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Thema: FF SG1/SGU - Zeit Zwischen den Fronten

  1. #1
    Senior Airman
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    Standard FF SG1/SGU - Zeit Zwischen den Fronten

    Titel: Zeit zwischen den Fronten
    Autor: Garfield
    Rating: M
    Pairing: keines
    Anmerkungen: Danke an Antares für Beta und Hilfestellungen
    Inhalt: was passiert nach Subversion auf der Erde?

    ************************************************** ***************

    Zeit zwischen den Fronten

    Jack O’Neill löste die Hand von dem Kommunikationsstein und brauchte eine Weile bis er sich wieder sicher im eigenen Körper fühlte. Seine Hand zitterte leicht, als er sie zurückzog und schließlich fest auf seinen Brustkorb presste um seinen Herzschlag zu spüren.

    „Jack?“

    Daniels Stimme drang fragend an sein Ohr. Sein Freund war mit ihm im Raum geblieben und hatte die Verbindung überwacht. Ohne ihn anzusehen schob Jack geräuschvoll den Stuhl zurück.

    „Corporal“, brummte er und erhob sich mit einem Ruck. Womit er allerdings nicht rechnete war, dass ihm seine Beine fast den Dienst versagten und ihm schwindlig wurde. Sofort packte er nach der Stuhllehne und stabilisierte seinen Stand. Verflucht sei diese Antiker-Technik.

    „Jack …“

    Daniels Stimme klang nun wesentlich alarmierter und veranlasste Jack zu einem grimmigen Blick.

    „Corporal“, brummte er wieder, stiefelte an Daniel vorbei und stapfte zu seinem Büro zurück. Der Schwindel verging, was aber blieb war der Schmerz in seinem Knie. Er wusste, dass er leicht hinkte und er wusste, dass Daniel es wusste, was ihn seltsamerweise noch mehr in Rage brachte.

    „Jack, was …?“

    Daniel folgte ihm mit hastigen Schritten. Jack hielt ihm die Tür auf und als Daniel in seinem Büro stand, ließ er geräuschvoll die Tür ins Schloss fallen. Dann verschanzte er sich hinter seinem Schreibtisch.

    „In einen Corporal haben sie mich gesteckt, das muss sich mal einer vorstellen“, grummelte Jack, während er sich einen Kaffee einschenkte und geistesabwesend ein paar Papiere auf der Tischplatte hin und her schob. Er fühlte, dass Daniel ihn dabei beobachtete und aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, dass sein Freund ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken konnte.

    „Freut mich, dass du darüber lachen kannst“, blaffte Jack und leerte seinen Kaffeebecher in einem Zug, bevor er damit fortfuhr, Daniel zu ignorieren.

    „Wie ist es gelaufen, von dem Corporal-Part mal abgesehen?“, fragte Daniel schließlich geduldig und machte es sich in dem Stuhl vor Jacks Schreibtisch bequem.

    Eigentlich hatte Jack gehofft, er würde Daniel mit seiner schlechten Laune vergraulen können, aber da kannte er seinen Freund schlecht. Oder kannte ihn Daniel so gut, um immer noch erkennen zu können, dass Jack die schlechte Laune vorschob, um nicht über das eigentliche Thema sprechen zu müssen? Wahrscheinlich Letzteres, gestand sich Jack selbst ein und seufzte schwer.

    „Young wird tun, was zu tun ist“, gab er widerstrebend zu und begann ziellos in einer Aktenmappe zu blättern, nur um Daniel nicht ansehen zu müssen.

    „Du meinst, er wird ihn foltern …“

    Daniel zog immer pazifistische Lösungen vor. Umso mehr hatte Jack gehofft, Daniel würde versuchen zu verstehen, dass sie zu drastischen Maßnahmen greifen mussten, um die Konditionierung durch die Luzianzer-Allianz zu lösen.

    „Daniel…“

    „Ihn in Agonie versetzen, um die Wahrheit aus ihm herauszupressen.“, bohrte Daniel weiter.

    Nein, sein Freund mochte vielleicht verstehen, warum sie diesen Weg wählten aber einverstanden war er damit ganz und gar nicht.

    „Daniel!“

    Jacks Tonfall wurde schärfer. Er wusste, Daniel war zwigespalten was die gewählte Vorgehensweise betraf. Er kannte die moralischen Bedenken seines Freundes, auch wenn Daniel den militärischen Aspekt akzeptieren musste. Jack wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass sie kurz vor einem Krieg standen, den zu verhindern er zu unorthodoxen Mitteln greifen musste.

    „Und wenn euer Plan schiefgeht? Wenn Telford dabei draufgeht…“

    Daniel schürte seine eigenen Zweifel und das ärgerte Jack gewaltig. Glaubte Daniel wirklich, er würde diesen Gedanken nicht hegen? Erschien er wirklich so eiskalt?

    „Telford hat uns verraten, Daniel. Er zwingt uns in einen Krieg, den ich nicht führen will und nicht führen darf“, meinte Jack mühsam beherrscht. „Und deshalb werde ich alles tun, um diesen Krieg zu verhindern.“

    „Auch Telford töten?“

    Wütend schlug Jacks flache Hand auf den Schreibtisch. Böse funkelte er Daniel an und bemerkte mit Genugtuung, dass Daniel kurz erschrocken zusammenzuckte. Doch sofort hatte sich Daniel gefangen und begegnete stur Jacks Blick. Er sagte kein Wort, doch das musste er auch nicht. Jack konnte in seinen blauen Augen noch immer lesen wie in einem Buch. Und was er nun darin las gefiel ihm nicht. Daniel konnte seine Bedenken und Zweifel kaum verbergen und er provozierte Jack bewusst. Einmal mehr wurde die Distanz, die sich in den letzten Jahren unweigerlich zwischen ihnen aufgebaut hatte deutlich spürbar. Und Jack hoffte vergeblich auf Daniels Einsicht von früher.

    „Wann wirst du verstehen, dass manchmal das Wohl vieler wichtiger ist, als das Wohl eines einzelnen“, murmelte Jack in einem letzten Versuch zu beschwichtigen und auf eine normale Ebene der Unterhaltung zurückzukehren.

    „Du hast meine Hilfe in Anspruch genommen. Und wie ich schon sagte, er hat Rechte, oder nicht?“, zeigte sich Daniel unerbittlich.

