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Thema: Euer Gedicht des Tages!

  1. #81
    Jack+Sam Shipper Avatar von AngiAngus
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    Das Huhn und der Karpfen

    Auf einer Meierei
    Da war einmal ein braves Huhn,
    Das legte, wie die Hühner tun,
    An jedem Tag ein Ei
    Und kakelte,
    Mirakelte,
    Spektakelte,
    Als ob's ein Wunder sei.

    Es war ein Teich dabei,
    Darin ein braver Karpfen saß
    und stillvergnügt sein Futter fraß,
    Der hörte das Geschrei:
    Wie's kakelte,
    Mirakelte,
    Spektakelte,
    Als ob's ein Wunder sei.

    Da sprach der Karpfen: "Ei!
    Alljährlich leg' ich ´ne Million
    Und rühm' mich dess' mit keinem Ton;
    Wenn ich um jedes Ei
    So kakelte,
    Mirakelte,
    Spektakelte -
    Was gäb's für ein Geschrei.

    Heinrich Seidel (1842-1906)

  2. Danke sagten:


  3. #82
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    @AngiAngus Schön, dass mal wieder jemand anders ein Gedicht postet! Wo der Karpfen recht hat - hat er recht!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  4. #83
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Äpfellese


    Das ist ein reicher Segen
    In Gärten und an Wegen!

    Die Bäume brechen fast.
    Wie voll doch alles hanget!

    Wie lieblich schwebt und pranget
    Der Äpfel goldne Last!

    Jetzt auf den Baum gestiegen!
    Lasst uns die Zweige biegen,

    Dass jedes pflücken kann!
    Wie hoch die Äpfel hangen,

    Wir holen sie mit Stangen
    Und Haken all' heran.

    Und ist das Werk vollendet,
    So wird auch uns gespendet

    Ein Lohn für unsern Fleiß.
    Dann zieh'n wir fort und bringen

    Die Äpfel heim und singen
    Dem Herbste Lob und Preis.

    (Hoffmann von Fallersleben)
    Geändert von John's Chaya (12.10.2012 um 22:52 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  5. #84
    Jack+Sam Shipper Avatar von AngiAngus
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    Der Schnupfen

    Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
    auf dass er sich ein Opfer fasse
    - und stürzt alsbald mit großem Grimm
    auf einen Menschen namens Schrimm.
    Paul Schrimm erwidert prompt: „Pitschü!"
    und hat ihn drauf bis Montag früh.

    Christian Morgenstern

  6. #85
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    @AngiAngus Das Gedicht gibt es schon hier, siehe 10.05.12!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  7. #86
    Jack+Sam Shipper Avatar von AngiAngus
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    Ja, aber es passte doch gerdae so schön.

  8. #87
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Aus der Ferne

    Wie schön! wenn aus vergang'nen Zeiten
    Ein Jugendhauch den Geist bewegt,
    Und leis' an längst verklung'ne Saiten
    Des viel bewegten Herzens schlägt!
    Ist es ein Traum aus frühen Tagen?
    Ist es der Kindheit Sonnenblick?
    Ich fühl' es tief und kann's nicht sagen,
    Ich fühle erster Tage Glück.
    Was mir dazwischen hingeflossen,
    Vergessen ist es wie das Heut;
    Was mich umgibt, wird übergossen
    Vom Zauber der Vergangenheit.


    (Wolfgang Maximilian Goethe)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  9. #88
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Schade, dass so wenige hier etwas posten. Ich habe mal wieder was für euch.

    Herbstzeit

    Herr, es ist Zeit.
    Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten
    auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren lass die Winde los.

    Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
    gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin, und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.

    Wer jetzt kein Haus hat,
    baut keines mehr.
    Wer jetzt allein ist,
    wird es bleiben,
    wird wachen, lesen,
    lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern,
    wenn die Blätter treiben.

