg oder ähnlichen nachspielten, war zwar nicht wirklich neu, aber auch nicht sehr weit verbreitet. Doch etwas anderes konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Diese seltsame Sprache, das merkwürdige Gewand und dann auch noch die Waffe. So lief doch kein normaler Mensch rum.

    Langsam drehte er den Kopf etwas zur Seite, in die Richtung, in der ich die anderen vermutete. Und dabei fiel mir auf, dass seine Ohren auch noch anders aussahen. Sie waren nicht rund, wie die unseren, sondern waren an der Oberseite spitz, wie die eines Vulkaniers. Scheinbar hatte man sich hier eine neue Spezies ausgedacht: bogenschießende Peter Pan-Vulkanier. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er auch noch zu einer kleinen grünen Fee gesprochen hätte. Nur die langen blonden Haare passten irgendwie nicht so richtig zum Outfit. Das störte mich noch etwas.

    Ich versuchte mich aus meiner etwas unwürdigen Lage zu stemmen und richtete mich, so gut ich es mit meinen steifen Gliedern vermochte, auf. Kurz erschrak ich über mich selbst, weil ich auf einmal selber so geschwollen dachte, doch dann schüttelte ich den Kopf. Egal, beschloss ich. Dann stemmte ich die Hände in die Hüften. „Wenn du mir nicht meine Frage beantwortest, beantworte ich dir deine auch nicht, kapiert?“

    Um seinen Mund konnte ich es verdächtig zucken sehen. Doch dann fasste er sich schnell wieder und richtete den Pfeil auf meine Stirn. „Mein Name ist Haldir o Lorien. Und jetzt, Lady Gwyneth, beantwortet mir meine Frage - bitte!“ Das letzte Wort sprach er mit so viel Nachdruck aus, dass ich erneut schlucken musste und die Ironie in seinen Worten davor beinahe vergessen konnte.

    Wenn es unbedingt sein musste, würde ich ihm seine blöde Frage eben beantworten. Wobei ich mit seiner Antwort so gut wie gar nichts anfangen konnte. Er hätte auch Vulkanisch sprechen können. „Mein Name ist Gwyneth und ich komme aus der Nähe von Münster. Und wo wir gerade davon sprechen: wo bin ich hier eigentlich?“

    Diese Frage brachte ihn so sehr aus der Fassung, dass er erst gar nicht sprechen konnte. Seine Begleiter wurden bereits ungeduldig und ich hörte so etwas wie: „Haldir, ú-henion i beth. Man pehd?“

    „Dîn!“, rief der, der sich mir als Haldir vorgestellt hatte, zurück. „Steh auf“, sagte er dann zu mir und machte mit dem Pfeil eindeutige Bewegungen. „Du wirst mit uns kommen. Man wird dann darüber entscheiden, was mit dir geschehen soll. Für eine Menschenfrau bist du sehr unhöflich einem Elb gegenüber. Doch die Herrin wird sich darum kümmern. Es ist mir nicht gestattet, jemanden innerhalb der Grenzen zu töten, ohne ihn vorher zumindest vor den Herrn und die Herrin zu führen.“

    Dann verband man mir die Augen und knotete meine Handgelenkte zusammen. Daran wurde, wie ich vermutete, ein weiterer Strick befestigt, sodass sie mich an einer Leine hinter sich herführen konnten, wie einen Hund. Und so gedemütigt schleppten sie mich schließlich durch den Wald, bis ich völlig die Orientierung verloren hatte und nicht mehr wusste, wo ich überhaupt hergekommen war.

    tbc...





    Übersetzung:

    Haldir, ú-henion i beth. Man pehd? - Haldir, ich verstehe kein Wort. Was sagt sie?

    Dîn! - Still!
    Geändert von Nefertari (12.12.2013 um 15:36 Uhr)
    Alle meine FF's und Infos dazu findet ihr auf meiner neuen

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  9. #9
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    Ich weiß, long time no see und es tut mir wirklich leid, dass ich hier
    so lange nichts mehr gepostet habe, obwohl die Story an anderer Stelle bereits so weit fortgeschritten ist.



    Ich hoffe ihr könnt mir noch mal verzeihen. Aber ich werde jetzt jeden Tag ein Kapitel posten, damit ihr bald wieder aufholen könnt.

    Jetzt erst mal weiter mit Kapitel 9 und falls ihr nicht mehr wisst was bis hierher passiert ist hier eine kleine Zusammenfassung: Die liebe Fearwynn, sehr stark an AIDS erkrankt, ist nach einer schweren Lungenentzündung und einer eingeleiteten OP mitten in einem Wald aufgewacht in dem sie auf die beiden Waldläufer Erebor und Deorhain gestoßen ist. Mit ihnen reiste sie in die Waldläuferstadt Tharbad. Diese wurde jedoch von Moria Orks angegriffen und die wenigen Überlebenden mussten fliehen.

    Ihre zwillingsschwester Gwyneth hatte indess allerhand damit zu tun die Beerdigung für ihre an AIDS verstorbene Schwester zu organiseren und nicht in das tiefe Loch zu fallen, dass Fearwynn mit ihrem Tod in die bereits zerrüttete Familie gerissen hatte.
    Bei der Ausstellung ihrer Bilder bemerkt sie welche Fehler sie in den letzen Jahren begangen hat und will zu ihrer Mutter fahren um sich bei ihr zu Entschuldigen, doch nach einem kurzen Schreckmoment während eines Unfalles wacht auch sie in einem ihr unbekannten Wald auf und als ihr einige komische Gestalten begegnen ist sie sich sicher, sich mitten in einem LARP (Live action role play) zu befinden.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~


    Kapitel 9

    Die Hast nach Bruchtal

    Fearwynn


    „Willkommen in Bree, meine Teure“, sagte der alte Mann als wir durch das Tor der Stadt gelaufen waren, und ich sah mich um. Es war mitten in der Nacht und doch waren viele Menschen auf der Straße. Doch nicht nur Menschen, sondern auch kleinere Gestalten und ich war mir sicher, das mussten die Hobbits sein, von denen mir Halbarad berichtet hatte.

    Aber ich konnte nicht sagen, dass mir diese Stadt gefiel, denn sie war herunter gekommen. Manche der Häuser bestanden aus vermoderndem Holz und altem Lehm. Andere wiederum schienen etwas neuer, oder zumindest gepflegter zu sein. Eines davon war der Gasthof zum Tänzelnden Pony, das der alte Mann nun mit mir betrat.

    „Ah, Herr Gandalf, was kann ich für Euch tun?“, fragte der Mann an der Bar und ich war geschockt. Dieser alte Mann war Gandalf? Der Gandalf, der Aragorn zu einem Auftrag geschickt hatte? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Aragorn, der Stammesführer der Dúnedain, auf diesen alten Mann hatte hören können. Ja, er hatte eine mystische Seite und ja, er strahlte eine Weisheit aus, aber er schien mir nicht ein Mann der Befehle zu sein.

    „Diese Junge Dame benötigt ein Bett für die Nacht und ein Bad“, sagte Gandalf und der Barmann nickte nur und verschwand sofort. Ein Bad …. Ja, das was es, das ich nun brauchte. Ein heißes, warmes Bad, am besten noch mit einem Glas heißer Zitrone … Krank werden war das Letzte, das ich wollte.

    Sofort dachte ich wieder daran, wie krank ich gewesen war, bevor ich hier gelandet war. Ich war mir sicher, mein Ende wäre nicht mehr fern gewesen, hätten die Ärzte nicht sofort eingegriffen. Wobei ich immer noch nicht sicher war, was das hier nun war. War es ein Komatraum, eine Art Entführung, oder war ich vielleicht tatsächlich gestorben? Nein, gestorben konnte ich eigentlich nicht sein, denn ich war weder in der Hölle noch im Himmel. Wenn ich entführt wurde, dann hatte ich keine Ahnung, wohin und wer es gewesen sein könnte. Also blieb eigentlich nur die von mir bereits vermutete Komalösung übrig.

    Ich war froh, als ich wenige Minuten später von dem Barmann, der sich bei mir als Herr Butterblume vorgestellt hatte, in mein Zimmer gebracht wurde. Das Zimmer war nicht gerade das, was ich gewohnt war, um ehrlich zu sein war das noch nicht mal einen halben Stern wert. Andererseits, wo auch immer ich hier gelandet war, hier vergaben sie sicherlich keine Sterne für Sauberkeit oder Komfort. Das Zimmer war dunkel und mit dunklem Eichenholz möbliert. Ein kleiner morscher Schrank, ein Bett mit einer Matratze aus Stroh und ein kleiner Tisch mit einer Kerze, das war alles. Im Nebenraum befand sich ein kleines Badezimmer mit einem Plumpsklo und einer Badewanne. Die Badewanne dampfte und ohne darüber nachzudenken, wer vielleicht eintreten könnte, zog ich mich aus und stieg in die hinein.

    Erst als ich in der Wanne lag sah ich, dass mir jemand frische Kleidung auf einen kleinen Schemel neben der Wanne gelegt hatte, ein langes rotes Kleid und ein schwarzes Unterkleid. Ich fragte mich, wer auf die Idee gekommen war, mir ein rotes Kleid hinzulegen, immerhin war rot eine der beiden Farben, die ich hasste. Rot war für mich die Farbe für Aids. Aids hatte viel mit Blut zu tun und Blut war rot, genau wie diese dämliche Solidaritätsschleife, die sich die Medien ausgedacht hatten um ihr Mitgefühl zu heucheln. Ich überlegte sogar einen Moment nur das Unterkleid anzuziehen, doch das war wahrscheinlich zu unziemlich, denn immerhin schien hier alles fast wie im Mittelalter abzulaufen.

    „Gandalf sagte, du …“ Mit einem Schrei schnitt ich ihm das Wort ab. Er war einfach durch die Tür gerannt, einfach so, ohne auch nur darüber nachzudenken, zu klopfen. Schnell suchte ich die letzten paar Schaumkronen auf dem Wasser zusammen, um mich zumindest halbwegs zu bedecken. Ich sah, wie er erst kurz lächelte und dann, als er merkte, dass ich ihn sah, sich beschämt umdrehte.

    „Es … es tut mir leid …“, stammelte er.

    „Nein, tut es nicht“, antwortete ich trocken und sein Kopf sank noch tiefer. Ich wusste, dass ich Recht hatte. Trotz meiner Krankheit war ich nicht zu einer unattraktiven Frau geworden. Im Gegenteil, es war fast so, als wolle sich Mutter Natur über mich lustig machen. Ich war schlank, hatte aber dennoch erkennbare weibliche Rundungen, meine Beine waren lang und gerade und meine Brüste waren auch nicht gerade die kleinsten.

    „Nein“, gab Erebor zu, „aber ich soll dir ausrichten, dass du bitte wieder herunter kommen sollst. Gandalf will mit uns aufbrechen.“ Ich hörte wohl nicht richtig. Er hatte mich angeschrien, beschimpft und beleidigt und nun sprach er von „uns“. Ich würde sicherlich nicht mehr mit ihnen kommen, ich würde hier in Bree bleiben.

    „Und wer sagt, dass ich mit euch komme?“, frage ich und stand dann aus dem Wasser auf. „Wehe, du drehst auch nur ein einziges Körperteil!“, sagte ich drohend als ich merkte, wie er aufblickte. Wenn er sich umdrehte, dann konnte er was erleben. Ich ging zu dem kleinen Schemel, trocknete mich erst mit einem der Handtücher ab und streifte dann die frische Kleidung über. Das Kleid war alles andere als prüde. Es war so weit ausgeschnitten, dass es selbst in San Francisco als aufreizend empfunden werden würde.

    „Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe“, sagte er zögerlich. „Ich bin mir sicher, dass deine Eltern diesen Ring ehrlich erworben haben.“ Langsam drehte er sich um, vorsichtig, so als rechnete er mit einer Ohrfeige oder Schlimmerem, aber ich war bereits vollkommen angezogen. Dann sah er mir direkt in die Augen. In Ihnen lag die Wahrheit, das konnte ich sehen. Ihm tat es tatsächlich leid, was passiert war. Doch dann füllten sich seine Augen mit etwas anderem, das ich nicht einordnen konnte. Es machte mich unsicher und ich hasste es unsicher zu sein, also stürmte ich an ihm vorbei, um auch noch meine Stiefel und meine Dolche zu holen. Mein Reisekleid tunkte ich schnell einmal in das Badewasser und schrubbte es für einen Moment, damit der grobe Dreck verschwand, dann wrang ich es aus und stopfte es in einen Rucksack.

    „Was tust du da?“, fragte Erebor verwirrt als ich immer wieder an ihm vorbei huschte.

    „Wo nach sieht es denn aus? Wenn Gandalf aufbrechen will, sollte ich mich wohl fertig machen.“ Erst mir Erebors Grinsen fiel mir auf, was ich da gerade tat. Ohne es wirklich zu wissen oder gewollt zu haben, bereitete ich mich nun doch darauf vor, Bree mit Gandalf, Deorhain und Erebor zu verlassen.

    Kurz darauf stand ich auch schon mit Erebor wieder unten im Schankraum des Gasthofes und zog die Blicke vieler Männer auf mich. Das deutliche Blutrot meines Kleides schrie förmlich nach Aufmerksamkeit und es ließ mich erröten.

    „Du siehst wundervoll aus, Fearwynn“, bemerkte Deorhain, als ich mich an den Tisch setzte, an dem er mit Gandalf saß.

    „Danke. Erebor sagte, ihr wolltet aufbrechen, Gandalf?“ Gandalf nickte nur und lächelte mich an.

    „Herr Aragorn hat Bree bereits verlassen, bevor Gandalf hier eintraf. Die Schwarzen Reiter werden ihn verfolgen oder im schlimmsten Fall ihm irgendwo auflauern. Wir müssen es also schaffen ihn und seine Begleiter zu überholen“, bemerkte Erebor und mischte sich so wieder in das Gespräch ein. Ich sah ihn kurz an und der Blick, den er mir zuwarf, glich dem eines schuldbewussten Dackels. Ich konnte dem nicht widerstehen und lächelte ihn unweigerlich für einen kurzen Moment an.

    Er hatte einen Fehler gemacht, ja, aber machte nicht jeder Mensch einmal Fehler? Sollte nicht jeder eine zweite Chance verdienen?

    Wenige Stunden darauf befanden wir uns auf dem Weg nach Bruchtal. Das bedeutete, dass ich bald dem Ort, an dem ich aufgetaucht war, wieder ganz nah sein würde, doch erst einmal ging es darum, Aragorn zu überholen und die Nazgûl davon abzuhalten, ihn und seine Begleiter anzugreifen. Wir liefen nun offen auf den Straßen. Gandalf war der Meinung, dass wir sowieso gefunden werden würden, wenn man uns finden wollte, und dass wir so schneller vorankamen. Natürlich hatte ich Angst wieder auf die Schwarzen Reiter zu treffen, aber irgendetwas sagte mir, dass wir mit Gandalf viel besser dran waren als ohne ihn.

    „Was ist mit den Verletzten aus Tharbad geschehen?“, fragte ich Deorhain während wir unser Lager auf der Spitze eines Berges aufschlugen. Sein Gesicht verriet mir genug um zu wissen, dass es keine guten Nachrichten waren. Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter, ich wollte ihm zeigen, dass es mich bedrückte ihn so zu sehen.

    „11 von ihnen haben es geschafft. Die anderen konnten den Reitern nicht entkommen. Wir haben sie am Wegesrand gefunden.“ Ich sah ihn erstaunt an. Am Wegesrand? War ich so in Panik gewesen, dass ich die Leichen nicht gesehen hatte? Es mussten viele gewesen sein, wenn nur 11 von ihnen überlebt hatten. Das bedeutete, wenn Halbarad und seine Männer nicht angegriffen wurden, waren nun nur noch 33 von den Dúnedain am Leben, 33 Männer ohne Frauen, die gerade ihre Heimat verloren hatten.

    „Es tut mir leid. Es müssen Freunde von euch dabei gewesen sein“, sagte ich und Deorhain nahm mein Hände in seine. Ich sah in seinen Augen, dass er tiefen Schmerz über den Verlust so vieler Leben hatte. „Es waren Kinder meiner Freunde. Männer, die ich seit der Wiege kannte, gute Männer. Niemand von ihnen hatte es verdient so zu enden“, sagte er und seine Augen drückten tiefe Trauer aus, auch wenn keine Tränen in ihnen steckten.

    „Wir werden dafür sorgen, dass Sauron bekommt, was er verdient, Deorhain. Das schwöre ich dir“, sagte ich und ich war mir der Bedeutung meiner Worte sicher. Durch das „wir“ hatte ich ihm geschworen, an ihrer Seite zu bleiben. Gemeinsam mit ihnen zu kämpfen. Natürlich war das hier nicht üblich für eine Frau, doch ich hatte ihnen bewiesen, dass ich kämpfen konnte.

    „Verzeihe Erebor seine Jugend, Fearwynn. Er war eher wütend mit sich selbst als mit dir“, sagte Deorhain und blickte in die Richtung, in die Erebor zu Beginn unseres Gespräches gegangen war. „Er ist wütend, weil er seine Gefühle für eine Fremde über die Gefühle für seine Familie gestellt hat.“ Ich schluckte. Die Gefühle für eine Fremde? Welche Gefühle meinte er? Erebor und ich hatten uns gut verstanden in der Zeit vor Tharbad, aber direkt von Gefühlen zu sprechen war sicherlich mehr als übertrieben. Wir waren vielleicht Freunde, ja, das musste Deorhain meinen, die freundschaftlichen Gefühle.

    „Ich werde mir deinen Rat zu Herzen nehmen, Deorhain, und ihm nicht mehr böse sein“, sagte ich und ein leichtes Grinsen breitete sich auf den Gesicht des alten Mannes aus.

    „Große Weisheit für eine so junge Dame wie ihr es seid“, ertönte die Stimme von Gandalf, der gerade zu uns ans Feuer gekommen war. Auch er lächelte mich freudig an.

    Dann verstummte er allerdings und löschte das Feuer umgehend. Ich wusste nicht, was los war, doch ich spürte, dass etwas alles andere als in Ordnung war.

    „Ich denke, es ist besser, wenn du deinen Ring anziehst“, flüsterte Gandalf in mein Ohr. Ich wusste nicht, warum ich das auf einmal tun sollte, doch ich vertraute auf seinen Rat und zog die Kette aus. Während ich den Verschluss öffnete und den Ring von der Kette nahm, passierten mehrere Sachen auf einmal.

    Mein Ring begann wieder zu leuchten und er wurde heiß; mehrere kreischende Laute hallten aus nicht allzu weiter Entfernung durch die Nacht und Erebor kam zu uns gerannt, doch er war verwundet. Im Schein meines Ringes konnte ich genau sehen, wie ein Teil seiner Lederweste aufgerissen war und Blut daraus tropfte. Gandalf, Deorhain und ich liefen direkt zu ihm und stellten uns Rücken an Rücken. Jeder von uns zog seine Waffen, während ich Erebors Stöhnen vernahm.

    „Die … die Nazgûl, sie sind hier!“, stöhnte Erebor und sackte zusammen. Doch bevor ich ihn hätte stützen können, sah ich auch schon 5 schwarze Gestalten auftauchen. Mein Ring wurde noch heller und auch der Stab, den Gandalf bei sich hatte, begann zu leuchten. Ich merkte, wie Wut in mir aufkochte. Wut darüber, dass sie uns an der Sarnfurt überrascht und angegriffen hatten; Wut darüber, dass sie so viele unschuldige und sowieso schon verletzte Männer angegriffen hatten; und Wut darüber, dass sie einen meiner Freunde verletzt hatten. Ein Schrei entfuhr meiner Kehle und ich stürmte auf eine der Gestalten zu. Das Adrenalin schoss wieder in meine Adern, doch es war nicht mein einziger Antrieb. Ich fühlte mich sicher, sicher wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich wusste, ich konnte mich gegen sie verteidigen und mit Gandalfs Hilfe würden wir sie vielleicht sogar vertreiben können. Ich war dazu im Stande und würde nicht mehr fliehen.

    Auch Deorhain und Gandalf begannen mit den Nazgûl zu kämpfen und das Klirren unserer Schwerter erfüllte die Luft.

    „Fearwynn, pass auf!“, rief Erebor und ich hörte wie sein Schwert durch die Luft schoss. Ich sprang zur Seite und dann ertönte das Kreischen eines Nazgûl. Anscheinend hatte Erebor einen von ihnen verletzen können. Es war ein gutes Gefühl. Er hatte sich in gewisser Weise zumindest für seine eigene Verletzung rächen können. Ich rückte wieder näher an ihn heran. Ich musste ihn beschützen, er hatte nun schon zwei Mal mein Leben gerettet und ich wollte nicht, dass er nun starb.

    Dann mit einem Mal ertönte ein Knall und ein gleißender Lichtblitz ging von Gandalfs Stab aus. Die Nazgûl kreischten noch einmal, dann waren sie verschwunden. Das Licht meines Ringes erstarb und ich hatte eine Ahnung, warum er geleuchtet hatte. Es musste etwas mit Gandalfs Stab zu tun haben, irgendeine Verbindung musste zwischen diesen beiden Gegenständen bestehen, die ich nicht verstand. Oder waren es vielleicht die Nazgûl? Bewirkten sie, dass mein Ring zu leuchten begann? Ich konnte es nicht sagen, aber es kam mir äußerst seltsam vor.

    Doch um dieses Problem konnte ich mich nun nicht kümmern, es gab andere Probleme. Ich beugte mich zu Erebor herunter und konnte erkennen, dass seine Wunde tief war.

    „Er wurde durch eine Morgul-Klinge verwundet“, sagte Deorhain voller Entsetzen, als er Erebors Wunde sah.

    „Was bedeutet das?“, frage ich besorgt, denn ich ahnte, dass es nichts Gutes hieß. Dann hörte ich wie Gandalf laut pfiff, als rufe er einen Hund.

    „Es bedeutet“, begann Gandalf als er fertig mit dem Pfeifen war, „dass er schnell nach Bruchtal zu Herr Elrond gebracht werden muss. Sonst wird er ein Geist, wie sie es sind“, erklärte er, dann hörte ich wieder das Geräusch von herannahenden Hufen. Wieder zückte ich meine Dolche, doch Gandalf legte mir seine Hand auf die Schulter und beruhigte mich. Dann erschien ein weißes Pferd, ohne Sattel, ohne Zaumzeug.

    „Das ist Schattenfell, König der Pferde. Er ist ein Freund von mir und ich werde ihn bitten, Euch und Erebor so schnell und sicher wie möglich nach Bruchtal zu bringen“, erklärte Gandalf, dann sprach er auf einer anderen Sprache mit dem Pferd. Ich kannte diese Sprache nicht und dennoch kam ich nicht um den Gedanken herum, dass Gandalf etwas verrückt war. Kein Pferd der Welt konnte wirklich verstehen, was er da sagte.

    Doch dann stockte mein Atem. Der weiße Hengst legte sich tatsächlich neben Erebor auf den Boden, sodass er sich auf ihn ziehen konnte, und ich mich hinter ihn setzen konnte.

    „Ich hoffe, Ihr könnt reiten, Lady Fearwynn“, sagte Gandalf. Ich wollte ihm noch sagen, dass ich nicht gerade gut reiten konnte und ich keine Ahnung hatte, wo Bruchtal war, da preschte der Hengst bereits davon. Ich konnte meine Arme nur um Erebor schlingen und mich an der Mähne des Hengstes festklammern, der schneller galoppierte als ich je ein Pferd hatte galoppieren sehen.

    Der Hengst schien keine Rast machen zu müssen und so galoppierte er in der Nacht und am Tag.

    „Es tut mir wirklich leid, Fearwynn“, stammelte Erebor schwach, als wir einmal anhielten, damit wir alle etwas trinken konnten und ich seine Wunde reinigen konnte. Als ich seine Weste bei Seite schob, sog er schmerzerfüllt Luft ein und ich erschrak beim Anblick seiner Wunde. Sie war tiefer als ich befürchtet hatte und um sie herum war die Haut schwarz. So etwas hatte ich noch nie gesehen und ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich tun sollte.

    Vorsichtig zog ich ihm die Weste und sein Hemd aus, riss mir einen kleinen fetzen von meinem Kleid ab und machte ihn nass. Damit versuchte ich dann die Wunde vom Schmutz zu befreien. Erebor stöhnte auf vor Schmerz und ich hätte am liebsten aufgehört. Ich wollte nicht sehen, wie er meinetwegen litt, doch ich wusste auch, dass er sich ansonsten eine ernsthafte Infektion zuziehen konnte. Im schlimmsten Fall konnte er einer Sepsis erliegen und das war viel schlimmer als jeder Schmerz, den er nun spüren konnte.

    Als ich die Wunde rein gewaschen hatte und kein Dreck mehr darin zu sehen war, riss ich mir erneut einen etwas breiteren Streifen von meinem Kleid ab und band ihn ihm um seine Wunde. Ich nahm mir vor auf unserem weiteren Weg nach dem Kraut zu suchen, das Halbarad und Deorhain zur Heilung meiner Wunden benutzt hatten.