    Noch eine ganze Weile hielt Jack seinem Blick stand, würgte Ärger und Frustration hinunter und widmete sich wieder seinem Papierkram. Er wollte nicht mit Daniel streiten und das machte er deutlich indem er sagte: „Ich werde das nicht mit dir diskutieren, Daniel.“

    Daniels Blick ruhte noch lange auf ihm und ein leise gemurmeltes „als ob du das jemals getan hättest“ drang vage an sein Ohr. Doch Jack ignorierte auch das und hoffte, Daniel würde sich einfach mit seiner Verweigerung abfinden und gehen. Auch wenn er wusste, dass das einen weiteren Riss in ihrer Freundschaft bedeuten konnte. Er hielt unweigerlich die Luft an und wartete Daniels Reaktion ab. Er war auf alles gefasst – von stiller Akzeptanz bis hin zu verbaler Auflehnung – und spürte wie ihm sein Magen die Aufregung und den Kaffeekonsum mit heftigem Sodbrennen quittierte.
    Eindringliches Klopfen an der Tür sorgte dafür, dass er nie erfahren sollte, wie Daniels Reaktion ausgefallen wäre. Kurz darauf stand ein etwas kurzatmiger Walter in Jacks Büro und berichtete: „Colonel Young hat uns Daten zu dem Planeten durchgegeben von dem aus die Luzianer-Allianz ihren Angriff starten wird, Sir.“

    Sofort pumpte neues Adrenalin durch Jacks Körper. Er sprang auf und hastete hinter Walter her. „Warte hier“, rief er in Daniels Richtung und machte sich auf den Weg in den Kontrollraum. Nur undeutlich bemerkte er, dass Daniel mal wieder nicht auf seinen Befehl hörte, sondern ihnen bis in den Kontrollraum folgte und sich dort still und unauffällig im Hintergrund hielt, während sich Jack einen Überblick über die Lage verschaffte und Einsatzbefehle erteilte. Jack blendete die Anwesenheit seines Freundes völlig aus, konzentrierte sich auf die Dinge, die getan werden mussten und gab kurze Zeit später der U.S.S. George Hammond ihren Einsatzbefehl. Auf dem großen Wandschirm beobachtete er mit versteinertem Gesichtsausdruck wie Col. Samantha Carter mit dem großen Schlachtschiff den Orbit um die Erde verließ und kurz darauf den Sprung in den Hyperspace machte.

    Nun hieß es warten. Sekunden wurden zu Minuten. Im Kontrollraum wurde es still, so still als wäre die Zeit stehengeblieben. Doch das kräftige Schlagen seines Herzens und der große Zeiger der Uhr an der Wand, zeigten Jack deutlich wie kontinuierlich die Zeit verging. Im Geiste malte er sich aus wie lange die Hammond brauchte, um ihren Bestimmungsort zu erreichen. Er stellte sich vor wie das Schiff den Hyperspace verließ und um den Planeten in den Orbit ging: Alle Mann auf Gefechtsstationen, Sam im Kommandosessel, erste Scans der Planetenoberfläche…

    „Wir haben eine Videoverbindung zu Col. Carter, Sir“, unterbrach Walter seine Gedanken. Und Jack wirbelte zum Wandschirm herum, sah Sams Gesicht und versuchte durch bloßes Schauen einen Eindruck von der Situation zu erlangen.

    „Sir, scheinbar waren die Informationen die wir erhalten haben sehr gut. Der Planet weist sehr große Naqahdria Reserven auf. Wir konnten eine große Energiequelle ausmachen, die von einem Gebäude ausgeht, das wie eine Pyramide aussieht.“

    Carter berichtete gewohnt professionell ohne Umschweife die Fakten. Er konnte ihre Anspannung fast spüren.

    „Eine Pyramide… Weckt Erinnerungen.“

    Sein Versuch die Situation etwas aufzulockern war flach, doch er meinte ein fast unsichtbares belustigtes Blitzen in ihren Augen erkennen zu können. Und allein dafür war es es wert gewesen.

    „Leider ist der Komplex mit einem Schutzschild versehen”, fuhr Carter fort.

    „Sie können Rush also nicht heraus beamen“, folgerte Jack.

    „Nein, Sir. Wir müssen Bodentruppen einsetzen.“

    Mist! Er hatte gehofft, es würde zu keinen Nahkämpfen kommen.
    „Gut, Colonel. Tun Sie’s.“

    Damit gab er ihr seine Absolution, die sie zwar nicht brauchte, aber er hoffte, ihr damit etwas Rückenstärkung zu geben. Er beendete die Übertragung mit einem aufmunternden Nicken und sah vor seinem inneren Auge, wie F-302 Fighter die Hammond verließen und zur Planetenoberfläche hinunterschossen. Jetzt hieß es erneut warten. Und er hasste es zu warten…



    Jack O’Neill verließ erst Stunden später den Kontrollraum. Er fühlte sich seltsam leer, so als gäbe es in ihm keinen Raum mehr für Gefühle. Nachdem sich die Aufregung gelegt, dass Adrenalin in seinem Blut gesunken war und sich die Aktivitäten im Kontrollraum nun auf ein Minimum beschränkten, machte sich deutliche Erschöpfung in ihm bemerkbar.
    Sie konnten nichts mehr tun. Der Kampf mit der Luzianer-Allianz war verhältnismäßig kurz gewesen, dennoch war es ihm wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, bis sich Carter endlich wieder bei ihm gemeldet hatte. Sie hatten es nur knapp in den Hyperspace geschafft, bevor der Planet auseinander geborsten war. Es war mal wieder knapp gewesen. Er hatte kaum gewagt nach Verlusten zu fragen, denn ihr Gesicht war Aussage genug für ihn gewesen. Sie hatte nur mühsam die Kontrolle gewahrt. Noch immer hörte er ihr kaum wahrnehmbares Beben in der Stimme, als sie ihm von zwei verlorenen F-302 Fightern berichtete. Sie hatte sie zurücklassen müssen, um die Hammond und ihre Besatzung in Sicherheit zu bringen. Er wusste wie sie sich fühlte. Schließlich war er es gewesen, der ihr beigebracht hatte streng nach dem Kodex „wir lassen nie jemanden zurück“ zu handeln. Er hoffte, er hatte ihr seine Anteilnahme vermitteln können. Dabei waren seine Möglichkeiten hier so beschränkt. Er hätte bei ihr auf der Brücke sein sollen. Stattdessen war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sie mit der Hammond zurück zur Erde zu beordern.