    (Reiner Maria Rilke)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  10. #89
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    Das ist ein Gedicht zum Totensonntag. Zur Erinnerung an all jene, die von uns gegangen sind.



    Ihr, die ihr schlaft schon manches Jahr,
    Ihr, die ihr seit kurzem begraben -
    Wacht auf! und macht euch der Gäste bereit:
    Ihr sollt euern Sonntag heut` haben!

    Was wir verloren mit euerm Tod,
    Das werden wir nie verschmerzen.
    Und dennoch - : heut hält ein heimlicher Strom
    Verknüpft die sehnenden Herzen!

    Auf Brücken der Liebe eilen wir hin
    Zu eurer schweigsamen Stätte;
    Da ist`s uns, als hielten wir eure Hand
    Und säßen still - traulich am Bette.

    Da pflegen wir heimliches Zwiegespräch
    Tiefinnig - wie kaum zu sagen
    Und blicken uns klar ins Aug` hinein
    Und nicken und lächeln und fragen -

    Wie dieses und wie jenes kam,
    Wir wollen es euch erzählen;
    Was uns`re Seele umschlossen hält,
    Darf eur`er Seele nicht fehlen -

    Und kehren wir dann vom Friedhof heim
    Im dämm`rigen Abendstunden,
    Dann soll uns allen ums Herze sein,
    Als hätten wir jene gefunden,

    Die wir für immer verloren geglaubt,
    Die wir so lange entbehrten,
    Die, ob sie auch der Tod geraubt,
    Auf ein Stündelein ... wiederkehrten.


    (Otto Promber, 1874-1941)
    Geändert von John's Chaya (25.11.2012 um 01:04 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  11. #90
    Jack+Sam Shipper Avatar von AngiAngus
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    Wann wird’s Winter?

    Wenn vor Frost die Finger frieren,
    Eiszapfen die Giebel zieren;
    wenn die Luft vor Kälte klirrt,
    kann sein, dass es bald Winter wird.

    Wenn die roten Nasen laufen,
    Menschen husten, schniefen, schnaufen,
    Wartezimmer überschwellen,
    bringt der Winter Grippewellen.

    Wenn die Tage kürzer werden,
    hört man bittere Beschwerden,
    denn die langen Nächte führen,
    schnell zu hohen Heizgebühren.

    Wenn die Autos nur noch schlittern
    und die Fahrer frösteln, zittern,
    sieht man, wo einst Straßen waren,
    Kinder froh mit Schlitten fahren.

    Sean-Andrew Kollak

  12. #91
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    Weihnachten ist ja nun fast vorbei, aber dieses Gedicht musste einfach noch sein!


    Von drauß' vom Walde komm ich her;
    Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
    Allüberall auf den Tannenspitzen
    Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
    Und droben aus dem Himmelstor
    Sah mit großen Augen das Christkind hervor;
    Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann,
    Da rief's mich mit heller Stimme an:
    "Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
    Hebe die Beine und spute dich schnell!
    Die Kerzen fangen zu brennen an,
    Das Himmelstor ist aufgetan,
    Alt' und Junge sollen nun
    Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
    Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
    Denn es soll wieder Weihnachten werden!"
    Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
    Meine Reise fast zu Ende ist;
    Ich soll nur noch in diese Stadt,
    Wo's eitel gute Kinder hat."
    - "Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
    Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier:
    Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
    Essen fromme Kinder gern."
    - "Hast denn die Rute auch bei dir?"
    Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
    Doch für die Kinder nur, die schlechten,
    Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
    Christkindlein sprach: "So ist es recht;
    So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
    Von drauß' vom Walde komm ich her;
    Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
    Nun sprecht, wie ich's hierinnen find!
    Sind's gute Kind, sind's böse Kind?

    (Theodor Storm)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  13. #92
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Es ist doch mal wieder sehr kalt draußen, da darf man schon einmal den Frühling herbeisehnen.