    Sobald ich wieder nach Schattenfell rief erschien der stolze Hengst neben uns, legte sich wieder neben Erebor, sodass er auf seinen Rücken kam, und lief dann weiter. Ich ahnte, dass er es nicht uns zuliebe tat, sondern dass er tatsächlich Gandalfs Freund war. Ich war keine gute Reiterin und lag ihm sicherlich schwer im Rücken, wie ein Hammer, der immer wieder auf seine Wirbelsäule schlug.

    Nach insgesamt 5 Tagen erreichten wir am frühen Morgen ein Tal, das mitten zwischen den Bergen thronte. Die Bäume strahlten in allen erdenklichen Farben. Es sah aus, als sei Herbst, aber kein einziges Blatt verließ seinen Ast und es war auch nicht kühl.

    Schattenfell schlug einen engen Pfad an einer Felswand ein, minderte aber nicht einmal sein Tempo. Er schien seine Aufgabe sehr ernst zu nehmen und wollte anscheinend keine Zeit vergeuden. Ich jedoch fürchtete von seinem Rücken in die Tiefe des Abgrundes zu stürzen, wenn ich mich nicht gut genug festhielt.

    Erst jetzt, da das Sonnenlicht wieder über die Kuppen der Berge zu uns kam, merkte ich, wie bleich Erebor geworden war. Seine Haut glich eher der einer Leiche, auch wenn sie nicht ganz so kalt war. Seine Augen waren geöffnet, seine sonst eher dunklen grau-blauen Augen sahen fast komplett weiß aus und starrten blind in ein und dieselbe Richtung. Er reagierte auf keinen Reiz, weder eine Berührung, noch der Klang meiner Stimme. Er driftete in diese von Gandalf genannte Schattenwelt ab, und ich konnte ihn nicht davon abhalten, diesen Geistern zu folgen.

    „Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier in Bruchtal?“, fragte eine Stimme. Sie klang zwar melodisch, doch in ihr lag eine Drohung. Wenn ich eine falsche Antwort gab, dann würde das kein gutes Ende nehmen, weder für Erebor noch für mich.

    „Mein Freund wurde von einem Nazgûl verletzt. Mithrandir schickt uns. Er sagte, ich solle Euch das hier zeigen“, sagte ich und erhob den Ring. Ich erinnerte mich daran, wie Gandalf einmal kurz erwähnt hatte, dass der Ring mir in Zeiten der Not Hilfe bieten würde und nun war eine solche Zeit der Not. Dann tauchte ein Mann hinter dem Baum auf. Er war groß, grazil und strahlte einen Edelmut aus, der mich sofort beeindruckte. Seine langen blonden Haare waren glatt und seidig, wie ich es noch nicht mal bei den eitelsten Frauen gesehen hatte.

    „Ihr seid Freunde von Mithrandir?“, fragte er und ich nickte. Sofort nahm er Erebor von Schattenfells Rücken, sagte dem Hengst in einer anderen Sprache etwas und ging dann durch einen langen Gang in einen Raum. Ich folgte ihm schnellen Fußes, denn ich wollte Erebor nicht alleine lassen. Wer wusste schon, was der Kerl mit ihm anstellte?

    „Ich werde nun Herrn Elrond holen. Mithrandir hat gut daran getan, Euch zu schicken“, sagte er nachdem er Erebor auf das Bett in der Mitte des Raumes gelegt hatte. Ich schnappte mir den Stuhl, der neben dem Bett stand, und setzte mich darauf. Ich griff nach Erebors Hand und merkte, wie sie stetig kälter wurde. Immer wieder stammelte er einzelne Wörter, die keinen Zusammenhand hatten. Ich machte mir große Sorgen.

    Herr Elrond war ein ebenfalls groß gewachsener Mann. Seine Haare waren dunkelbraun, lang und standen denen des blonden Mannes in ihrer Reinheit in nichts nach. Jede Friseurin wäre sicherlich in Ohnmacht gefallen bei dieser Haarpracht. Doch es waren nicht nur die Haare, die mich an Herrn Elrond beeindruckten. Alles an ihm schien auszusagen, dass er eine sehr hohe Stellung inne hatte. Er war eine Respektsperson, ihn fragten viele Leute um seinen Rat, da war ich mir sicher.

    „Ihr habt gut daran getan, schnell her zu kommen. Seine Verletzung ist schwer“, sagte er und ich machte ihm Platz. Ich hörte Erebor wieder aufstöhnen als Herr Elrond den Verband, den ich gemacht hatte, löste. Doch sein Stöhnen erinnerte nun fast an das Kreischen der Reiter. Es ließ meinen Körper erstarren und eine Gänsehaut überzog meine Haut. Waren wir zu langsam gewesen? War er bereits verloren?

    „Es wird einige Zeit dauern, bis er genesen ist, aber ich werde es schaffen“, sagte Herr Elrond und zeigte mit seinem Arm in Richtung Tür. dort stand eine Junge Frau, die mich einladend ansah und ihre Arme leicht ausbreitete. Ich sollte ihn alleine lassen. Zu Beginn wollte ich protestieren, doch ich wusste, dass es zwecklos war.

    „Kommt, ich bereite Euch ein Bad und wasche Eure Kleidung“, sagte die junge Frau und ihre Stimme zeugte von einer Weisheit und einem Alter, dass sie unmöglich erreicht haben konnte. Sie sah nicht älter aus als ich. Keine Falte bedeckte ihr reines, feines Gesicht. Auch ihre Haare waren dunkelbraun, fast schwarz, und mehr als gepflegt. Das Shampoo dieser Leute musste ich unbedingt haben, das stand fest. Ich war schon froh über irgendein Shampoo. Meine Haare waren schon vollkommen ausgetrocknet und strohig.

    Erst jetzt, wo ich wusste, dass Erebor in Sicherheit war, konnte ich die Konzentration aufbringen mich umzusehen. Das Gebäude hatte keine Fenster und sah beinahe aus, als habe die Natur persönlich auf Wunsch dieser Menschen die Form eines großen palastähnlichen Gebäudes angenommen. Bäume und Gebäudeelemente tanzten förmlich einen unaufhörlichen, in vielen Farben schillernden Tanz. Es passte zu den Menschen, die hier wohnten. Auch sie schienen völlig im Einklang mit der Natur zu leben. Dennoch kamen sie mir nicht so verrückt vor wie diese Ökos, die sich immer mehr ausbreiteten. Bei ihnen kam es mir natürlich vor, so als könnten sie gar nicht anders sein.

    „Wie ist Euer Name?“, fragte die Frau, als sie mir Kleidung auf mein Bett legte.

    „Fearwynn“, sagte ich und sie sah mich lächelnd an. Ich konnte nicht anders als zurück zu lächeln. „Und Euer Name?“, fragte ich sie und ihr Lächeln wurde breiter. Es schien ihr zu gefallen, dass ich mich auf das Gespräch einließ.

    „Man nennt mich Arwen Undómiel, ich bin die Tochter von Herrn Elrond.“ Mein Mund blieb offen. Jetzt verstand ich, warum alle von dieser Frau schwärmten. Sie war wahrlich eine Schönheit, die Ihresgleichen suchte. Dann fielen mir ihre Ohren auf. Etwas war komisch an ihnen, doch es wollte mir zuerst gar nicht auffallen, so natürlich sah die etwas spitzer zulaufende Ohrenspitze an ihr aus.

    „Ja, ich bin eine Elbe“, beantwortete sie meine ungestellte Frage. Nur das konnte erklären, warum alles hier so erhaben und weise erschien. Direkt fragte ich mich wieder, wie alt sie wohl war. Halbarad hatte mir erzählt, die Elben seien unsterblich, auch wenn ich es nicht glauben wollte.

    Dann zeigte sie mir den Weg ins Bad. Es war ein riesiger Unterschied zu dem Bad im Gasthof. Hier hätte wahrscheinlich jeder Hotelbewerter 5 oder gar 6 Sterne gegeben, so komfortabel und sauber war es hier.

    „Arwen, ich sollte Euch warnen. Mein Freund sagte mir, Ihr seid mit Herrn Aragorn befreundet.“ Sie nickte kurz und ich sprach weiter. „Er ist in großer Gefahr. Die Schwarzen Reiter sind ihm und seinen Begleitern einige Schritte voraus. Wir wollten sie ablenken, damit er freien Gang hatte, aber sie griffen uns an und wir mussten fliehen.“ Während ich geredet hatte, wurden ihre Augen größer und ich sah die Sorge in ihnen.

    „Ich danke Euch für diese Warnung, Fearwynn. Ich werde sofort jemanden schicken, um nach ihnen Ausschau zu halten“, sagte sie und verschwand. Ich war beunruhigt. Was war nur los in dieser Welt? Welche sadistische und grausame Wesen zogen hier die Stränge des Schicksals und was hatten sie für mich ersonnen?
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    Kapitel 10

    Leben unter verrückten

    Gwyneth



    Der Marsch dauerte beinahe den ganzen Vormittag. Und niemand sprach mit mir. Ich bekam nichts zu Essen und nichts zu Trinken. Ich hörte nur immer wieder ihre flüsternden Stimmen neben oder vor oder hinter mir. Doch keiner berührte mich, sprach mich an, fragte mich etwas und nahm sonst Kontakt zu mir auf. Das einzige, wobei ich nichts zu Meckern hatte, war der Weg. Nicht ein einziges Mal stolperte ich über eine Wurzel, fiel in ein Loch oder rutschte auf Blättern aus. Mein Weg war so sicher, wie ich ihn mit verbundenen Augen nur finden konnte.

    Dann, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, blieben wir endlich stehen. Jemand nahm mir die Augenbinde ab und ich blickte in Haldirs Gesicht. Ich musste ein Kichern unterdrücken, weil mir sein Anblick immer noch so seltsam vorkam. Doch sein ernster Ausdruck in den Augen machte es mir leicht, zu schweigen. „Da wir dich innerhalb unserer Grenzen gefunden haben, was uns vor ein weiteres Rätsel nebst deinem Namen und deiner Herkunft stellt, kannst du von Glück reden, dass wir schon da sind. Mein Bruder Rúmil hat uns unterwegs wieder verlassen, um auf seinen Posten zurückzugehen. Doch Orophin und ich werden dich nach oben begleiten.“

    Und als er das gesagt hatte, wanderte mein Blick über seine Schulter und mir stockte der Atem: wir standen auf einem freien Platz und links von uns erhob sich ein großer Hügel. Das Gras war hier so grün, wie ich es sonst nur in Comics gesehen hatte, und es fühlte sich so weich unter meinen Füßen an, wie ein neuer Teppich.

    Auf dem Hügel wuchsen zwei Baumkreise, einer mit Laub und einer schon ohne. Und überall auf dem Boden wuchsen kleine goldene Blüten in Sternenform. Es war, als hätte man mich aus der Realität in einen kitschigen Traum hineingeworfen und ich musste wirklich staunen über die Mühe, die sich die LARP-Leute gemacht hatten.

    Haldir holte mich aus meinem Tagtraum heraus und wies auf den Hügel. Oben zwischen den Baumkronen konnte ich etwas weiß aufblitzen sehen. Doch bevor ich es richtig identifizieren konnte, war es auch schon wieder zwischen den Blättern verschwunden. „Folge mir.“

    Wir gingen an dem Hügel vorbei und ich versuchte noch einmal das weiße Leuchten auszumachen. Doch ich fand es nicht mehr. So konzentrierte ich mich auf das, was unten am Boden war. Ich sah noch andere in diesen seltsamen Tuniken herumlaufen. Sie alle trugen welche in grau oder silbern, hatten langes seidiges Haar und spitze Ohren. Es sah ehrlich gesagt ziemlich schwul aus.

    Doch dann merkte ich, dass einige von ihnen tatsächlich auch Frauen waren und ich sah die erste, die nah an uns vorbei kam, ziemlich entgeistert an. Sie bemerkte meinen Blick, sah aber direkt wieder weg, als würde sie sich schämen, erkannt zu werden.

    Als wir eine weitere halbe Stunde gelaufen waren, traten wir wieder auf eine Lichtung. Am Ende der Lichtung erstreckte sich ein tiefer Graben und dahinter erhob sich eine große grüne Mauer. Und hinter der Mauer auf einem kleinen Hügel sah ich die größten Bäume, die ich bisher gesehen hatte.

    Mir blieb jedoch keine Zeit, das alles zu bewundern, sondern man drängte mich gleich weiter. Wir umrundeten die riesigen Bäume, denn von dieser Seite aus konnte ich keinen Eingang in der Mauer finden. Doch auf der genau gegenüber liegenden Seite befanden sich die Tore, die uns den Eintritt auch schließlich freigaben.

    Die ganze Zeit über starrte ich überall hin. Meistens nach oben, weil alles hier so hoch und offen war. Doch mehr als die dicken Stämme, die unteren Äste und Leitern, die an den Stämmen hinaufführte, konnte ich nicht entdecken. Es gab keine Bewohner, die in dieser Stadt herumgingen. Das einzige, was verriet, dass wir nicht alleine waren, waren die Stimmen, die aus den Wipfeln der Bäume kamen.

    Als es Nachmittag wurde, erreichten wir endlich die höheren Teile der Stadt. Und schließlich den dicksten Baum von allen. An seinem Fuß saßen drei Wächter, die eine Art Panzerhemd trugen. Sie sprangen auf, als sie uns sahen. Haldir sprach kurz mit ihnen, sie nickten und gaben uns den Weg zur Leiter frei.

    Der Aufstieg war lang und da ich kaum etwas gegessen hatte in den letzten beiden Tagen wurden meine Arme schnell schwerer. Ich brauchte eine Weile, bis ich endlich oben war. Doch als ich dann oben war, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: ich stand auf einer Plattform, die so groß war, dass darauf eine Halle Platz fand. Sie war oval und durchflutet von Licht, wie ich sah, als ich hinter Haldir eintrat.

    An der Stirnseite befanden sich zwei Stühle, die von weißem Stoff überzogen waren. Doch sonst war die Halle leer. „Warte hier“, sagte Haldir und verschwand schneller wieder, als ich gucken konnte. Jetzt war ich alleine mit seinem Bruder, der mich mehr als finster musterte.

    In der Bemühung, wenigstens etwas Konversation zu betreiben, sagte ich: „Und dein Name ist also Orophin, wie? Was bedeutet das denn?“ Doch leider erhielt ich keine Antwort. Obwohl er genau zu wissen schien, dass ich mit ihm sprach, drehte er sich unvermittelt weg von mir und starrte zu einem Fenster hinaus. Ich zuckte nur mit den Schultern und folgte seinem Beispiel.

    Ich hätte es besser nicht getan, denn es war hier oben so hoch, dass sich bei mir kurz alles drehte, als ich mich ans Fenster stellte und den Boden suchte. Meine Hände legten sich Hilfe suchend um den Sims und ich wartete geduldig, bis der Schwindel vorbei war. Dann trat ich vom Fenster zurück. Da wartete ich doch lieber neben der Tür.

    So weit kam ich jedoch gar nicht mehr. Denn bevor ich einen weiteren Schritt gemacht hatte, öffnete sich eine Türe, die ich vorher nicht bemerkt hatte, und Haldir kam hindurch. Sein Gesicht war in Besorgnis erregende Falten gelegt und auf seiner Stirn zeichnete sich eine tiefe Furche ab. Doch als er mich sah, glätteten sich seine Züge sofort wieder und er sah so jung aus wie vorher. Zwar nicht freundlich, aber immerhin nicht, als müsste ich mich vor einer Verurteilung fürchten. Hoffte ich zumindest.

    „Die Herrin wird dich nun empfangen, Gwyneth“, sagte er und wies mir den Weg durch die Türen, durch die er gekommen war. Ich nickte seinem Bruder kurz zu, der mich jedoch völlig ignorierte und Löcher in die Luft starrte, und warf Haldir selbst ein kurzes Danke zu. Er erwiderte es mit einem leichten Neigen seines Kopfes, dann fiel die Tür hinter mir ins Schloss.

    Das erste, was ich sah, war ein helles Licht. Die Assoziation mit dem Licht am Ende des Tunnels ließ mich wieder einen Schritt zurück gehen, doch dann nannte mich jemand beim Namen. Und diese Stimme war so weich und hell und freundlich, dass ich nicht anders konnte, als hinsehen und auf sie zugehen.

    Mit jedem Schritt, den ich tat, wurde das Licht schwächer und plötzlich erkannte ich die Silhouette einer ziemlich großen Frau. Sie hatte tiefgoldenes Haar und Augen so blau wie das Meer bei Sonnenschein. „Willkommen, Gwyneth, in Lórien“, sagte die Frau mit ihrer wohlklingenden Stimme.

    Ohne richtig zu merken, was ich tat, verneigte ich mich leicht vor ihr. Sie hatte eine so majestätische Ausstrahlung, dass es mir total natürlich vorkam. „Herrin“, sagte ich kleinlaut und wiederholte damit nur Haldirs Worte.

    "Mein Name ist Galadriel und ich bin die Herrscherin in diesem Wald. Verrate also auch mir noch einmal, wer du bist und wo du herkommst. Erzähl mir deine Geschichte.“

    Ich schluckte schwer. Was, wenn ihr nicht gefiel, was ich sagte? Doch ich hatte wohl keine andere Wahl. Also erzählte ich ihr, wo ich herkam, was ich bis vor zwei Tagen noch gemacht hatte, dass ich völlig unvorbereitet in diesem Wald aufgetaucht war, mit nichts an, außer diesem Kleid und meinem Ring, und dass Haldir und seine Brüder mich gefunden hatten.

    Als ich geendet hatte, sie hatte mich nicht ein einziges Mal unterbrochen, runzelte sie leicht die Stirn. Sie wirkte auf mich so jung, als wäre sie in meinem Alter. Doch wenn ich in ihre Augen sah, dann sah ich eine weise, alte Frau. „Zeige mir deinen Ring“, sagte sie schließlich und ich tat, wie mir geheißen.

    Sie nahm den Stein in ihre schlanken Finger und drehte ihn so ins Licht, dass er funkelte. Das hatte er bisher noch nie getan, dachte ich, jedenfalls nicht so schön. Irgendwie schien hier alles schöner zu sein. Selbst ich kam mir schöner vor, obwohl ich immer noch Haut und Knochen war. Der lange Marsch, das Schlafen unter freiem Himmel und das wenige Essen hatten nicht gerade dazu beigetragen, dass ich besser aussah.

    Das musste auch Galadriel eingesehen haben. Denn sie ließ meine Hand plötzlich los, sodass ich sie abfangen musste. „Man wird dir etwas zu Essen auf dein talan bringen. Und danach wirst du dich waschen und dir etwas Vernünftiges anziehen. In diesem Kleid musst du sicher frieren. Und wenn du morgen ausgeschlafen hast, sprechen wir uns erneut. Erst jedoch muss ich mich mit meinem Gemahl beraten, was mit dir geschehen soll. Doch töten werden wir dich gewiss nicht.“ Sie lächelte mich wissend an und ich hatte das Gefühl, dass sie die Angst tief in meinem Herzen erkannt hatte.

    Sie machte eine ausladende Geste mit dem Arm und ein junges Mädchen trat an mich heran. Sie lächelte mir zu und bedeutete mir ihr zu folgen. Sie führte mich wieder die Leiter herunter, einmal um den großen Baum herum und wieder auf einen viel kleineren hinauf.

    Oben auf dem talan, wie sie diese seltsamen Plattformen rund um die Baumstämme, nannten, angekommen erwartete mich ein kleines Häuschen. Es war nicht besonders groß, doch es kam mir vor wie ein Palast. Drinnen konnte ich sehen, dass man mir etwas zu Essen auf dem kleinen Tisch bereitet hatte. Und als ich Platz genommen hatte, verschwand das Mädchen wieder, ohne ein Geräusch zu machen.

    Kurz wunderte ich mich noch darüber, doch dann war das Essen interessanter. Ich verschlang alles, was man mir hingestellt hatte, trank den Wasserkrug bis zum Boden leer und lehnte mich dann zufrieden zurück. Die Lust nach einer Zigarette überkam mich plötzlich und ich wünschte, ich hätte das Mädchen nach dem nächsten Automaten gefragt.

    Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken konnte, ob es in diesem riesigen Wald überhaupt so etwas gab, überkam mich eine unendliche Müdigkeit. Ich ignorierte das Bad, was man mir in einem angrenzenden Zimmer bereit gestellt hatte, und warf mich nur noch auf das große Bett. Und ich schlief ein, bevor mein Kopf überhaupt das Kissen berührt hatte.

    Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne geweckt, die durch mein Fenster schien. Ich lag noch immer so, wie ich aufs Bett gefallen war, aber ich fühlte mich mehr als erholt. Als hätte ich eine ganze Woche lang durchgeschlafen. So fit hatte ich mich nicht gefühlt seit… Um ehrlich zu sein hatte ich mich, glaube ich, noch nie so gut gefühlt.

    Jemand musste die leeren Teller und Krügen mitgenommen haben, denn auf dem Tisch stand nun wieder frisches Essen. Und auch das Bad im angrenzenden Zimmer dampfte frisch.

    Verstohlen sah ich mich nach der Toilette um, fand jedoch nur einen alten Nachttopf. Ich stöhnte. Das konnte doch nicht deren Ernst sein!

    Da es jedoch mehr als dringend war, warf ich meine Bedenken über Bord und erleichterte mich schließlich zähneknirschend. Dann verdrückte ich das Frühstück mit Genuss und stieg schließlich in die Wanne ein. Das warme Wasser tat mir unglaublich gut und wäre beinahe wieder eingeschlafen. Ich konnte mich jedoch noch beherrschen, schrubbte mich gründlich sauber und trocknete mich danach an. In der Truhe, die vor dem Bett stand, fand ich neue Kleider.

    Als ich sie jedoch auf dem Bett ausgebreitet vor mir sah, erwartete mich eine neue böse Überraschung: man hatte mir nur umständliche Kleider gegeben! Nicht eine Hose war dabei. Wieder stöhnte ich. Dieser LARP wurde langsam nervig. Hoffentlich gab es hier irgendwo ein Telefon, mit dem ich mir ein Taxi rufen konnte. Ergeben zog ich ein blassblaues Kleid mit goldenem Saum an und knotete mir den Gürtel eng um die Taille. Dann machte ich mich an den Abstieg vom Baum.

    Nachdem ich zwei Mal fast hinunter gefallen wäre, hatte ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Etwas umständlich wickelte ich mir das Kleid wieder von den Beinen, nachdem es beim Klettern hochgerutscht war, dann machte ich mich auf die Suche nach einem Telefon. Doch weder fand ich eine Hütte mit der Aufschrift "Nur für Personal", noch eine mit "Damen" oder "Herren", geschweige denn elektrisches Licht, ein Auto oder ein Telefon. Bei der Auswahl der Lokation hatte man sich wirklich unglaubliche Mühe gegeben. Wenn es also schon ein Live Action Role Playing sein musste, dann wohl auch schon richtig.

    "Entschuldigung", sprach ich eine junge Frau, etwa in meinem Alter, an, die gerade an mir vorbei lief. "Hast du vielleicht Haldir gesehen?" Doch ich las nur Unverständnis in ihrem Blick. Konnte sie mich nicht verstehen? Ich wiederholte seinen Namen noch mal langsam, dann nickte sie schließlich. "Geradeaus", sagt sie und zeigte an mir vorbei. Aha, dachte ich, soundso heißt also geradeaus. Na immerhin war die Sprache nicht so schwer, wie ich dachte. Vielleicht würde ich sie ja noch lernen, wenn ich lange genug hier war.

    Ich nickte ebenfalls und sagte "Danke", legte eine Hand auf mein Herz und drehte mich um. Das Lächeln, was die junge Frau mir daraufhin schenkte, sah ich schon nicht mehr. Später erfuhr ich, dass ihr Name Gwen lautet. Diese Tatsache hätte mich vielleicht amüsiert. Genauso wie die Bedeutung meines Namens in ihrer Sprache. Man schrieb es zwar etwas anders, doch gweneth bedeutet Jungfräulichkeit.

    Den halben Tag lang suchte ich nach Haldir, doch ich fand ihn nicht. Und meine mangelnde Kommunikationsfähigkeit trug nicht gerade dazu bei, mich hier besonders gut zu Recht zu finden. Also die Sonne dann ihren höchsten Stand verlassen hatte, gab ich es endlich auf. Ich setzte mich an den Fuß eines Baumes und betrachtete meine Umgebung. Es war schon ziemlich merkwürdig. Es schien, als wäre es hier Herbst, obwohl es eigentlich Mai hätte sein müssen. Entweder war ich ziemlich weit weg von zu Hause oder ich hatte ziemlich lange geschlafen.

    „Da bist du ja!“, rief plötzlich jemand und riss mich aus meinen Gedanken. Es war Haldir. Er kam auf mich zu und blieb von mir stehen. „Ich habe dich überall gesucht, Gwyneth. Die Herrin Galadriel möchte dich sprechen.“ Ergeben erhob ich mich. Vielleicht würde sie mir ja einige Fragen beantworten können.

    Doch damit hätte ich nicht rechnen sollen. Denn auf meine Frage hin, wo ich hier war, sagte sie nur: „Du bist in Lothlorien, dem Waldlandreich der Galadhrim. Wir befinden uns östlich des Nebelgebirges, mitten in Mittelerde.“ Aha, dachte ich nur, das sagt natürlich alles!