    Jack seufzte und blieb einen Moment nachdenklich im Gang stehen, um sich zu sammeln. Sie wussten nicht viel über das was dort draußen geschehen war. Lediglich sein kurzes Gespräch mit Young hatte ihm einen Eindruck von der Situation an Bord der Destiny vermittelt. Und dieser Umstand trug nicht gerade zu seiner Entspannung bei. Er hatte dem Colonel vorgeworfen, dass es reine Zeitverschwendung war eine erst mal gefasste Entscheidung zu überdenken. Er hatte ernsthaft überlegt mit Young einfach den Platz zu tauschen, ihn des Kommandos zu entheben und die Situation selbst in die Hand zu nehmen. Young hätte den Gateraum dem Vakuum aussetzen müssen, sein Zögern hatte dafür gesorgt, dass ihnen die letzte Chance genommen worden war eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden. Er war hart mit Young ins Gericht gegangen. Im Nachhinein betrachtet tat ihm der Colonel fast leid.

    Was hätte er an Youngs Stelle getan? Hätte er wirklich nicht gezögert Rush und Telford zu töten? Was wenn Daniel an Telfords Stelle gewesen wäre? Hätte er den Befehl zum öffnen der Schleusen gegeben und Daniel dem sicheren Tod überlassen? Young war der Meinung Rush und Telford hatten eine Chance verdient. Menschlich war diese Einstellung nachvollziehbar und doch… Wenn er an Youngs Stelle gewesen wäre, wenn Daniel und nicht Telford… Stopp! Rief er sich selbst zur Ordnung und schüttelte mürrisch den Kopf über seine wirren Gedanken. Hätte, wenn und aber… Es ging hier nicht um ihn oder um Daniel. Sie befanden sich im Krieg und in einer ungewissen Position noch dazu. Was zählte da das Wohl eines Einzelnen? Carter hatte zwei Piloten verloren bei dem Versuch den Angriff zu verhindern. Sie wusste, sie würde ihr Schiff riskieren, wenn sie versucht hätte die Fighter zu retten. Sam wusste, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen – zumindest was den militärischen Blickwinkel betraf. Young würde vielleicht genau in diesem Augenblick diese Lehrstunde erfahren und Jack zweifelte einmal mehr daran, dass Everett dieser Sache gewachsen war. Er hatte versucht, ihn mit Strenge wachzurütteln und unter der Drohung, jemand anderen an seine Stelle zu setzen, schien er zumindest ein wenig Kampfgeist in dem Colonel geweckt zu haben. Nun blieb ihm nur zu hoffen, dass dieser Kampfgeist ausreichte, um die Destiny und das Leben aller an Bord zu retten und die Luzianer auszuschalten.
    Jack seufzte erneut und ging zu seinem Büro zurück. Im Moment gab es nichts mehr zu tun für ihn. Sie mussten warten, bis die Destiny wieder Kontakt zu ihnen aufnahm. Warten … Er hasste es zu warten … Jack schüttelte über sich selbst den Kopf. Wie oft hatte er sich heute eigentlich schon gedacht, dass Warten nicht zu seinen Stärken zählte? Und das war nun seine Hauptbeschäftigung?

    Die Gänge waren dunkel und wurden lediglich erhellt durch die Notbeleuchtung. Es musste bereits spät am Abend sein. Der Blick auf seine Armbanduhr bestätigte seine Vermutung. Er hatte gar nicht gemerkt wie die Zeit vergangen war. Nur am Rande war ihm bewusst geworden, dass sich der Kontrollraum nach und nach geleert hatte und zuletzt war nur noch die Nachtschicht bei ihm gewesen. Unter den gegebenen Umständen hielt er es nicht für angemessen den Status höchster Alarmbereitschaft aufrecht zu erhalten.

    Er betrat sein Büro und hielt mitten in der Bewegung inne. In dem Sessel vor seinem Schreibtisch kauerte Daniel, die Arme fest um sich selbst geschlungen, und schlief tief und fest. Es war ein seltsam anrührendes Bild, das sich ihm so schon lange nicht mehr geboten hatte und welches ihm nun ein sanftes Lächeln entlockte. Er hatte angenommen, Daniel sei einfach irgendwann gegangen und später in der Hektik war auch kein Gedanke an seinen Freund mehr in ihm aufgekommen. Daniel schnarchte leise und kuschelte sich noch tiefer in den Sessel – falls dies überhaupt noch möglich war. Jack fühlte sich einfach nicht fähig, ihn zu wecken. Leise setzte er sich hinter seinen Schreibtisch, nahm sich einen Kaffee und begnügte sich damit Daniel beim Schlafen zuzusehen. Und während er so dasaß, mit beiden Händen fest die Kaffeetasse umklammert hielt, fühlte er, wie die Anspannung in ihm langsam etwas nachließ und ein wenig seines inneren Friedens zurückkehrte.

    Daniel war auf sein Drängen hin nach D.C. gekommen, um ihnen zu helfen. Es gab nur drei Menschen, denen Jack O’Neill bedingungslos vertraute – und Daniel Jackson war einer davon. Und statt ihm dankbar zu sein, musste er sich mit ihm streiten. Fast bekam er ein schlechtes Gewissen deswegen. Müde schlürfte er seinen Kaffee und lauschte Daniels sonorem Schnarchen. Seit den frühen Morgenstunden war Daniel in D.C., hatte einen Nachtflug hinter sich, die Beschattungsaktion und nun die lange Wartezeit. Ein Dreitagebart zierte sein Gesicht und Jack stellte mit Genugtuung fest, dass sein Freund ein kleines Doppelkinn bekam. Die Zeichen der Zeit machten also auch vor jungen Archäologen nicht halt, überlegte Jack grinsend.
    Er setzte seine Tasse ab und angelte nach der Kaffeekanne. Dabei stellte er sich jedoch so ungeschickt an, dass er einen Behälter mit Kugelschreibern umstieß und dieser schepperte nun über seinen Schreibtisch. Sofort war Daniel hellwach. Als er erkannte, dass es keinen Grund zur Alarmbereitschaft gab, entspannte er sich aber schnell wieder, gähnte herzhaft und streckte sich.

    „Was ist passiert?“, wollte er wissen und Jack berichtete ihm in knappen Sätzen die Geschehnisse der letzten Stunden.

