Titel: Wir sind Legion
Serie: SGA
Genre: Horror
Rating:: FSK 16
Anmerkung des Autors: Was soll ich dazu sagen... Es ist die Nacht von Samhain, die mich auf diese Gedanken gebracht hat. Ihr wisst schon – die Nacht der bösen Geister, der „Wilden Jagd“. Ursprünglich sollte das ganze ein wenig mystischer werden, so von wegen Seelenkäfer, aber als mir der Titel in den Sinn kam, wusste ich, dass ich in eine ganz andere Richtung gehen würde.
Musikthema/Song: „Alice’s Theme“ aus dem „Alice im Wunderland“-Soundtrack (Der Film von Tim Burton)
Ich hoffe nur, ich komme nicht zu spät.
+o+o+o+
„Ich hätte auf die Alten hören sollen!“ murmelte Jev. Doch für Reue und ein schlechtes Gewissen war es jetzt zu spät. Er verfluchte sich, dass er nicht auf die Warnungen gehört und mit den Erwachsenen die Nacht in den Grabkammern der Alten verbrachte.
Er war sich sicher gewesen, das Gehöft seiner Eltern noch vor dem Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.
Aber er hatte sich verschätzt. In den Herbstmonden kam sie schnell wie ein Schatten, begleitet von Nebel, der die Sicht zusätzlich nahm.
Er konnte gerade einmal die Hand vor Augen sehen, sonst aber nicht viel.
Dafür hörte er die Geräusche um sich herum sehr viel besser. Die Gesänge der Nachtvögel war verstummt. Es hatte einem unheimlichen Gewisper und Geraschel Platz gemacht, das überall zu sein schien ... und doch nicht mit dem Lauten oder Geräusche der Tiere zu vergleichen, die sonst zu dieser Zeit unterwegs war.
Der halbwüchsige Junge erstarrte in seiner Bewegung und hob den Kopf.
Seine Augen weiteten sich, während er sich hastig umsah und dabei an die Erzählungen der Wanderer erinnerte, die diese seltsamen Laute vor ein paar Monaten das erste Mal gehört hatten und entsprechend beschrieben.
Es hört sich an wie das Flüstern verlorener Seelen.
Sein Herz schlug schneller.
Das sind die Geister derjenigen, die von den Wraith ausgesaugt wurden und keine Ruhe finden können.
Ein kalter Schauder rann über seinen Rücken, kalter Schweiß trat auf seine Stirn.
Nein, ich sage euch, es sind die Schatten der Wraith, die die Fremden töteten und sich nun das holen wollen, was ihnen verwehrt wurde.
Er spürte, wie seine Hände zu zittern begangen.
Noch einmal ließ er seinen Blick schweifen. Im Dämmerlicht der Sterne, die für einen Moment von den Nebelschwaden dreigegeben wurden, war nicht viel zu erkennen ... und dennoch genug –das Gewimmel und Gewusel auf dem Boden, über den Steinen und nicht zuletzt auf den Baumstämmen.
Jetzt erst nahm sein Verstand wahr, dass es rasend schnell näher kam!
Alles in Jev schrie nach Flucht. Er wollte sich von dem Grauen abwenden, rennen so schnell ihn seine Beine trugen – doch genau in diesem Moment versagten die Muskeln ihren Dienst. Der Schritt, den er wagte wurde zur Qual.
Ein Wimmern entrang sich seiner Kehle. Erschreckt über den Laut hielt er die Luft an, doch würde es ihn retten, wenn er einfach nichts tat?
Nein!
Sein Herz schlug so laut, dass er glaubte, es würde in seiner Brust explodieren, seine Haut war von kaltem Schweiß bedeckt. Er selbst roch die Ausdünstungen seiner Furcht, wie viel mehr würden es dann die Wesen tun, die sich ihm unaufhaltsam näherten.
Noch einmal zwang er sich dazu, seine Beine zu bewegen. Doch sie waren wie zähflüssiger Brei und wollten seinem Kopf nicht folgen. Schließlich gaben die Knie einfach nach. Er stolperte über eine Unebenheit, dann kam der Waldboden rasend schnell näher. Zwar konnte er sich noch abfangen, traf mit einer Hand aber auf einen spitzen Stein, der seine Handfläche ritzte.
Ein spitzer Stein? Nein – die Rippen eines Tieres, das unter dem Laub begraben gelegen hatte. Etwas oder jemand hatte sie messerscharf angespitzt.
Jev schrie auf, als seine andere Hand den nackten Schädel einer Luyan ertastete, eines der trickreichsten Raubjäger des Waldes, der allein den Menschen als Feind fürchten musste.
Das Gewisper wurde lauter, begieriger, hungriger und ließ ihm den Atem stocken, noch einmal den Versuch wagen, auf die Beine zu kommen. Doch wieder rutschte er weg, denn der Waldboden schien plötzlich zu leben und sich unter ihm wegzubewegen.
Sie waren heran. Mehr Käfer als er zählen konnte. Sie waren so lang wie der Mittelfinger seiner Hand, so breit wie ein Daumen. Chitingepanzerte Rücken gaben für einen Moment filigrane Flügel preis, über die ein fahles grünliches Licht tanzte. Das Gewisper wurde zu einem durchdringenden Sirren, das ihm in den Ohren schmerzte.