    „Und wie bin ich hierher gekommen? Das letzte, an was ich mich erinnern kann, ist, dass ich einen Autounfall hatte. Doch das war in Deutschland und es war Mai. Jetzt haben wir Herbst und ich befinde mich am anderen Ende der Welt.“ Ich seufzte. Mein Ärger, den ich kurz vorher noch verspürt hatte, war wie verflogen. Ich fühlte mich nur noch müde und einsam. Wo war meine Familie und wo meine Freunde? Wo war mein zu Hause?

    Galadriel lächelte mich aufmunternd an. Zumindest sollte ihr Lächeln diese Wirkung haben. Doch es beruhigt mich ganz und gar nicht. „Wie du hierher kamst, kann ich nicht sagen. Vermutlich haben die Valar es so gewollt. Aber ich kann dir sagen, dass du nicht mehr in der Welt bist, in der du geboren wurdest. Du bist nun auf Arda, dem Reich von Manwe Súlimo, Herrscher der Valar.“

    „Wie meint Ihr das?“, fragte ich. Ohne es zu wollen hatte ich mich plötzlich in meine Rolle in diesem LARP eingefunden und irgendwie fühlte es sich seltsam vertraut an.

    Wieder lächelte sie. Dann streckte sie ihre Hand nach mir aus und sagte: „Komm, ich werde dich in meinen Spiegel blicken lassen.“ Verwirrt folgte ich ihr den Baum hinunter, auf dem ihre prächtige Halle stand. Sie führte mich eine Treppe zwischen den Wurzeln der Bäume hinunter in eine kleine Senke. Zu beiden Seiten der Treppe standen Frauenfiguren aus Holz. Ihre Gesichter waren zwar erstarrt, doch ich konnte in ihnen Leichtigkeit und Freude lesen.

    Mitten in dieser Senke befand sich ein Podest. Und auf diesem Podest ruhte eine flache Schale aus Silber. Im Hintergrund plätscherte eine kleine Quelle. Ich blieb vor dem Podest stehen, Galadriel ging zur Quelle, füllte einen Krug mit dessen Wasser und goss es in die Schale. „Und nun darfst du hinein schauen“, sagte sie.

    „Und was werde ich sehen?“, fragte ich, unsicher, ob ich das Spielchen mitspielen sollte.

    „Nicht einmal der Weiseste vermag das zu sagen. Dafür musst du in den Spiegel sehen.“ Sie lächelte wieder dieses wissende Lächeln, was mich schier verrückt machte. Als wüsste sie ganz genau, was hier vor sich ging. Doch was hatte ich schon für eine Wahl? Ich hatte weder ein Telefon, noch einen Taxistand gefunden. Mir blieb ja wohl nichts anders übrig, als zu warten, bis der LARP vorbei war und ich mit den anderen in die Zivilisation zurückkehren konnte.

    Also beugte ich mich über die Schale. Zunächst sah ich nur mein Spiegelbild und ich wollte schon genervt abhauen. Doch dann kräuselte sich die Wasseroberfläche. Es war, als hätte jemand darüber gepustet. Und als das Wasser wieder glatt wurde, konnte ich wieder mein Gesicht sehen. Doch es war jünger, viel jünger, und unbekümmerter. Ich mochte vielleicht zehn Jahre alt sein. Und neben mir stand meine Schwester. Wir hielten uns im Arm und lachten.

    Dann änderte sich das Bild. Noch immer sah ich meine Schwester und mich, doch nun waren wir älter. Unsere Gesichter waren blutverkrustet, der Schweiß stand uns auf der Stirn und wir blickten uns finster in die Augen. Wir standen auf einem Schlachtfeld, glaubte ich zumindest, und um uns herum lagen tote Körper. Dahinter tauchte plötzlich der Nachthimmel auf mit seinen Millionen von Sternen. Der Himmel rückte immer mehr in den Vordergrund, während die Gestalten von mir und Fearwynn verschwanden.

    Ein Stern leuchtete besonders hell. Vielleicht war es die Venus. Doch aus dem Stern wurde plötzlich mein eigener Ring, der hell am Firmament leuchtete, dahinter das Lächeln einer Frau, die so schön war, dass es fast schmerzte. Sie streckte die Hand aus und ich konnte plötzlich die Umrisse von Europa erkennen. Dort, wo mein zu Hause sein musste, erhob sich ein Leuchten, wie eine Sternschnuppe, die auf die Erde fällt, nur eben anders herum.

    Und wieder änderte sich das Bild und ich sah vom Himmel auf ein anderes Land herab. Es wurde in der Mitte durchzogen von einem riesigen Gebirge und die Sternschnuppe fiel rechts davon auf die Erde. War das etwa das Nebelgebirge, von dem Galadriel gesprochen hatte? War das Mittelerde? Und war die Sternschnuppe ich?

    Doch nicht nur meine Sternschnuppe fiel vom Himmel. Viel weiter links fiel noch eine andere vom Himmel. Was hatte das zu bedeuten, fragte ich mich und runzelte die Stirn. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, verschwamm das Bild wieder und ich blickte nur noch in mein eigenes Gesicht. Verwirrt sah ich mich selbst noch eine Weile an, weil ich das alles nicht verstand, dann blickte ich wieder zu Galadriel auf.

    Ihr Gesicht hatte sich nicht verändert. Nur in ihren Augen lag ein seltsamer Glanz, als hätte sie etwas erfahren. „Es scheint, als hätte man dich zu uns geschickt, damit du an einem Krieg teilnimmst. Das ist wahrlich eine seltsame Wendung, die das Schicksal hier nimmt.“

    „Zu Euch geschickt?“, fragte ich. „Wie meint Ihr das? Was soll das hier überhaupt werden? Noch vor drei Tagen war ich eine angesagte Newcomerin in der Kunst. Ich hätte viel Geld verdienen können. Und jetzt stecke ich hier mitten im Wald in diesem blöden Rollenspiel und keiner will mir sagen, was hier los ist! Ich verlange sofort ein Telefonat, damit ich mir ein Taxi rufen und endlich aus diesem mittelalterlichen Alptraum verschwinden kann!“

    Um mich drehte sich plötzlich alles und meine Kehle wirkte wie zugeschnürt. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, doch es gelang mir nicht richtig. Mir wurde schwarz vor Augen und die Panik überfiel mich. Ich griff nach dem Podest des Spiegels, bekam die Kante zu fassen und krallte meine Finger hinein, um nicht umzukippen.

    Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und irgendwie beruhigte mich das. „Verzweifle nicht, junge Gwyneth“, sagte Galadriel dicht neben mir. „Ich weiß, dass es für dich nicht leicht ist, das alles zu begreifen. Doch du musst einsehen, dass du nicht mehr in deiner Welt bist. Du bist nun in unserer Welt und du wirst hier gebraucht. Arda verdunkelt sich und eine böse Macht regt sich im Osten. Doch wir sollen wohl nicht alleine kämpfen.“

    Sie warf einen prüfenden Blick auf mich und ich hatte das Gefühl, dass sie mir wieder in mein Herz sehen konnte. Was war sie nur für eine merkwürdige Frau? Wo fand man so eine? Für die Rolle der Führerin war sie allerdings wie geboren.

    Völlig fertig legte ich mich später wieder in mein Bett. Der Aufstieg war eine einzige Tortour gewesen. Und bis ich endlich oben auf meinem Baum war, war es bereits dunkel geworden. Ich hatte noch erfahren, dass wir mittlerweile Oktober hatten und der Winter kurz vor der Tür stand. Das machte mir zusätzlich zu schaffen, war doch der Sommer meine liebste Jahreszeit.

    Doch all das, alle diese Gedanken, konnte mich nun nicht mehr davon abhalten, mich nun in mein Bett fallen zu lassen. Erschöpft ließ ich mich in die Kissen nieder, die vom Weinen geröteten Augen fielen mir augenblicklich zu und ich sank in einen gnädigen, traumlosen Schlaf, der mich zumindest für eine Weile all das hier um mich herum vergessen ließ.
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    Kapitel 11

    Ankunft des Ungewissen

    Fearwynn


    Als ich in das Gemach ging, dass man für mich bereitet hatte und sah, dass mir jemand neue Kleidung zurrecht gelegt hatte, fragte mich bereits zum zweiten Mal, wer auf die Idee gekommen war, mir dieses Mal ein weißes Kleid hinzulegen, immerhin war Weiß die andere Farbe die ich hasste. Weiß war für mich die Farbe von Krankenhäusern, von Sterilität und Schmerzen. Wieder überlegte ich für einen kurzen Moment nur das Unterkleid anzuziehen, doch auch jetzt verwarf ich diesen Gedanken aufgrund der Schicklichkeit. Außerdem wollte ich in einer so edlen Umgebung wie hier nicht herumlaufen wie eine dahergelaufene Streunerin.

    „Für einen Menschen ist sie wahrhaft eine Schönheit“, hörte ich einen der männlichen Elben kichern, als ich aus dem Raum kam. Ich versteifte mich drauf ihn nicht anzusehen. Für einen Menschen? Was sollte das schon wieder bedeuten? Waren diese Elben so von sich selbst eingenommen und arrogant? Am liebsten hätte ich diesem Elben gezeigt, dass ich ihn sehr wohl gehört hatte und es nicht gerade als ehrliches Kompliment aufgefasst hatte. Ich mochte arrogante Leute nicht, waren es nun Menschen oder Elben.

    Was mich jedoch davon abhielt, war das Kommen von Herrn Elrond, von dem ich mir gute Nachrichten von Erebor versprach. Und in der Tat berichtete er mir, dass er es geschafft hatte, die Wunde zu heilen, dass Erebor jedoch noch einige Tage schlafen würde, damit auch seine Seele von diesem Angriff geheilt werden konnte. Indes sollte ich ihm alles über meine Ankunft in Mittelerde und die Ereignisse seit dem berichten.

    Als ich ihm von meinem Ring berichtete, wollte er Näheres darüber wissen. Auch er schien wie vernarrt darauf, zu wissen, wie ich an diesen so besonderen Ring gelangt war. Sobald ich ihm berichtete hatte, dass meine Eltern ihn mir geschenkt hatten und es zwei davon gab, war er aufgestanden und zu der mit Büchern übervölkerten Wand gegangen. Wahrscheinlich wäre jeder Bibliothekar vor Neid über diese Büchermenge erblasst und trotzdem schien Herr Elrond genau zu wissen, wonach er suchte.

    Zielstrebig ging er auf ein Regal zu, zog ein Buch heraus und setzte sich wieder zu mir.

    „Dieses Buch wurde kurz nach der Vernichtung Melkors verfasst und es beinhaltet einige der größten Mysterien unserer Welt.“ Er schlug eine bestimmte Seite auf und zeigte auf ein glänzendes Bild. Es zeigte einen ungeschliffenen Edelstein, wie er auch bei uns gefunden werden konnte.

    „Das ist ein Beryll, ein Elbenstein. Auch wenn ihnen viel Stärke zugeschrieben wird, hat noch niemand diese Stärke erkennen können. Es heißt, die Valar selbst haben diese Steine erschaffen und in unsere Welt gebracht. Und seit der Zeit von Númenor gelten sie als Steine der Könige.“ Ich sah auf meinen Ring hinunter. War dieser Ring in dieser Welt tatsächlich so wertvoll, wie alle es mir weismachen wollten? Natürlich, auch bei uns war ein Beryll nicht ein einfacher Stein, aber er wurde nicht so bewundert.

    Die nächsten drei Tage verbrachte ich damit, das Buch, das mir Herr Elrond mitgegeben hatte, zu lesen. Natürlich konnte ich es unmöglich komplett lesen, doch ich musste verwundert feststellen, dass ich es interessanter fand als unsere eigene Geschichte. Es war, als wäre es eher ein Märchen als die Geschichte dieses Landes und ich merkte einmal mehr, dass ich schon lange nicht mehr in Kansas war, um es mit den Worten aus dem Zauberer von OZ zu beschreiben. Die Quenta Silmarillion, so hieß das Buch, enthielt viele interessante Abschnitte und Erzählungen, die ich nur zu gerne in mich aufgesogen hätte, aber leider war mein Gedächtnis schon zu sehr mit anderen Dingen überlagert. Vor allem waren meine Gedanken nicht in der Lage, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als die Geschehnisse, die ich, seit ich hier war, erlebt hatte.

    Dann, ohne jedwede Vorwarnung, spürte ich einen stechenden Schmerz. Es fühlte sich an, als würde mein Körper in zwei Teile gerissen und am liebsten wäre ich auf der Stelle gestorben, doch diesen Gefallen tat mir mein Körper nicht. Er ließ sich nur verkrampft auf den Boden fallen. Ich war noch nicht einmal zu einem Schrei in der Lage, der andere vielleicht auf mich hätte aufmerksam machen können. Ich lag einfach nur da. Mein ganzer Körper fühlte sich an, als steckten Unmengen kleiner Stachel, Dornen oder Splitter in mir. Hätte ich mich bewegen können, hätte ich mir am liebsten die ganze Haut vom Körper gerissen, doch ich fürchtete einen noch größeren Schmerz, wenn ich mich bewegte, und so blieb ich einfach regungslos liegen. Dann bildete ich mir auf einmal ein, die Stimme meiner Schwester zu hören, wie sie leise in mein Ohr flüsterte, doch ich wusste, das konnte nicht sein. Dann wurde alles dunkel.

    Als ich wieder aufwachte, lag ich in dem Bett, von dem ich in meinem ersten Schmerzenstaumel gestürzt war, und es war dunkel geworden.

    „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, sagte Deorhain und ich drehte mich verwundert zu ihm um. Wie konnten sie so schnell hier her gelangt sein, wenn ich und Erebor doch mehrere Tage gebraucht hatten? Dann dämmerte es in meinem Kopf: ich musste in Ohnmacht gefallen sein und wahrscheinlich hatte ich länger geschlafen als ich dachte. Ich schnellte hoch. Wie war es Erebor ergangen? Fühlte er sich besser oder hatte Herr Elrond ihn vielleicht doch nicht retten können?

    „Es freut mich. Euch wieder bei Bewusstsein zu sehen“, bemerkte Gandalf, als er mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht in mein Zimmer trat, doch mehr interessierte mich die Person, die neben ihm stand: Erebor. Er sah aus wie eh und je, gesund und munter. Nichts von der Geistesblässe war mehr in seinem Gesicht zu sehen, seine Augen waren auf mich gerichtete und sahen nicht mehr durch mich hindurch. Es tat gut, ihn wieder wohlauf zu sehen. Auch er lächelte mich an und kam dann zu mir ans Bett, während Gandalf und Deorhain den Raum wieder verließen.

    „Danke, Fearwynn“, sagte er und blickte stumm und verlegen auf den Boden. „Weißt du“, er nahm meine Hand, „ich habe mich noch nicht richtig bei dir entschuldigt.“ Ich sah ihm an, dass es ihm schwer fiel, sich zu entschuldigen, aber nicht, weil sein Stolz es ihm verbot oder er es entgegen seiner Überzeugung tat, sondern einfach nur, weil er es nicht gewohnt war sich zu entschuldigen.

    „Ist schon gut. Du hast überreagiert, das tun Menschen schon einmal.“ Ich wunderte mich über mich selbst. Normalerweise war ich nicht so … zahm. Unter anderen Umständen hätte ich Erebor wahrscheinlich in der Luft zerrissen für sein Verhalten, oder ich hätte nicht mehr mit ihm geredet. Meistens lief es auf’s nicht Reden hinaus. Ich ignorierte die Leute dann einfach, es war leichter für mich. Diese Charaktereigenschaft hatte ich mir in der Zeit, seitdem ich Aids hatte, angewöhnt. Es war einfacher, nicht mit den Leuten zu reden, die einen schief ansahen. So musste man wenigstens nicht hören, dass sie einen nur ablehnten, weil man krank war.

    Hier, hier war es etwas ganz anderes. Keiner wusste etwas von meiner Krankheit und solange mein Körper keine Anstalten machte, einen Rückfall zu bekommen, würde ich es auch niemandem sagen. Sicherlich waren Herr Elronds Mittel nicht gut genug, um Aids festzustellen.

    „Lady Arwen sagte, sie hätte dich krampfend und am Boden liegend gefunden. Was ist denn geschehen?“, fragte Erebor dann und verstreute damit meine Gedanken. Ich wusste es nicht. Ich wusste wirklich nicht, was passiert war. Das einzige, was ich wusste, war, dass ich mich in dem Moment des Schmerzes meine Schwester Gwyneth näher gefühlt hatte als je zuvor, so als stünde sie direkt neben mir. Ich konnte es nicht erklären und um ehrlich zu sein wollte ich es auch gar nicht. Ich wusste nur, dass Aids so etwas nicht auslöste, und damit war mein kleines Geheimnis schon einmal sicher. „Du solltest dich noch etwas ausruhen“, sagte er dann und bevor ich noch etwas sagen konnte, verließ er mein Zimmer.

    „Gandalf, ich erhielt gerade Nachricht von der Herrin von Lórien. Auch der Zweite ist erschienen.“ Nur leise und gedrungen konnte ich die Worte hören, die vor meiner Tür gesprochen wurden, und ich war mir sicher, dass diese Information eigentlich nicht für mich bestimmt war. Andererseits wusste ich damit nichts anzufangen. Wer oder was war Lórien und wer oder was war „der Zweite“?

    „Aber ist das möglich? Steht es so schlimm um diese Welt?“ Gandalf klang fast ein wenig verzweifelt. So wie ein Vater, der sich um sein Kind sorgte. Und durch einen kleinen Spalt in der Tür sah ich auch seinen resignierenden Blick.

    „Das vermag niemand zu sagen, aber es ist zumindest ein Zeichen.“

    „Hat sie den Träger bereits befragt?“ Auf diese Frage schüttelte Herr Elrond nur den Kopf und mir kam diese ganze Unterhaltung mehr als komisch vor.

    Bevor ich jedoch noch mehr erfahren konnte wurde meine Tür geschlossen. Anscheinend hatte jemand bemerkt, dass sie noch offen gestanden hatte. Ich war etwas wütend. Warum musste sie genau in dem Moment geschlossen werden, in dem ich vielleicht etwas mehr hätte erfahren können?

    Nun war ich alleine hier in diesem Raum und er kam mir unwahrscheinlich groß vor. Erst jetzt bemerkte ich, wie bekannt mir diese Szenerie vorkam, einmal von dem naturbelassenen Stil der Elben abgesehen. Wieder einmal lag ich in einem Krankenbett, wieder einmal trug ich Weiß, denn das Kleid hatte man mir nicht ausgezogen. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie viele Nächte ich in meinem Leben schon so verbracht hatte, allein in einem fast weißen Zimmer. Auf einmal schienen die Wände immer näher zu kommen. Sie bewegten sich auf mich zu, langsam aber unaufhaltbar. Ich merkte, wie Angst in mir aufstieg und mir die Kehle zuschnürte.

    Wenn ich doch nur verhindern könnte, dass die Wände auf mich einfielen. Ich kauerte mich auf meinem Bett zusammen, doch es schien nicht so, als würden die Wände jemals aufhören zu wandern, und so entschloss ich mich, mich lieber unter das Bett zu legen. Vielleicht würde das doch recht robuste Gerüst die Wände abhalten. Doch auch dort fühlte ich mich nicht sicher. Ich merkte, wie mein Puls anstieg und mir heiß wurde. Mein Körper schien förmlich zu schmelzen und in dem Kleid, das ich trug, sammelte sich schon langsam der Schweiß. Mir wurde schlecht und schwindelig von der Hitze und ich konnte kaum noch atmen. Mir blieb daher nichts anderes übrig, als mir das Kleid vom Leib zu reißen. Doch es half nichts. Weder stoppten die Wände, noch kühlte mein Körper ab. Ich begann zu schreien, zu schreien wie ein kleines Kind, das in einem dunklen Raum eingesperrt war.

    „Fearwynn!“ Mein Schrei verstummte vor Schreck und auf einmal merkte ich, dass die Wände sich gar nicht bewegten. Ich konnte unter dem Bett sehen, wie hektische Füße im Raum umherliefen. Es war Erebor. Mein Schrei musste ihn alarmiert haben. Vielleicht fürchtete er, ich könnte von Ringgeistern angegriffen worden sein.

    „Ich bin hier …“, jammerte ich fast kläglich als ich bemerkte, dass ich mein Kleid in meiner Panik unter dem Bett hervor geworfen hatte und nun nicht mehr daran kam, ohne entblößt vor ihn zu treten. Dankenswerterweise erkannte Erebor meine Bredouille und ich sah, wie er mir erst das Kleid zuschmiss und sich dann umdrehte.

    „Was ist denn passiert?“, fragte er mich, während ich mich langsam wieder umzog. Es war mir peinlich es zuzugeben. Ich hatte diese Angst eigentlich schon überwunden gehabt, doch nun hatte sie mich wieder eingefangen. Bereits als Kind hatte ich Angst gehabt, wenn ich in Krankenhäusern alleine in einem Zimmer gewesen war. Deswegen hatte ich, trotz Extraversicherung, auch immer in einem Zwei- oder Drei-Bett-Zimmer geschlafen. Als ich dann älter wurde, war ich mir sicher gewesen, die Angst im Griff zu haben, und nun, nun da ich noch nicht einmal mehr die Auswirkungen meiner Krankheit spürte, kam diese Angst zurück. Vielleicht war sie auch nur wieder hervorgekommen, wegen den anderen schrecklichen Dingen, die ich gesehen hatte, seit ich hier gelandet war.

    Als ich angezogen war und mich auf mein Bett gesetzt hatte, drehte Erebor sich wieder um und er setzte sich zu mir.

    „Du brauchst dich hier nicht fürchten“, sagte er und nahm meine Hand. Anscheinend hatte mein Blick ihm verraten, was los war. „Herr Elrond und die anderen Elben sind ehrenwertere Leute als es Menschen je sein könnten. Wir werden hier sicher sein und die Reiter werden es nicht wagen, in die Nähe von Imladris zu kommen.“ Sein Handdruck wurde stärker, so als wollte er dadurch untermalen, wie sehr er an das glaubte, was er sagte. Ich sah ihn nur an und nickte. Was sollte ich ihm auch sagen? Dass ich Angst in solchen Räumen hatte, die so sehr nach Krankenhaus aussahen? Dass ich nicht alleine bleiben konnte? Für was für eine Frau würde er mich nur halten?

    „Es ist nur alles so anders als ich es kenne“, sagte ich dann schließlich, damit er wenigstens eine Antwort von mir bekam. Dann erzählte ich ihm von dem Buch, das mir Herr Elrond gegeben hatte, und er erzählte mir, dass er selbst es noch nicht gelesen hatte. Nur sehr wenige durften dieses Buch lesen und er wunderte sich auch darüber, dass es sogar eine Version in der Sprache des Westens gab, und nicht nur in Sindarin oder Quenya, der Sprachen der Elben.

    „Ich weiß nicht, wo du herkommst, und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es wissen will, aber deine Eltern müssen dir doch von den Elben erzählt haben.“ Ich sah ihn fragend an. Wie sollten bitte meine Eltern von den Elben wissen? „Na ja, immerhin haben sie dir einen elbischen Namen gegeben.“ Ich war verwirrt. Mein Name war sicherlich nicht elbisch. Immerhin gab es diese Sprache nicht. Zumindest kannte ich niemanden, der sie sprach, und wusste auch kein Land, das diese Sprache als seine Muttersprache beanspruchte.

    Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass sie unsere Namen, den Namen meiner Schwester und den meinen, in einem Traum gehört hatte und sie wunderschön und passend gefunden hatte. Auch meinem Vater hatten die Namen gefallen und sie hatten sich entschlossen, uns so zu nennen. Erst jetzt erinnerte ich mich an die Geschichte, die meine Mutter mir und Gwyn einmal erzählt hatte. Bevor sie überhaupt gewusst hatte, dass sie schwanger war, hatte sie in der Nacht einer Mondfinsternis von einem dunklen, aber wunderschönen Wald geträumt, durch den sie gewandert war. In diesem Wald war ihr eine in Licht gehüllte, wunderhübsche Frau begegnet, die ihr von ihren Zwillingen Fearwynn und Gwyneth erzählt hatte, die einst ein besonderes Schicksal zu erfüllen haben würden.

    Am Tag danach stellte meine Mutter fest, dass sie schwanger war, und als sicher wurde, dass wir Zwillinge werden würden, hatte sie die Namen festgelegt. Mein Name war wohl eher eine reine Ironie. „Schöne Furcht“ bedeutete er auf Deutsch. Natürlich, ich konnte mich nicht davon freisprechen, auf Männer durchaus attraktiv zu wirken, zumindest wenn sie keine Ahnung davon hatten, welche tickende Zeitbombe ich war. Und die Furcht, die Furcht war den größten Teils meines Lebens mein ewiger Begleiter gewesen. Schönheit und Furcht ... Als hätte meine Mutter in irgendeiner verdrehten Weise mein Schicksal erkannt, bevor sie überhaupt gewusst hatte, dass es mich geben würde. Und bei Gwyn? Auch da hatte sie in gewisser Weise mit dem Namen ihren Weg vorher bestimmt. „Weise Frau“ bedeutete ihrer. Na ja, sie hatte studiert und das zeugte davon, dass sie zumindest in ihrem Fachgebiet mehr als weise war. „Schöne Furcht“ und „Weise Frau“. Zwei wundervolle Namen für zwei Mädchen ...