    „Du hast nicht im Ernst gedacht, dass er Rush und Telford opfert, oder!?“

    „Daniel…“, unterbrach ihn Jack müde und wollte von vornherein eine Diskussion über Moral und Ethik vermeiden.

    „Was hättest du getan, wenn du an seiner Stelle gewesen wärest? Oder warte, was hättest du getan, wenn es nicht um Rush und Telford gegangen wäre, sondern um mich und… Sam?“

    „Ich war aber nicht an seiner Stelle“, knurrte Jack nicht bereit, sich von Daniel auf dieses Terrain führen zu lassen. „Wenn ich es gewesen wäre, hätten wir jetzt vielleicht eine bessere Ausgangsposition und müssten nicht hier sitzen und Däumchen drehen, während die Leute auf der Destiny um ihr Überleben kämpfen und die Luzianer-Allianz vielleicht einen Angriff auf die Erde vorbereitet. Und jetzt komm Du mir nicht wieder mit dieser Menschenrechtsdiskussion, ich hab weiß Gott andere Sorgen …“

    Jack brach ab, als ihm bewusst wurde, dass sein Ton immer lauter geworden war. Die letzten Worte hatte er regelrecht gebrüllt und er erschrak ob der Heftigkeit seiner Reaktion. Vorbei war es mit der Entspannung, wie weg geblasen sein innerer Frieden. Daniels mahnender Zeigefinger hatte sofort seine eigenen Zweifel genährt und er fühlte sich nun hilfloser denn je. Eine Weile funkelten sie sich böse an, dann ertrug er Daniels vorwurfsvollen Blick nicht länger und machte sich daran die Stifte aufzusammeln. Das Schweigen lastete bedrückend auf ihnen. Jack hatte keine Ahnung, ob er vielleicht schmerzlich das Gesicht verzog, vielleicht drückte auch seine Hand unbewusst auf seine Bauchdecke, jedenfalls schien seine Haltung Daniel plötzlich zum Einlenken zu bewegen, denn er hörte ihn schließlich seufzen und sagen: „Wann hast du das letzte Mal etwas Richtiges gegessen, Jack?“

    Verwirrt hob Jack den Kopf und sah Daniel wieder an. Essen? Regelten sie ihre Auseinandersetzungen in den letzten Jahren nur noch übers Essen? Aber wenn er darüber nachdachte, dann musste er zugeben, dass er seit dem Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen hatte. Falls man den trockenen Muffin vom Vortag wirklich Frühstück nennen konnte und die Kanne Kaffee mit der er die Krümel herunter gespült hatte, zählte wohl auch nicht gerade zur gesunden Ernährung. Er grinste verlegen und zuckte mit den Schultern.

    „Dachte ich mir doch“, entgegnete Daniel und warf einen Blick auf seine Uhr. „Du kannst hier im Moment ohnehin nicht mehr viel tun. Lass uns was essen gehen, ich lad dich ein.“

    Mit diesen Worten erhob er sich, nahm Jacks Jacke aus dem Wandschrank und warf sie ihm auf den Schreibtisch. Daniel würde keine Ausrede und kein Nein gelten lassen.



    Jack hatte sich in sein Schicksal gefügt und war Daniel schweigend gefolgt. Weder im Aufzug, noch auf dem Weg zum Wagen, selbst auf der kurzen Wegstrecke von Pentagon zu „Ted’s Montana Grill“ wollte eine Unterhaltung zustande kommen. Und nachdem Jack auf Daniels Fragen nur mit einsilbigen, meist nur gebrummten Kommentaren reagierte, hatte Daniel seine kläglichen Versuche aufgegeben.
    Nun saßen sie beide in dem gemütlichen Restaurant, warteten auf ihr Bier und studierten die Speisekarte. Daniel entging dabei nicht, dass Jacks Blick immer wieder auf sein BlackBerry schielte, das auf dem Tisch munter vor sich hin brummte und hektisch rot blinkte.

    „Also ich werde das Bison probieren, was meinst du“, sagte Daniel mit betonter Leichtigkeit, doch Jack reagierte nicht.

    Seufzend legte Daniel die Karte beiseite und beobachtete seinen Freund still. Jack tat zwar so, als würde er die Speisenauswahl studieren aber seine Stirn lag in tiefen Sorgenfalten und seine Augen bekamen einen gehetzten Ausdruck. Bei jedem Brummen und Blinken des BlackBerrys, zuckte seine Hand und es schien ihn unendliche Mühe zu kosten, der Versuchung zu widerstehen, nach dem kleinen schwarzen Ding zu greifen und in aller Eile die eingegangenen Nachrichten durch zu scrollen.

    „Walter wird anrufen, wenn es etwas Neues gibt“, versuchte es Daniel sanft. „Entspann dich mal…“

    „Was?“, fragte Jack nach einer halben Ewigkeit geistesabwesend und beschwichtigte dann mit einem gereizten „Ja ja“, als die Bedienung an ihren Tisch trat und ihre Bestellung aufnahm.

    Falls sich Daniel darüber wunderte, dass Jack überhaupt in der Lage war ein Menu zu bestellen, so zeigte er es nicht. Sicher war Jack hier öfter Gast. Er selbst hatte ihn nur ein, zweimal begleitet und auch heute war seine Wahl nur auf Ted’s Grill gelandet, weil es in unmittelbarer Nähe zum Pentagon lag und ihm auf die Schnelle nichts anderes einfiel. Das Schweigen zwischen ihnen empfand Daniel als unerträglich. Nun, da es keine Speisekarte mehr gab hinter der sich Jack hätte verstecken können, mied er einfach Daniels Blick, indem er seine Augen wie bei einem Tennismatch abwechselnd zwischen BlackBerry und Bierglas hin und her tanzen ließ. Daniel bekam allein vom Zuschauen Kopfweh. Er seufzte und nahm einen Schluck Bier.

    „Du kannst nichts tun als abzuwarten, Jack“, meinte Daniel schließlich und schien Jack damit aus seiner Trance zu reißen.