    Sehnsucht nach dem Frühling

    O wie ist es kalt geworden
    und so traurig, öd' und leer!
    Raue Winde wehn von Norden,
    und die Sonne scheint nicht mehr.

    Auf die Berge möcht' ich fliegen,
    möchte sehn ein grünes Tal,
    möcht' in Gras und Blumen liegen
    und mich freun am Sonnenstrahl.

    Möchte hören die Schalmeien
    und der Herden Glockenklang,
    möchte freuen mich im Freien
    an der Vögel süßem Sang.

    Schöner Frühling, komm doch wieder,
    lieber Frühling, komm doch bald,
    bring uns Blumen, Laub und Lieder,
    schmücke wieder Feld und Wald!

    (Hoffmann von Fallersleben)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  14. #93
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Na ja, so ein bisschen Winter können wir doch noch haben, oder nicht? *g*

    Schnee zum Skifahren - das hat doch auch was.

  15. #94
    Sam&Jack - Shipper Avatar von Sam&Jack
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    Ist zwar nur ein kurzes, aber sehr aussagekräftiges Gedicht:


    „Schläft ein Lied in allen Dingen,
    Die da träumen fort und fort,
    Und die Welt hebt an zu singen,
    Triffst du nur das Zauberwort.“

    -Joseph von Eichendorff

  16. Danke sagten:


  17. #95
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Zitat Zitat von Antares Beitrag anzeigen
    Na ja, so ein bisschen Winter können wir doch noch haben, oder nicht? *g*

    Schnee zum Skifahren - das hat doch auch was.
    So lange man nicht auf Bus und Bahn angewiesen ist und nicht zigmal am Tag Schnee schieben muss ...
    Ich habe erst einmal in meinem Leben auf Ski gestanden und das waren nur Langlaufski - Schnee ist nicht meine Welt.

    So, dann kommt hier jetzt mal ein Schneegedicht, für alle die Schnee lieben.



    Neuschnee

    Flockenflaum zum ersten Mal zu prägen
    mit des Schuhs geheimnisvoller Spur,
    einen ersten schmalen Pfad zu schrägen
    durch des Schneefelds jungfräuliche Flur.

    Kindisch ist und köstlich solch Beginnen
    wenn der Wald dir um die Stirne rauscht
    oder mit bestrahlten Gletscherzinnen
    deine Seele leuchtende Grüße tauscht.

    (Christian Morgenstern 1871-1914)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  18. #96
    Jack+Sam Shipper Avatar von AngiAngus
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    Der Assoziationskette habt ihrs zu verdanken...

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    Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
    die Tage täglich sich verkürzen,
    wenn Amsel, Drossel, Fink und Meisen
    die Koffer packen und verreisen,
    wenn all die Maden, Motten, Mücken,
    die wir versäumten zu zerdrücken,
    von selber sterben – so glaubt mir:
    es steht der Winter vor der Tür!

    Ich laß ihn stehn!
    Ich spiel ihm einen Possen!
    Ich hab die Tür verriegelt
    und gut abgeschlossen!
    Er kann nicht rein!
    Ich hab ihn angeschmiert!
    Nun steht der Winter vor der Tür –
    und friert!

    (Heinz Erhardt)

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  20. #97
    Denkende Leseratte mit Kampfkatze Avatar von Tamara
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    Zur Feier des morgigen Tages ein Adventsgedicht


    Advent


    Es treibt der Wind im Winterwalde
    die Flockenherde wie ein Hirt
    und manche Tanne ahnt wie balde
    sie fromm und lichterheilig wird.
    Und lauscht hinaus: den weißen Wegen
    streckt sie die Zweige hin - bereit
    und wehrt dem Wind und wächst entgegen
    der einen Nacht der Herrlichkeit.