    „Was bedeutet mein Name auf elbisch?“, fragte ich dann als ich sah, dass Erebor anscheinend genau auf die Frage wartete.

    „Na ja ... fea bedeutet soviel wie Geist oder Seele und wen ist eine Endung, die man für Frauen nimmt, also Mädchen. Also könntest du deinen Namen mit 'Die Seele eines Mädchens' übersetzen. Manchmal wird wen aber auch mit Jugend übersetzt, also dann 'Junge Seele'." Ich sah ihn überrascht an. Ich fragte mich, woher er die Sprache der Elben kannte und warum seine Augen mich so durchdringend ansahen, dass ich merkte, dass etwas in meinem Brustkorb leicht zu zucken schien.

    „Und hat der Name meiner Schwester Gwyneth auch eine Bedeutung?“, fragte ich dann. Er lächelte mich nur an und ich merkte, wie er leicht errötete. Es erinnerte mich an einen Schuljungen, der gerade über etwas Anzügliches dachte und es nicht sagen wollte.

    „Mhmm...,“ er räusperte sich, „gweneth ist Sindarin und bedeutet Jungfräulichkeit.“ Ich konnte mich nicht mehr halten und musste unweigerlich losprusten. Gwyneth und jungfräulich? Da wusste ich aber anderes. Da hatten sich die Bedeutungen unserer Namen wohl umgedreht. Gwyneth war immer die Jugend gewesen, die Fröhlichkeit und Leichtigkeit, und ich ... Was anderes konnte ich sein, als die Jungfräulichkeit in Person?

    „Woher kannst du die Sprache der Elben?“, fragte ich neugierig und er schien sich zu freuen, dass ich mich für ihn interessierte.

    „Wir sind Waldläufer und wir haben immer in der Nähe der Elben gelebt. Ich habe ihre Sprachen bereits in jungen Jahren erlernt und spreche sie wie unsere Sprache. Sie ist nicht schwer, wenn man sie einmal gelernt hat“, sagte er und es klang so, als sei die Sprache wirklich kinderleicht. Warum sollte ich sie dann nicht lernen?

    „Kannst du etwas auf Elbisch sagen?“, fragte ich und war gespannt darauf, wie sich diese Sprache wohl anhören würde. Irgendwie stellte ich mir diese Sprache fast wie Französisch vor, fließend und elegant.

    „Erin aur erin alle govamen, hûn-nin echuias*“, sagte er und seine Stimme klang dabei so zärtlich, als hätte er mir gerade sein Herz geöffnet. Und die Sprache war anders als alles, was ich je gehört hatte. Sie war nasal und trotz ihrer vielen Konsonanten alles andere als hart. Sie floss tatsächlich, wie ich es erwartet hatte. Und seine Stimme brachte abermals etwas in mir zum Schwingen. Es war ein Gefühl, das ich bisher noch nicht gekannt hatte und daher nicht einordnen konnte.

    „Und was bedeutet das?“

    „Meine Worte sind nicht würdig der Bürde meines Herzens.“ Ich ahnte, dass er mir nicht ganz die Wahrheit sagte, hatte er doch ein Wort zweimal benutzt, aber ich sagte nichts. Immerhin kannte ich diese Sprache doch nicht. Aber ich wusste, irgendwann würde ich sie lernen und dann würde ich wissen, was er gesagt hatte.

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    * Erin aur erin alle govamen, hûn-nin echuias = An dem Tag, an dem ich dich traf, erwachte mein Herz.
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    Kapitel 12

    Seltsame Prophezeihungen

    Gwyneth



    Ein Klopfen weckte mich am nächsten Morgen ziemlich unsanft. Es fühlte sich beinahe so an, als würde man direkt an meine Schädeldecke hämmern. Ich hatte das Gefühl, einen mächtigen Kater zu haben, obwohl ich nicht einen Schluck Alkohol getrunken hatte. Und als ich an gestern dachte, drehte sich mein Magen um und ich musste mich geräuschvoll direkt neben das Bett übergeben.

    Bevor ich meine Würde wiedergewinnen konnte, stand leider auch schon Haldir in meinem Zimmer und stürzte besorgt auf mich zu. Er packte mich bei den Schultern, richtete mich auf und sah mich prüfend an. „Geht es dir gut?“, fragte er, eine kühlende Hand auf meine heiße Stirn legend. Ich versuchte so wenig wie möglich zu atmen, als ich ihm antwortete, um ihn nicht gleich aus den Schuhen kippen zu sehen. Doch er schien robuster zu sein, als ich dachte. „Nein, mir geht es nicht gut.“

    Verzweifelt versuchte ich mich von ihm loszumachen, doch ich war so schwach, dass ich kaum meinen Kopf oben halten konnte. Immerhin funktionierte mein loses Mundwerk noch. „Lass mich los, du Elfe“, giftete ich, doch er quittierte das Ganze nur mit einem schiefen Lächeln. „Es heißt Elb.“ Als ich ihn verständnislos ansah, fügte er erklärend hinzu: „Ein Elb ist ein männlicher Vertreter unseres Volkes und eine Elbe ist weiblich. Die Mehrzahl heißt: Elben, bei beiden Geschlechtern.“

    Ich lachte freudlos. „Das wundert mich überhaupt nicht, dass ihr keine eigenen Pluralformen habt, so ähnlich wir ihr euch seid. Ihr habt alle langes wallendes Haar und diesen merkwürdig schwebenden Gang, als wäret ihr etwas Besseres, als ich.“

    „Nun ja, Menschen sind in der Tat nicht so elegant und geschickt wie wir. Wir vermögen aus weiter Ferne noch scharf zu sehen, bei Nacht sehen wir wie am Tag und unser Tritt ist sicher auf Waldboden, Felsen, Ästen und Schnee. Du wirst einen Elb nie stolpern und fallen sehen, genauso wenig wie wir ein Ziel verfehlen würden, wenn es nicht unsere Absicht ist. Unsere Stimmen sind wohltönend und unsere Lieder beschwören Bilder hervor. Alles Eigenschaften, die Menschen oder gar Zwerge, und schon gar keine Orks, mit uns teilen.“

    „Zwerge?“, fragte ich ungläubig und war plötzlich wieder hellwach. „Es gibt hier Zwerge bei euch?“ Doch dann winkte ich ab, als ich seinen verdutzten Gesichtsausdruck sah. Er hatte wohl immer noch nicht verstanden, dass ich nicht hierher gehörte, ob es nun Mittelerde oder ein LARP war. Beide Welten waren nicht für mich gemacht. „Ach, vergiss es.“

    „Frau Galadriel möchte dich auch noch einmal sprechen.“ Er warf einen angewiderten Blick auf mein Malheur, dann wieder auf mich. „Doch zuerst machst du dich etwas frisch.“ Und mit diesen Worten verließ er mein talan und wartete am Boden auf mich. Er fragte gar nicht erst, ob ich dazu überhaupt Lust hatte. Immerhin hatte ich gestern echte Zauberei gesehen. Ich hatte wenig Interesse daran, noch einmal mein Bett zu verlassen.

    Wobei es natürlich auch totaler Humbug hätte sein können. Vielleicht war es nur ein besonders guter Trick gewesen. Und doch hatte sich alles so echt angefühlt, als wären die Bilder nicht auf der Wasseroberfläche gewesen, sondern in meinem Kopf. Konnte das möglich sein?

    Ich entschied, dass ich sowieso keine andere Wahl hatte. Also stand ich mühevoll auf und schleppte mich zu meiner Waschschüssel.

    Es dauert ungewöhnlich lange, bis ich wieder in der Lage war, die Leiter hinunter zu klettern. Meine Beine waren wackelig, meine Knie weich und meine Hände verschwitzt und rutschig. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich schon auf der zweiten Stufe abgerutscht und nach unten gesegelt wäre. Doch ich schaffte es aus mir unerklärlichen Gründen und stöhnte schon bei dem Gedanken daran, dass ich am Abend wieder würde hinaufklettern müssen.

    Zu meinem großen Glück wartete Galadriel dieses Mal am Boden auf mich. Sie trug einen Kranz aus Licht auf ihrem Kopf. Zumindest sah es für mich so aus, als ich sie anblickte. Vermutlich waren meine Augen noch nicht ganz wach.

    „Es freut mich, dich wohlauf zu sehen, Gwyneth“, sagte sie und lächelte mich wieder warm an. „Ich hoffe, deine Nacht war angenehm?“ Ich schnaubte und sparte mir die Antwort, weil sie ohnehin alles andere als freundlich ausgefallen wäre, und sagte stattdessen: „Was soll ich hier?“

    Meine direkte Art schien den Elben ein wenig sauer aufzustoßen, doch ich war noch nie ein Freund davon, lange um den heißen Brei herum zu reden. Galadriel musste erst einmal schlucken, bevor sie mir antworten konnte. „Nun, wie du gestern gesehen hast, wird es einen Krieg geben. Und die Valar wollen dich anscheinend in unseren Reihen wissen. Ich gehe nicht davon aus, dass du bereits Erfahrungen mit dem Schwert oder dem Bogen gesammelt hast?“

    Sie zeigte auf eine Reihe von unterschiedlich langen Schwertern, die auf einem Tisch in der Nähe lagen. Irgendwie schien keines davon richtig hierher zu gehören. Sie sahen zu klobig und schwer aus, nicht gemacht für die Hände einer dieser zartfühlenden Elben. Ich packte den Griff eines Kurzschwertes und es fühlte sich seltsam vertraut an. Wie lange war es her, dass ich eines in der Hand gehalten hatte? Es kam mir wie ein anderes Leben vor.

    Ich ließ das Schwert ein paar Mal um mein Handgelenk kreisen, hieb es durch die Luft und prüfte seine Balance. Es war nicht gut gefertigt, die Klinge war zu schmal und zu leicht für den schweren Griff. Doch es würde seinen Zweck erfüllen. „Testet mich, wenn Ihr wollt“, sagte ich.

    Galadriel sah Haldir kurz an. Dieser Zog daraufhin ebenfalls ein Kurzschwert. Er nickte seiner Herrin zu, dann richteten sich seine Augen auf mich. Er hatte einen seltsamen Blick drauf, den ich nicht zuordnen konnte. Doch als er sein Schwert hob, war mir das auch egal. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, was ich als Kind über den Kampf gelernt hatte und wie ich ihn damals ausgeführt hatte. Dann sauste seine Klinge auf mich herab.

    Ich parierte den Schlag über meinem Kopf und die Schwäche, die seit heute Morgen in meinen Gliedern steckte, strafte mich damit, dass ich sein Schwert nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht stoppen konnte. Sofort holte er erneut aus, dieses Mal jedoch duckte ich mich unter ihm weg. Ich hackte nach seinen Beinen, aber er war viel zu schnell für mich. Geschickt wich er mir aus, stellte seinen Fuß wieder aus und stach zu.

    Mit der flachen Seite meines Schwertes konnte ich seinen Hieb ablenken. Die Spitze seiner Waffe verfehlte nur knapp meinen Hals. Ich konnte den Luftzug spüren, als sie an mir vorbei sauste.

    Instinktiv beugte ich mich in die entgegengesetzte Richtung. Doch das war ein Fehler. Damit hatte er gerechnet und seinen Fuß hinter mich gestellt. Ich verlor sofort mein Gleichgewicht und fiel auf den Hintern. Im letzten Moment blockte ich seine Klinge vor meinem Hals ab und sah ihn wütend von unten herab an.

    „Du hältst nicht zum ersten Mal eine Waffe in der Hand“, stellte er fest und ließ mich gehen. Ich erhob mich wenig elegant und rieb mir die schmerzenden Stellen an meinem Po. „Wo hast du kämpfen gelernt?“

    „Bei meinen Eltern“, sagte ich nur, dann wandte ich mich ab. Ich hatte keine Lust, über meine unrühmliche Vergangenheit zu sprechen. Doch er ließ mich nicht gehen. Offensichtlich hatte er von Galadriel einen Auftrag erhalten: nerve Gwyneth, bis sie den Verstand verliert und schreiend gegen einen Baum läuft!

    „Ich könnte dich lehren, richtig zu kämpfen, wie eine Elbe“, sagte er. „Du würdest dich verteidigen können, wenn es zum Krieg kommt. Und es wird zum Krieg kommen, sagt die Herrin.“

    „Und woher weiß sie das so genau?“

    „Sie hat es im Spiegel gesehen – genau wie du.“ Ich blieb stehen. „Du musst es doch einsehen, Gwyneth. Du bist nicht umsonst zu uns geschickt worden. Das glauben auch Herr Elrond und Gandalf.“

    „Wer?“ Ich hatte mich zu ihm umgedreht und hatte seinen Worten mit verschränkten Armen gelauscht. Jetzt zog ich meine linke Augenbraue nach oben, um meiner Verwirrung Ausdruck zu verleihen. Wer war dieser Ron und wieso sprach er von Alf? War das nicht dieser putzig Außerirdische, der immer Hunger auf Katzen hatte?

    Haldir wirkte genervt. „Herr Elrond, der Herr von Imladris. Und Gandalf, der Zauberer. Diese beiden sind die engsten Vertrauten der Herrin Galadriel. Natürlich mit Ausnahme ihres Gemahls Celeborn.“

    „Du vergisst, dass ich nicht von hier bin“, sagte ich. „Und außerdem willst du mir doch gar nicht helfen. Ich kann es an deiner Nasenspitze sehen. Du hältst das alles hier für völlig aussichtslos und würdest dich am liebsten so lange in diesem öden Wald verstecken, bis alles vorbei ist. Wieso also willst du mir helfen?“

    „Weil die Herrin es befohlen hat.“ Und mit diesen Worten nahm er mir das Schwert ab und ging zu dem Tisch zurück. Er legte es darauf, besah sich die Waffen eine Weile, dann wählte er zwei aus. Galadriel war mittlerweile so leise verschwunden, wie eine schwarze Katze in der Nacht. Diese Frau war wie ein Gespenst und jedes Mal, wenn sie mich ansah, stellten sich meine Nackenhaare auf. „Komm!“, befahl er auf einmal und warf mir das Schwert, welches er für mich ausgesucht hatte, zu.

    Ich fing es zu meinem großen Erstaunen sogar relativ geschickt auf. Normalerweise hätte mich das sonst meinen Kopf gekostet, so ungeschickt war ich. Und ehe ich mich bereit machen konnte, hieb Haldir wieder auf mich ein.

    Mit diesem Schwert fiel es mir seltsamerweise viel leichter, mein Gleichgewicht zu halten. Er lag besser in der Hand, obwohl es länger war. Es war perfekt ausbalanciert, die Klinge war leicht gebogen und endete in einer eleganten Spitze. Der Griff ging nahtlos in die Schneide über. Dieses Schwert passte schon eher zu den Elben, dachte ich.

    Gekonnt parierte ich ein paar Schläge, dann gönnte er mir eine Pause. Ich griff nach, wog das Schwert noch einmal in der Hand, dann schlug ich meinerseits zu. Doch ich hatte nicht die leiseste Chance gegen ihn.

    Nach etwa einer Stunde musste ich völlig entkräftet aufgeben. Ich hob abwehrend meine Hände. „Tut mir leid, aber nachdem ich mein Abendessen von mir gegeben habe und nichts zum Frühstück hatte, würde ich gerne etwas essen, wenn du es mir gestattest.“

    „Wie du willst“, sagte er. Irgendwie schien es mir, als wäre er nicht mal ins Schwitzen gekommen, während sich auf meinem Rücken bereits kleine Bäche sammelten. Und das trotz der kühlen Luft. Es war wie bei Don Quijote: ein Kampf gegen eine übermächtige Windmühle. Und ich war Sancho.

    Wenig später saß ich auf der Wiese und aß etwas Brot. Dazu gab es ein paar Winterfrüchte und Nüsse. Die Kost war zwar nicht besonders schmackhaft, aber ich hatte das Gefühl, dass sie mich stärkte. Nach Kaffee hatte ich hier vergeblich gefragt. So blieb mir nur Wasser oder ein komisch aussehender Tee, der noch merkwürdiger roch.

    Und während ich den Tee genoss, musste ich wieder an zu Hause denken. Wie schön wäre es gewesen, nun auf meiner Couch im Atelier zu sitzen und mit Thomas gemütlich einen Kaffee zu trinken. Was aus ihm wohl geworden war? Ob er sich vielleicht Sorgen um mich machte oder ob er nur wütend auf mich war, weil ich sein Auto zerstört hatte? Wie war es ihm auf der Party ergangen? Wie war die Vernissage allgemein verlaufen? Hatte ich vielleicht sogar ein paar Bilder verkauft und war reich?

    Resignierend stieß ich einen tiefen Seufzer aus. Mein Blick war in die Ferne gerichtet, sodass ich nicht mitbekommen hatte, wie Haldir sich mir näherte. „Was lässt dein Gesicht so düster erscheinen an einem so sonnigen Tag?“, fragte er mich und holte mich damit aus meinen träumerischen Gedanken, mit denen ich mich so weit fort von hier gewünscht hatte, wie nur möglich.

    „Ich dachte gerade an mein Leben und wie es war, bevor ich hierher gekommen bin. Und ich muss feststellen, dass ich es hier gar nicht mag.“ Ich schob mir trotzig noch ein bisschen Brot in den Mund und kaute lustlos darauf herum.

    „Gefällt es dir hier nicht?“, fragte er verwundert. Als ich ihn nur mit einem Blick ansah, der aussagte, dass er mich nicht für dumm verkaufen sollte, sah er mich noch fassungsloser an. „Du wärst der erste Gast hier in Lórien, dem es hier nicht gefällt. Bisher hat noch ein jeder hier Ruhe und Frieden gefunden und sein Herz war leicht, als er den Wald verließ.“

    Was für ein Unsinn, dachte ich, hütete mich aber davor, es so direkt auszusprechen. „Ruhe und Frieden ist ja gut und schön. Aber ich will in mein altes Leben zurück. Ich will malen und Auto fahren und Kaffee trinken“, sagte ich lauter, als beabsichtigt und wies auf den Becher mit Wasser. „Dieses Leben ist nichts für mich. Ich habe keine Lust mehr, so tun zu, als wären wir in einer anderen Welt. Bitte, Haldir, sag mir, wie ich nach Hause komme. Ich halte das hier einfach nicht mehr aus.“

    Die Tränen kamen, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. So fest ich mir auch vorgenommen hatte, ihm nicht zu zeigen, wie sehr ich litt, es nützte einfach nichts. Unsicher darüber, wie er nun mit mir umgehen sollte, trat er von einem Bein aufs andere. Schließlich kniete er sich vor mich hin und sah mir in die Augen. Doch so sehr ich auch suchte, ich konnte keine Lüge oder Täuschung darin entdecken. Die Worte, die er nun sprach, waren seiner Überzeugung nach die volle Wahrheit. „Ich glaube nicht, dass du jemals wieder nach Hause kommst, Gwyneth. Du wurdest aus einem bestimmten Grund hierher gebracht. Und nicht ehe dieser Grund erfüllt ist, wirst du erlöst werden. Du hast also gar keine andere Wahl, als dich deinem Schicksal zu ergeben.“

    „Du meinst also“, schniefte ich, „dass ich bei eurem lächerlichen LARP mitspielen soll?“

    Er zog eine Augenbraue hoch und sie verschwand beinahe in seinem Haaransatz. „Was, in Erus Namen, ist denn ein Lahb?“

    „Verarschst du mich jetzt?“

    Seine Augenbraue wanderte, wenn möglich, noch höher. Seine Augen wurden groß wie Untertassen und er riss erstaunt den Mund auf. „Wie bitte?!“, brachte er noch heraus, bevor ihm merklich die Luft ausging.

    Jetzt war ich es, die ihn erstaunt ansah. Sein Entsetzen und seine Unwissenheit kamen so echt rüber. Konnte es möglich sein, dass er vielleicht doch nicht nur schauspielerte? „Na, ein LARP eben“, sagte ich etwas kleinlaut, weil ich ihn mit meinem Ausbruch wohl doch etwas schockiert hatte. Um genau zu sein war „Schock“ mein zweiter Vorname. Wenn es etwas gab, was ich nicht konnte, dann die Klappe halten. „Ein Live Action Role Play. Leute verkleiden sich als Ritter, Burgfräulein oder Bauern und schlüpfen in ihre Rolle. Sie tun so, als wären sie tatsächlich im Mittelalter, einer anderen Welt oder in einer anderen Galaxie. Und so etwas macht ihr hier doch auch, oder nicht?“

    Sein verwirrter Gesichtsausdruck machte dem von unverhohlenem Stolz platz und seine Brust schwoll merklich an. „Ich schlüpfe nicht in eine Rolle. Ich bin Grenzwächter!“ Dabei betonte er das so selbstbewusst, dass ich leicht grinsen musste. Doch dann verschwand das Lächeln auch schon wieder, als ich über seine Worte nachdachte. Ich entschuldigte mich bei ihm, um ein bisschen allein zu sein, und entfernte mich.

    Meine Schritte hatten kein bestimmtes Ziel. Ich lief planlos unter den Bäumen umher, verhedderte mich dabei ab und zu mal mit meinem langen Kleid in den Wurzeln oder stieß mit dem Kopf gegen einen niedrig hängen Ast. Doch irgendwie tat es auch gut, ein bisschen den Kopf frei zu bekommen.

    So konnte ich über alles Mögliche nachdenken. Ich versuchte noch einmal zu rekapitulieren, wie ich hierher gekommen war. Doch mehr als beim ersten Mal kam dabei auch nicht heraus. Da waren nur die Lichter und dann war da nichts mehr. Nach den Lichtern wachte ich im Wald auf.

    Dann dachte ich wieder an meine Familie. Mein Vater würde mich sicher vermissen, auch wenn ich nicht die perfekte Tochter gewesen war in der letzten Zeit. Ich war mir sicher, dass ihm sein kleines Mädchen fehlen würde. Und meine Mutter? Dachte sie überhaupt noch an mich?

    Der Gedanke, dass sie mich einfach aus ihrem Leben und ihrem Gedächtnis gestrichen haben könnte, brachte mich wieder zum Weinen. Würde ich, wenn ich aus diesem elenden Wald herauskam, noch jemals die Chance bekommen, mich bei ihr zu entschuldigen und wieder mit ihr ins Reine zu kommen? Auch wenn ich mittlerweile wohl 30 war (Hatte ich tatsächlich meinen Geburtstag verpasst?), war ich doch nur ein kleines Kind, das von seiner Mutter akzeptiert und geliebt werden wollte.

    Irgendwie wurde mir erst jetzt richtig bewusst, wie verkorkst unsere Familie doch gewesen war. Eine Tochter todkrank, die andere dickköpfig wie ein Esel, der Vater total überfordert und die Mutter eine Über-Glucke. Da hatte ja auch nie wirklich etwas Gutes draus werden können. Wie hätte man daraus eine große, glückliche Familie machen können?

    Vielleicht wäre es alles ganz anders gelaufen, wenn Wynni nicht infiziert worden wäre. Ganz bestimmt wäre es das sogar. Doch es nützte ja nichts, jetzt noch darüber zu philosophieren. Es war passiert und ließ sich nicht rückgängig machen.

    Sie hatte wahrscheinlich am meisten darunter zu leiden gehabt. Unsere damaligen Freunde hatten sich alle von ihr zurückgezogen, sie behandelt, als hätte sie Lepra, bei dem man sich durch bloße Berührungen oder Einatmen der gleichen Luft anstecken konnte. Kaum jemand kam sie besuchen oder schrieb ihr. Es war, als hätte man sie in eine Luftblase gesteckt, in die keiner reinkommen konnte und aus der sie auch nicht ausbrechen konnte. Sie saß in einem goldenen Käfig, während ich auf einer einsamen Insel ausgesetzt worden war.

    Leise Stimmen beanspruchten plötzlich meine Aufmerksamkeit und ich merkte, dass ich in die Richtung gelaufen war, in der Galadriels Spiegel lag. Ich fand diese Wasserschale noch immer ziemlich lächerlich und fragte mich, wie sie das wohl gemacht hatten. Doch diese Überlegung rückte in den Hintergrund, als ich meinen Namen hörte.

    „… ist sie nur hierher gekommen?“, fragte eine männliche Stimme. Ich schlich mich näher heran, darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. Ich vermutete, dass das leise Rauschen der Quelle mein Geraschel auf den Herbstblättern übertönte, denn, wie ich nun wusste, haben Elben mehr als nur feine Ohren und eine Menschenfrau wie mich hätten sie in jedem Fall hören müssen. Oder, meine zweite und wahrscheinlichere Theorie, es war Absicht, dass ich das Gespräch zwischen Galadriel und Celeborn mit anhören sollte. Immerhin sprachen sie in der Sprache, die ich auch verstehen konnte.