    Jack hob den Blick und schaute ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Und Daniel erkannte, was Jacks Problem war. Er konnte die Dinge nicht beeinflussen, andere standen an der Front und fochten den Kampf aus. Wie sehr dieser Umstand seinem alten Freund zusetzte merkte Daniel erst in dem Augenblick, als Jack es nicht länger aushielt, nach dem BlackBerry griff, es aus seinem schwarzen Holster zog und wild durch seine Mails scrollte. Jacks Augen flogen in schnellen Bewegungen über die Worte, sein Daumen bediente hektisch den Trackball auf der kleinen Tastatur. Wie ein Abhängiger, ging es Daniel durch den Sinn und er begann sich Sorgen zu machen.
    Er hatte Jack eine ganze Weile nicht gesehen. Umso mehr fiel ihm nun auf, dass sein Freund nicht glücklich aussah, eher verhärmt, gehetzt und ernster als Daniel ihn je erlebt zu haben glaubte. Nie hätte er gedacht, dass sich Jack O’Neill zu einem richtigen Bürokraten entwickeln würde. Er nahm seine Position ernst, vielleicht sogar eine Spur zu ernst … War Jack wirklich so ein Arbeitstier oder einfach nur sterneversessen? Nein, auf Karriere hatte Jack O’Neill eigentlich nie Wert gelegt. Aber die Zeiten änderten sich, die Zeit veränderte Menschen. Und was wussten sie wirklich noch voneinander? Meist rannten sie in Hektik durch ihren Alltag.

    Er selbst verbrachte zwar nun mehr Zeit auf der Erde, pendelte aber ständig zwischen SGC und Atlantis und genoss es einfach, sich in seinen wissenschaftlichen Forschungen zu verlieren. Zeit für Privatleben blieb da kaum. Er vermisste nichts, waren doch seine unmittelbaren Kollegen auch gleichzeitig die Menschen, mit denen er plaudern und lachen konnte, mit denen er seine knapp bemessene Freizeit verbrachte. Und wenn hie und da mal ein Angelwochenende mit Jack dabei herumkam, war das für Daniel okay. Es war für ihn normal geworden, dass er seinen alten Freund kaum noch zu Gesicht bekam, nur sporadisch mit ihm telefonierte oder eine Mail austauschte.

    Doch wie war das bei Jack? Diese Frage hatte sich Daniel nie gestellt. Er hatte nie darüber nachgedacht, wie Jack seine Abende verbrachte, ob er neue Freunde in D.C. gefunden hatte, ob er mit Frauen ausging oder ob er vielleicht sogar einsam war … Wann hatte sich diese Gleichgültigkeit eingeschlichen?

    Die Bedienung brachte ihr Essen und unterbrach damit kurz Daniels Gedanken. Immerhin brachte das Steak Jack dazu den BlackBerry aus der Hand zu legen. Sie wünschten sich einen „Guten Appetit“ und aßen schweigend. Obwohl er hungrig war, stocherte Daniel etwas lustlos in seinem Mais und dachte zurück. In Jacks erstem Jahr in Washington hatte Daniel sehr unter der Distanz gelitten. Gesagt hatte er das Jack nie. Vielleicht war deshalb damals sein Drang so groß gewesen nach Atlantis zu kommen? Dann traten Mitchell und Vala in sein Leben, es gab das neue SG-1, den Kampf gegen die Ori, die Ereignisse überschlugen sich und irgendwann füllten andere Dinge, andere Menschen die Lücke, die Jack in seinem Leben hinterlassen hatte.

    Doch was war mit Jack? Daniel beobachtete ihn eine Weile über den Rand seiner Brille hinweg. Schweigend aß er in gewohnter Manier sein Steak, mampfte Kartoffelbrei und Mais dazu und schielte dabei fortwährend auf das Display des BlackBerry. Daniel würgte seinen letzten Bissen hinunter und legte Messer und Gabel beiseite.

    „Ich mach mir Sorgen“, sagte er schließlich vorsichtig.

    Jack nickte kauend, spülte mit einem großen Schluck Bier nach und erwiderte leise: „Mach ich mir auch. Ich meine, es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn die Destiny den Luzianern in die Hände fällt. Der IOA würde mir die Hölle heiß machen und ich hab absolut keine Ahnung wie ich die Sicherheit des Planeten gegen einen mir völlig unsichtbaren Feind gewährleisten soll...“

    Daniel schüttelte den Kopf und unterbrach Jacks plötzlichen Redeschwall. „Das meine ich nicht. Ich mach mir Sorgen um dich!“

    Jack blieb der Mund offen stehen und die Gabel sank in Zeitlupe auf seinen Teller herab. „Seit wann?“, fragte er erstaunt und verzog dann das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Komm schon, Daniel. Du kennst mich…“

    Jack tat so, als wäre nichts und vertilgte den Rest seines Steaks. Er war wirklich ein Meister der Verdrängung.

    „Tu ich das?“, dachte Daniel laut. Er wollte die Worte nicht aussprechen, dennoch kamen sie über seine Lippen und Jacks Gabel landete mit einem lauten Scheppern auf dem Teller.

    „Was soll das denn nun wieder heißen?“, fragte Jack gereizt und vielleicht einen Tick zu laut, denn das Pärchen am Nachbartisch spähte neugierig zu ihnen herüber.

    „Jack, die Leute…“, mahnte Daniel und warf ein entschuldigendes Lächeln in den Raum.

    „Was interessieren mich die Leute“, schnappte Jack verärgert. „Wenn du mir was zu sagen hast, dann tu es verdammt nochmal.“

    „Vergiss es einfach, okay.“ Nun schaltete Daniel seinerseits auf stur. Er hatte versucht freundlich zu sein, Interesse an Jacks Seelenleben zu zeigen und nun das. War denn zwischen ihnen keine normale Unterhaltung mehr möglich? Er wusste, Jack bekam enormen Druck von allen Seiten. Er stand unter Stress und das wahrscheinlich nicht erst seit gestern und er wollte die Stimmung nicht noch mehr anheizen. Deshalb winkte er einfach ab und leerte sein Bier.

    „Daniel …“ Jacks Tonfall war drohend. „Spuck es aus, rede mit mir.“

    „Reden“, konterte Daniel sauer. „Ich wüsste nicht wann wir zuletzt wirklich miteinander geredet hätten, Jack.“

    Nun, war es an Jack sich verschämt nach den Leuten umzusehen, denn Daniels Stimme erhob sich um einige Oktaven über die normale Lautstärke eines Tischgespräches.

    „Wir unterhalten uns, plaudern von mir aus, aber reden, Jack …“, Daniel schnaubte verächtlich. „Du redest schon lange nicht mehr mit mir. Du sagst mir nicht, was dich beschäftigt, was du denkst … Ich weiß nicht was du fühlst … Eigentlich kennen wir uns doch gar nicht mehr“, fügte Daniel etwas leiser hinzu, senkte den Blick aufs Tischtuch und ignorierte die neugierigen Blicke von den umstehenden Tischen.
    Einige Leute begannen zu tuscheln, andere grinsten belustigt. Es war Daniel egal was sie dachten.