    (Rainer Maria Rilke)
    Nicht, was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns,
    in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich.
    (Arthur Schopenhauer)

  21. Danke sagten:


  22. #98
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Advent

    (1893)

    Advent ist kommen, die köstliche Zeit
    Voll Harren und Sehnen und Ahnen.
    Auf, Zion, rüste dein festlich Kleid
    Und mache schlicht seine Bahnen!

    Dein König kommt! Durchs fahle Feld
    Gehn kündende Glockenklänge.
    Bald leuchtet der Stern am Himmelsgezelt
    Und wecket die Weihnachtsgesänge.

    Schon wartet im Wald der Tannenbaum,
    Daß schimmernden Schmuck er trage;
    Die Kinder harren im dämmernden Raum
    Und zählen die schleichenden Tage.

    Und wie gekommen aus Liebe allein
    Der Weihnachtsgast in das Leben,
    So rüstet sich alles, landaus, landein,
    Um Liebe für Liebe zu geben.

    Advent ist kommen. - Nun himmelwärts
    Die Blicke vom Dunkel der Erden!
    Zieh ein, mein Herr! Dein harrt mein Herz,
    Laß deinen Tempel es werden!

    (Georg Oertel)
    Geändert von John's Chaya (30.11.2013 um 21:06 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  23. Danke sagten:


  24. #99
    Denkende Leseratte mit Kampfkatze Avatar von Tamara
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    Ein sehr schönes Gedicht hast Du da ausgesucht, gefällt mir sehr gut!
    Nicht, was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns,
    in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich.
    (Arthur Schopenhauer)

  25. Danke sagten:


  26. #100
    Denkende Leseratte mit Kampfkatze Avatar von Tamara
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    Ein Gedicht zum Advent, allerdings weniger besinnlich als bitterböse. Eigentlich wollte ich es ja an Nikolaus posten ... aber ein paar Tage später ist es immer noch schön.



    ADVENT
    (Loriot)


    Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
    Schneeflöcklein leis herniedersinken.
    Auf Edeltännleins grünem Wipfel
    häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
    Und dort vom Fenster her durchbricht
    den dunklen Tann ein warmes Licht.

    Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
    die Försterin im Herrenzimmer.
    In dieser wunderschönen Nacht
    hat sie den Förster umgebracht.
    Er war ihr bei des Heimes Pflege
    seit langer Zeit schon im Wege.

    So kam sie mit sich überein:
    am Niklasabend muss es sein.
    Und als das Rehlein ging zur Ruh',
    das Häslein tat die Augen zu,
    erlegte sie direkt von vorn
    den Gatten über Kimme und Korn.

    Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
    zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
    und ruhet weiter süß im Dunkeln,
    derweil die Sternlein traulich funkeln.
    Und in der guten Stube drinnen
    da läuft des Försters Blut von hinnen.

    Nun muss die Försterin sich eilen,
    den Gatten sauber zu zerteilen.
    Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
    nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

    Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
    (was der Gemahl bisher vermied),
    behält ein Teil Filet zurück
    als festtägliches Bratenstück
    und packt zum Schluss, es geht auf vier
    die Reste in Geschenkpapier.

    Da tönt's von fern wie Silberschellen,
    im Dorfe hört man Hunde bellen.
    Wer ist's, der in so tiefer Nacht
    im Schnee noch seine Runden macht?
    Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
    auf einem Hirsch herangeritten!

    "He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
    die armen Menschen Freude machen ?"
    Des Försters Haus ist tief verschneit,
    doch seine Frau steht schon bereit:
    "Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
    's ist alles, was ich geben kann."

    Die Silberschellen klingen leise,
    Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
    Im Förstershaus die Kerze brennt,
    ein Sternlein blinkt - es ist Advent.


    Quelle: Loriots Heile Welt (erschienen bei Diogenes)
    Geändert von Tamara (11.12.2013 um 01:55 Uhr) Grund: Orthographie
    Nicht, was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns,
    in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich.
    (Arthur Schopenhauer)

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