    Frau Galadriel antwortete ihrem Gemahl erst nach einer Weile, als legte sie sich ihre Worte sehr sorgsam zurecht. „Ich weiß es nicht. Doch da sie bereits die Zweite ist, die unsere Welt betreten hat, glaube ich, dass die Valar sie uns geschickt haben. Sie beide werden das Schicksal von Mittelerde beeinflussen. Dessen bin ich mir sicher.“

    „Haben wir bereits Kunde aus Bruchtal erhalten?“, fragte Celeborn und seine Frau antwortete: „Elrond hat berichtet, dass er mit dem Mädchen gesprochen hat. Sie scheint sehr begabt zu sein, was das Kämpfen angeht. Sie wird sich vermutlich den Dúnedain anschließen.“

    „Und was wird mit Gwyneth geschehen, wenn die Zeit kommt?“

    Galadriels Blick wurde glasig und es sah aus, als wären ihre Augen auf einen Punkt in weiter Ferne gerichtet, als ginge er geradewegs durch die dicht stehenden Stämme der Bäume hindurch. „Wenn die Zeit gekommen ist, wird ihr Weg derselbe sein, wie Aragorns. Ihr Schicksal hängt davon ab, wie er sich entscheidet. Wählt er den Weg des Waldläufers, wird ihr Licht der Hoffnung erlöschen. Geht er jedoch den Weg des Königs, wird sie ebenfalls Königin werden. Und noch vor dem Ende wird sie etwas wiedererlangen, von dem sie glaubte, es bereits verloren zu haben. Etwas, das sie wieder ganz und heil erscheinen lässt und ihr Herz zum Schweigen bringen wird.“

    Bei ihren Worten hatte es mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper gejagt und ich merkte plötzlich, dass ich den Atem angehalten hatte, denn kleine schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Zitternd sog ich den Sauerstoff ein und das erlösende Gefühl von Luft in meinen Lugen machte sich breit. Ich wagte nicht, mich zu rühren, und so blieb ich hinter dem Baum versteckt stehen, bis Galadriel und Celeborn wieder gegangen waren. Erst dann entspannte ich mich wieder.

    Was hatte sie damit gemeint, dass ich Königin werden würde? Was für ein Unsinn sollte das bitte sein? Königin von was von wem? Ich bekam es ja nicht mal auf die Reihe, auf mich selbst aufzupassen. Wie sollte ich da ein Volk lenken? Und was würde ich wiederkriegen? Was hatte ich denn verloren, außer vielleicht meinem alten Leben, was mir mit jeder Stunde, die ich hier in diesem Wald verbrachte, verlockender vorkam.

    Doch dann rief ich mich zur Ordnung. Dies hier war nur ein dummes, kleines Spiel. Ich musste mir keine Sorgen machen, was passieren würde. Haldir hatte es selbst gesagt: wenn ich mein Schicksal, meine Aufgabe oder was auch immer, erfüllte, konnte ich nach Hause. Und daran würde ich mich festhalten. Ich würde solange mitspielen, bis man mir endlich, endlich das Ticket für meine Heimreise in die Hand drückte. Und dann würde ich diese ganzen Idioten nie wiedersehen müssen!

    Verzweifelt klammerte ich mich an diesen einen Gedanken, der mich aufrecht hielt. Wenn es doch nur schon vorbei wäre, dachte ich und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Baum. Mittlerweile war es dunkel geworden und wenn ich nicht schnell zurückkam, würde ich sicher nicht mehr wissen, wohin ich gehen musste. Hier sah sowieso alles gleich aus.

    Doch wenn ich erst einmal getan hatte, was man von mir wollte, dann würde ich nach Hause gehen können! Dann musste ich das hier alles nicht mehr sehen. Dann wäre ich endlich wieder zu Hause und könnte mein altes Leben führen – ganz wie früher!
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  13. #13
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    Hi ^^

    Das ist jetzt vor Weihnachten, und vor dem neuen Jahr, wahrscheinlich das letzte Kaptiel das ich update deswegen wünsche ich alle meinen Lesern schon mal ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 13

    Das hässliche Entlein oder doch der schöne Schwan?

    Fearwynn



    Es dauerte noch einige weitere Tage, bis Erebor vollkommen genesen war, und ich war froh darum. Ich wusste nicht, wie es weiter gehen sollte, und ich hatte Angst von den beiden Männern nun endgültig hier zurück gelassen zu werden. Sicherlich war ich ihnen eigentlich nur eine Last, die sie froh waren, loszuwerden. Jeden Tag trainierte Erebor seinen Arm, damit er wieder zu alter Stärke kommen konnte, doch man merkte, dass ein dunkler Zauber auf der Wunde gelegen hatte. Wenn er sich zu sehr anstrengte, platzte sie erneut auf und Blut quoll aus ihr heraus und warf ihn wieder zurück. Insgeheim hoffte ich schon fast, dass er nun nicht mehr kämpfen konnte, was bedeuten würde, dass auch er hier in Bruchtal bleiben musste, zusammen mit mir. Und wenn ich nicht mehr aufwachte, dann würde ich hier mit ihm verweilen, bis zum Ende.

    Dieser Gedanke war mir nicht so fern, wie er mir vielleicht zu Hause in Kalifornien gewesen wäre. Es zauberte sogar ein Lächeln auf meine Lippen. Leider jedoch in einem Moment, wo es alles andere als angebracht war.

    „Wie schön, dass du dich über meinen Schaden amüsieren kannst …“, bemerkte Erebor etwas säuerlich, aber ich hörte in seiner Stimme auch, dass er es mir nicht übel nahm. Aber dennoch schickte ich ihn bestimmt nach oben, damit er sich einen neuen Verband machen lassen konnte.

    Um ehrlich zu sein, machte ich mir immer noch Sorgen, dass er wieder in die Geisterwelt abdriften könnte. Es war eine unheimliche Vorstellung, Erebor noch einmal so leichenblass und mit komplett weißen Augen zu sehen.

    Gedankenverloren sah ich den Ring, den ich nun offen an meinem Finger trug, an und zu meiner großen Verwunderung - es war das erste Mal seit über 19 Jahren, dass das wirklich passierte - wünschte ich mir, dass Gwyneth nun bei mir war. Ich hatte ihr so viel zu erzählen, so viel. Aber wir beide, wir konnten nicht mehr so werden wie früher. Dazu war viel zu viel passiert. Und außerdem wusste ich ja noch nicht einmal, wo ich war. Aber trotzdem, seitdem ich gedacht hatte, im Schmerzenstaumel ihre Stimme zu hören, fühlte ich mich ihr näher, als ich es in den letzten 19 Jahren je gewesen war.

    Als ich am Abend alleine in meinem Bett lag und wieder einmal über meine grausame Vergangenheit nachdachte, da schien mich eine Einsicht auf einmal zu treffen. Gwyneth hatte die letzten 19 Jahre immer zurück stecken müssen. Ich war immer diejenige gewesen, die die Aufmerksamkeit unserer Mutter bekommen hatte, und Gwyn? Ich erinnerte mich noch genau an einen Tag, kurz vor der Scheidung meiner Eltern. Gwyneth hatte einmal mehr im Kunstunterricht die Bestnote für eines ihrer Bilder bekommen. Dad war hellauf begeistert gewesen, während unsere Mutter sie kaum wahrnahm. Ich hatte damals wieder einmal wegen einer eigentlich harmlosen Magen-Darm-Grippe im Krankenhaus gelegen und Mom war jede freie Minute, die sie nicht arbeiten musste, bei mir im Krankenhaus gewesen.

    „Es tut mir leid, Gwyn“, flüsterte ich und auch, wenn ich wusste, dass meine Schwester es nicht hören konnte und vermutlich auch nicht hätte hören wollen, fühlte ich mich erleichtert. All die Jahre hatte das zwischen mir und meiner Schwester gestanden und nun, wo ich entweder tot oder zumindest kurz davor war, wurde es mir bewusst.

    „Es ist gut zu wissen, dass es hier auch menschliche Schönheiten gibt.“ Ich war gerade auf eine der vielen Terrassen gegangen, um alleine zu sein, da wurde mein Plan auch schon wieder durchkreuzt. Doch diese Stimme kannte ich nicht und sie klang härter als die der Waldläufer. Als ich mich umdrehte, stand da ein Mann. Er war groß und stark und sein Gesicht zeugte von Edelmut und Stärke. Seine dunklen Haare waren nicht so lang wie die Aragorns, doch auch in den grauen, ernsten Augen konnte ich seinen inneren Stolz erkennen.

    Er trug Mantel und Stiefel, wie man sie auf einem langen Wanderritt wohl trug, und obwohl die Kleider, die er trug, sicherlich einen beträchtlichen Wert hatten, sahen sie an manchen Stellen verschlissen aus. Was mir jedoch sofort ins Auge stach war das silberbeschlagene Horn, das er an einem Gehänge trug. Es erinnerte mich an die Hörner, die es auf den Mittelaltermärkten immer gegeben hatte. Damit waren die Leute zusammen gerufen worden, um Verlautbarungen zu hören.

    „Wie ist Euer Name?“, fragte er dann und seine Stimme wurde zwar weicher, aber sie klang immer noch rau.

    „Fearwynn“, antwortete ich, als er auf einmal meine Hand nahm und sie küsste.

    „Es ist mir wahrlich eine Freude, Euch kennen zu lernen“, sagte er und ließ meine Hand nicht los. „Schon allein um Euch zu erblicken hat meine Reise sich gelohnt“, fuhr er fort und ich fühlte mich unwohl. So direkt war ich noch nie angebaggert worden und um ehrlich zu sein wusste ich auch nicht, wie ich reagieren sollte.

    „Nun denn“, versuchte ich es, „Ihr kennt nun meinen Namen, und doch ist mir der Eure ungewiss, werter Herr.“ Es gefiel mir nicht sonderlich, so geschwollen zu reden, aber bei diesem Mann war ich mir absolut nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn ich mit ihm so sprach wie mit Erebor oder Deorhain.

    „Mein Name ist Boromir, Heerführer Gondors und Sohn des Truchsesses Denethor“, sagte er und es klang fast feierlich. Er schien mich wohl mit seinem Titel beeindrucken zu wollen, doch das klappte nicht. Ich war keines dieser Flittchen, die nur des Ansehens wegen mit einem Mann zusammen waren. Ich musste kurz spöttisch auflachen. Dieser Gedanke gerade war mehr als ironisch gewesen. Boromir jedoch bezog das auf seinen Titel und sah mich schon fast wütend an.

    „Verzeiht mir, Herr Boromir, aber ich war in Gedanken. Und nun, bitte entschuldigt mich, ich muss zu meinem Kampftraining“, sagte ich und ging hinunter zu Erebors Trainingsplatz

    Doch dieses Training war anders. Es war nicht geplant gewesen. Ich wusste ja, dass Erebor seine Waffen immer dabei hatte, und somit würde er sich auch verteidigen, wenn er angegriffen wurde. Sicherlich, der erste Schreck konnte gefährlich für mich werden, aber das war nur eine Herausforderung, die ich gerne annahm. Außerdem war ich darauf vorbereitet.

    Ich kletterte also auf einen der Bäume genau über dem Übungsplatz. Erebor würde sicherlich in Kürze dort auftauchen, um selbst zu trainieren, und ein echter Gegner war immerhin um Längen besser als eine Übungspuppe. Außerdem konnte ich mit Stolz sagen, dass ich, seit ich hier angekommen war, einige meiner alten Fähigkeiten wieder zurück erlangt hatte. Man verlernte das Kämpfen also genauso wenig wie das Fahrradfahren.

    Ich wartete also geduldig auf Erebor und war froh, als er kam und mich, trotz des weißen Kleides, das ich trug, nicht im Baum sitzen sah. Er ging einfach weiter und das war meine Chance. Spielerisch grinste ich und sprang genau in dem Moment vom Baum, als er an mir vorbei war. Ich stieß ihn an und er machte eine Vorwärtsrolle, an deren Ende er mit gezücktem Schwert zu mir gewandt stand. Im ersten Moment war sein Blick entschlossen und fast wütend, doch als er erkannte, dass ich der Angreifer war, lächelte er fast.

    „Was tust du da?“ Sein fragender Blick und das Lächeln auf seinen Lippen brachten auch mich zum Lächeln und ich hielt einen Moment in meinem Plan inne. Jetzt hatte ich das Überraschungsmoment sowieso verloren. Ich griff in meine Stiefel und holte die beiden Dolche heraus und drehte sie spielerisch in meinen Händen. Ich musste lächeln, denn es erinnerte mich etwas an die alten Westernfilme, in denen die Cowboys ihre Colts in der Hand herumdrehten und nach dem Schuss den Qualm von der Schussöffnung pusteten.

    „Na ja, ich dachte, es könnte nicht schaden, deine Sinne etwas zu schärfen.“ Erebors Blick war unbezahlbar. Er lächelte immer noch, doch etwas in ihm schien anders auf das Wort „schärfen“ zu reagieren, als ich es gedacht hatte, denn für einen kurzen Moment sah ich ein Funkeln in seinen Augen, das ich zwar schon öfter in ihnen gesehen hatte, aber nicht beschreiben konnte. Ich musste ihn also auf andere Gedanken bringen, dachte ich mir, und griff ihn schnellen Schrittes, aber lächelnd, an. Auch Erebor lächelte fast verschwörerisch, als er meinen Angriff abblockte.

    Die langen Ärmel meines weißen Kleides folgten jeder meiner Bewegungen wie lange Flügel, behinderten mich jedoch nicht. Ich stellte mir schon fast vor, dass ich wie ein tödlicher Engel aussehen musste in diesem Moment. Jeder einzelne von meinen Angriffen wurde von Erebor abgeblockt. Dadurch, dass ich jedoch zwei Dolche hatte und er nur ein Schwert, hatte er kaum Zeit, um seinerseits anzugreifen. Er konnte nur meine Angriffe abblocken.

    „Aber das muss doch nicht bedeuten, mich gleichzeitig umzubringen“, sagte er, als er über unseren Köpfen einen meiner Angriffe gestoppt hatte. Das war ein Fehler gewesen, denn er war abgelenkt und so konnte ich sein Schwert mit etwas Druck meiner Dolche hinter seinen Körper drängen.

    „Wenn du so leicht zu töten bist, sollten wir deine Sinne auf jeden Fall schärfen“, flüsterte ich, denn wir standen nun sehr nah beieinander. So nah war ich noch nie einem Mann gekommen. Ich konnte seinen schweren Atem spüren und seine Anstrengung riechen, und damit meine ich nicht, dass er streng roch. Um ehrlich zu sein merkte ich, wie angenehm es war, so nah beim ihm zu sein.

    Doch er nutzte meine Ablenkung, nahm eine Hand von dem Griff seines Schwertes. Er drückte mich von sich weg, nahm aber gleichzeitig eine meiner Hände und drehte sie mir auf den Rücken, um mich seinerseits mit dem Schwert zu bedrängen. Nur meine beiden Dolche trennten sein Schwert von meiner Kehle und er stand dicht hinter mir. Ich konnte die Wärme seines Körpers deutlich spüren und sein Schwert zitterte leicht in seiner Hand. Aber eins musste man ihm lassen: ich hatte auf den Mittelaltermärkten selten einen Mann gesehen, der so viel Kraft hatte, dass er auch einhändig jemanden mit seinem Schwert bedrängen konnte. Natürlich, ich wehrte mich nicht wie jemand, der tatsächlich um sein Leben fürchten musste, aber er hatte Kraft. Doch ich hatte die Waffen einer Frau und bückte mich schwungvoll, sodass er durch meinen Hintern getroffen leicht nach hinten fiel. Dieser Moment brachte ihn so aus der Fassung, dass ich wieder die Oberhand hatte.

    „Da lässt man euch beide einen Moment aus den Augen und ihr geht euch an die Gurgel.“ Seine Stimme war zwar tadelnd, aber sein lächelndes faltiges Gesicht sagte etwas anderes. Man sah ihm an, dass er uns schon eine Weile lachend zugesehen hatte. Nun kam Deorhain auf uns zu. „Lady Arwen schickt mich. Ihr beide solltet euch nun auch für das Abendmahl vorbereiten.“ Missmutig folgte ich dem Rat des alten Mannes und verließ den Trainingsplatz wieder

    „Rhaich!“ Ich war gerade vollkommen fertig aus meinem Zimmer getreten, da war auch schon jemand schnellen Schrittes in mich hinein gelaufen. Ich hatte so schnell gar nicht gucken können und so sah ich erst jetzt, dass es ein Elb gewesen war. Er war groß und seine langen blonden Haare fielen ihm seidig auf seine Schultern.

    „Goheno anim!“, sagte er, doch natürlich verstand ich ihn nicht. Der Tonfall und sein Blick sagten mir jedoch, dass er sich gerade entschuldigte. „Man i eneteg?“, fragte er weiter, doch das konnte ich nun nicht mehr von seiner Körpersprache ablesen. Ich sah ihn nur verwundert an. „Heneaich nin?“ Langsam wurde es mir zu bunt. Warum sprach der Kerl augenscheinlich Elbisch mit mir? Sah er denn nicht, dass ich ein Mensch war? Moment … hielt dieser Elb mich tatsächlich für eine der seinen?

    „Tut mir leid, ich spreche kein Sindarin oder Quenya“, sagte ich und seine Augen wurden groß. Er war anscheinend tatsächlich verwundert. Ich musste mich wohl geschmeichelt fühlen, aber ich war es wirklich nicht gewohnt, die Aufmerksamkeit von so vielen Männern zu bekommen. Erst Erebor, dann dieser Boromir und jetzt auch noch dieser Elb. Anscheinend stieg der Marktwert, wenn eine Sache, in diesem Falle ich, nicht erwerbbar war.

    „Es tut mir leid. Ich hielt Euch für eine meines Volkes“, sagte er und seine Stimme klang edel und sie floss trotz der etwas raueren menschlichen Sprache mehr, als es normal gewesen wäre.

    „Ich muss mich wohl geehrt fühlen“, sagte ich und machte kurz einen Knicks. So hatte ich es damals gelernt. Einmal auf jedem Markt hatte es ein Festmahl mit dem „König“ gegeben und da hatten unsere Eltern uns herausgeputzt. Sie hatten uns eingebläut, bei solchen Anlässen immer höflich und freundlich zu sein, und das beinhaltete auch den Knicks.

    „Wie lautet Euer werter Name?“ Immer musste der Mann zuerst fragen, noch so eine Regel „bei Hofe“, und es gefiel mir nicht. Ich war dann doch eher für die Gleichstellung. Ich mochte es nicht, für minderwertig gehalten zu werden, das hatte ich in meinem Leben schon zu oft erlebt. Aber hier, hier musste sich eine Frau die Gleichberechtigung noch hart erkämpfen, wenn sie sie überhaupt erlangte. Aber ich war eine Kämpferin und ich würde meine Würde nicht kampflos aufgeben.

    „Mein Name ist Fearwynn. Und der Eure?“

    „Legolas, Sohn von Thranduil, dem König des Düsterwaldes.“ Schon wieder ein Titel. Was hatten sie hier nur mit den Titeln? Bestimmte ein Titel hier, was man für ein Mensch, oder Elb, war? „Darf ich Euch zum Saal begleiten?“, fragte er, doch es war eigentlich keine Frage gewesen, denn er hatte bereits meinen Arm geschnappt und mich mit sich gezogen. Normalerweise hätte ich mich hier gewehrt, doch ich wollte kein Aufsehen erregen, und ich musste ja sowieso in diese Richtung.

    Die Halle in Elronds Haus war voller Leute. Zum größten Teil Elben, aber es waren auch ein paar andere Gäste da. Alles war prächtig gedeckt und am Ende der überlangen Tafel saß, auf einem erhöhten Sitz, Herr Elrond. Zu seiner Rechten saß ein Elb, den ich noch nicht kannte. Links neben ihm saß Gandalf. Erebor und Deorhain waren noch nirgends zu sehen und irgendwie erleichterte mich das. Ich wollte nicht, dass er mich hier zusammen mit einem Elb sah, auch wenn ich eigentlich nichts dafür konnte und ich ihm keine Rechenschaft schuldig war.

    Als ich meinen Blick über die Gäste schweifen ließ, sah ich auch Boromir, der etwas verstimmt in meine Richtung sah. Anscheinend hielt er das Bild, das er sah, für eindeutig. Er stand auf und ging an den anderen Gästen vorbei direkt zu uns.

    „Ich dachte nicht, dass Ihr Euch dem nächsten Elb anbiedern würdet“, sagte er und Legolas ergriff seinen Arm.

    „Ich denke, Ihr solltet aufpassen, wie Ihr mit einer Lady sprecht.“ Seine Stimme war schon fast drohend. Ich sah die Anfeindung in den Augen der beiden und ich wusste, irgendetwas musste getan werden, damit die Situation nicht eskalierte. Ich stellte mich also zwischen die beiden und löste Legolas’ Griff von Boromirs Arm. Doch ihre Blicke waren immer noch starr aufeinander gerichtet, so als gäbe es mich gar nicht.

    „Es tut nicht gut, sich um diese Frau zu streiten, denn sie will keines Mannes Besitz sein.“ Ich drehte mich um und sah Aragorn hinter uns stehen. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er zu uns gekommen war, so sehr war ich vertieft darin, diese beiden Männer davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Legolas fing sich wieder und ging ohne ein weiteres Wort, und auch Boromir ging, jedoch weniger gefasst wie Legolas. Ihm sah man die Wut noch immer an.

    „Ihr habt eindeutig eine Wirkung auf das männliche Geschlecht“, sagte Aragorn und sah mich an. Ich war froh, dass von ihm keine Gefahr ausging, immerhin hatte er Arwen. Bei ihm musste ich nicht fürchten, dass er mich als Trophäe in eine Ecke stellen wollte. „Erst Erebor, dann, wie Deorhain mir berichtete, seinen Sohn Halbarad und nun auch noch den Sohn eines Truchsesses und eines Königs, der dazu noch ein Elb ist.“ Er war anscheinend beeindruckt.

    Nur wenige Minuten später kamen, mit dem Ertönen einer Glocke, auch Erebor und Deorhain in den Saal. Wir drei setzten uns zusammen in die Nähe des Tischendes, an dem auch Elrond, Gandalf und der andere Elb saßen.

    „Dein Kleid passt wunderbar zu dir“, flüsterte mir Erebor ins Ohr und ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Irgendwie war es etwas anderes, wenn Erebor mir so etwas sagte. Bei einem der anderen Männer wäre ich sicherlich wieder wütend geworden, doch bei ihm? Irgendetwas veränderte sich in mir, doch ich konnte es noch nicht erfassen.

    Ich blickte an mir hinunter. Dieses Kleid hatte mir eine ganze Stunde meiner kostbaren Zeit geraubt und verhindert, dass ich meine Haare hatte hochstecken können. Ebenso schnürte es mir die Luft ab und ich atmete nur vorsichtig und nicht tief ein, aus Angst, die Schnüre, die eine Elbe so mühselig zugezogen hatte, könnten reißen und das Kleid auf dem Boden landen. Es war wunderschön mit seinem grün-goldenen Korsett und dem engen grünen Rock, doch es war schwer, und ich bekam, wie gesagt, kaum Luft.

    Als das Essen beendet war und Elrond und Arwen sich erhoben, um mit uns in die Hallen des Feuers zu gehen, schnappte ich mir noch schnell einen Apfel. Ich hatte noch nie so leckere Äpfel gegessen und wenn ich heute Nacht noch Hunger bekommen würde, hätte ich so einen kurzen Snack, der meinen Magen beruhigen würde. Ich konnte ja Dank des Kleides nicht so viel essen.

    „Das ist die Halle des Feuers, meine Liebe. Normalerweise ist sie ein Ort der Ruhe, aber nach solchen Festmahlen wird sie als Ort der Geschichten und Lieder verwendet“, erklärte Deorhain, als ich gemeinsam mit ihm und Erebor die Halle betrat. Die Halle des Feuers war riesig und ich bezweifelte, dass ich jemals in einem größeren Raum gestanden hatte, der nicht gewerblich genutzt wurde. Alle Gäste hatten sich hier eingefunden und man sah kleinere Gruppen, die sich zusammenschlossen, um zu reden. Bei den vier Hobbits stand auch noch ein etwas größerer Mann, der aber noch zu klein für einen normalen Menschen war. Er war sicherlich ein Zwerg. Von denen hatte ich in der Quenta Silmarillion gelesen.

    „Dürfte ich mit euch einen Moment sprechen?“ Es war Elrond und niemand von uns konnte und wollte ihm seine Bitte abschlagen, also entfernten wir uns etwas von der Gesellschaft. Er klang ernst und ich war nicht überzeugt, ob ich hören wollte, was er zu sagen hatte.

    „Deorhain, ich habe eine Bitte an dich und deine beiden Begleiter“, sagte er und ich war froh, dass er mich mit einschloss. Sein Blick jedoch verriet nichts Gutes, genauso wie seine gesenkte Stimme. Er wollte nicht, dass irgendjemand dieses Gespräch belauschte. „Als Gandalf zu mir kam, berichtete er mir vom Verrat Sarumans und ich fürchte seine Hand reckt sich gen Bruchtal. Das dürfen wir nicht zulassen.“

    „Aber was können wir gegen Saruman ausrichten?“, fragte Erebor.