    Jack folgte seinem Beispiel und studierte ebenfalls das grobe Leinen. Einen Moment herrschte betretenes Schweigen. Nachdenklich zog Jack das Muster der Tischdecke mit seiner Gabel nach. Dann brummte plötzlich das BlackBerry und Jack wollte erneut danach greifen, doch Daniel packte blitzschnell nach seiner Hand und hielt sie fest: „Wage es ja nicht, oder ich schmeiß das Ding aus dem Fenster!“

    Wütendes Starren war die Antwort. Daniel hielt stur Jacks Blick stand und machte keine Anstalten nachzugeben. Jack machte ihn wirklich sauer. Einen kurzen Moment rührten sie sich nicht, dann jedoch brach Jack den Bann, indem er auf Daniels Hand schielte die noch immer sein Handgelenk gepackt hielt.

    „Ich habe einen Ruf zu verlieren, Daniel…“, gab er mit einem plötzlichen Grinsen zu bedenken.

    Daniel brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde um zu kapieren, worauf Jack anspielte und ließ ihn augenblicklich los. Er fühlte, dass er rot wurde bis unter die Haarspitzen. Er spürte förmlich die Blicke aller Gäste des Restaurants im Nacken und glaubte schon lange keine peinlichere Situation erlebt zu haben. Jack, dieser Mistkerl, grinste noch immer und ihm schien die Sache nicht halb so unangenehm zu sein.

    „Du benimmst dich wie eine eifersüchtige Ehefrau“, stellte Jack amüsiert fest.

    „Die Leute denken wahrscheinlich, das bin ich auch …“, zischte Daniel, widerstand der Versuchung Jack einfach die Zunge herauszustrecken und grinste frech zurück.



    Wenige Zeit später traten sie in die kühle, feuchte Nachtluft hinaus. Es war Oktober und es hatte fast den ganzen Tag geregnet. Nun glitzerte der Asphalt im Schein der Straßenlaternen und die Lichter der vorüberfahrenden Autos spiegelten sich auf Straße und Gehwegen. Jack schloss den Reißverschluss seiner Jacke und schlug den Kragen hoch. Tief zog er die frische Luft in seine Lungen. Es war bereits später Abend, die meisten Geschäfte in Crystal City hatten schon geschlossen, der Verkehr wurde spärlich und nur noch wenige Fußgänger befanden sich auf den Bürgersteigen. Daniel kramte bereits in seiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel, hielt ihn dann erfolgreich in die Höhe und sah Jack abwartend an. Er schien sein Zögern zu spüren. Jack hatte keine Ahnung wie der Abend weiter verlaufen sollte. Er wollte nicht nach Hause, konnte keine Ruhe finden. Aber Daniel würde ausflippen, wenn er sich von ihm zurück zum Pentagon fahren ließ.

    „Gehen wir noch ein Stück“, schlug er deshalb vor und Daniel willigte überraschenderweise sofort ein.

    Schweigend gingen sie nebeneinanderher, folgten den ausgewiesenen Fußwegen zwischen den Gebäudekomplexen und kamen so weg von der Straße in die mit viel Grün angelegten Ruhezonen. Nicht weit von ihnen entfernt sahen sie die bunten Lichter des Flughafens und beobachteten eine Weile Starts und Landungen. Ab und an fühlte Jack Daniels forschenden Blick auf sich ruhen. Er wusste sein Freund machte sich Sorgen – wenn sich etwas nie ändern würde, dann das. Jack hatte zwar während des Essens so getan, als wüsste er nicht worum es Daniel ging, doch in Wahrheit wollte er sich einfach nicht mit diesen Dingen auseinandersetzen müssen. Er wusste er hatte sich verändert. Das Leben in D.C., sein Posten, hatte ihn verändert. War das nicht normal? Er arbeitete viel. Und er dachte einfach nicht darüber nach, ob er etwas entbehrte. Sicher vermisste er seine Freunde manchmal … abends, an den Wochenenden. Doch er hatte früh nach seiner Versetzung ins Pentagon damit begonnen, sich mit gewissen Umständen abzufinden und zu arrangieren. Vielleicht war er auch unbewusst dahin zurückgekehrt, seine Gefühle unter einem Deckmantel aus Gleichgültigkeit zu verstecken. Und wenn ihm nach Gesellschaft zumute war, dann ging er abends im Hawk & Doves noch ein Bier trinken, dort traf man immer jemanden mit dem man ein interessantes Gespräch führen konnte. Daniel würde dies sicher als oberflächlich bezeichnen…

    Sie liefen noch ein paar Schritte und dann steuerte Jack zielstrebig auf eine Bank zu und ließ sich dort nieder. Daniel setzte sich neben ihn und schien geduldig zu warten. Eigentlich wollte Jack nicht über ihre Freundschaft sprechen. Seit Jahren ging er solch einer Unterhaltung erfolgreich aus dem Weg und nahm damit in Kauf, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten bis sie schließlich nur noch die Vergangenheit miteinander verband. Er wusste Daniel verdiente mehr als das. Er wusste, er selbst brauchte mehr als das. Doch er wollte es nicht zugeben. Nun hatte Daniel in dem Restaurant mit wenigen Worten die Tatsachen auf den Tisch gebracht und schien mit dem kleinen Streit eine Aussprache erzwingen zu wollen. Und Jack musste sich nun entscheiden. Er konnte weiter so tun als wäre nichts, sich verweigern, den harten Kerl raus kehren, der nichts und niemanden auf der Welt brauchte und damit riskieren, Daniels Freundschaft über kurz oder lang gänzlich zu verlieren. Oder er konnte über seinen Schatten springen, sich öffnen, zugeben, dass er manchmal einsam war, dass er gerne viel mehr Zeit mit seinen alten Freunden verbringen würde, sie vermisste und damit vielleicht mit Daniel auf einen gemeinsamen Nenner zurückfinden. Er rang mit sich selbst, während er spürte wie sein Blackberry in seiner Seitentasche munter vibrierte und entschied sich dann für Letzteres. Er seufzte und gab sich einen Ruck.