Jev starrte in kalte Insektenaugen, auf die Fühler, die sich ihm in Vorfreude entgegen streckten und die mahlenden Beißwerkzeuge.
Er fegte einige mit der Hand davon. Andere nutzten die Gelegenheit, sich in seinem Ärmel zu verhaken, unter die Kleidung zu schlüpfen, in seine Haut zu beißen. Sie waren jetzt überall, krabbelten seine Hosenbeine hinauf, zerschnitten den Stoff der sie von seinem Körper trennte.
Der halbwüchsige Junge ließ jede Zurückhaltung fallen.
Er versuchte ein weiteres Mal aufzustehen – als das nicht gelang warf er sich herum und wälzte sich auf dem Waldboden. Hunderte von Käfern mussten sterben, aber viel mehr folgten ihnen nach. Ihr Ansturm schien kein Ende zu nehmen.
Jev kreischte in Todesangst. Nein, er wollte noch nicht sterben!
Und doch wusste ein immer größer werdender Teil seines Geistes, dass sein Schicksal bereits besiegelt war, denn sie waren nun überall.
Zangen zerschnitten seine Haut wie Butter, durchtrennten Muskelstränge. Kleine Münder labten sich an seinem Blut. Nur sein Gesicht ließen sie in Ruhe, während andere Körperöffnungen kein Hindernis für sie darzustellen schienen.
Das Grauen und Entsetzen konnte nun nicht mehr den Schmerz überdecken. Oder die Qual mitzubekommen, wie Tausende Käfer seinen Körper als Festmahl betrachteten und in Agonie, die seinen Geist schließlich umhüllte.
Das letzte, was er wahrnahm bevor er in der lichtlosen Dunkelheit des Todes versank– war ein Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt auf ihn hinunter blickte. Mit diesem Anblick – Zügen die nicht ganz menschlich waren – und doch auch nicht die eines Wraith schwand auch seine letzte Hoffnung auf Hilfe, auf Gnade ...
+o+o+o+
Michael trat aus dem Schatten einiger Bäume an den sterbenden Jungen heran und schlug die Kapuze seines Mantels zurück um sein Leiden in Ruhe zu beobachten.
Er musste die Käfer nicht fürchten, denn sie wichen vor ihm zurück, erkannten seine Herrschaft über an. Er steuerte sie über seine künstlich verstärkten Pheromone, so ziemlich das einzige, was ihm noch von seinem früheren Wesen geblieben war. Denn alles andere bildete sich durch den Retrovirus in seinem Blut immer weiter zurück, ohne dass er es aufhalten konnte.
Seine Nasenflügel und kaum noch vorhandenen Atemschlitze zuckten, als er dabei zusah, wie die Insekten die Organe und Knochen freilegten. Der Junge war nun nicht mehr als eine blutige Masse aus Fleisch, Gedärmen und Knochen.
Jetzt wo alles Leben aus den Augen des menschlichen Knaben gewichen war, erlaubte er den Käfern auch, sich seines Kopfes anzunehmen.
Sicherlich war es die Verschwendung von Lebenskraft, aber das kümmerte ihn nicht. Viel bedeutsamer war die Genugtuung, sich vorzustellen, dass er gewisse Leute auf eine ähnliche Art und Weise sterben lassen konnte, wenn er wollte: Nämlich diejenigen, die ihn verraten hatten, als er seine Hand in Freundschaft hingehalten und das Volk, dem er entstammte verraten hatte. Die Hoffnung eine neue Heimat zu finden, war sehr schnell zerschlagen worden, und nur, weil die Fremden aus einer anderen Galaxie auch nicht besser waren als die Menschen hier.
Wenn die Bewohner der Erde, die er auf Atlantis kennen gelernt hatte, schon Furcht vor ihm haben wollten – nun dann würde er ihnen auch einen richtigen Grund dazu geben!
Die Käfer zu seinen Füßen waren nur der erste Schritt dazu. Ein Experiment, mit dem er seine Forschungen auf anderen Welten fortsetzen wollte. Sie waren Verwandte der Iratus-Käfer, wenn auch lange nicht so fortentwickelt.
Er beugte sich hinunter und ließ einen Käfer auf seine Hand krabbeln. Aufmerksam wandte sich ihm das Tier zu und kommunizierte mit seinen Fühlern und Pheromonen.
Michael antwortete stumm und bemerkte, wie auch die anderen Wesen zu seinen Füßen innehielten und lauschten. Das war es, was er an diesem Volk schätzte – nicht ihre individuelle Intelligenz, sondern die des Schwarms.
Die Macht der Masse.
Wenn er sie noch eine Weile studierte, dann konnte er dieses Wissen vielleicht nutzen, um perfekte Krieger zu erschaffen.
Stille Vorfreude ließ ihn erzittern.
„Hütet euch!“ ,sagte er dann leise in die Nacht. „Schon bald werdet ihr euch wirklich fürchten müssen: Denn wir sind Legion.“
E N D E
© 1.11.2010 by Kris