    „Ihr sollt den Weg nach Rohan überwachen. Bringt so viel über Sarumans Pläne in Erfahrung, wie euch möglich ist. Wenn er es schafft Rohan zu überrennen, wird er alle Länder westlich des Nebelgebirges tyrannisieren“, erklärte Herr Elrond und ich war geschockt. Ich hatte zwar noch nicht viel von diesem Land gesehen, doch ich hatte genug gesehen, um zu wissen, dass es sich lohnte, das Unheil, das Herr Elrond sah, zu verhindern.

    „Wir werden Euren Auftrag ausführen!“, sagte ich bestimmt und ich sah, wie sich die Köpfe von Erebor und Deorhain blitzschnell zu mir drehten, während mich Herr Elrond wissend anlächelte. Doch Erebor lächelte nicht. Sein Gesichtsausdruck war starr.

    „Wir können diesen Auftrag nicht annehmen!“, sagte er genauso bestimmt und ich sah ihn fragend an. Warum tat er das? Warum fiel er mir in den Rücken? War ihm etwa egal, was aus diesem Land, seiner Heimat, wurde? War er nicht bereit dafür zu kämpfen? Ich sah, wie Wut in ihm Aufstieg.

    „Avol aphadithae!“, schrie Erebor förmlich. Ich wusste nicht, was er hatte, und verstand auch nicht, was er gesagt hatte. Elrond erwiderte etwas in Elbisch, doch wieder konnte ich nicht verstehen, was er sagte. Es war einfach unhöflich, eine andere Sprache zu sprechen, wenn jemand dabei stand, der diese Sprache nicht kannte. Ich verstand nur Bruchstücke wie „Andelu i ven“ oder „Boe de meriad“ und irgendwann wurde es mir zu bunt.

    „Kann mir mal jemand sagen, was hier vor sich geht?“ Meine Stimme war lauter, als ich es eigentlich geplant hatte, und alle im Saal waren auf einmal ruhig und starrten mich an. Erebor schmiss resignierend seine Arme in die Höhen sagte noch mit fast verzweifelndem Blick zu Elrond und Deorhain „De melin“ und dann verschwand er auf einmal. Ich wollte ihm direkt hinterher, doch Deorhain hielt mich auf.

    „Lass ihm einen Moment zum Nachdenken, mein Kind“, sagte er und sah mich etwas besorgt an. Was hatten die Drei da besprochen? Hatte ich vielleicht falsch gehandelt? Hatten Deorhain und Erebor etwas anderes vorgehabt und ich hatte ihren Plan nun vereitelt? Aber warum schien Erebor dann eben so verletzt zu sein? Ich verstand es nicht und entschloss mich, Deorhains Rat zwar zu befolgen, Erebor aber nur einige wenige Minuten Vorsprung zu geben. Immerhin wusste ich, wo er nun hinging.

    ***********************************************

    Rhaich! – Scheiße!

    Goheno anim! – Vergebt mir!

    Man i eneteg? – Wie heißt Ihr?

    Heneaich nin? – Könnt Ihr mich verstehen?

    Avol aphadithae. – Sie kann uns nicht begleiten.

    Andelu i ven. – Der Weg ist zu gefährlich.

    Boe de meriad. – Sie muss beschützt werden.

    De melin. – Ich liebe sie.
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  14. #14
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    So,

    Weihnachten und Neu-Jahr sind vorbei, wir sind (fast) alle ein paar Gramm schwerer ^^ Und
    ich finde wieder Zeit fürs liebe Internet und kann weiter Posten ^^

    Ich wünsche euch viel Spa´mit dem nächsten Elfstone Kapitel.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 14

    Bitte lass es einen Traum sein!

    Gwyneth


    Was hatte Galadriel nur damit gemeint, dass ich Königin werden würde? Was für ein Unsinn sollte das bitte sein? Königin von was und wem? Ich bekam es ja nicht mal auf die Reihe, auf mich selbst aufzupassen. Wie sollte ich da ein Volk lenken? Und was würde ich wiederkriegen? Was hatte ich denn verloren, außer vielleicht meinem alten Leben, was mir mit jeder Stunde, die ich hier in diesem Wald verbrachte, verlockender vorkam.

    Doch dann rief ich mich zur Ordnung. Dies hier war nur ein dummes, kleines Spiel. Ich musste mir keine Sorgen machen, was passieren würde. Haldir hatte es selbst gesagt: wenn ich mein Schicksal, meine Aufgabe oder was auch immer, erfüllte, konnte ich nach Hause. Und daran würde ich mich festhalten. Ich würde solange mitspielen, bis man mir endlich, endlich das Ticket für meine Heimreise in die Hand drückte. Und dann würde ich diese ganzen Idioten nie wieder sehen müssen!

    Verzweifelt klammerte ich mich an diesen einen Gedanken, der mich aufrecht hielt. Wenn es doch nur schon vorbei wäre, dachte ich und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Baum. Mittlerweile war es dunkel geworden und wenn ich nicht schnell zurück kam, würde ich sicher nicht mehr wissen, wohin ich gehen musste. Hier sah sowieso alles gleich aus.

    Doch wenn ich erst einmal getan hatte, was man von mir wollte, dann würde ich nach Hause gehen können! Dann musste ich das hier alles nicht mehr sehen. Dann wäre ich endlich wieder zu Hause und könnte mein altes Leben führen.

    Die nächsten Tage brachte ich damit zu, mit der Elbe Gwen Sindarin zu lernen. Das erste Wort, was ich gelernt hatte, war „Sindarin“. So hieß nämlich die neue Sprache, die ich lernen sollte. Da ich ohnehin hier nichts zu tun hatte, kam mir diese kleine Ablenkung ganz gelegen. So konnte ich meine Gedanken auf etwas anderes als zu Hause richten und ich musste auch nicht weiter darüber nachdenken, was meine Eltern wohl gerade taten. Und ich musste nicht über diese merkwürdige Prophezeiung von Galadriel nachdenken.

    Es fiel mir nicht wirklich leicht, denn diese Sprache war komplizierter, als ich gedacht hatte. Mit meinem Englisch kam ich hier nicht sonderlich weiter. Und das Bisschen Italienisch, was ich noch konnte, brachte mir noch weniger. Vielleicht hätte mir Französisch weitergeholfen, doch ich hatte mich damals in der Schule als 2. Fremdsprache für Latein entschieden. Ziemlich dumm, wenn ich jetzt darüber nachdachte. Ich hatte es ohnehin nie wieder gebraucht.

    Doch das Sindarin hatte auch damit kaum Ähnlichkeit. Latein richtete sich nach strengen Regeln. Alles ließ sich in Tabellen einfassen und nach Mustern konjugieren. Beim Sindarin war das anders. Diese Sprache war hauptsächlich darauf ausgelegt, schön zu klingen. Es gab so viele Mutationen, die allein dazu dienten, den Gesamtklang eines Satzes zu verbessern und ihn runder klingen zu lassen, dass ich mir das alles gar nicht auf Anhieb merken könnte.

    „Und was bedeuten diese hier?“, sagte Gwen zu mir und deutete auf ein Blatt, was noch als einziges an einem Ast hing. Wir hatten es uns auf meinem talan gemütlich gemacht, ich hatte mir eine leichte Decke um die Schultern geschlungen, da es mittlerweile November war und die Luft doch merklicht abkühlte.

    Gwen selber saß in ihrem leichten Kleid im Schneidersitz da und wirkte so elegant, wie eine Tänzerin. Und das, obwohl sie sich kaum bewegte. Ihre Bewegungen waren so fließend und so schön, dass ich ihr die ganze Zeit hätte zusehen können. Sie war so ein hübsches Mädchen mit ihren grauen Augen und den hellen Haaren. Sie hatte sanfte, geschwungene Züge, mandelförmige Augen, eine winzige Stupsnase und schmale Lippen. Dazu trug sie die typischen spitzen Ohren ihres Volkes.

    Leider war sie der gemeinen Zunge, wie man das Deutsche hier nannte, nicht besonders gut mächtig. Ihre Worte stockten oft und ihre Sätze klangen unvollständig. Aber ich beschwerte mich nicht. Wahrscheinlich waren meine Bemühungen, Sindarin zu sprechen, noch viel lächerlicher.

    Auf ihre Frage hin überlegte ich kurz. Erst gestern hatte sie mir das neue Wort beigebracht, aber mein Kopf war schon so voll mit all dem neuen Zeug, dass ich mich nicht richtig erinnern konnte. Das einzige, was ich noch wusste, war, dass es ein ziemlich leichtes Wort war. „Las?“, gab ich daher fragend an und sie nickte. „Und wie heißt, wenn Blatt fallen von Baum?“

    „Du meinst den Herbst?“, stellte ich die Gegenfrage, denn ich verstand nicht genau, was sie mir damit sagen wollte. Doch sie verzog nur das Gesicht. „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Die Blätter machen bunt und fallen runter. Ist das Herbst?“

    „Ja, die Jahreszeit.“ Ich überlegte kurz, ob ich dieses Wort schon einmal gehört hatte, entschied mich aber für Nein. „Aber auf Sindarin bedeutet es lasbelin.“

    „Tîr!“, rief sie begeistert aus. „Du bist gut.“ Sie lächelte mich an und ich konnte nicht anders. Ich musste zurück lächeln. Sie sah so glücklich und zufrieden aus, dass mir gleich das Herz aufging. Ich glaube, dass mich vor ihr noch nie jemand mit so unverhohlenem Stolz gemustert hat. Es tat unglaublich gut und ich fühlte mich gleich etwas größer.

    „Was hältst du davon“, fragte ich Gwen, „wenn wir eine kurze Pause einlegen? Ich könnte noch eine Tasse Tee vertragen.“ Der Begriff „Tee“ war hier in keiner Weise mit dem in England zu vergleichen. Vermutlich hätten richtige Briten das, was man hier, trank, noch nicht mal als amerikanischen Tee bezeichnet. Doch es war warm und schmeckte nicht ganz so scheußlich, wie der Rest des Essens. Diese fleischlose Kost ging mit mittlerweile richtig auf die Nerven und ich hätte alles für ein schönes Steak gegeben. Wenn ich so etwas hier jedoch erwähnt hätte, hätten diese Leute mich vermutlich getötet.

    Langsam kam ich mir vor wie in einer Hippie-Kommune. Alle, selbst die Männer, trugen lange Haare und weite, fließende Gewänder. Es gab kein Fleisch, kein elektrisches Licht, kein Badezimmer (Oh Herr, das war das Schlimmste überhaupt!) und alle hatten sich lieb. Diese Elben konnten manchmal sogar richtig albern sein. Dann packte einer den anderen am Arm und zog ihn durch den Wald. Dabei lachten sie wie kleine Kinder und sangen seltsame Lieder. Diese Erhabenheit, die Celeborn und besonders Galadriel ausstrahlten, fehlte beim Rest ihres Volkes fast komplett.

    Nur Haldir war da etwas anders. Er war sehr ernst und man könnte sagen, dass er auch ziemlich pessimistisch war. Die Welt außerhalb von Lórien schien für ihn entweder nicht zu existieren oder es nicht wert zu sein, dass man über sie sprach.

    Doch Gwen war, wenn es so etwas gab, eine Musterelbe. „Sehr gern“, sagte sie und erhob sich. Dabei versetzte es mir einen Stich, denn bei mir sah es nicht mal einen Bruchteil so elegant aus wie bei ihr. Sie tänzelte zu der kleinen Feuerstelle, die ich hier oben hatte, goss etwas Wasser in einen Topf und hängte den Topf über das Feuer. Danach kramte sie in den Tongefäßen, die ich besaß, nach etwas, schüttete sich davon etwas in die Hand und krümelte es schließlich in das bereits kochende Wasser. Sie füllte zwei Becher damit und reichte mir einen.

    Vorsichtig roch ich an dem Gebräu. „Wie nennt ihr das?“, fragte ich und deutete auf den Inhalt des Bechers. „Suithlas“, sagte sie. Das hatte ich beinahe befürchtet, hütete mich jedoch davor, es auszusprechen. Also lächelte ich nur und nahm einen Schluck. Es wärmte mich auf und ich fühlte mich sofort nicht mehr so müde. Wahrscheinlich hatten die Kräuter darin eine belebende Wirkung.

    „Dir fehlt dein Heimat“, sagte sie, als ich die Unterhaltung nicht fortsetzte. Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung, und ich schämte mich plötzlich irgendwie dafür, dass ich das alles hier nicht zu schätzen wusste. Ich setzte den Becher ab, ließ meine Hände jedoch darum, um die Wärme weiter zu genießen.

    „Ja“, sagte ich nach einer kurzen Pause. „Es ist sehr schön hier, aber mir fehlt mein altes Leben.“

    „War es schön dort?“ Eigentlich hätte ich sofort Ja sagen müssen, doch dann dachte ich eine Weile darüber nach. Wieso fehlte mir mein altes Leben eigentlich so sehr? Was hatte ich denn erreicht? Ich hatte in einer Art Zwischenwelt gelebt, hatte meine Mutter verstoßen und meine Schwester verloren. Meine Freunde hatten sich von mir abgewandt, und das mit gutem Grund. Der einzige, den ich noch gehabt hatte, war Thomas gewesen. Was brachte mich also so vehement dazu, wieder nach Hause zu wollen?

    Ich seufzte tief. „Ehrlich gesagt hab ich zu Hause ziemlichen Mist gebaut“, sagte ich schließlich. Wieso sollte ich sie auch belügen? Gwen war so reizend und nett zu mir, sie hatte so viel Geduld. Es gab keinen Grund, ihr nicht die Wahrheit zu sagen. „Meine Schwester ist vor ein paar Monaten gestorben und das macht mir immer noch schwer zu schaffen. Ich konnte mich nicht richtig von ihr verabschieden. Und vermutlich habe ich meine Wut auf meine Mutter projiziert. Obwohl sie vermutlich gar nichts dafür kann, dass sie so ist, wie sie nun mal ist. Und jetzt habe ich nicht mal mehr die Chance, ihr zu sagen, wie sehr ich sie eigentlich liebe. Denn ich bin hier gefangen.“

    „Du bist hier gefangen? Wieso?“

    „Das wüsste ich auch gerne. Aber so viel ist sicher: man lässt mich nicht nach Hause gehen.“ Augenblicklich stand sie auf, stellte ihre Tasse irgendwo ab und ging an mein Bücherregal. Die Werke, die hier standen, waren jedoch für mich völlig wertlos. Sie waren allesamt in einer verschlungenen, aber doch irgendwie ziemlich schönen Schrift geschrieben, die ich noch nie gesehen hatte und auch nicht lesen konnte. Sie erinnerte mich ein wenig an die arabischen Schriftzeichen, doch diese kannte ich noch gut genug um zu sagen, dass es kein Arabisch war, was dort geschrieben stand. Gwen hatte mir einmal versucht zu erklären, dass sich diese Schrift Tengwar nannte. Doch davon hatte ich noch nie gehört.

    Als Gwen das gefunden hatte, was sie gesucht hatte, klappte sie den dicken Wälzer wieder zu, den sie herausgenommen hatte, und stellte ihn zurück. Sie hielt ein Blatt Pergament in den zarten Fingern und ich brauchte eine Weile, bis ich erkannte, was es sein sollte: Es war eine Karte.

    Sie zeigte auf einen Punkt ziemlich in der Mitte, wo sich ein kleiner Wald abzeichnete. „Dort ist Lórien. Zeig mir, wo dein Heimat liegt.“ Doch so sehr ich mich auch bemühte, etwas Bekanntes auf dieser Karte zu entdecken, es kam mir alles ziemlich Spanisch vor.

    Von Norden nach Süden teilte eine riesige Gebirgskette das Land in zwei Hälften. Im Süden, wo es auf ein großes Meer traf, teilte es sich in mehrere kleinere Gebirgszüge auf. Rechts davon, im Osten, schien eine höhere Macht gleich drei Bergketten so angeordnet zu haben, dass sie im nahezu rechten Winkel aufeinander trafen und so eine Ebene einrahmten und vermutlich auch ein natürlicher Schutz vor Feinden bildeten. Nur nach Osten selbst war dieses Land frei zugänglich.

    Etwas darüber, im Nordosten von Lórien, wuchs ein mächtiger Wald. Und auch, wenn es nur die Zeichnung einer Menschenhand war, die ihn auf dieses Pergament gebannt hatte, wirkte er trotzdem auf irgendeine Weise ziemlich bedrohlich auf mich. Er sah düsterer und undurchdringlicher aus als alle Wälder, die ich aus Deutschland oder selbst den USA kannte.

    Im Westen, am Rand eines großen Meeres, stand zwei Bergketten wie Wächter, als gäbe es etwas aus dem Westen, das man davon abhalten müsste, dieses Land zu betreten und auf der zerklüfteten Küste zu landen. Was jenseits des Meeres war, wusste ich nicht. Doch das Land selbst wirkte riesig, viel zu groß, um es nicht zu kennen. Auch wenn ich Kunst studiert hatte, hatte ich doch eine recht gute geographische Kenntnis von unserer Welt. Aber dieses Land hatte ich noch nie gesehen. Und es sah nichts ähnlich, was man kennen könnte. Auf den ersten Blick hätte man es vielleicht für Amerika halten können, doch diese Meinung revidierte ich schnell wieder.

    Gwen ließ die Karte los und ich nahm sie in die Hand. Konzentriert betrachtete ich alles, sog es in mich auf, fühlte die Unebenheiten der Tierhaut und prägte mir die Beschaffenheit des Landes ein. „Was ist das?“, fragte ich erstaunt.

    „Ennorath“, sagte Gwen. „Mittelerde, die Menschen es nennen.“

    „Und wo ist Europa?“, fragte ich verwundert. Ich starrte noch immer auf die Karte in meiner Hand und konnte daher nicht den verwirrten Gesichtsausdruck meiner Lehrerin sehen. Sie musste denken, dass ich den Verstand verloren hatte. Doch genauso gut konnte ich das von ihr behaupten. Wer hatte schon einmal von einem Land gehört, dass Mittelerde hieß? Ich jedenfalls nicht. Und solange ich nicht wusste, wo ich war, konnte ich nicht nach Hause gehen.

    Ich gab ihr die Karte zurück. „Danke, aber das hilft mir nicht weiter. Wenn ich nicht weiß, in welche Richtung ich gehen muss, kann mir eine Landkarte auch nichts nützen. Aber es ist nett von dir, dass du versucht hast mich aufzumuntern. Lass uns lieber weiter lernen. Das lenkt mich ein wenig von meinen Depressionen ab.“

    Auch wenn sie vielleicht nur die Hälfte von dem verstanden hatte, was ich ihr gesagt hatte, nickte sie und setzte sich wieder im Schneidersitz mir gegenüber hin. Eine Weile saßen wir noch so zusammen, dann, als es langsam dunkel wurde, verabschiedete Gwen sich und ließ mich alleine.

    Und wieder einmal hatte ich genug Zeit meinen wirren Gedanken nachhängen zu können. Leider hatte ich jedoch immer noch nicht herausgefunden, wo ich war und wie ich hierher gekommen war. Noch immer endete alles mit diesen hellen Lichtern, die auf mich zugefahren kamen. Und dann war ich in diesem Wald aufgewacht und Haldir hatte mich gefunden. Das dazwischen, was vermutlich das Wichtigste war, war einfach weg. Der Film hatte einen gewaltigen Riss und das Material war unauffindbar.

    Wieso nur musste so etwas immer mir passieren? War das die Strafe dafür, dass ich in der letzten Zeit ein so unausstehlicher Mensch gewesen war? Mittlerweile war ich schon ganze fünf Wochen hier und nichts hatte sich seit dem ersten Tag geändert. Das Leben auf einem Baum war wirklich nicht das, was man sich wünschte.

    Morgens, wenn die Sonne aufging, wurde man von dem nervigen Gezwitscher gut gelaunter Vögel geweckt. Das Bett, in dem man wach wurde, war zwar einigermaßen bequem, war jedoch immer noch Welten von dem entfernt, was man als normaler Mensch gewohnt war. Zum Waschen musste man sich kaltes Wasser erst aufwärmen, es in eine Schale gießen und sich mit einem Schwamm, so gut man es eben konnte, sauber machen. Haare waschen war hier ein Ding der Unmöglichkeit. Geschweige denn, dass es hier ordentliche Seife gab.

    Und dann das Zähne putzen! Man hatte mir eine kleine Holzbürste mit ziemlich groben Borsten auf meine Frage hin gereicht und mir erklärt, dass sie zum Zähne reinigen sei. Beim ersten Mal hatte ich mir gleich das Zahnfleisch damit halb aufgerissen und Blut gespuckt.

    Das Schlimmste war jedoch der Toilettengang. Ich kannte die Geschichten aus dem Mittelalter, dass man Nachttöpfe hatte, die dann am Morgen von einem Diener ausgeleert und gereinigt wurden. Das Bild mit dem Nachttopf stimmte auch soweit. Nur, dass ich eben selbst dafür sorgen musste, dass er jeden Abend wieder leer unter meinem Bett stand.

    Noch war mir zum Glück die Misere mit meiner monatlichen Periode erspart geblieben. Vermutlich hatte mein Körper bei dem ganzen Stress einfach vergessen zu bluten. Ich konnte ihm nur dankbar sein. Doch ich vermutete, dass es ohne die Pille bald dazu kommen würde, dass ich meine Unterhose mit Moss auspolstern musste, um nicht alles zu versauen. Mir graute bereits jetzt schon davon und ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich daran dachte. Unter normalen Umständen war es für eine Frau schon unangenehm. Doch hier, unter freiem Himmel in einem mittelalterlich anmutenden LARP, war es vermutlich die Hölle.

    Und weil ich nicht mehr weiter über die hygienischen Zustände hier nachdenken wollte, zog ich mich um und legte mich in mein Bett. Ich zog mir die Decke über den Kopf und hoffte, wie jeden Abend, wenn ich schlafen legte, dass ich am nächsten Morgen wieder in meinem Bett erwachte und alles nur ein böser Traum gewesen war.
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  15. #15
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    Kapitel 15

    Es darf nicht sein!

    Fearwynn



    Erebor saß mitten in der kleinen von alten, mit Moss bewachsenen Bäumen umgebenen Lichtung. Genau vor sich hatte er ein Feuer gemacht und auch, wenn die Nächte hier nicht kalt waren, war es dennoch sehr warm und einladend. Die Flammen züngelten ruhig vor sich hin und es war so still hier, außerhalb des ganzen Trubels innerhalb des Gebäudes, dass man sogar die kleinen Explosionen hörte, wenn das Feuer die Flüssigkeit in den Baumstämmen soweit erhitzte, dass einige Splitter von dem Holz abgesprengt wurden.

    Ich blickte auf Erebor. Sein Blick verriet mir, dass ihm nicht gefallen hatte, was ich beim Abendessen gesagt hatte, doch den Grund dafür kannte ich nicht. Er schien beinahe bereit zur Abreise, denn sein Schwert steckte in der Scheide neben ihm.

    Was mich verwunderte, war, dass er sich nicht umdrehte, obwohl er mein Kommen - ich war nicht so grazil und elegant wie die Elben und hatte einige Äste auf meinem Weg zu ihm geräuschvoll zerbrochen - gehört haben musste. Er starrte weiterhin auf die züngelnden Flammen.

    „Deine Freundin würde gerne mit dir reden“, sagte ich schon fast unterwürfig. Das war normalerweise nicht meine Art, aber irgendetwas an Erebor war anders. Etwas an ihm bewegte mich dazu, meinen antrainierten Stolz liegen zu lassen. Ich merkte, wie mein Herz zu rasen begann. Ich hatte selten so ein Gefühl gehabt, das Gefühl, dass es mich zerreißen würde, wenn er mich nun abweisen würde. Er durfte mir einfach nicht mehr böse sein. Wenn ich nur daran dachte, was das letzte Mal geschehen war, als er so wütend auf mich gewesen war… Nein, das durfte nicht noch einmal passieren. Er war mein Freund und deshalb musste ich mit ihm reden.

    Also kniete ich mich, auf den Fersen hockend, neben ihn, natürlich nicht, ohne noch einige der Zweige zu zerbrechen. Auch da sah er immer noch starr auf das Feuer und mein Herz raste noch mehr. Ich wusste, was ich nun sagte würde, entscheiden, ob wir weiterhin Freunde waren, oder ob wir nun getrennte Wege gehen würden.

    „Und was möchte mir meine Freundin sagen?“ Ich kippte beinahe um, als ich merkte, dass er reagiert hatte, und ich bildete mir ein, sogar ein kleines, wenn auch sicher ungewolltes, Lächeln in seinem Gesicht zu sehen.

    „Dass sie einen Fehler gemacht hat“, sagte ich leise, fast kleinlaut, und zupfte dabei nervös an dem grünen Kleid, das ich immer noch trug. „Und dass es ihr leid tut. Es stand mir nicht zu, über dein Schicksal mit zu entscheiden.“ Er hatte seine Arme um die Knie geschlungen und dann sah er mich endlich an. Der warme, rötliche Schein des Feuers spiegelte sich in seinen Augen und diese sahen keineswegs wütend aus.