    „Es ist nicht immer leicht, weißt du“, begann er zögerlich. „Und manchmal denke ich, ich halte den Druck nicht mehr aus. Der IOA will unbedingt die Destiny haben, der Präsident gibt mir deutlich zu verstehen, dass er mich persönlich für das Leben dieser Senatorentochter verantwortlich macht, die Luzianer planen wer weiß was und wir kommen seit über einem Jahr mit unseren Ermittlungen diesbezüglich nicht weiter … Gleiches gilt für Atlantis. Glaub bloß nicht, dass es leicht ist die Existenz der Stadt geheim zu halten. Wir brauchen eine Entscheidung und die kostet Geld. Es geht immer nur um Geld … Aber ich kann große Teile der Bucht vor San Francisco nicht auf ewig unter fadenscheinigen Ausreden für den Schiffsverkehr sperren lassen.“ Jack unterbrach seinen Redeschwall mit einem schweren Seufzen. „Mag sein, dass ich in letzter Zeit mit Stress nicht mehr so gut umgehen kann und dazu neige den Druck einfach weiterzugeben …“, fügte er dann einsichtig hinzu.

    „Du musst dich nicht bei mir entschuldigen, Jack“, erwiderte Daniel und sah ihn an.

    „Doch, Daniel, das muss ich“, widersprach Jack und erwiderte Daniels Blick. „Ich habe in den letzten Jahren alle Schranken dicht gemacht, ich hab euch ausgeschlossen aus meinem Leben … Teal’c, Sam, dich … vor allem dich.“

    Daniel sah ihn etwas irritiert an. „Ich verstehe nicht ganz …“

    Jack ließ den Kopf hängen. Ja, Daniel verstand nicht. Wie sollte er auch? Wieder vibrierte das BlackBerry in seiner Brusttasche und diesmal widerstand er der Versuchung nicht, sondern holte es hervor und scrollte eilig die wenigen Nachrichten durch. Nichts Neues. Der gute Walter hielt ihn auf dem Laufenden. Und die Tatsache dass Statusmeldungen von ihm kamen signalisierte Jack, dass er noch immer auf seinem Posten war – ganz beispielhaftes Vorbild.

    „Du hängst an dem Ding wie an einer Nabelschnur …“, beschwerte sich Daniel bissig.

    Jack lachte bitter. Ja, das kleine schwarze Ding war seine Nabelschnur zum Pentagon … Mit einem sanften Lächeln verstaute er das Gerät wieder in seiner Brusttasche und lehnte sich entspannt zurück. Eine Weile starrte er in den wolkenverhangenen Nachthimmel. Kein einziger Stern war heute Abend zu sehen, seine Augen konnten lediglich die blinkenden Startlichter eines Flugzeuges ausmachen und er folgte ihnen mit seinem Blick, bis sie verschwunden waren.

    „Ich weiß, ihr denkt, ich hab mich zu einem feisten, harten Brocken entwickelt. Vielleicht stimmt das auch …“, gab Jack zu bedenken und fühlte sofort wieder Daniels Blick auf sich ruhen. Doch er würde ihn jetzt nicht ansehen. Zu gut kannte er die Intensität von Daniels Augen, die ihn oft dazu brachte, Dinge zu sagen, die ihm sonst nie über die Lippen kämen. Stattdessen atmete er tief durch, um zu Ende zu bringen was er mit diesem Gespräch begonnen hatte.

    „Tief in mir drin, Daniel, bin ich aber der Gleiche geblieben … Der alte Jack. Ich denke oft an das was war. Aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Die Zeit rast, zieht so schnell an uns vorüber, dass ich mir manchmal wünsche sie einfach anhalten zu können, um mal wieder zu verschnaufen. Zeit … es gibt immer viel zu wenig davon. Zu wenig Zeit, alles zu tun was getan werden müsste, zu wenig Zeit für soziale Kontakte, zu wenig Zeit für … mich … Und deshalb sitzt heute neben dir der neue Jack.“

    Er hielt inne und begann dann erneut: „Wenn ich ihn herauslasse, den alten Jack, so wie du ihn kennst, mit all seinen Schwächen, Gefühlen und Ängsten, verliere ich die Kontrolle, Daniel. Und das kann ich mir nicht leisten.“

    Er wusste seine Worte klangen kalt und unnachgiebig und er konnte sich vorstellen wie sehr sie auf Daniel als Ablehnung wirken mussten.

    „Du vermisst uns“, stellte sein Freund plötzlich fest und Jack fühlte förmlich Daniels Grinsen.

    Nur zögerlich sah er Daniel an und kämpfte mit dem Kloß in seinem Hals. Er wusste, es war keine gute Idee gewesen, sich auf so ein Gespräch einzulassen. Er konnte unmöglich Daniels Vermutung bestätigen, auch wenn sie noch so sehr der Wahrheit entsprach. Stattdessen erwiderte er einfach nur Daniels Blick und hoffte das Beste.
    Vehementes Brummen und lautes Piepen von seinem BlackBerry zerrissen den Augenblick und Jack war fast dankbar dafür.

    „Eine SMS von Walter“, erklärte er nachdem er das Gerät in Händen hielt. „Der Präsident erwartet mich umgehend im Oval Office …“

    Daniel nickte, blieb jedoch noch einen Moment sitzen während Jack sich bereits erhob und meinte: „Wie lange kannst du noch so weitermachen, Jack? Irgendwann ist das alles hier vorbei. Dann bist du ein Dreisternegeneral im Ruhestand und stellst vielleicht fest, dass du ganz allein bist auf dieser Welt. Zeit ist ein Geschenk, Jack, kein Fluch.“

    Jack verharrte mitten in der Bewegung und warf einen Blick zurück. Daniel saß noch immer auf der Bank und sah ihn unverwandt an. Die Wärme und das Lächeln waren aus seinem Gesicht verschwunden. Wollte Daniel ihm drohen? Ein erneutes Brummen seines Blackberry sagte ihm, dass er sich später würde Gedanken darüber machen müssen.

    „Kommst du?“, forderte er Daniel deshalb auf und schweigend kehrten sie zurück zum Wagen.



    Wenn es einen Vorteil hatte ein paarmal die Welt gerettet zu haben, dann der, mit dem Wagen vor dem Eingangsportal des Weißen Hauses vorfahren zu dürfen. Daniel machte zwar selten von diesem besonderen Privileg gebrauch aber heute war er fast dankbar dafür. Es regnete wieder in Strömen und Washington D.C. zeigte sich von seiner ungemütlichsten Seite. Da Daniel kein Hotelzimmer bekommen konnte und sein Rückflug nach Colorado Springs erst für den nächsten Morgen angesetzt war, hatte Jack ihm den Wagen und das Gästebett in seinem Appartement angeboten. Deshalb fungierte er nun als Chauffeur eines Dreisternegenerals, hielt vor der großen Freitreppe den Wagen an und ließ den Motor laufen.