    „Ich hatte mir eine ganze Rede zurecht gelegt und nun fällt mir kein einziges Wort davon mehr ein“, begann er und der Blick in seinen Augen verwirrte mich. Ich konnte ihn nicht deuten. „Daran bist du Schuld.“ Dann lächelte er und sein Blick wurde klarer. Ich konnte erkennen, dass er mir meine vorlaute Zunge vergeben würde. Nur würde er mir meine Bitte gewähren? Würde er zustimmen, dass ich weiter mit ihm und Deorhain zog?

    „Die Entschuldigung ist angenommen.“ Eine Woge der Erleichterung überkam mich. Und zu meiner Verwunderung war es, als kehrte ein Teil von mir zurück. Natürlich, Erebor war mir in den letzten 5 Monaten, die ich nun schon hier war, sehr wichtig geworden, aber ich hatte schon lange zuvor den Kontakt zu meinem Herzen abgebrochen. Wenn andere der Stimme ihres Herzens lauschten, war da bei mir nur Stille. Die Krankheit hatte mich so verbittert werden lassen, dass mein Herz nicht mehr mit mir sprach, kein einziges Wort. Zumindest hatte ich das immer geglaubt. Doch nun - und es war Zeit, mir das einzugestehen - nun versuchte es vorsichtig, wieder mit mir zu reden.

    Es versuchte mir klar zu machen, dass es hier auch noch etwas anderes gab, als Krankheit und Tod. Hier konnte mein Herz leben.

    „War die Rede gut?“, fragte ich grinsend und blickte ihn von unten an. Sein Grinsen wurde breiter. Auch er schien sich zu freuen, dass unsere Freundschaft anscheinend Bestand haben würde.

    „Anfangs schien es so, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher“, sagte er und ich entschied mich, mich mit dem Rücken zum Feuer neben ihn zu setzen. In diesem Moment fragte ich mich wieder, warum Erebor überhaupt ein Feuer angemacht hatte, immerhin war es hier draußen alles andere als kalt. Erst jetzt bemerkte ich, wie Erebor überhaupt da saß. Er hatte sein Hemd wahrscheinlich zum Holzhacken ausgezogen und sein gesamter Oberkörper glänzte vor Schweiß, und seine vollkommen zerzausten Haare und die Lederhose, die er trug, verliehen ihm etwas Wildes, Unbändiges, wie ich es noch nie gesehen hatte.

    „Ich war gegen deine Entscheidung, aber nicht, weil ich nicht gehen will, sondern weil ich dich schützen wollte. Hier bist du in Sicherheit.“ Der Klang seiner Stimme brachte etwas ganz tief in meinem Inneren zum Schwingen und es verwirrte mich. Nie zuvor hatte ich so etwas gespürt. Wie auch? Ich hatte nie einen Mann so nah an mich heran gelassen. Und wenn sie wussten, was mit mir nicht stimmte, waren die regelrecht getürmt, verständlicherweise.

    Hier war jedoch alles anders. Zu Hause hatte ich immer im Schatten meiner Krankheit gelebt. Sie hatte mich begleitet, wo ich auch nur war, aber hier, hier konnte ich die Krankheit größtenteils vergessen.

    „Ich weiß“, antwortete ich ihm fast resignierend und er sah mich aus seinen grauen Augen durchdringend an, erdrückte mich fast mit der Macht seines Blickes. Ich merkte, wie mein Atem sich beschleunigte. Dann drang von dem Saal, in dem sich alle anderen zu einer kleinen Feier versammelt hatten, leiser Gesang an meine Ohren und vermischte sich mit dem knistern des Feuers und mit Erebors Atem, der für mich aus der kurzen Entfernung gut zu hören war. Nie hatte ich mich so geborgen gefühlt, so entspannt und gleichzeitig so aufgeregt. Es war verwirrend.

    Ich merkte gar nicht, wie mein Blick von seinen Augen zu anderen Stellen seines Gesichts wanderte. Die Form seiner kurzen, etwas gewölbten Nase, seine hohen Wangenknochen und sein etwas eckigem Kinn. Dann heftete sich mein Blick ungewollt auf seine Lippen. Plötzlich wurde mir bewusst, wie sehr das Feuer die sowieso schon warme Nachtluft erhitzte, und mir wurde schwindelig.

    Ohne den Blick von ihm zu wenden holte ich den Apfel unter meinem Kleid hervor, den ich aus dem Essenssaal mitgenommen hatte, und biss genüsslich in das saftige Fleisch der Frucht. Sein eiserner Blick geriet keinen Augenblick ins Schwanken. Einer Eingebung folgend hielt ich ihm plötzlich den Apfel hin und hielt ihn fest, während auch er ein großes Stück abbiss.

    Und dann kam mir ein erschreckender Gedanke. Ich wünschte mir doch tatsächlich, dass Erebor mich, genauso wie gerade den Apfel, mit seinen Lippen berühren könnte. Und dann setzte mein Versand aus. Ich fragte mich, warum er es eigentlich nicht tun sollte. Immerhin hatte ich die ganzen letzten 5 Monate nichts von meiner Krankheit bemerkt und kurz davor war ich noch beinahe gestorben. Vielleicht war das hier ja wirklich alles nur Einbildung, ein Traum, und dann würde ich ihn auch nicht infizieren können. Und wenn ich tot war und das hier wirklich das Leben nach dem Tod war, dann wäre ich nicht mehr krank und könnte ihn also auch nicht infizieren.

    Dann musste ich daran denken, dass wir vielleicht beide bei der uns bevorstehenden Reise sterben konnten. Sollte ich tatsächlich sterben, ohne jemals wirklich eine Frau geworden zu sein? Sollte ich sterben, ohne jemals das Gefühl gehabt zu haben, von jemandem außer meiner Mutter geliebt zu werden? Und was, wenn Erebor sterben sollte? Nein, das würde ich nicht überstehen, das wurde mir nun klar. Es schien, als würden alle Emotionen, die ich die ganzen Jahre unterdrückt hatte, auf einmal ans Tageslicht kommen.

    Sie übermannten mich und machten mich unfähig, logisch und vernünftig zu handeln, und so presste ich den Apfel fester gegen seine Zähne. Selbst wenn ich noch krank war, wäre es nicht gesagt, dass er sich infizieren würde. Und so, wie es sich bei dem Essen angehört hatte, sah sie Lage äußerst schlimm aus. Sollten wir beide sterben, ohne die Chance gehabt zu haben, wirklich zu leben?

    Ich merkte, wie die Sehnsucht nach ihm immer größer wurde, wie sie auch die letzten Bedenken hinwegfegte. Mein Köper reagierte mehr, als dass ich ihn bewusst steuerte. Neckisch nahm ich Erebor den Apfel vom Mund und der Saft der Frucht lief langsam sein Kinn hinunter. Ich war eine erwachsene Frau, durfte ich nicht auch meinen Bedürfnissen freien Lauf lassen?

    Langsam beugte ich mich vor und leckte ihm den süßen Saft vom Kinn. Erst jetzt merkte ich die leichten Bartstoppeln, die er anscheinend jeden Morgen rasierte. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt und ich atmete seinen schnellen, warmen Atem ein. Auch er schien alles um sich herum zu vergessen. Seine Augen drückten eine innere Wildheit aus, die ich noch nie zuvor in einem Mann gesehen hatte, und ich merkte, wie ich nun vollkommen von meinen Gefühlen gelenkt wurde.

    Ich ließ den Apfel fallen und berührte mit meinen Fingern seine Lippen. Da an meinen Fingern immer noch der süße Saft der Frucht herunter lief, sog Erebor jeden Finger einzeln ein, um den Saft abzulecken. Das Gefühl in seinem Mund war unbeschreiblich und ließ mich erschaudern. Noch nie hatte ich so etwas getan, und dennoch schien mein Körper genau zu wissen, was er tun musste.

    Langsam ließ ich die noch nassen Finger über sein Kinn und den Hals hinunter zu seiner Brust gleiten, wo ich dann innehielt. Ich spürte, wie sich sein Brustkorb immer und immer wieder hob. Ich war erstaunt, wie fest sich seine Muskeln anfühlten, hatte ich doch noch niemals einen Mann in dieser Weise berührt.

    „Es tut mir wirklich leid.“ Ich musste den Mund öffnen, um besser Luft zu bekommen, denn ich verlor mich in seinen Augen. Augen, die meine Seele durchdrangen und mich bloßzulegen schienen.

    „Mir auch. Ich hätte nicht so reagieren sollen“, sagte er langsam unter schwerem Atem, und seine Stimme zeugte von derselben Spannung, die auch in mir brodelte. „Ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange, aber in meinem ganzen Umfeld gibt es niemanden, dem ich mehr vertraue ... der mir wichtiger ist. Ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dich noch mal in Gefahr ...“ Aber weiter kam er nicht und ein Leuchtfeuer wurde in meinem ganzen Körper entfacht, als sich unsere Lippen langsam berührten.

    Erschrocken stieß ich ihn von mir, stand auf und versuchte einigen Abstand zwischen uns zu bekommen. Was taten wir hier?

    Doch sobald ich mich von ihm entfernt hatte, schien mir etwas zu fehlen, so als würde mein Herz, das gerade erst wieder mit mir sprach, sich nun wieder vollkommen zurückziehen. Auch Erebor war direkt aufgestanden und er sah aus, als hätte er gerade alles verloren, was ihm in seinem Leben etwas bedeutet hatte. Seine Augen schrien förmlich nach mir und als er wieder näher kam, konnte ich mich nicht beherrschen. Mit einer Wildheit, die ich zwar in ihm bereits gesehen hatte, aber bei mir nicht kannte, ergriffen wir unsere Gesichter und pressten sie aneinander. Es fühlte sich an, als müsste es genauso sein. Ich merkte, wie mein Körper nach mehr verlangte und da war es wieder.

    „Nein!“, stöhnte ich. "Das dürfen wir nicht!“ Meine Vernunft setzte wieder ein und hielt mich davon ab, nicht nur mein Leben, sondern auch noch Erebors Leben zu zerstören. Was dachte ich mir nur hierbei? Ich konnte doch nicht so einfach sein Leben aufs Spiel setzen. Ich merkte, wie mich eine plötzliche Übelkeit überkam. Ich war ein grausamer Mensch, ich verdiente es nicht, in seiner Nähe zu sein.

    „Wieso nicht?“, fragte Erebor und sein Blick ließ mich schon fast wieder schwach werden. Es tat mir leid, dass ich ihn so sehr verführt hatte und ihm dieser Gefahr ausgesetzt hatte. Ich war wirklich ein mieses Miststück und es gab wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht noch mal so eine selbstsüchtige Frau wie mich. Ich hatte beinahe den Mann, der mein Herz wieder geöffnet hatte, denn das musste ich mir einfach eingestehen, zu meinem schrecklichen Leben verurteilt. Wieder überkam mich die Übelkeit, der Ekel vor mir selbst und mir wurde beinahe schwindelig.

    „Das verstehst du nicht“, sagte ich keuchend und meinen Bauch haltend. Ich war immer noch außer Atem von der Erregung, die mich gepackt hatte, aber ich musste mich beruhigen, durfte nicht noch einmal meine Fassung verlieren. Ich durfte nie wieder meine Mauer einbrechen lassen, nicht, wenn Erebor in der Nähe war.

    „Nein, ich verstehe es nicht“, sagte er und wollte wieder näher kommen. Ich wich ihm aus. Auf einmal schien mir das warme Feuer nicht mehr so angenehm, wie noch zuvor. Ich hatte das Gefühl, es drohte mich zu verbrennen. Ich hatte meine Hand schon zu weit in die Flammen gestreckt.

    „Wir beide ...“ Es tat weh, ihm das zu sagen, aber es musste sein. Ich durfte ihn nicht an mich heran lassen. „Das wird niemals geschehen.“ Ich wusste, mein Blick musste etwas anderes sagen, wahrscheinlich war er fast flehend, denn in mir gab es in diesem Moment zwei Fearwynns. Die Eine, die immer noch nach seinen Berührungen verlangte, und die Andere, die die erste Fearwynn am liebsten ins Nirwana verbannen würde.

    Er verstand es wirklich nicht und kam wieder auf mich zu. Ich wollte es nicht, wusste, dass, wenn ich nicht sofort ging, ich wieder die Kontrolle verlieren würde und das Miststück in mir würde die Überhand gewinnen. Also ging ich schnellen Schrittes zurück zu allen anderen und ließ Erebor einfach stehen, ohne eine Erklärung, die er sicherlich verdient hatte.
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  16. #16
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    Kapitel 16

    Seltsame Begegnungen unter den Bäumen bei Nacht

    Gwyneth


    Am nächsten Morgen weckten mich wieder diese nervtötenden Vögel und ich hätte liebend gerne etwas nach ihnen geworfen. Doch ich traute mich nicht so richtig. Außerdem waren sie viel zu flink für mich, die ich nie besonders gut im Werfen gewesen war.

    Schon völlig genervt stand ich auf und betrachtete mich in dem Spiegel, der an der Wand hinter meiner Waschschüssel gelehnt stand. Meine Augenringe waren mit jedem Tag tiefer geworden, bis ich dachte, dass es gar nicht mehr schlimmer ging. Doch jeder morgendliche Blick, den ich hinein in das reflektierende Glas warf, belehrte mich eines Besseren.

    Ich hatte Gwen verboten mich vor dem Mittag aufzusuchen. Ich konnte ihre fröhliche Art um diese Uhrzeit noch nicht ertragen. Und so hatte ich wenigstens ein paar Stunden nur für mich, in denen ich mich in aller Ruhe waschen, anziehen und wach werden konnte. Wie immer begann ich damit, das Wasser für meine Katzenwäsche zu wärmen. Das Feuer brannte über Nacht meist nur so weit herunter, dass ich am Morgen nur ein paar kleinere Holzscheite in die Glut stecken musste, um es wieder zu entfachen. Mitte November war es ratsam, es nicht ausgehen zu lassen. Vermutlich wäre ich sonst morgens an meinem Schwamm festgefroren.

    Als ich angezogen war wagte ich einen Blick über die Baumwipfel im Osten. Zum Glück war das große Gebirge, welches die Leute hier Nebelgebirge nannten, im Westen und erlaubte es uns so, jeden Morgen die Sonne aufgehen zu sehen. Normalerweise war das keine Uhrzeit für mich, doch irgendwie hatte ich es zu schätzen gelernt, so früh wach zu werden. Denn der Blick der glühend roten Sonne, wie sie sich langsam über den Rand der Welt schob und die Wolken lila und orange malte, war es doch irgendwie wert.

    Nachdem ich gerade mein Frühstück beendet hatte und die benutzen Sachen zum Spülen zum Fluss tragen wollte, klopfte es an meiner Tür. „Minno“, benutzte ich die gelernte Höflichkeitsform, um jemanden hereinzubitten. Es war Haldir. Wer auch sonst?

    Ich verdrehte leicht die Augen, als ich ihm die Rücken wieder zuwandte, um eine Sachen zusammen zu tragen. „Mae govannen, Haldir. Was kann ich für dich tun zu so früher Stunde?“

    „Du hast dich hier bereits gut eingelebt“, sagte er und hörte, dass er auf und ab ging. „Deine Sprache wird immer besser und auch das Schwert vermagst du nun schon wieder sicher zu halten.“

    Noch immer kramte ich in meinen Kochutensilien herum, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen, während er mit mir sprach. Es deprimierte mich immer, wenn ich seinen depressiven Ausdruck sah. Außerdem ging es mir auf die Nerven, dass er ständige meine Nähe suchte. Ich wusste nicht, woran das möglicherweise liegen könnte, doch es war mir auch egal. Von diesem Mann, Elb, Wieauchimmer, ging für mich keinerlei Anziehungskraft aus. „Es ist freundlich von Euch, dies zu bemerken“, sagte ich.

    Seine Schritte hielten inne und ich spürte seinen Blick zwischen meinen Schulterblättern. „Es wird Zeit, deine Fertigkeiten einer Prüfung zu unterziehen. Die Herrin wünscht, dass du meinen Bruder bei seiner Wache vertrittst. Er hat wichtige Geschäfte im Osten zu erledigen. Seine Anwesenheit wurde von Thranduil, König des Waldland-Reiches, erbeten. Und du wirst mich heute zu den Grenzen begleiten.“

    „Ernsthaft?“, fragte ich und drehte mich zu ihm um. Ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an und hoffte, dass er seinen eigenen Gesichtsausdruck erkennen würde. Doch wenn er es tat, überspielte er es geschickt. Denn er nickte nur und überreichte mir ein Schreiben, in welchem mich Galadriel anwies, Haldir an die Grenzen zu folgen. Offensichtlich hatte sie geahnt, dass ich nicht auf ihn hören würde. „Wenn die Herrin es befiehlt, habe ich wohl zu folgen.“

    Er nickte noch einmal. „Ich werde dich in einer Stunde abholen. Ziehe die Kleider an, die ich dir mitgebracht habe.“ Mit einer ausladenden Handbewegung wies es vor die Türe, wo ein Bündel Klamotten lag. Ich nickte nun meinerseits, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und er jetzt endlich gehen konnte. „In einer Stunde“, wiederholte er unnötigerweise noch einmal, dann war er verschwunden.

    Ich seufzte einmal tief und ließ den Kopf hängen. Mir blieb auch wirklich nichts erspart.

    Nach exakt einer Stunde klopfte es erneut an meiner Türe. Ich hatte mich in der Zwischenzeit umgezogen, meine Behausung ein wenig aufgeräumt und mein Geschirr im Fluss gewaschen. Hoffentlich würde diese Wach-Sache nicht allzu lange dauern, dachte ich, als ich noch einmal den Sitz meiner Klamotten überprüfte und die Türe öffnete.

    Es war nicht so einfach gewesen, wie sich das vielleicht anhören mag, denn diese seltsamen Gewänder, die man hier trug, waren nicht leicht zu bändigen. Doch nach einer gewissen Zeit hatte ich es endlich geschafft, dass es nicht mehr ganz so lächerlich aussah. Haldir betrachtete mich prüfend, dann begann er mit dem Abstieg. Zum Glück trug ich nun Hosen und musste nicht befürchten, dass er mir unter meinen Rock gucken konnte.

    „Sag mal“, begann ich, als mir wieder festen Boden unter den Füßen hatten und den Weg an die Grenzen begannen, „wenn du dich immer bei mir rumtreibst, wer ist dann auf deinem Posten?“

    Zum ersten Mal sah ich den Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen. Ich wusste nicht, wie ich das gemacht hatte, aber irgendwie machte es mich ein bisschen stolz, diesen steifen Kerl dazu bewegt zu haben, seine Mundwinkel zu heben. Er hatte mir einen Bogen, einen Köcher Pfeile und ein Kurzschwert als Waffe gegeben und mir beim Anlegen geholfen.

    „Mein Bruder Rúmil übernimmt in der Zeit meine Aufgaben. Doch keine Angst, er ist nicht alleine dort“, sagte er und schritt schneller aus. Ich hatte Mühe mit ihm mitzuhalten und bereits nach einer Stunde hätte ich liebend gerne diese weichen Lederschuhe ausgezogen und wäre barfuß gelaufen. Jeder weitere Schritt war eine Qual bei diesem Tempo und nun rächte sich meine Nikotinsucht, denn bald schon konnte ich nur noch schnaufen. Diese Naturfreaks waren wirklich die Härte.

    Eigentlich hatte ich mich recht schnell an das Leben ohne Zigarette gewöhnt. Es war zwar nicht leicht gewesen, aber mein Körper war mit so vielen Mangelerscheinungen geschlagen gewesen in den ersten zwei Wochen, dass es der Nikotinentzug auch nicht mehr wert war, sich aufzuregen. Den Badezimmerentzug fand ich weitaus schlimmer!

    Und nun, da wir auch noch weitab von jedem Nachttopf waren, wurde es sogar noch schlimmer. Jedes Mal, wenn sich meine Blase meldete, musste ich Haldir darum bitten, eine kurze Pause einzulegen. Ich verkroch mich dann meistens hinter einem besonders dicken Baumstamm, da ich hier nach geeigneten Gebüschen vergeblich suchte. Und die Tatsache, dass ich mir mit Blättern als Toilettenpapier aushelfen musste, machte es irgendwie nicht besser.

    Am nächsten Morgen hatten wir, dank unserem zügigen Tempo, bereits den Platz erreicht, an dem Haldir und seine Brüder mich damals aufgelesen hatten. Ich erkannte es zwar nicht wieder, aber Haldir versicherte mir, dass es so war. Und was hatte ich für eine andere Wahl, als ihm zu glauben?

    Ich begrüßte seinen Bruder Rúmil höflich, er bedachte mich mit einem distanzierten Nicken und ich beschloss, dass wir alle ziemlich beste Freunde werden würden. Zumindest, wenn es einmal so weit kommen sollten, dass ich ihm das Leben retten musste.

    „Zunächst wirst du mit Rúmil die Tagwache übernehmen“, begann Haldir mich einzuweisen. Er zeigte mir den Aussichtsposten, von welchem aus man vom Boden aus nicht gesehen werden konnte, die Feuerstelle und unser Proviantlager. Meine Frage nach dem Nachttopf quittierte er mit einer hochgezogenen Augenbraue und zog es vor, mir nicht zu antworten, sondern seinem Bruder etwas auf Sindarin zuzuzischen.

    Ich bedankte mich für diese spärliche Auskunft und bezog meinen Posten auf einem Ast. Ich versuchte es mir so bequem wie möglich zu machen, doch es wollte mir nicht so recht gelingen. Erst, nachdem Rúmil mir eine Decke reichte, die ich mir in den Rücken stopfen konnte, entspannte ich mich etwas. „Hannon le“, sagte ich und er nickte mir zu. Vielleicht war er doch nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte.

    Was allerdings noch schlimmer war, als ich angenommen hatte, war, auf diesem bescheuerten Ast zu hocken und in die Gegend zu starren. Und das den ganzen Tag lang. Bereits zur Mittagszeit konnte ich meine Augen kaum noch aufhalten und musste mich regelrecht am Stamm festklammern, dass ich nicht wie ein Stein nach unten plumpste. Die Rinde war viel zu glatt, die Decke rutschte mir immer wieder weg und meine Schuhe glitten ständig daran ab, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als rittlings auf dem Ast zu sitzen. Das jedoch dankte mir mein Hintern, indem er anfing zu schmerzen und einzuschlafen. Auch meine Beine schliefen immer wieder ein und ich musste mein Gewicht verlagern, um wieder Blut zirkulieren zu lassen.

    Genervt fing ich irgendwann damit an, die Blätter von den Ästen zu zupfen, wurde jedoch schon nach zweien harsch angefahren, das doch bitte sein zu lassen. Also verschränkte ich die Arme vor der Brust und schaute düster weiter in den Wald hinein.

    Ich war so unendlich dankbar, als schließlich die Sonne untergegangen war und ich diesen dämlichen Ast verlassen konnte, dass ich beinahe den Holzboden unserer Aussichtsplattform geküsst hätte. Doch ich konnte mich gerade noch zusammen reißen. Wenn ich so etwas jeden Tag machen müsste, würde ich mir wahrscheinlich schon nach einer Woche freiwillig einen Strick drehen.

    Und kaum hatte ich etwas zu essen bekommen und lag auf meinem improvisierten Lager, fielen mir die Augen zu und ich schlief durch bis zum nächsten Morgen. Ich hatte wohl noch nie so seelisch geschlafen wie in dieser Nacht. Und es bereitete Haldir und Rúmil einige Schwierigkeiten, mich wieder wach zu bekommen.

    „Sie ist eine Plage“, hörte ich Rúmil seinem Bruder auf Sindarin zuflüstern. Offensichtlich dachte sie, dass ich noch schlief. Doch diesen Gefallen würde ich ihnen nicht tun. Als ich die Augen aufschlug, bemerkte ich, dass die Sonne schon hoch am Himmel stand. Offenbar hatte ich länger geschlafen, als ich dachte.

    Das zweite, was mir auffiel, war, dass ich die beiden Brüder ziemlich gut verstehen konnte. Erstaunt richtete ich mich auf. Sofort kam Haldir zu mir. „Du hast einen wirklich gesunden Schlaf, Gwyneth“, sagte er. Doch seine offensichtlich humoristisch gemeinten Worte erreichten sein Gesicht mal wieder nicht. „Und ihr seid wirklich unhöflich“, antwortete ich ihm in seiner Muttersprache, was ihn, wie ich zufrieden feststellte, leicht verunsicherte.

    Bevor er sich wieder fassen konnte, oder bevor ich noch weitere Worte an ihn richten konnte, ging Rúmil dazwischen. „Du wirst heute mit Haldir die Nachtwache übernehmen“, sagte er und ich nickte, zu überrascht darüber, dass scheinbar über Nacht die Erkenntnis, wie man Sindarin sprach, gekommen war. Ich beschloss, dieses seltsame Phänomen nicht weiter zu hinterfragen, und begann mit meiner morgendlichen Katzenwäsche.

    Später am Abend, nachdem ich mir ein bisschen die Beine vertreten hatte auf dem Waldboden, setzte ich mich zu Haldir. Er saß im Schneidersitz am Rand der Plattform und hatte die Augen geschlossen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass er meditiert.

    Ich räusperte mich, doch er reagierte nicht. Also sagte ich einfach: „Es tut mir leid. Ich bin für dieses Leben nicht geschaffen. Meine Welt ist eine andere. Wenn ihr mich nach Hause lassen würdet, dann müsstet ihr euch nicht mehr mit mir herumschlagen. Bitte, Haldir, lass mich gehen.“

    Ohne die Augen zu öffnen, antwortete er: „Wüsstest du denn, wohin du deine Schritte lenken solltest?“ Und als ich betreten schwieg, fuhr er fort: „Nun, wie du siehst, weißt nicht nur du nicht, wo deine Heimat liegt. Auch wir wissen es nicht. Du bist hier aufgetaucht und nun müssen wir uns deiner annehmen, ob uns dies zusagt oder nicht. Auch für uns ist es nicht gerade eine Freude, aber uns bleibt keine andere Wahl. Die Herrin sagt, dein Schicksal ist mit dem unseren hier verbunden. Also bleibst du.“

    Noch immer rührte ich mich nicht. Ich hatte ja geahnt, dass sie mich nicht wirklich leiden konnten, aber dass sie mich regelrecht als lästig empfanden verletzte mich doch etwas. Doch vermutlich hatte er Recht: Wir saßen alle in demselben Boot und mussten nun zusammen arbeiten, wenn wir wollten, dass es funktionierte. Also erhob ich mich, wunderte mich noch ein bisschen über meinen poetischen Ausbruch und machte mich fertig für die Nachtwache.

    Als die Sonne schließlich untergegangen war, versteckte ich mich mit Haldir in einer Baumkrone und schaute hinaus in die Nacht. Natürlich war es mit meinen Augen schwer, etwas zu erkennen, da ich keine Elbe war. Und da es in der unmittelbaren Umgebung kein Licht gab, war das einzige Leuchten der Mond am Himmel. Das einzige, was ich demnach erkennen konnte, waren die Umrisse der nahe stehenden Bäume. Dahinter wurde für mich alles schwarz.

    Ich hatte keine Ahnung, warum man ausgerechnet mich dafür ausgewählt hatte, Orophin bei der Wache zu vertreten, doch was hätte ich auch sonst getan? Weiter mit Gwen Sindarin gelernt und früh zu Bett gehen. Aus etwas anderem bestanden meine Abende hier leider nicht. Ohne Fernseher oder Computer war es schwer, sich selbst zu unterhalten. Und mit den Büchern, die hier übrigens ziemlich spärlich waren, konnte ich ohnehin nichts anfangen. Die Schrift war noch schwerer zu entziffern, als die eines Arztes. Wären es Runen gewesen hätte ich sie vielleicht lesen können. Doch dieses verschlungene Geschreibsel war mir völlig fremd.

    Und so hockten wir auf einem Ast, eine Hand an den dicken Hauptstamm gelegt, die andere zur Balance leicht ausgestreckt. Ich lauschte angestrengt in die Nacht hinein, denn ich hatte schnell gemerkt, dass meine Ohren gar nicht so schlecht waren. Meine Augen waren gegen die der Elben, die wahnsinnig gute Kontaktlinsen tragen mussten, einen Katastrophe. Doch meine Ohren waren fast so gut wie ihre. Mehr als einmal hatte ich Haldir schon damit überrascht, dass ich seine leise geflüsterten Worte verstanden hatte.

    Vielleicht war das der Grund, warum sie mich ausgewählt hatten, mit ihm Wache zu stehen. Aber eigentlich war es mir auch egal. Es war nicht kühler als in meinem talan und ich hatte wenigstens etwas zu tun. Der dicke Mantel auf meinen Schultern wärmte mich sogar noch ziemlich gut.

    Gerade wollte ich ihn aus Scherz fragen, ob wir nach etwas Bestimmtem Ausschau hielten, als ich etwas hörte. Es war weit entfernt und unglaublich leise und zuerst erkannte ich es nicht als ein fremdes Geräusch, denn er vermischte sich mit dem Rauschen der Blätter. Doch dann, als es näher kam, zeichnete es sich deutlich ab. Es war ein Keuchen und Rasseln, wie jemand, der eine Lungenentzündung hatte.

    Zuerst dachte ich unweigerlich an meine Schwester. Auch ihr Atem hatte sich während ihrer letzten Wochen so ähnlich angehört. Mir traten Tränen in die Augen, als ich an sie dachte, wie sie schwach in ihrem Krankenbett lag, von Weiß umgeben, ängstlich vor der Operation und blass und in ihrem eigenen Schweiß gebadet.

    Doch ich rief mich schnell zur Ordnung. Wynni war gestorben, als man sie hatte operieren wollen. Ihr Körper hatte der Narkose nicht mehr widerstehen können. Sie war zu schwach gewesen. Ihre Infektion hatte sie so ausgezehrt, dass nicht mehr viel von dem übrig war, was meine Schwester gewesen war. Sie war dünn und blass gewesen. Doch ihre Augen hatten mich noch erkannt, bevor die bleierne Müdigkeit über sie hereingebrochen war. Sie hatte mich angesehen, dessen war ich mir sicher.

    „Hörst du das?“, flüsterte Haldir nun neben mir. Er war ganz nah an mich heran gekommen, damit uns niemand hören konnte, wenn wir miteinander redeten. Sein Mund war dicht neben meinem Ohr, so dicht, dass ich seinen Atem spüren konnte. Es jagte mir eine leichte Gänsehaut über den Nacken. Wann war ich das letzte Mal einem Mann so nahe gewesen?

    Ich nickte jedoch nur, weil ich Angst hatte, dass meine Stimme zu laut sein könnte. Er streckte daraufhin seinen Arm aus und deutete in die Richtung, aus der das komische Geräusch kam. Angestrengt starrte ich in die Dunkelheit.

    „Wo sind wir nur, mein Schatz?“, sagte plötzlich eine Stimme und ich zuckte zusammen. Sie klang merkwürdig ängstlich und hoch. So etwas hatte ich noch nie gehört. Was war das für ein Geschöpf?

    „Haben wir uns etwa verlaufen?“ Eine Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf, sprang auf meine Arme über und ließ mir schließlich auch meine Haare zu Berge stehen. Es war noch immer dieselbe Stimme, das konnte ich erkennen. Doch sie hatte sich plötzlich verändert. Sie war tiefer geworden und die Angst daraus war vollkommen verschwunden. Sie klang nun höhnisch, von oben herab und furchtbar gehässig.

    Die leichten Schritte auf den herab gefallenen Blättern hielten inne. „Nein“, sagte wieder die hohe Stimme. „Wir wissen ganz genau, wo wir sind. Nicht wahr, mein Schatz?“
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  17. #17
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    Kapitel 17

    Fremdes Land, fremde Sitten?

    Fearwynn


    Auf dem Weg zur Halle des Feuers musste ich stehen bleiben. Was war da am Lagerfeuer nur passiert? Wie hatte ich so die Kontrolle verlieren können? Ich wusste es nicht. Immerhin war ich noch nie mit solch einer Situation konfrontiert worden. Ich musste kopfschüttelnd schnauben. Ja genau, warum hatte mein Leben mich nicht darauf vorbereitet, was ich tun sollte, wenn mich in einem Komatraum, welchen ich zudem in einem Fantasieland verbrachte, plötzlich meine Gefühle übermannten? Es war schon komisch.

    Normalerweise hatte ich gedacht, dass mein Kopf sich meinen Traummann für solch eine Szenerie aussuchte. Groß, schlank, blaue Augen und kurzes, blondes, unordentliches Haar. So ein australischer Surfertyp, den man ab und zu in Filmen, Serien, oder in der Werbung sah. Aber nein, mein Kopf hatte sich für diesen Traum, oder was auch immer das hier war, etwas anderes ausgedacht. Er hatte sich fast das genaue Gegenteil ausgesucht. Erebor war genauso groß wie ich, hatte braune, fast schwarze Haare und hatte graue Augen. Doch es waren genau diese Augen gewesen, die mich vor wenigen Augenblicken noch so aus dem Konzept gebracht hatten. Diese grauen, gütigen, standhaften und doch tiefgründigen und sanften Augen, die in einen hineinzusehen schienen wie in ein offenes Buch.

    Bei dem Gedanken an seine Augen und den Blick, mit dem er mich am Feuer angesehen hatte, wie die Flammen des Lagerfeuers sich in ihnen lodernd gespiegelt hatten als wären sie die Flammen seiner eigenen Leidenschaft. Das ließ mir wieder den Atem stocken.

    Mit einer Wucht, die ich noch nie zuvor in mir gekannt hatte, hieb ich meine Faust in einen Baum. einige Splitter der Rinde sprangen vom Stamm ab, andere bohrten sich in mein Fleisch. Aus den Stellen, in denen die Splitter in meiner Hand saßen, drang Blut hervor. Dieses elende Blut, das mein Leben so schrecklich gemacht hatte. Ich hasste es und es war ein gutes Gefühl, wie es meinen Körper verließ. Ebenso fühlte sich der Schmerz gut an, der sich nun in meiner Hand ausbreitete. Schmerzen waren ein Weg zur Bestrafung, und die hatte ich mehr als verdient. Für meinen Egoismus und die Leichtfertigkeit, mit der ich beinahe einen anderen Menschen, einen, der mir sehr viel bedeutete, zum Tode verurteilt hatte. Wie in Trance von diesen Gedanken hieb ich wieder auf den Baum ein, immer und immer wieder, und es vertrieb alle Gedanken in meinem Kopf. Es fühlte sich gut an über nichts nachzudenken.

    „Ich denke nicht, dass dieser Baum Schuld an Eurem Groll hat.“ Ich hielt in meiner Bewegung inne als Gandalf hinter mir hörte. Hatte er nach mir gesucht? Hatte er gewusst, wo er mich fand, oder war es Zufall gewesen, der ihn hierher gebracht hatte? Bei Gandalf konnte man sich nicht sicher sein. Aber was interessierte es ihn, ob ich diesen Baum nun benutzte, um mich selbst zu bestrafen?

    „Das ist doch nur ein Baum“, sagte ich fast etwas zu patzig und im ersten Moment sah Gandalf mich etwas komisch an. Dann grinste er leicht. „Lasst das nicht die Elben oder Ents hören.“ Was in aller Welt waren bitte Ents? Aber meine Gedanken wurden dann von Schmerzen abgelenkt. Doch es war ein anderer Schmerz als zuvor. Zuvor war es der Schmerz des Schlages gewesen. Jetzt brannten die kleinen Wunden an meinen aufgeschlagenen Händen. Als ich auf meine Hände sah, wurde der brennende Schmerz noch größer. Das war immer so, wenn ich den Ursprung der Schmerzen sah. In diesem Falle waren die von mir als klein betitelten Wunden an meinen Handknöcheln doch größer, als ich erwartet hatte, und das Blut, das daraus rann, vermischte sich mit dem Harz des Baumes, das auf den Wunden klebte.

    „Wir sollten nach oben gehen, um das behandeln zu lassen“, sagte Gandalf und drückte mich mit sanfter Gewalt die Treppen hoch. Ich wusste, ich hatte keine andere Wahl als mit ihm zu gehen. Oben angekommen nahm mich unverzüglich Arwen, Herr Elronds Tochter, in ihre Obhut. Sie blickte hinab auf meine Hände und wollte sie gerade in die ihren nehmen, als ich sie wegzog. Niemand sollte auch nur in die Nähe meines Blutes kommen, nicht, wenn ich es vermeiden konnte. Vor allem nicht jemand so Reines wie Elronds Tochter. Niemals würde ich mir verzeihen können, wenn sie durch mich infiziert werden würde.

    „Lasst Euch verarzten, Fearwynn“, bat Arwen mich, doch ich gab ihr meine Hände nicht. Sie sah verwundert zwischen mir und Gandalf hin und her. Anscheinend wusste sie nicht, was sie von meiner Ablehnung halten sollte.

    „Holt doch bitte einige Stoffverbände, etwas Athelassalbe und frisches Wasser, während ich unsere störrische Freundin davon überzeuge, sich verarzten zu lassen“, sagte Gandalf zu Arwen, die daraufhin verschwand. Ich wollte schon protestieren, dem alten Mann klar machen, dass ich nicht behandelt werden wollte, zumindest nicht von jemand anderem. Sein Blick jedoch ließ mich bereits im Ansatz meiner Worte stocken.

    „Warum fürchtet Ihr Euer Blut?“, fragte er und ich sah ihn verblüfft an. Woher wusste er das? woher wusste er, dass mein Blut etwas damit zu tun hatte? „Ich durfte Eure Hand berühren, aber da hatte das Blut noch nicht Eure ganze Hand bedeckt. Ebenso blickt Ihr es an, als wäre es eine hinterlistige Schlange, die Euch jeder Zeit angreifen könnte.“

    Irgendetwas sagte mir, dass ich Gandalf erzählen konnte, was mit mir nicht stimmte. Ich konnte ihm vertrauen. Also berichtete ich ihm von meiner Krankheit und er hörte sich alles mit einer mir bisher unbekannten Geduld und Güte an. Immer wieder stellte er Fragen zu meiner Krankheit, äußerte sich aber nicht, ob es diese Krankheit auch hier gab. Es war komisch, jemandem hier davon zu erzählen. Es fühlte sich an, als ob ich etwas Dunkles in diese Welt brachte hatte, die sowieso schon von einer Dunkelheit bedroht wurde. Ich fühlte mich dreckig und schmutzig und würde nichts dagegen tun können.

    „Deswegen darf mich keiner berühren, wenn ich blute“, schloss ich ab und Gandalf sah mich immer noch eindringlich an. Ich erwartete schon, dass er sich nun abwandte und auch meinen Freunden davon erzählen würde, um sie verständlicherweise vor mir zu schützen, doch Gandalf nahm meine blutenden Hände in die seinen.

    „Wenn es so ist, wie du sagst, wirst du uns nicht durch eine bloße Berührung dieser Krankheit aussetzen.“ Sein Blick schien in mich einzudringen und die Innere Unruhe, die ich seit, ich hier oben war, verspürt hatte, verflog.

    Erst wunderte ich mich darüber, dass Gandalf nicht vor mir zurück geschreckt war, doch dann fiel mir ein, dass es die Vorurteile dieser Krankheit gegenüber sicherlich nicht gab, wenn man die Krankheit selbst hier noch nicht einmal kannte. Und ohne diese Vorurteile von Unreinheit, Drogenkonsum und schutzlosem Sex war Aids eine ganz normale, aber tödliche Krankheit. Wenn man wusste, worum es ging, dann konnte man sich schützen und man würde nicht angesteckt werden.

    Doch bei Erebor, bei ihm war es zu gefährlich. Beinahe hatte ich die Kontrolle verloren. Beinahe hätte ich mich meinen Gefühlen vollkommen hingegeben, und die Krankheit komplett ignoriert. Ich hatte ihn einer Gefahr ausgesetzt, über die er noch nicht einmal Bescheid wusste. Und ich fürchtete, dass ich in seiner Zukunft öfters die Kontrolle über meine Gefühle verlieren könnte, und irgendwann würde ich sie nicht rechtzeitig wieder zurück gewinnen.

    „Ich komme nicht mit Euch.“ Nur kurz nachdem ich mich endlich von Arwen hatte verarzten lassen, suchte ich Deorhain auf. Er war schon mitten in den Planungen für die Reise, der ich einige Stunden zuvor noch zugestimmt hatte.

    „Was meinst du damit?“, fragte er mich etwas verwirrt und blickte von seinen Blättern auf, die er auf einem großen Tisch verteilt hatte. Die Karten sahen alt aus und schienen schon lange hier in Bruchtal gewesen zu sein, doch das durfte mich nun nicht ablenken. Ich wusste, was ich wollte, und musste es durchziehen, was auch immer geschah.

    „Wenn ich euch begleite, könnte das Erebor in Gefahr bringen“, sagte ich und wusste direkt, dass Deorhain das nicht verstehen würde. Er wusste ja noch nichts von meiner Krankheit, obwohl ich ihn, wenn auch nur um einige Minuten, länger kannte als jeden anderen hier. Er war mir mittlerweile so etwas wie ein Großvater geworden, den ich nie gehabt hatte.

    „Ich verstehe das nicht, ich verstehe euch nicht!“, sagte er und warf resignierend seine Hände in die Luft. „Erst stimmst du zu und Erebor ist sauer und nun könntest du auf einmal eine Gefahr für ihn werden?“ Es blieb mir keine andere Wahl, ich musste auch ihm grob von meiner Krankheit berichten, auch wenn ich es nicht wollte.

    „Ich habe eine Krankheit. Sie wird mich irgendwann umbringen und sie hätte, es bevor ich hierher kam, beinahe geschafft. Diese Krankheit wird dadurch übertragen, dass mein Blut mit dem Blut eines anderen in Berührung kommt oder ich … na ja … mich mit jemandem vereine.“ Deorhains Blick wurde etwas wissender. Anscheinend hatte er die Spannung zwischen uns bereits bemerkt und war sich unserer Gefühle füreinander bewusst.

    „Nachdem ich Erebor gefolgt war, da … konnten wir unsere Gefühle füreinander nur schwerlich beherrschen. Wenn ich mich nicht von ihm losgerissen hätte, wäre Erebor nun genauso zum Tode verdammt wie ich.“ Meine Stimme klang verzweifelter, als ich es je gewesen war. Der Gedanke, Erebor beinahe dieser Krankheit ausgesetzt zu haben, brachte mich schier um den Verstand. Aber auch Deorhains Blick war verzweifelt. Er trat einen schritt näher an mich heran und tat etwas, das ich in dieser Situation noch nicht einmal von meinem Großvater erwartet hatte: er schloss mich fest in seine Arme. Ich erwiderte seine Geste und auf einmal merkte ich, wie unaufhaltsame Tränen meine Wangen hinunterflossen. Wut über mich selbst und Selbstmitleid erfüllten meine Gedanken. Warum musste diese dumme Krankheit nur gerade in mir schlummern? Warum war ich damals nur von der Gruppe weggegangen? Als mein Körper von einem Weinkrampf erschüttert wurde, hielt Deorhain mich noch fester, so als könnte ich mich vollkommen fallen lassen und dennoch nicht auf dem Boden aufschlagen. Es tat gut, einmal dem freien Lauf zu lassen, das ich meiner Mutter zuliebe immer verborgen hatte. Hier musste ich einmal nicht die Starke sein und Rücksicht auf die Schuldgefühle meiner Mutter nehmen.

    Meine Mutter … ich liebte sie … aber sie hatte mein Leben noch schwerer gemacht, als es durch diese Krankheit sowieso schon gewesen war. Sie hatte mich in eine große, undurchdringliche Blase gesteckt. Hatte mich von allem ferngehalten, das mich in irgendeiner Weise krank hätte machen könnte. Einerseits war es natürlich gut, aber andererseits hatte ich eigentlich schon damals mein Leben verloren. Mein Leben, wie ich es vielleicht hätte führen wollen. Und da ich meine Mutter so sehr geliebt hatte, hatte ich ihr nie etwas davon erzählt. Wahrscheinlich saß sie genau in diesem Moment neben meinem Bett und schickte jeden weg, der nicht mindestens 10 Mal alles desinfiziert hatte, was er dabei hatte.

    Natürlich, sie meinte es nur gut, doch dass sie damit ihre beiden Töchter zu einem Leben zwang, das keine der beiden hatte leben wollten, das hatte sie damals nicht gesehen, und wahrscheinlich tat sie es immer noch nicht.

    Erst jetzt erinnerte ich mich wieder daran, dass Gwyneth noch ins Zimmer gekommen war, als die Ärzte mich für diese Notoperation vorbereitet hatten. Ich hatte ihren Blick gesehen, als sie in das Zimmer gekommen war, mit einem großen Stauß Blumen. Der Strauß war sofort auf den Boden geflogen und hatte auf dem Boden einige er Blütenblätter verloren. Ich hatte ihr noch gesagt, ich würde mit ihr reden, wenn ich wieder wach war. Und nun? Nun war ich mir selbst nicht sicher, ob ich je wieder aufwachen würde. Hatten Gwyneth und meine Mutter sich wieder versöhnt? War vielleicht sogar mein Vater gekommen, als er entweder von meinem Tod oder meinem Koma erfahren hatte? Und wenn ich tatsächlich tot war, hatten sie auch alle meine Wünsche berücksichtigt?

    Ich hatte mir das Koma oder den Tod immer so vorgestellt, dass man auf die Leute, die man liebte, sehen konnte wie sie trauerten. Doch anscheinend war es etwas ganz anderes. Man bekam nichts von alle dem mit. Man war von seiner Welt vollkommen abgeschottet. Hätte ich überhaupt lieben können? Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr ich mich in den wenigen Monaten, die ich nun hier war, verändert hatte. Die Abwesenheit meiner Krankheitssymptome und die damit einhergehende Abweisung der Menschen um mich herum hatte mich zu einem Leben geführt, das ich bisher nicht gekannt und um ehrlich zu sein auch abgelehnt hatte. Ich war offen und freundlich geworden.

    Noch vor einem Jahr hatte ich keine Freunde gehabt, niemanden, der sich wirklich für mich interessierte. Und hier? Hier wies mich keiner zurück, wenn sie von meiner Krankheit erfuhren, im Gegenteil, sie nahmen mich sogar in den Arm, und das brachte mich zurück in das Hier und Jetzt.

    Meine Tränen waren schon vor einiger Zeit versiegt und ich hatte nur die beschützende Umarmung dieses freundlichen, alten Mannes genossen. Als ich mich nun von ihm löste, sah er mich beinahe mitleidig an, und ich wollte schon zurückschrecken, doch ich sah in seinen Augen, dass es echtes, ehrliches Mitleid war. Mein Schicksal schien ihn beinahe zu zerreißen. Doch es war schon lange nicht mehr nur mein Schicksal. Es war auch Erebors. An dem Tag, an dem wir uns getroffen hatten, hatte irgendeine Macht unsere beiden Schicksale untrennbar miteinander verbunden. Sein Schmerz war meiner, und meiner war schein Schmerz. Das wusste Deorhain, er hatte es gesehen, bevor irgendjemand von uns beiden es erkannt hatte.

    „Du musst es ihm sagen“, bat Deorhain und ich wusste, er hatte Recht. Vielleicht würde er sogar Verständnis dafür haben und wir konnten weiterhin Freunde sein. Freunde, zwischen denen eine Spannung stand, die sie niemals ausleben durften. „Er wird wahrscheinlich an der Böschung am Ende der Straße sein. Von dort aus beobachtet er immer den Mond.“ Ohne auch nur weiter darauf zu achten entschloss ich mich, zu diesem Ort zu gehen, bevor ich mich noch umentscheiden konnte.

    Tatsächlich stand Erebor an dieser Böschung und sah sich den zunehmenden Mond an, der hier und da von kleinen Schleierwolken bedeckt wurde. Irgendetwas sagte mir, dass er bereits wusste, was mit mir nicht stimmte. Und dennoch, ich musste sicher sein, musste hoffen, dass ich diejenige war, die es ihm sagte, dass er es von mir und nicht von jemand anderem erfuhr.

    „Erebor, ich … ich muss dir etwas sagen“, fing ich an und als er langsam seinen Kopf zu mir drehte, wusste ich nicht, wie ich den Blick aus seinen Augen deuten sollte.

    „Ich habe es bereits gehört. Ich war in der Nähe, als du es Gandalf erzählt hast“, sagte er und nun, zusammen mit dem Klang seine Stimme, konnte ich seinen Blick deuten. Er war enttäuscht. Enttäuscht, dass ich ihm nicht als erstes erzählt hatte, was mit mir los war, und wahrscheinlich enttäuscht, dass ich ihn beinahe solch einer Gefahr ausgesetzt hatte. „Weißt du. wie das war, es nur durch Zufall zu hören?“, fragte er weiter und ich wusste, ich musste mich seinen Fragen stellen. „Wieso hast du es mir nicht gesagt?“

    „Ich hatte Angst. du würdest dich von mir abwenden, wenn ich es dir sage. Das habe ich schon zu oft erlebt“, sagte ich und blickte beschämt auf den Boden. Ich wusste nicht, was nun passieren würde, aber zumindest wusste er nun, was mit mir nicht stimmte, und er würde selbst entscheiden können, wie er damit nun umging.

    „Aber egal, was du nun entscheidest, denke daran, dass wir unseren Gefühlen nie nachgeben dürfen. Niemals dürfen wir die Kontrolle verlieren. Wir müssen unsere Gefühle füreinander begraben, dürfen ihnen nicht nachgeben. Schaffst du das?“, fragte ich und sah ihn ernst an. Und ich meinte diese Frage auch ernst. Um nichts in der Welt wollte ich Erebor einer so sicheren Gefahr, die ich war, aussetzen. Aber ebenso konnte keiner von uns mehr ohne den anderen sein. Also mussten wir Grenzen aufstellen, die wir einhalten mussten.

    „Wenn es eine Sache gibt, die ich in meinem Leben gelernt habe, dann ist es im stillen zu leiden“, sagte Erebor und sah mir tief in die Augen. Ich sah eine tiefe Wunde in seinem Blick, eine Wunde, die bis hinunter in sein Herz reichte. Er würde nicht daran sterben, und das war etwas Gutes. Doch diese Wunde würde sich nicht schließen, nicht solange ich bei ihm war. Aber er wollte die Wunde und den Schmerz, wollte nicht ohne mich gehen, und daher würde ich ihm folgen.
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