    „Bist du sicher, dass ich nicht warten soll?“, fragte er als Jack sich bereits anschickte auszusteigen.

    Dieser schüttelte energisch den Kopf. „Ich nehm mir dann ein Taxi.“

    Ja, und fährst damit zurück ins Pentagon, dachte Daniel, verkniff sich aber die Bemerkung. Er ahnte, dass Jack ihr Gespräch dieses Abends nicht mehr vertiefen wollte und deshalb würde er alles daran setzen, dass sein Aufenthalt im Oval Office möglichst lange dauerte und sich eine Heimfahrt einfach nicht mehr lohnte. Er würde direkt zurück in sein Büro fahren, sich von Walter eine neue BDU, einen Kaffee und einen Muffin bringen lassen und genau dort weitermachen wo er vor Daniels Aufkreuzen aufgehört hatte. Vielleicht würde er ihm noch eine kurze SMS schicken, dass er es leider nicht mehr geschafft hatte und ihm einen guten Flug wünschen. Man würde sich sicher bald wiedersehen…

    Daniel betrachtete seinen Freund von der Seite und ertappte sich bei dem Gedanken, dass Jack begann immer mehr George Hammond zu ähneln. Jack hatte deutlich an Gewicht zugelegt seit er in D.C. war. Anfangs dachte Daniel die vielen Partys und Empfänge seien schuld daran, später schob er es auf Jacks mangelnde Bewegung und auf Frustessen, doch allmählich sorgte er sich um die Gesundheit seines Freundes. Das fahle Licht im Inneren des Wagens ließ Jacks Gesicht aufgedunsen wirken, ihm war auch das Humpeln nicht entgangen, und er fragte sich plötzlich, ob Jack irgendwelche Medikamente nahm … Die Erinnerung an Hammonds plötzlichen Herztod kam schlagartig in ihm hoch und er kämpfte die aufkeimende Panik zurück. Dennoch nahm er sich fest vor bei passender Gelegenheit mit Jack darüber zu sprechen. Doch wann war schon eine passende Gelegenheit?

    „Na, dann …“, meinte Jack plötzlich, öffnete die Beifahrertür und stieg ohne ein weiteres Wort aus dem Wagen. Er schlug die Tür zu und war bereits auf der zweiten Stufe angelangt, als er innehielt und sich noch einmal dem Wagen zuwandte.

    Daniel sah ihn durch die Seitenscheibe im Regen stehen. Es schien ihm nichts auszumachen, dass der Regen allmählich seine Jacke durchnässte. Seine Haare klebten nass an seiner Stirn und die Tropfen liefen ihm über das Gesicht. Für einen Moment wirkte er völlig hilflos und verloren. Daniel wollte schon aussteigen, als Jack auf einmal zum Wagen zurückkam, sich zum Fenster herunterbeugte und gegen die Scheibe klopfte. Daniel ließ das Fenster herunter und neigte sich zur Beifahrerseite um Jack besser sehen zu können. Er war inzwischen klatschnass, der Regen tropfte von seinem Kinn und Daniel musste unwillkürlich an die teuren Teppiche im Oval Office denken.

    „Daniel …“, begann Jack unsicher. „Wenn der alte Jack mal jemanden zum reden braucht …“

    „Werde ich da sein“, erwiderte Daniel sofort, weil er fürchtete, nicht genügend Zeit für eine Antwort zu haben. „Für den alten und den neuen Jack“, setzte er noch mit einem sanften Lächeln hinzu.

    Jack sah ihn lange durch das offene Fenster an. Es regnete in den Wagen, der Sitz wurde nass und Daniel fragte sich auf einmal ob es Regentropfen oder Tränen waren die über Jacks Wangen liefen. Er schüttelte sich innerlich, bekam eine Gänsehaut und schluckte. Dann räusperte er sich, rang sich ein Grinsen ab und meinte mit einem Winken zum hell erleuchteten Eingangsportal: „Na, los Cinderella, lass deinen Prinzen nicht länger warten …“

    Jack nickte nachdenklich, versuchte seinerseits zu grinsen bekam aber nur ein trauriges Lächeln zustande. Nach weiteren endlos erscheinenden Sekunden richtete er sich auf, wandte sich ab und ging.

    Daniel sah ihm nach, wie er schwerfällig eine Stufe nach der anderen nahm. Die Last der Welt schien auf Jacks Schultern zu liegen. Und Daniel ahnte, dass viel mehr dahinter steckte als ein drohender Krieg mit der Luzianer-Allianz. Zeit zwischen den Fronten – es gab wirklich immer viel zu wenig davon. Das Weiße Haus öffnete seine Pforten und verschlang seinen Freund, wie ein Walfisch die Beute. Blieb nur zu hoffen, dass es ihn unzerkaut wieder ausspucken würde, dachte Daniel sarkastisch und fuhr los. Es mussten unvorhergesehene Ereignisse eingetreten sein, sonst wäre Jack nicht ins Oval Office berufen worden. Wenn dem so war, würden sie bald wieder alle Hände voll zu tun haben, um die Erde zu schützen und zu verteidigen. Daniel seufzte und neigte dazu seine Aussage zu revidieren: Zeit war zwar ein Geschenk, aber wenn einem zu wenig davon übrig blieb, konnte sie auch zum Fluch werden …

    Ende

  2. Danke sagten:


  3. #2
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    Jack hat wirklich einen ... Mistjob - um es mal höflich zu sagen. Es ist schade, dass er sich so davon auffressen läßt, hoffentlich gelingt es seinem ehemaligem Team, allen voran Daniel, aber doch noch etwas gesunden Menschenverstand in ihn hereinzupauken und ihm klar zu machen, dass man so einen Stress nicht auf Dauer aushalten kann.

    Zeit ist ein Geschenk, Jack, kein Fluch.“
    Diesen Spruch sollten sich wohl einige Leute etwas zu Herzen nehmen!

    Eine schöne Story, die etwas melancholisch stimmt, aber vielleicht frißt ein Job mit so viel Verantwortung einen im Endeffekt mal auf.

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